Kitabı oku: «Zwischen Aufbruch und Randale», sayfa 4
Halle (Saale) war in der Nachwendezeit eine subkulturelle Hochburg. Es gab zahlreiche Konzerte. Die alten Kneipen, in die sich kaum noch jemand verirrte, waren froh, wenn wir dort Veranstaltungen organisierten. Unsere Szene war für einen hohen Konsum an Getränken bekannt. Außerdem zogen Punkkonzerte damals zahlreiches Publikum an. So gab es am 17.9.1991 selbst in der Kröllwitzer Traditionsgaststätte Bergschänke ein Antifa-Fest, das erst für die Gaststätte Zum Reileck geplant war, bei dem u. a. Die Zusamm-Rottung und No Respect spielten.
Punkband Samenhändler
In einem besetzten Haus in Halle (Saale) 1991
Hallenser Bands wie KVD, Müllstation, Fuck’n’Die, Samenhändler, N.F.P., Klabusterbären, Uprising, Skacoholics, Rattheads, Ladehemmung, Oi! Bier, Terror, Shit in the Corner, Kurzschluss, Gossenbonzen, Jan Rebell & die Popmöser waren sehr aktiv. Es gab den Schallplattenladen Schlemihl Records, den Bootsladen Trittfest, den Grufti-Shop Temple of Cult. Die Hallenser Gothic-Band Stoa stürmte sogar die mexikanischen Indie-Charts, und die Sängerin der Hallenser Indie-Band Bobo in White Wooden Houses sang zusammen mit Rammstein den Song „Engel“ ein. GWAR verwüsteten den Schlachthof und nicht nur ich verließ geschockt und mit Blut, Eiter und sonstigen ekligen Körperflüssigkeiten durchtränkt das Konzert. Überall eröffneten neue Szenekneipen. Immer war etwas los. Selbst solche Größen wie Die Ramones oder Prodigy spielten in unserer Saale-Stadt. Sogar Helge Schneider schrieb hier Geschichte. Genervt von den unentwegten „Katze(n)-Klo“-Rufen seiner zahlreichen neuen Proll-Fans, die ihm der enorme Erfolg des gleichnamigen Songs beschert hatte, brach er mit dem legendären Satz „Ich bin doch nicht eure Hure“ ein Open Air auf der Hallenser Peißnitz-Insel ab. Es war eine Zeit des Umbruchs. Eine Zeit voller Träume, Hoffnungen und grenzenloser neuer Möglichkeiten.
N.F.P.: „Saalepower“
Halles Straßen – unser Platz, abends beginnt die nächtliche Hatz. Endlich vereint, endlich die Macht, von allem Scheiß losgesagt. Passt bloß auf! Saalepower! Brüllen, pöbeln, Bürgerschreck, die Leute rennen vor uns weg. Unser Ziel: Spaß und so und die kleine Horrorshow. Viele hielten uns für verloren, im Beton gelebt – im Gift geboren. Die Straße hat uns stark gemacht. Passt bloß auf, weil es sonst kracht! Passt bloß auf! Saalepower!
Poster vom 1. Antifa-Fest in Halle (Saale). Die Veranstaltung fand letztendlich in der Traditions-Freiluftgaststätte Bergschänke statt.
ZEITZEUGENINTERVIEW: ROMAN AKA CAPTAIN ROMANTIC AKA ROMANTIKK
ABRAUM, SKALCOHOLICS, N.F.P., MÜNCHEN 72, BRILLE, KLABUSTERBAREN
Jahrgang 1972, war (und ist wieder) Sänger der Wolfener Punkband AbRAUM, die ihre Anfänge noch zu DDR-Zeiten nahm. Er gründete mit anderen Hardcore-Enthusiasten in der Wendezeit die Band N.F.P., die es zumindest lokal zu einigem Ruhm brachte. In den 90er Jahren war er auch bei den Bandprojekten Skalcoholics, München 72 und Brille aktiv. Er schrieb in dieser wilden Zeit für das Fanzine Arbeitslosenkurier 47 und veranstaltete Konzerte u. a. mit Terrorgruppe und Hammerhead. Seit 1998 und bis heute ist er Schlagzeuger und Songwriter bei den Klabusterbären. Außerdem hat er ein kleines Soloprojekt namens Romantikk am Start. (Guckst du mal bei YouTube!)
