Kitabı oku: «Denkwerkzeuge der Höchstleister», sayfa 5
8.7 Resümee
Kultur ist nicht Ursache, sondern Wirkung herrschender Verhältnisse. Deshalb kann und braucht sie nicht entwickelt zu werden. Wenn es gelingt, die Verhältnisse zu ändern, verändert sie sich von allein. Im Kontext hoher Dynamik ist die Entwicklung von Kultur kein eigenständiges Problem mehr. Das Problem ist die Anpassung der inneren Verhältnisse eines Unternehmens an seine Umgebung. Kultur ist nur insofern wichtig, als sie die Qualität dieser Bemühungen sichtbar macht. Sie ist ein unbestechlicher Sensor für die Organisationsentwicklung.
Höchstleister betreiben keine Kulturentwicklung, aber sie haben meist eine empfindliche Kulturbeobachtung.
Noch ein Hinweis: Ein bewährtes Werkzeug zur Kulturbeobachtung von außen sind die sogenannten verketteten Gespräche.
9 Informationsflut - ein Denkfehler
Eine Mail geht ein, ein Buch erscheint, die Tagesschau wird gesendet. Diese Ereignisse werden Information genannt. Wenn mehr solcher Ereignisse stattfinden, als der Empfänger verarbeiten kann, nennt man das Informationsflut. Sie wird allgemein als lästig und unangenehm beklagt (E-Mail-Pest).
Wenn jemand etwas erfährt, was er schon lange wissen wollte, heißt dieses Ereignis auch Information. Kann es von solchen nützlichen Ereignissen auch ein Übermaß geben, das als lästig beklagt wird? Wohl nicht.
Mit dem Begriff Information werden also zwei sehr verschiedene Ereignistypen bezeichnet. Wir brauchen für jeden Typ einen eigenen Begriff, also eine Unterscheidung. Wir schlagen vor, nur die nützliche Neuheit als Information zu bezeichnen. Den Rest als Mitteilung oder als Daten.
Mit dieser Unterscheidung behaupten wir, dass die aktuelle Datenflut einen Informationsmangel erzeugt.
9.1 Information und Daten
Daten sind formale Strukturen. Sie haben keinen festen Ort oder Zeitpunkt, lassen sich also transportieren, übertragen, verarbeiten, speichern, aufschreiben, verkaufen oder stehlen. Daten findet man in den Speichermedien eines Computers, in Büchern, Landkarten und Konstruktionszeichnungen. Daten existieren auch dann, wenn sie niemand beachtet. All das ist bei Informationen anders.
Information ist ein Ereignis in einem Bewusstsein. Als Ereignis hat Information einen festen Ort, wie ein Autounfall. Sie lässt sich weder transportieren noch übertragen oder identisch wiederholen. Sie ist die Veränderung, die sich einstellt, wenn eine Mitteilung einen Unterschied hinterlässt. Zur Illustration: Jemand fragt: „Welcher Tag ist heute?“ Die Antwort „Freitag“ löst im Bewusstsein des Fragenden ein Ereignis aus: „Aha, heute ist Freitag.“ Dieses Ereignis ist Information. Der Unterschied zwischen Daten und Information wird deutlich, wenn dieser Vorgang wiederholt wird. Die Frage lautet erneut „Welcher Tag ist heute?“, und „Freitag“ ist die Antwort. Die Mitteilungen (Daten) und ihre Wahrnehmung haben sich wiederholt. Das Ereignis, die Information „Aha, heute ist Freitag!“, kann sich nicht wiederholen, da der Fragende schon Bescheid weiß.
Computer verarbeiten nur Daten, keine Informationen. Der Begriff „IT“ (information technology) ist irreführend. Der Begriff „EDV“ (Elektronische Daten-Verarbeitung) ist präziser, deshalb vermeiden wir den Begriff „IT“. Dass „EDV“ altmodisch und „IT“ modern klingt, zeigt ein Problem: Wenn Daten und Informationen nicht unterschieden werden, wird EDV eingesetzt, wenn Information fehlt - eine Havarie. Wer weiß, wie teuer EDV-Projektesind, ahnt, wie viel Geld fehlende Unterscheidungen kosten.
