Kitabı oku: «Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.», sayfa 6

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„Du bist alt genug zu wissen, compañero, daß wir keinen Spaß verstehen – verhalte Dich ruhig und sag' uns, was Du weißt, und Du hast für Dich selber nichts zu fürchten; mache dagegen einen einzigen Versuch zu fliehen, oder uns zu verrathen, und Du bist ein Kind des Todes."

Der alte Peon, der seine Arme kaum frei fühlte, griff fast unwillkürlich nach seinem Gürtel zurück, das Messer zu fühlen. Der Fremde, der die Bewegung bemerkte, sagte jedoch mit kaltem, fast höhnischem Lächeln:

„Es ist in guten Händen - könnte Dir selber aber auch jetzt nur Schaden thun. Wir wissen überhaupt Alles, und Ihr Beiden mögt es unserer guten Laune, Euch hier in der Falle zu wissen, zuschreiben, daß unsere Messer nicht schon lange, und statt aller weiteren Umstände, mit Euren Kehlen Bekanntschaft gemacht haben."

„Und weshalb?" - frug jetzt der Alte, der seine Geistesgegenwart rasch wiedergewonnen und nun aus ihrer Lage soviel Vortheil als möglich zu ziehen suchte - „etwa weil wir Euch heut Abend in unserer Nähe spürten und uns nach kurzer Beratschlagung aufmachten, Euch unsere Hülfe und Arme anzubieten? - Ich dachte allerdings nicht, daß Ihr so zahlreich wäret," setzte er dann langsamer hinzu, indem sein Blick rasch die ihn umgebende Schaar, vierzehn oder fünfzehn /89/ drohende Gestalten, überflog - „aber wenn Ihr uns nicht braucht, ist damit nicht gesagt, daß wir den Tod verdient hätten."

„Der Teufel traue Dir nur, compañero," lachte der Anführer der mashorqueros - „doch ich will sehen, inwieweit Du wenigstens jetzt aufrichtig bist; so beantworte vor allen Dingen meine Fragen kurz und treu, wir haben weder Zeit noch Lust, Ausweichungen oder Unbestimmtes zu hören - also: haben die Flüchtlinge Feuergewehre und sind sie gut bewaffnet?"

„So ziemlich," erwiderte Felipe, der nicht den mindesten Grund sah, irgend etwas geheim zu halten, dem gefährlichen Burschen die Sache aber auch nicht wollte zu schwierig erscheinen lassen, um ihn bei guter Laune zu erhalten - „ihre Waffen sind wohl gut, aber ich glaube kaum, daß irgend Einer von ihnen, den jungen Engländer ausgenommen, ordentlich verstehen wird damit umzugehen. Don José, weiß ich gewiß, kann kaum seine Pistolen wieder laden, wenn er sie erst einmal abgeschossen."

„Wo haben sie ihre Gewehre?" fragte der Gaucho zurück.

„Neben sich auf der Erde liegen," sagte Felipe.

„Und ist es nicht möglich, die unschädlich zu machen?"

„Unschädlich?" brummte der Peon - „der junge cringo5 schläft mit einem Auge offen und seine Pistolen hat er gespannt in der Hand - ich bin fest überzeugt, er selber hält jetzt schon, sollten sie uns vermißt haben, Wache, und kein Fuchs könnte sich ungesehen hin zur Hütte schleichen."

„Gut," sagte der Henker nach kurzer Pause und Ueberlegung - „ich will Euch Beiden Gelegenheit geben zu beweisen, daß Ihr mir, als wir Euch überraschten, die Wahrheit gesagt habt und es redlich mit uns und der Federacion meint. Einer von Euch, und dazu wird der Aelteste am /90/ besten passen - kehrt augenblicklich, als ob nicht das Geringste vorgefallen wäre, in die Hütte zurück - eine Ausrede habt Ihr bald. - Ihr glaubtet, irgendwo etwas gehört zu haben und wäret recognosciren gegangen. - Du legst Dich zum Schlafen nieder, als ob Alles sicher sei, und bemächtigst Dich, wenn die Fremden wieder schlafen, der Gewehre und des Pulvers. Ist es möglich, so wird es am besten sein, dem Engländer vor allen Dingen den Schädel einzuschlagen - es wäre für Dich dann auch die Gefahr beim Entfliehen mit den Waffen nicht halb so groß, und nachher haben wir leichte Arbeit."

„Und das würde lohnen?" - frug der alte Peon lauernd.

„Ah, Du verlangst auch noch Lohn außer dem Geschenk Deiner eigenen Kehle!" lachte der Henker. „Du bist unverschämt, alter Bursche; aber es sei. Machst Du die Burschen unschädlich, so sollt Ihr Beide Euren Antheil von dem, was wir bei ihnen als Beute finden, haben, aber jetzt auch rasch, denn der dämmernde Morgen muß uns, nach vollbrachtem Geschäft, auf dem Heimweg sehen."