Du stammst aus der DDR-Punkszene. Was faszinierte dich damals daran am meisten?
Naja, da muss ich ein bisschen relativieren. Ich war ja 1989 17 Jahre jung. Also so ein richtiger DDR-Punk wie du oder Shanghai war ich nicht; als wir zum Punk kamen, hattet ihr schon die Schlachten geschlagen. Wir waren die Kid-Punx!
Wie veränderte sich aus deinem Blickwinkel die DDR-Punkszene nach der Wende?
Ich sag mal so: Sie öffnete sich für Zuspätkommer wie mich, es war ja nicht mehr so konspirativ, und selbst als Plattenbau-Kind aus Wolfen bekam man raus, wo welches Konzert lief. Außerdem ging es ja dann bald los mit den „Westbands“ in Leipzig, die ganzen Hardcoreshows in der naTO und im Eiskeller, die Ami-Bands, das war genau mein Ding damals.
Was ich gut fand damals, dass alle möglichen Szenen, ob nun Hip-Hop/Graffiti, Punk, Hardcore, Skinheads, Skater, Indie, selbst Techno, alles, was irgendwie nicht massenkompatibel und irgendwie schräg und nicht-fascho war, war irgendwie zusammen, traf sich im VL (Kellnerstraße) und vor allem im GiG. (damals noch AfA oder Antifa). Das hat sich dann später ganz schön immer weiter aufgesplittert in kleinere Subszenen oder jeder dachte, er sei was Besseres.
Was waren deine krassesten Erlebnisse in der Nachwendezeit?
Gleich Silvester 1989 fuhr ich mit einigen Leuten, die teilweise bis heute in der Szene aktiv sind, mit dem Zug nach Westberlin, nach Kreuzberg. Untergekommen sind wir in einer WG, wo angeblich auch der Sänger der Band Deutsche Trinkerjugend wohnte. Keine Ahnung, ob das stimmte, uns kamen die mehr vor wie Junkies, aber wir hatten auch keine Ahnung. Jedenfalls war das da in Kreuzberg gleich das volle Programm, mit brennenden Autos, fliegenden Steinen, knüppelnder Polizei und Tränengas. Wir schauten uns das an und waren beeindruckt!
Und dann das Ding mit dem Anwerbeversuch. Die Stasi-Debatte war in vollem Gange, die BILD-Zeitung veröffentlichte Listen mit IMs, da fand ich im VL einen Aushang: Studenten für sozialwissenschaftliche Studie gesucht. Student war ich und immer auf der Suche nach leicht verdientem Geld war ich auch. Also rief ich da an, und was mich schon stutzig machte, ich wurde zu einem Termin in das Hotel Maritim gebeten. Da warteten dann zwei Typen, die vom Habitus so gar nichts von einem West-Professor und -Wissenschaftler hatten, die sahen eher so aus wie der Typ, der Aktenzeichen XY im ZDF machte, wie Ede Zimmermann. Und die „Studie“, bei der ich mitmachen sollte, sah dann so aus: „Gehen Sie mal immer schön in dieses VL und schauen Sie mal, wer dort die Rädelsführer sind und wie die das so machen.“ Ich roch natürlich sofort Lunte und sagte im VL Bescheid. Deren Reaktion war aber so: Kannst du zum Schein darauf eingehen, und wir versuchen, so rauszufinden, wer dahintersteckt. Aus heutiger Sicht total naiv von den VL-Leuten, aber auch von mir selber! Was für eine Selbstüberschätzung! Die beiden „Sozialwissenschaftler“ haben bestimmt gemerkt, dass ich nur Bullshit erzähle, und ich fühlte mich bei der Sache sehr unwohl, auch aus Angst, quasi doch was Relevantes auszuquatschen. Beim zweiten (?) Treffen saß dann ganz konspirativ ein VL-Hippie am Nachbartisch und versuchte, unser Gespräch aufzunehmen (es war das Zeitalter vor Smartphones und digitalen Aufnahmegeräten), und beim Rausgehen hat er sie fotografiert, aber auf den Fotos war kaum was zu erkennen. Dann gab es dazu eigens eine Sondernummer des Subbotnik-in-L.A.-Polit-Fanzines dazu.