9.2 Daten können Information töten
Mehr Daten sind also nicht mehr Information. Im Gegenteil: Werden mehr Daten bereitgestellt, als bearbeitet werden können, entsteht weniger Information und damit weniger Übersicht. Deshalb sagen wir: Daten können Information töten.
Eine Mail zum Beispiel ist eine Mitteilung (Daten). Der Leser kann daraus Information gewinnen oder nicht. Wenn aber mehr Mails eintreffen, als der Empfänger lesen und verstehen kann, gehen auch die Mails verloren, aus denen er Information hätte gewinnen können. Zu viele Mails ergeben weniger Information. Oder anders: Datenflut erzeugt Informationsmangel.
Eine Lösung: Ein bekannter Konzernvorstand teilte mit: „Ich lese keine E-Mailsmehr. Wenn mir aber jemand etwas handschriftlich mitteilt, bearbeite ich es innerhalb weniger Stunden.“ Er reduziert den Datenverkehr, indem er ihn erschwert. Jetzt kann er aus den Mitteilungen mehr Information gewinnen.
Wenn es Mühe macht, Daten zu senden, hat der Sender Anlass, alles wegzulassen, was den Empfänger nicht interessiert. Die oft geforderte Transparenz entsteht also nicht, wenn alle Daten möglichst vollständig übermittelt werden, sondern wenn unwichtige Daten weggelassen werden. Was wichtig und was unwichtig ist, muss vom Sender im Interesse des Empfängers entschieden werden. Nur wenn der Sender einen Vorteil davon hat, dass der Empfänger versteht, kann mehr Information erzeugt werden.
9.3 Resümee
Da Information nur vom Adressaten erzeugt werden kann, kann es keine Informationsflut geben. Niemand kann sich mit Leistungen seines eigenen Bewusstseins überfluten. Wenn es eine lästige „Informationsflut“ gäbe, wäre es vernünftig zu fordern: „Weniger Information!“ Schon diese Negation macht deutlich, dass mit dem Begriff etwas nicht stimmt.
Was es geben kann, ist eine Datenflut, die es schwieriger macht, Information zu gewinnen. Wenn die Datenflut Informationsflut genannt wird, wird das Problem unsichtbar.
In dynamischer Umgebung ist Information lebenswichtig. Wir brauchen uns jetzt nicht mehr zu wundern, dass es bei Höchstleistern immer wieder Manager gibt, die keine Mails lesen. Weil das jeder weiß, sind sie gut informiert.
10 Interne Anreize reduzieren die Leistung
Wenn das Management mit der Leistung der Mitarbeiter unzufrieden ist, werden oft interne Anreizsysteme1 empfohlen. Dabei werdenZiele für bestimmte Kennzahlen vorgegeben. Werden sie erreicht, gibt’s eine Belohnung, sonst das Gegenteil.
Mit solchen Anreizen lassen sich Kennzahlen verändern. Wird zum Beispiel ein Bonus abhängig vom Umsatz oder Deckungsbeitrag gezahlt, werden verstärkte Anstrengungen unternommen, diese Kennzahlen zu steigern. Wieso also die in der Überschrift formulierte Skepsis gegenüber internen Anreizen?
Hier erfahren Sie, warum.
10.1 Interne Anreize sind Elemente von Steuerung
Als die Märkte noch weit und träge waren, konnte sich das Zentrum eines Unternehmens durch sorgfältige Analysen einen Kompetenzvorsprung erarbeiten. Dieser wurde über Planung und Steuerung und eben Anreize der Peripherie zur Verfügung gestellt.