„Gut," sagte der alte Peon, mit der Hand nachdenkend sein Kinn streichend - „dann darf ich aber nicht gehen, sondern Pedro da, mein compañero, muß zur Hütte zurückkehren. Ich war gerade ausgerückt, um ihn von seiner Wache abzulösen, und käme ich statt seiner wieder, so schöpften die Fremden augenblicklich Verdacht."

„So laß uns Beide gehen," meinte Pedro rasch - „unter irgend einer Ausrede -"

„Danke, danke," unterbrach ihn aber der Henker lachend, „Einen von Euch wollen wir doch lieber als Geißel zurückbehalten - nicht etwa daß ich glaubte, der Andere würde sich viel daraus machen ihn im Stiche zu lassen, aber er wäre verloren, wenn er uns verriethe, und wir rückten dann mit seinem Kameraden an der Spitze vor - überdies möchte ich den Feind nicht unnützer Weise mehr verstärken, als unumgänglich nöthig ist. So, meinetwegen magst Du gehen, amigo, Du bist auch wohl rascher und gewandter als der /91/ Alte da, und find' ich Dich noch zwei Minuten später hier, den zottigen Schädel kratzend, so schneide ich Dir Nase und Ohren ab und schicke Dich zur Abkühlung in den Tucunjado hinunter - marsch fort - eine halbe Minute ist schon vorbei."

Der arme Teufel von Peon zweifelte nicht im Mindesten, daß der mashorquero Ernst machen würde, denn schlimmere Thaten hatten diese entsetzlichen Menschen oft nur zum Spaß und aus reinem Muthwillen verübt; - würden sie deshalb hier gezaudert haben, wo es wirklich der Ausführung eines wichtigen Planes galt? Pedro kannte auch seine Leute, und nur noch mit wenigen Worten dem Führer Vorsicht empfehlend, nicht eher loszubrechen, bis er selber entweder zurück sei, oder ein Schuß in der punta del vaca ihnen sage, er sei genöthigt gewesen, auf diese Art sich Luft zu verschaffen, glitt er, sein Messer, das man ihm zurückgab, wieder in den Gürtel schiebend, um die nächste Felsecke, und war bald in dem Dämmerlicht, das wie ein dünner Nebel auf dem glitzernden Schnee lag, verschwunden.

II.

Während sich die beiden Peons heimlich entfernten und von einem wachsameren Posten überrascht wurden, hatte Charles Ellington schon mehrmals lauschend den Kopf erhoben, um das Zurückkehren der abgelösten Wache zu erwarten. Lange schon wäre er aufgestanden, aber die Kälte war scharf, und er scheute sich, die neben ihm Schlafenden, doch jedenfalls nutzlos zu stören. Endlich aber, da der eine Peon noch immer nicht wiederkehrte, kroch er leise unter der Decke vor, und den Rock fester zuknöpfend, um den kalten Zug abzuhalten, der durch die niedere Oeffnung ihm entgegenschlug, stand er eine Zeit lang lauschend und horchte hinaus in die Stille der Nacht, die durch keinen Laut irgend eines lebenden Wesens /92/ unterbrochen wurde. Nur der Bergbach tief unten rauschte und murmelte dumpf herauf, und da drüben, wo sich der Felsenhang steil in das Thal hinunterwarf und den Strom gegen die andere Wand hinüberzwang - das war wohl ein Fuchs gewesen, der hier, in seinem Abendmarsch gestört, die Fremden witterte und gegen den Wind und die verdächtige Nachbarschaft anbellte.

„Felipe!" rief er jetzt, erst mit vorsichtig gedämpfter, dann mit etwas lauterer Stimme - „Felipe!" - Niemand antwortete, nichts ließ sich hören noch sehen, und wenn er auch für einen Augenblick glaubte, der Laut einer Menschenstimme dränge zu ihm herüber, so war das doch so rasch wieder verhallt, daß er sich auch eben so gut geirrt haben konnte. Die furchtbare Wahrheit tauchte jetzt, erst in flüchtigem Verdacht, der ihm schon das Blut in den Adern gerinnen machte, dann in entsetzlicher Gewißheit in ihm auf: - ihr Führerpaar war entflohen, und ihre kleine Schaar dadurch nicht allein um ein Bedeutendes geschwächt, sondern die Gefahr, gerade von den früheren Führern verrathen zu werden, so dringend geworden, daß jeder Augenblick, den sie an der argentinischen Seite der Gebirge verträumten, ihr Verderben rettungslos auf sie niederführen konnte.