Kannst du dich an lustige Erlebnisse erinnern?
Na klar, Spaß hatten wir ohne Ende! Es gab mal eine Phase mit unserer HC-Band N.F.P., so um die Zeit als das Fatsch-Tape herauskam, da sind ein Haufen Leute aus Halle (Saale) mit uns mitgefahren, in Stendal waren bestimmt so 50 Leute mit. Da hatten wir schon unterwegs so richtig Spaß. Auf der Rückfahrt sind wir dann irgendwo in der Pampa angehalten und haben erst mal ein spontanes Rave auf der Straße veranstaltet.
Oder noch in Wolfen, an die genauen Umstände kann ich mich nicht mehr erinnern, aber irgendwie gab es da mal eine Punkerwohnung in einem alten Haus quasi in der „Innenstadt“, und schräg rüber war eine Kneipe, die hat uns das Bier in 10-Liter-Eimer gefüllt und verkauft.
Oder als wir mit unserem München-72-„Band“-Projekt bei einem Hippie-Fest namens Bluminale eingeritten sind, an einem Kleinkunst-Wettbewerb teilnahmen und mit unserer A-Cappella-Version von „Wir sind die Punx vom Roten Kreuz, wir hauen allen auf die Schneuz!“ den zweiten Platz gewannen. Spaß hatten wir eigentlich jeden Tag irgendwie, Spaß war überhaupt das Wichtigste!
Deine Band AbRAUM hat ja vor und nach der Wende gespielt? Welche Unterschiede gab es?
Es ergaben sich überhaupt erst mal Auftrittsmöglichkeiten für uns, in den ganzen frisch besetzten Häusern waren wir dann viel zu Gast, VL, AfA-Café, der Knast in Magdeburg. Vorher hatten wir nur in Neubauwohnungen oder in einer Berufsschule gespielt. Es heißt ja nicht umsonst im Song „Radaubrüder“: „Die Sessions im Neubaublock / waren für die Nachbarn der große Schock“.
Du stammst aus Wolfen-Nord. Gab es dort eine große Punkzene?
Nein. Ich erinnere mich an einen Typen, der hatte einen Iro und eine Jacke mit Cinzano-Werbung drauf. Der stand am Rummel immer an der Schmetterlingsbahn und wir haben uns nicht getraut, den anzusprechen, der war halt älter als wir. Es gab dann einen Punk, mit dem wir in Kontakt kamen, und rund um unsere Band gab es dann so 10 bis 15 Leute, die so in unserem Alter und punkig drauf waren. An zwei Skinheads erinnere ich mich, da war nicht so klar, wie die drauf waren, aber es gab Kontakte zu denen. Und ein paar nette Langhaarige, die so Anarchomäßig drauf waren, und das war es schon.
Gab es in Wolfen-Nord in der Nachwendezeit auch Hausbesetzungen?
Neubauwohnungen besetzt man ja in der Regel nicht. Es gab aber einen Jugendclub, den hatte unsere Clique zu dieser Zeit für sich okkupiert. Und später einen Bunker, wenn ich mich recht entsinne, dann haben wir mit AbRAUM da auch mal gespielt.