Heute sind die meisten Märkte eng und dynamisch. Das zwingt die Peripherie, sich direkt mit dem dynamischen Alltag auseinanderzusetzen. Wenn sie das durchhält, wird sie irgendwann operativ klüger als das Zentrum. Das Zentrum verliert seinen Kompetenzvorsprung, die Steuerung kollabiert.2
Unter diesen Bedingungen kann das Zentrum keine nützlichen Anreize mehr setzen. Wird es trotzdem gemacht, dann mutet das operativ „dumme“ Zentrum der „klugen“ Peripherie zu, sich nach seinen Vorgaben zu richten. Die Organisation verblödet.
10.2 Warum Höchstleister keine internen Anreize setzen
Höchstleister betrachten interne Anreize als Form von Verschwendung, weil sie teuren Aufwand erzeugen und in dynamischer Umgebung nur schaden.
Einige Beispiele:
Belohnung wird wichtiger als richtiges Handeln
Wie jede Steuerung sind interne Anreize Werkzeuge zur Umsetzung von Plänen. Kommt es aber anders, wird der Plan sinnlos, und die gesetzten Anreize würden jetzt falsches Verhalten belohnen. Weil kompetente Mitarbeiter dies sehen können, geraten sie in ein Dilemma:
Entweder: Die falsch gewordenen Ziele werden wider besseres Wissen weiter verfolgt. Das sichert die vereinbarte Belohnung, schadet aber dem Unternehmen. Oder: Es wird im Sinne des Unternehmens das Richtige getan. Das kostet die Belohnung und bringt Ärger.
Irgendwann entscheidet sich jeder für die Belohnung.
Ablenkung statt Konzentration
Wenn Dynamik dominiert, müssen sich die Mitarbeiter der Peripherie auf die Marktüberraschungen konzentrieren. Etwa so, wie Fußballer sich auf die Aktionen der Gegenmannschaft konzentrieren. Wenn sie Prämien erhielten, wenn das Sponsorenlogo im Fernsehen erscheint, wären sie abgelenkt. Sie müssten neben dem Spielgeschehen auch die Fernsehkameras beobachten. Gegen eine Mannschaft, die sich voll aufs Spiel konzentriert, wären sie im Nachteil.
Interne Anreize können dem überraschenden Marktgeschehen nicht folgen und haben irgendwann nichts mehr damit zu tut. Sie lenken nur noch ab. Deswegen ist bei hoher Dynamik ein Unternehmen ohne interne Anreize überlegen.
Talent und Können werden behindert
Dynamikrobuste Organisation wird getragen von talentbasierten Könnern. Werden Talente gefördert, dann entsteht Vielfalt, denn: „Jeder Jäck ist anders!“, wie die Kölner sagen. Alles, was diese Vielfalt behindert, behindert die Dynamik.
Interne Anreize gelten meist für ein ganzes Jahr. Auf spontane Chancen oder Risiken können sie keine Rücksicht nehmen. Genau das ist aber die Stärke der Könner: Ideen und überraschende Aktionen. Mit Anreizen können nur Leistungen gefördert werden, die schon bekannt sind. Genau das ist aber die Schwäche der Könner: bekannte Routine.
Interne Anreize fördern bekannte Routine und behindern Talent, Können, Ideen und Innovation. Damit verhindern sie Höchstleistung.
Misstrauenskultur wird stabilisiert
Jeder Mitarbeiter unterschreibt einen Arbeitsvertrag, in dem er sich verpflichtet, seine Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Tinte ist kaum trocken, schon wird darüber verhandelt, welche Belohnung er erhält, wenn er das eben Unterschriebene auch einhält. Besser kann Misstrauen kaum zelebriert werden.
Oft wird argumentiert, dass Anreize und Belohnungen „gerecht“ seien. Wer viel leistet, bekommt auch viel. Das macht aber aus dem Mitarbeiter einen Zulieferer. Auch der liefert nur, was bestellt und bezahlt wird. Dynamikrobuste Unternehmen brauchen aber Mitarbeiter, die dann Handeln, wenn es nötig ist, nicht nur dann, wenn es extra honoriert wird.
Höchstleister wissen, dass selbstbestimmte Leistung keine Last ist, sondern Motivation. Sie versuchen, die Talente ihrer Mitarbeiter und die zu lösenden Probleme in Resonanz zu bringen. Wenn das gelingt, entsteht die maximale Motivation, die ein Höchstleister braucht. Gelegenheit zur Leistung schafft Vertrauen, nicht umgekehrt. Konventionelle Anreize wirken wie Bestechung und schaffen Misstrauen.
Führung kann sich nur schwer entwickeln
Steuerung braucht Wissensvorsprung und die Macht, diesen zu nutzen. Führung braucht Talent und hohes Ansehen, um nützlich zu sein. Nur jemand, der freiwillig um Rat gefragt wird, führt.
Führung und Geführte sind aufeinander angewiesen. Sie brauchen sich als widerständige Lernumgebung. Das heißt, sie müssen auch dann voneinander profitieren können, wenn sie sich nicht voll verstehen. Die Aussage „Was Du da vorhast, kann bei mir nicht klappen.“ ist auch dann nützlich, wenn sie fachlich nicht verstanden werden kann. Ziel ist, Lösungen zu finden, die die Zwänge und die Kompetenz beider Seiten nutzen.
Nur durch diese besondere Kopplung entsteht die hohe Führungsqualität der Höchstleister. Oder anders gesagt: Nur durch die Widerständigkeit der Peripherie kann sich im Zentrum die Führung entwickeln, die die Peripherie benötigt.
Damit die Peripherie dynamikrobust handeln kann, braucht sie einen zeitlich und sachlich engen Horizont, in dem nur der gerade aktuelle Alltag vorkommt. Ohne die weitblickende Widerständigkeit des Zentrums würde sie in der nächstbesten Sackgasse landen. Die Führung braucht einen möglichst weiten Horizont, in dem auch das noch nicht Aktuelle Platz hat. Ohne die „Erdung“ durch die Peripherie würden im Zentrum bald weltfremde Träumereien dominieren.
Wie jede Steuerung sind interne Anreize einseitig. Sie behindern die gegenseitige Widerständigkeit von Führung und Geführten. Weil im Kontext steuernder Anreize sich Führung nicht entwickeln kann, müssen diese Unternehmen mit Steuerung auskommen. Bei hoher Dynamik ein inzwischen gefährlicher Nachteil.
10.3 Belohnung bei Höchstleistern
Interne Anreize aus Zielvorgaben und zugehöriger Belohnung gibt es bei Höchstleistern nicht. Manchmal gibt es eine Anerkennung. Sie wird aber erst am Ende einer Periode ausgelobt. Denn erst dann ist zu erkennen, ob eine bestimmte Vorgehensweise zum Vorbild taugt oder nicht. Wenn ja, wird dies feierlich festgehalten. Die fließenden Beträge oder Werte sind meist so gering, dass sie nur als Symbole taugen.
Diese Form der Belohnung ist dynamikrobust. Sie schränkt intelligentes Handeln nicht ein, gründet nicht auf Misstrauen und kann mit den Anforderungen der Marktumgebung nicht in Konflikt geraten.
Einwurf: Es gibt seltene Fälle, in denen auch Höchstleister sehr hohe Boni zahlen. Im Investment Banking ist das die Regel. Dort werden als Ziele aber nicht bestimmte Handlungen oder Kennzahlen, sondern Beiträge zum Ergebnis vereinbart. Auch solche Vereinbarungen haben ihre Schattenseiten. Immerhin legen sie das Handeln der Mitarbeiter nicht im Voraus fest und sind daher grundsätzlich dynamikrobust.
10.4 Wie kluge Unternehmen interne Anreize abschaffen
Bei Unternehmen, die aus der Steuerung mit internen Anreizen ausgestiegen sind, haben wir Folgendes beobachtet: Das Controlling berechnet den Aufwand für die bisherigen Anreizprozeduren. Er setzt sich zusammen aus den Zeiten für:
• das Aushandeln des Vertrages am Jahresanfang und seine Auslegung am Jahresende,
• die kollegialen Optimierungsgespräche in der Kaffeeküche,
• die Verwaltung des Programms.