Habt ihr auf einem der Open Airs oder Punkfeste, die damals voll aus dem Ruder gelaufen sind, gespielt, wie zum Beispiel dem Erntepunkfest in Wegeleben, Zobersdorf oder dem 3. Dessau Open Air?
Wir haben mit den Skalcoholics in Dessau auf dem Open Air gespielt.
Kannst du deine dortigen Eindrücke schildern?
Na, ich meine mich zu erinnern, dass, während wir spielten, aus der benachbarten Laubenkolonie Rauchsäulen aufstiegen … und auch vorher gab es schon Schlägereien und es war eine aggressive Stimmung. Einige aus der Band waren sehr erschrocken und meinten, dass sie das Publikum faschistoid fänden. Ich fand das damals übertrieben, aber aus heutiger Sicht muss ich ihnen schon recht geben: Was gibt einem das Recht, die Gartenlauben von irgendjemanden, den man gar nicht kennt, anzuzünden? Aber das größte Chaos herrschte auf der Release-Party zum Saalepower-Sampler.
Wann und warum hat sich AbRAUM damals aufgelöst?
Es waren die typischen musikalischen Differenzen. Unser Gitarrist Torsten, in dessen Kinderzimmer wir mithilfe seiner selbstgebauten Gitarre und dem selbstgebauten Drumcomputer angefangen hatten (damals noch zu zweit), wollte eher beim klassischen Punkrock bleiben, den anderen drei war mehr nach Hardcore, englische Texte, Mosh-Parts etc. So trennten wir uns, und wenn ich mich recht entsinne, nicht gerade auf die feine englische Art, was ich in der Rückschau bedauere, weil ohne Torsten wäre das ganze Projekt AbRAUM nie zustande gekommen.
Warum bist du nach Halle (Saale) gezogen?
Na, Halle war im Vergleich zu Wolfen-Nord schon ein Riesenfortschritt. Ich hatte ja schon meine Lehre hier gemacht, aber zu der Zeit noch in WoNo gewohnt. In Halle gab es eine Szene, besetzte Häuser, Proberäume. Und eine Universität, wo ich dann auch studieren konnte. Mit Grahli, der schon bei AbRAUM dabei war und dann auch bei N.F.P., zog ich eine WG mit Außenklo und nur schwer heizbaren Räumen! Perfekt!
AbRAUM ca. 1988
Wie hast du die Hallenser Subkultur-, Punk- und Hausbesetzerszene damals erlebt?
Na, man musste sich als Neuankömmling seinen Platz schon auch ein bisschen erkämpfen, da gab es schon Platzhirsche mit Punk- und Untergrund-Verdiensten aus DDR-Zeiten. Aber die meisten waren sehr offen und nett. Durch die Hausbesetzungen (Kellnerstraße und Reilstraße 122) hatten wir die Möglichkeit, zu proben, aufzutreten und einfach nur mit Gleichgesinnten abzuhängen. Die Kellnerstraße war quasi unser verlängertes Wohnzimmer. Wobei: Am Anfang haben wir mit N.F.P. in dem Haus vom IRIS Regenbogenzentrum geprobt, keine Ahnung, wie es eigentlich dazu kam. Als die dann dort aber ein Geburtshaus etablieren wollten, sind wir rausgeflogen, keine Mutter sollte ihr Kind bekommen, während wir eine Etage tiefer „N.F.P.! East-Germany!“ oder „I hate you!“ skandierten.
Was hast du für Erinnerungen an den Fascho-Stress damals in Wolfen-Nord und in Halle (Saale)?
Als Bedrohung war das natürlich immer da, auch wenn mir persönlich Gott sei Dank nie was wirklich Schlimmes passiert ist. Es gab ein paar brenzlige Situationen, ein paarmal mussten wir flitzen. Ich selber sah ja eher wie eine Mischung aus Student (runde Brille) und Skinhead (kurze Haare) aus, dazu Baseball-Ami-Jacke. So ging ich optisch auch mal als „Hilfskamerad“ durch. So sind ein Kumpel und ich mal betitelt worden, das war noch zu DDR-Zeiten, da war ein großer Jugendtreff am Bergwitzsee, glaube ich. Wir waren zarte 14 oder 15 Jahre. Da waren vor allem Langhaarige da, aber auch Glatzen aus Berlin, die machten ständig Sport. Wir merkten schon, das wird irgendwie brenzlig, und verpissten uns zum Angeln an irgendeinen anderen Teich. Als wir wiederkamen, waren die Glatzen verschwunden und die Langhaarigen erzählten am Lagerfeuer etwas von eingesetzten Bratpfannen und Zeltstangen.
Die Konrads — Romans erste musikalische Gehversuche 1987
N.F.P. und KVD united
AbRAUM live im AfA 1990/1991
So 1991/92 hörte man ja ständig von Freunden, die Stress hatten oder zusammengeschlagen wurden. Wenn Leute im Netz jetzt immer beklagen, wie unsicher zum Beispiel Halle-Neustadt seit 2015 geworden wäre, da muss ich immer lachen, denn Anfang der 90er konntest du dich dort beispielsweise mit langen Haaren oder Punkerfrisur überhaupt nicht blicken lassen. Unsere Songs „Violence“ und „ParaHanoia“ vom ersten Tape erzählen ja davon.
Wie kamst du auf die Idee, N.F.P. zu gründen?
Na, N.F.P. war dann schon die Nachfolgeband von AbRAUM, drei Viertel der Band waren ja identisch. Wie oben schon geschrieben, Hardcore war unser Sound der Stunde, er fing unser Lebensgefühl am besten ein, HC war einfach unser Ding. Möglicherweise waren wir auch die Ersten im Chemiedreieck, die diesen Sound spielten. Wir wollten klingen wie Agnostic Front, Slapshot, Sheer Terror und wie sie alle hießen. Zum Glück haben wir es aber nicht hinbekommen, diese zu kopieren, sondern etwas Eigenes zu kreieren.
Wenn N.F.P. irgendwo spielte, war das immer eine große Party. Erzähl mal etwas über Nuclear Flower Power.
Wir haben uns in Halle schnell eine relativ große Fan-Basis erspielt. Wie gesagt, Hardcore war der Soundtrack, der gut zu dieser aufregenden, auch harten Zeit passte. Wir sprachen damit nicht nur Punks an, sondern einen größeren Kreis von Leuten mit Interesse an harter Musik. Oft kamen unsere Fans, die auch irgendwie unsere Freunde waren, einfach mit, wenn wir auswärts spielten, nach Stendal zum Beispiel oder nach Potsdam. Irgendwie war immer Party, zumindest in den Anfangsjahren.
Es gab viele Besetzungswechsel, ab 1996 war ich dann das einzige Originalmitglied. Wir hatten immer Leute in der Band, die gut spielen konnten und mit vielen spinnerten Ideen. Wir wollten eben nicht das Ami-Zeux eins zu eins kopieren, wie es ja die meisten deutschen HC-Bands in der Zeit machten. Stattdessen gingen wir zur FDP, sagten, wir wollen beim Wahlkampf helfen, ließen uns ein Wahlplakat aushändigen, das uns dann ein befreundeter Grafiker am Computer der Kunsthochschule in ein Bandplakat im gleichen Look (und zum Plattencover unserer EP bei Halb 7 Records) umfunktionierte. Der ganze Klamauk gipfelte dann in der Verdammt-Charmant-CD, die neben vielen guten Songs auch einen Haufen Quatsch und Gimmicks enthielt. Das Problem war nur: Außerhalb unserer, heute würde man sagen, Blase konnte niemand was mit diesem Blödsinn plus eigentlich sehr guter Musik anfangen. Man schaue sich nur die Plastic-Bomb-Kritik von damals an. War dann aber auch egal, 1998 hatten wir uns so zerstritten, dass wir die Band auflösten.