Das geldwerte Äquivalent wird anteilig den durchschnittlichen Gehältern zugeschlagen. Obwohl der Umstieg auf das neue Modell freiwillig ist, setzt es sich bald durch - zumindest bei hoher Dynamik.
10.5 Resümee
Interne Anreize sind ein Element der Unternehmenssteuerung. Wie alle Steuerungselemente setzen sie Wissen über die Zukunft voraus. Bei hoher Dynamik besteht die Zukunft vor allem aus Überraschungen. Da Anreizverträge nicht ständig angepasst werden können, zeigen sie bei hoher Dynamik meist in die falsche Richtung.
Der Mitarbeiter ist veranlasst, einen gewichtigen Teil seiner Intelligenz zum Ausbalancieren dieser Diskrepanz zu verwenden. Bei hoher Dynamik erreicht diese Verschwendung gefährlich hohe Werte.
Obwohl diese Erfahrung allgemein bekannt ist, gelten interne Anreize meist als unverzichtbar. Der Grund: Sie entlasten das Management von der schwierigen Aufgabe der Führung und die Mitarbeiter vom vermeintlichen Risiko eigenständigen Handelns. Dynamikrobuste Höchstleister setzen keine internen Anreize.
11 Kundenorientierung ist gefährlich
„Der Kunde und seine Wünsche stehen bei uns im Mittelpunkt“, liest man in vielen Unternehmensbroschüren. Ein naheliegender Gedanke, denn nur der Kunde ist die Quelle des Gewinns.
Doch wer ist „der Kunde“? Gibt es eine Person, der man den Gewinn verdankt, die man befragen und hofieren könnte? Wohl nicht. Es gibt eine unübersehbare Anzahl von Kunden. Die, die schon bei Ihnen kaufen, und die, die bei Ihnen kaufen könnten. Selbst kleine Unternehmen haben tausende (potenzieller) Kunden. Und da alle irgendwo Kunden sind, sind es insgesamt mehrere Milliarden. Da nicht alle Menschen die gleichen Wünsche haben, stellt sich nun die Frage, wessen Wünsche im Mittelpunkt stehen sollen.
Kundenorientierung ist ein unbestrittener Erfolgsfaktor. Trotzdem ist es ein Denkfehler. Hier zeigen wir, warum.
11.1 Kundenorientierung: ein Experiment
Der Besitzer eines gediegenen Mittelklasseautos besucht seinen Vertragshändler. Im Kundenbereich hängt ein Plakat: „Der Wunsch unserer Kunden steht bei uns im Mittelpunkt.“ Wir belauschen das folgende Gespräch. Mal sehen, wie der Händler sich am Kundenwunsch orientiert:
Händler: „Guten Tag, was dürfen wir für Sie tun? Inspektion, Winterreifen, kleine Reparatur oder eine Probefahrt mit unserem neusten Modell?“
Fahrer (findet das Plakat übertrieben und erlaubt sich einen Scherz …): „Nein danke, heute hätte ich gern meine Haare geschnitten.“
Händler: „Tut mir leid, da müssen Sie zum Frisör gehen.“
Fahrer: „Dachte ich mir schon. Aber auf Ihrem neuen Plakat steht, dass Kundenwünsche im Mittelpunkt stehen. Ich bin ein Kunde, sie kennen mich.“
Händler (denkt): „Was ist denn das für ein Kasper?“ und entflieht der Peinlichkeit, indem er sich rasch einem anderen Kunden zuwendet, dessen Wünsche sich zur Orientierung besser eignen.
Fazit: Es gibt Kundenwünsche, die kann und muss man ignorieren. Nicht alles, was ein Kunde als Wunsch äußert, ist wirtschaftlich verwertbar.