Du spielst noch in einer weiteren Band namens Klabusterbären. Wie kam es dazu?
Zu der Zeit, als sich N.F.P. auflösten, war gerade der Posten des Drummers bei den Klabusterbären vakant. Ich hatte ja schon, ohne es überhaupt zu können, bei den „Band“-Projekten München 72 und Brille getrommelt. Dass ich nichts draufhatte, war bei den Bären nicht weiter schlimm, denn zu dieser Zeit passte das ganz gut zu den anderen „Musikern“ in der Band. Und ich konnte mein Knowhow aus der AbRAUM- und N.F.P.-Zeit einbringen und den Songs erst mal Struktur geben, die hatten nämlich keinen Anfang und kein Ende, das brauchen Punksongs aber. In der Folgezeit machten wir Fortschritte an den Instrumenten und ich konnte mein Faible für kurze poppige Punksongs und viele Textideen in die Band einbringen. Aber das sind dann schon die 2000er Jahre!
Hast du noch Erinnerungen an die legendäre Villakonfiszierungsparty 1994, bei der sich die Klabusterbären gründeten?
Und ob. Denn an dem Abend gründeten sich nicht nur die Klabusterbären und ließen sich vom Publikum den Namen geben. Es war auch der Abend, an dem N.F.P. quasi als Headliner (also als letztes) spielen sollten und wir uns vorher schon mächtig abschossen. Das wurde zum kürzesten Auftritt unsere Bandkarriere. Wir starteten mit einer Cover-Version von „Crucified“. Und ungefähr bei der Hälfte des Liedes stürzte unser Gitarrist Grahli von der Bühne und riss dabei die gesamte PA mit sich. Kann man sich heute bei YouTube anschauen!
Dann gab es ja noch deine seltsame Band Brille. Was kannst du über diese berichten?
Meine Freunde Nympho, Sud, Ingwin und ich hatten damals ein Fanzine namens Arbeitslosenkurier 47 an den Start gebracht. Vorbild war natürlich das ZAP, aber auch wenn Eigenlob stinkt, das Heft hatte schon tolle Texte, alle mit eigener Note, teilweise unterhaltsam lustig, teilweise krass. Wir saßen zusammen, spannen uns mal wieder einen an, hatten auf einmal so Headlines zum Zeitgeist der 90er in der Ex-DDR wie „Schuld ist nur das Außengeländer“ oder „ABM-Staat“ ausgebrütet und gingen damit in den Proberaum (alle außer Sud, der war aber dafür bei München 72 am Start). Nympho schnappte sich den Bass, ich setzte mich hinter die Drums, musikalisch keinen Schimmer lärmten wir drauflos und Ingwin schrie dazu die oben genannten Parolen ins Mikro. Das nahmen wir dann mit einem Kassettenrekorder auf und brachten es zu euch in den Schlemihl-Plattenladen. Und ihr habt es auf Platte gepresst (prust … lach!!!). Noch so ein Spaß aus dieser Zeit!
N.F.P. live in der Weinbergmensa
Was denkst du heute über die Nachwendezeit?
Für unsere Eltern war es sicher eine nicht ganz einfache Zeit, aber für unsere Generation, die zur Wendezeit so zwischen 16 und 22 Jahren war, war es einfach genial. So viele Freiräume, so viel Abenteuer, in sich zusammenbrechende Autoritäten in den Schulen und auf der Straße, kaum Polizei, viele Hausbesetzungen, auch eine sehr kreative Zeit! Ich will es nicht missen!
Geralf, Dirk & André Z. 1990
Geralf beim Pogen ca. 1992/1993
André Z. & Geralf ca. 1992/1993
RENTNER, PUNKS UND WINDIGE VERKÄUFER – BUTTERFAHRT NACH DÄNEMARK TEIL 2
Nach dem Mauerfall kamen alle möglichen dubiosen Typen in den Osten und witterten das große Geschäft. Den Ostdeutschen konnte man alles aufquatschen, hieß es. Und das stimmte wohl auch. Jedes noch so unsinnige Produkt, das aus dem Westen stammte, war interessant für Ostler. Ob es etwas taugte oder nicht, war zweitrangig. Nach 40 Jahren Mangelwirtschaft mit immer denselben DDR-Produkten stürzten sich Ostdeutsche auf alles Westliche. Damals war selbst eine Büchse Dosenravioli ein delikates Festessen.
Die Butterfahrten, auf denen man alten Leuten überteuerte Dinge aufschwatzte, überfluteten damals das ganze Land. Im Gegensatz zum Westen wurden die Leute im Osten aber nicht nach Dänemark gefahren. Man sparte sich solche Fahrten gleich ganz und sperrte die Rentner ohne Umwege in eine Fabrikhalle oder einen anderen leerstehenden Raum in der jeweiligen Ostzonenstadt. Wir Hallenser Punks machten uns einen Spaß daraus, solche Veranstaltungen desaströs enden zu lassen. Abenteuerlust, Gerechtigkeitssinn und etwas Beschützerinstinkt trieben uns dabei an.
An einem Samstag Anfang der 90er, als wieder mal so eine Rentner-Verkaufsveranstaltung in Halle (Saale) anstand, beschlossen etwa 15 Hallenser Punks: Wir sind dabei! Die Haare frisch gefärbt, die Iros hochgestylt kamen wir an dem Veranstaltungsort an. Ein heruntergekommenes, leeres Gaststättengebäude. Dem Verkaufsveranstalter klappte schon bei unserem Anblick die Kinnlade runter. Er wollte uns zunächst nicht reinlassen. Aber wir betraten die Räume dennoch und nahmen mit dem Hinweis Platz, dass wir ja die Veranstaltungsannonce, auf der „Sie sind herzlich eingeladen“ stand, dabeihatten. Auch alle Rentner musterten uns skeptisch. „Was wollen diese Verrückten denn hier?“, fragten sie sich sicher. Einen Frei-Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen, so wie es in der Einladung stand, das wollten wir. Die Veranstaltung begann. Der schleimige Verkäufer, mit fettigen Haaren und einer überdimensionalen großen goldenen Uhr am Handgelenk, begrüßte alle. Seine Assistentin schenkte derweil allen Anwesenden in dem gut gefüllten Saal Kaffee ein. Diese Plörre war allerdings so dünn, dass selbst der DDR-Ersatzkaffe Muckefuck besser schmeckte. Die Rentner tuschelten entrüstet miteinander. Wir Ostpunks beschwerten uns natürlich gleich lautstark. Den Kaffee gäbe es gratis, also brauche sich doch wohl keiner zu beschweren, war die forsche Antwort des windigen Typs. Nun begann er, seine Waren anzupreisen. Schrottigstes Zeug zu extrem hohen Preisen. Und natürlich durften die obligatorischen überteuerten Rheuma-Decken nicht fehlen. Wir riefen immer mal wieder etwas in die Runde. Zum Beispiel, dass es doch denselben Kochtopf im Laden für 20 Mark gebe und nicht für 200, wie hier als Schnäppchen angepriesen. Der Verkäufer war sichtlich genervt. Dann forderten wir das auf der Einladung versprochene Stück Kuchen für den ganzen Saal ein. Widerwillig wurde jedem ein altes, trockenes Stück auf den Teller gelegt. Zum Glück hatten einige der alten Leute noch etwas von der dünnen Kaffeeplörre in ihren Tassen. So konnten sie den