Einige Wochen später. Gleicher Händler, gleicher Kunde, gleiches Anliegen: Händler: „Was können wir für Sie tun? Inspektion, Winterreifen, kleine Reparatur?“ Fahrer: „Ich hätte gern meine Haare geschnitten.“
Händler (denkt: „Schon wieder der!“): „Tut mir leid, da müssen Sie zum Frisör gehen.“ Fahrer: „Jetzt bin ich aber enttäuscht. Meine Frau, die ja ein Auto ihres Konkurrenten fährt, war unlängst bei ihrem Vertragshändler. Dort hat man ihr angeboten, während der Inspektion den Frisör des Hauses zu besuchen - kostenlos. Sie war begeistert. Warum gibt’s dieses Angebot nur dort?“
Händler (peinlich berührt): „Ja, davon habe ich gehört. Sie sind schon der fünfte in dieser Woche, der danach fragt. Ich werde mich mal an die Zentrale wenden. Die müssen sich dringend darum kümmern.“
Fazit: Der Konkurrent hat dieses Mal die Nase vorn. Aber nicht, weil er sich an einem Kundenwunsch orientiert hat (den gab es gar nicht), sondern weil er ihn erzeugt hat. Erst wenn ein Kunde glaubwürdig behaupten kann, sein Wunsch werde beim Konkurrenten erfüllt, muss auch unser Händler sich an diesem Wunsch orientieren.
Merke: Nicht der Kunde, sondern der Konkurrent bestimmt, ob ein Kundenwunsch zur Orientierung genutzt werden kann. Ein Kunde überbringt nur die Nachricht. Kunden bewerten die Ideen ihrer Lieferanten, machen Wünsche daraus und verkünden sie dann. Kunden bringen Kunde - deshalb heißen sie so.
11.2 Kunden ignorieren?
Heißt das, ein Unternehmen kann seine Kunden ignorieren und sich direkt mit seinem Konkurrenten vergleichen?
Früher war das möglich. Da waren die Unternehmen einander so ähnlich, dass man sogenannte Benchmark-Vergleiche durchführen konnte. Der Gewinner musste nur das Ergebnis mitteilen, dann hatte er genügend Kunden. Die Verlierer konnten sich an den Kennzahlen der Besten orientieren.
In der heutigen Dynamik sind Unternehmen zu verschieden, um sie direkt zu vergleichen. Jetzt gilt nur noch der Vergleich, den potenzielle Kunden anstellen. Dabei werden sie von Nachbarn, Kollegen, Kindern und alle zusammen von der Mode, der Werbung und vom Wetter beeinflusst. Durch diese Kommunikation entstehen Resonanzen, die Marktführer früher erahnen als ihre Konkurrenten.
Natürlich sind es immer konkrete Personen, die etwas kaufen und als Kunde bezahlen. Der Verkäufer muss Herrn Müller davon überzeugen, dass Herr Müller bei ihm ein Auto kauft. Er muss auch heraushören, was Herr Müller sich wünscht, und erklären, warum das Modell seinen Wünschen entspricht.
Wenn aber das Management des Autobauers überlegt, ob es sich lohnt, ein zweisitziges Elektro-Auto zu bauen, ist es unwichtig, was Herr Müller davon hält. Na klar, heißt es dann. Herr Müller ist unwichtig, aber die technik-affinen, urban-orientierten, männlichen Berufspendler, die sind unsere Zielgruppe. Die müssen wir nach ihren Wünschen befragen und dann danach handeln. Dann werden Befragungen durchgeführt und raffinierte statistische Auswertungen gefahren. Diese mathematischen Gebilde heißen dann: „der Bürger“, „der Wähler“, „der Zuschauer“ oder eben „der Kunde“. Niemand hat diese Geister je gesehen. Trotzdem wird über sie geredet, als wären es Personen wie Du und ich.
Nehmen wir eine Theaterpremiere. Nach dem Schlussvorhang entsteht meist in wenigen Sekunden eine Resonanz, die anzeigt, ob die Aufführung ein Erfolg war oder ein Flop. Vielleicht beginnt es mit einem zaghaften Klatschen, dann folgen einige Buhrufe und schließlich tosender Applaus. Würde man das gleiche Stück aufzeichnen, jedem Zuschauer einzeln vorspielen und dann ein Befragung durchführen, ergäbe sich nur zufällig das gleiche Ergebnis.
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