Kuchen einditschen. Mit den dritten Zähnen wäre dieser sonst nicht kleinzukriegen gewesen. Wir protestierten wieder lautstark, was das für vergammelte Lebensmittel wären, die man uns Ostdeutschen hier vorsetzte. Nachdem der Verkäufer noch so einige minderwertige Waren zu überteuerten Preisen angeboten hatte und sich die Omas und Opas aufgrund unserer Anwesenheit nun auch auszusprechen trauten, was sie dachten, packte der windige Verkäufer schnell alles zurück in seine mitgebrachten Kartons und wollte verschwinden. Nun gab es so richtigen Aufruhr. Was ist mit den versprochenen Gratis-Geschenken, wollten alle wissen. Auf der Einladung stand etwas von Wurst, Käse, Wein und anderen schönen Dingen. Der Schleimbeutel fuhr sich mit der Hand durch seine fettigen Gelhaare und sagte, dass es die nur gäbe, wenn auch etwas gekauft würde. Alle Punks protestierten nun lautstark. Wir nahmen seine Kisten mit den Waren in Beschlag und sagten ihm, dass er sie nur wiederbekäme, wenn er den alten Leuten ihre versprochenen Geschenke aushändigte. Er weigerte sich noch immer. Daraufhin verschwand plötzlich wie von Zauberhand seine goldene Uhr. Als er das bemerkt hatte, jammerte er lautstark. Er wollte unbedingt seine Golduhr wiederhaben und auch die Kisten sollten wir freigeben. Im Gegenzug würde er den Rentnern ihre Geschenke aushändigen. Die Rentner wurden nun auch aufmüpfig. Sie bekamen Mut und forderten lautstark ihre versprochenen Geschenke ein. Sie drohten mit ihren Krückstöcken. Verzweifelt fing der Verkäufer an, die versprochenen Dinge zu verteilen. Jeder bekam eine Dose abgelaufenes DDR-Schmalzfleisch, eine abgelaufene Packung Käse und mehrere andere minderwertige und abgelaufene Lebensmittel. Die versprochene Flasche Wein fehlte ganz. Das brachte das Pulverfass zum Explodieren. Besonders die Dose abgelaufenes DDR-Schmalzfleisch. Das gab es in der DDR seit 40 Jahren als eine Art Ersatzfleisch. Ich bekam schon einen Brechreiz, wenn solch eine Dose innerhalb des Haltbarkeitsdatums geöffnet wurde und der fürchterliche Geruch nach oben stieg. Aber nun sahen sich die alten Leute mit abgelaufenen Schmalzfleischdosen konfrontiert. „Wollen Sie die Ossi-Rentner verarschen?!“, stellten wir ihn zur Rede. Auch die Rentner keiften ihn an. Sie wollten eine andere Wurstbüchse. Und sie wollten den versprochenen Wein. Der Verkäufer bangte nun um sein Wohl. So hatte er sich das Abzocken der alten Ossi-Omas und -Opas sicher nicht vorgestellt. Um heil aus der Situation rauszukommen, verteilte er nun überteuerten Wein aus seiner Verkaufsware. Während der Wein herumgereicht wurde, retteten er und seine Assistentin schnell seine Verkaufskisten mit den überteuerten Waren ins Auto. Dann fragte er jammernd noch einmal nach seiner goldenen Uhr. Alle Rentner und Punks lachten nun und jagten den windigen Typen, der nur noch wie ein Häufchen Elend aussah, aus dem Raum. Die Omas und Opas bedankten sich herzlich bei uns. Und bestimmt haben sie in ihrem Bekanntenkreis erzählt, dass die mit den bunten Haaren und Irokesenschnitten, die Punks, gar keine Halbstarken sind, wie sie bisher angenommen hatten, sondern eher so eine Art Robin-Hood-Bande. Die Uhr blieb übrigens als Solidaritätsbeitrag des Butterfahrtenanbieters zum Aufbau Ost in Halle (Saale) zurück.