Hier galt entschlossenes Handeln - den Weg über die Gebirge getraute er sich schon, wenn es sein mußte, allein zu finden, denn von hier aus lag das anscheinend schmale Thal des Tucunjado lang ausgedehnt vor ihnen, ein Abweichen zur Rechten oder Linken nicht einmal gestattend, und nur beim Niedersteigen waren sie größerer Gefahr ausgesetzt, in mit Schnee gefüllte Abgründe zu stürzen; keineswegs war die aber dringender, als das Bewußtsein gewissen Todes, wenn sie den Henkersknechten des Dictators in die Hände fielen, und es blieb deshalb keine Wahl.

Rasch weckte er Don José, dem er seine Befürchtungen in wenigen Worten mittheilte, und als dieser ebenfalls ihm bei- und zu augenblicklicher Flucht stimmte, hob sich auch die arme junge Frau von ihrem traurigen Lager, ihren Gatten über dessen Befürchtungen, sie selber betreffend, zu beruhigen, /93/ indem sie sich durch die wenigen Stunden Rast wie neu gestärkt fühle und die Männer wenig in ihrem Fortschreiten behindern werde. Wenige Minuten später fanden sie Alle zum neuen Marsch durch eine Schneewüste, nur mit dem ungewißen Licht des Schnees selber, gerüstet, als Ellington, der, immer aufmerksamer geworden, nach der Thalschlucht hinüber lauschte, plötzlich ausrief, er sähe einen der Peons kommen.

„Gott sei Dank!" flüsterte mit gefalteten Händen die junge Frau, „also waren es doch keine Verräther, und unsere Befürchtungen grundlos."

„Das gebe die heilige Jungfrau!" murmelte Don José, indem er die sich rasch nähernde Gestalt vorsichtig und mißtrauisch beobachtete und fast unwillkürlich nach den schon wieder im Gürtel geborgenen Pistolen griff, - „ich wollte, ich wüßte genau, wo der andere Schuft steckt."

„Am Ende haben wir ihnen doch Unrecht gethan," flüsterte Ellington, „und können nun wenigstens Tageslicht abwarten, um unsern Weg fortzusetzen. Wozu die arme Candelaria mehr erschöpfen, als eben unumgänglich nöthig ist."

„Erst wollen wir aber wissen, was der Bursche zu seiner Entschuldigung zu sagen hat," beharrte Don José, der seine Landsleute besser kennen mochte als der Engländer, - „jedenfalls müßen sie, selbst im günstigsten Fall ihrer Rechtfertigung, irgend etwas Verdächtiges gesehen oder gehört haben, sonst wären sie schon gar nicht so weit von hier fortgegangen - aber ruhig - es ist Pedro - der Alte scheint also doch seinen Posten zu halten." -

Der Jüngere der Peons kam indessen rasch näher, und seine Füße draußen an der Thür gegen die Steine klopfend, daß er den Schnee aus den Falten des um die Knöchel geschlagenen Schaffelles abschüttelte, betrat er mit dem frommen, aber vollkommen leise und kaum hörbar gemurmelten Gruß: „Ave Maria purisima!" die Hütte.

„Para siempre!" erwiderte halb unbewußt mit lauter Stimme und recht aus tiefstem, innerstem Herzen heraus die Frau, und der Peon, der in dem vollkommen dunkeln Raum, /94/ bei dem schwachen Schein, der dürftig durch die niedere Eingangspforte fiel, seine Umgebung nicht gleich erkennen konnte, sagte mit kaum unterdrücktem Ausruf der Ueberraschung, aber bald gefaßt:

„Pero, amigos - was ist das? - die Señorita - ei wahrhaftig, Alle zusammen auf und munter - es ist noch lange nicht Morgen. Aber ich glaub' es wohl, daß Ihnen die Zeit hier in dem kalten Loch lang geworden - wir können noch fünf oder sechs Stunden schlafen."

„Und wo bist Du gewesen, amigo?" frug Don José den Führer, der noch immer, halb unschlüssig, was er selber thun sollte, ob sich zum Schein niederlegen oder offen entfliehen und dadurch den vollen Alarm geben, in der Thür stehen blieb, „wo ist Dein compañero, und weshalb habt Ihr Beide Euern Posten verlassen?"

Der Peon lachte.

„Es war ein Puma da drüben," sagte er endlich nach einer kleinen Pause, „und wir konnten das Thier im Schnee hören und auch manchmal den dunkeln Schatten seiner Gestalt sehen. Um ganz sicher vor Ueberraschung zu sein, umschlichen wir die Stelle, wo wir ihn vermutheten, aber er entfloh in langen Sätzen, und erst nachdem wir dort eine Zeit lang gelauscht und gewartet, ob sich nichts Verdächtiges weiter regen würde, kehrte ich zurück - aber der Puma ist noch draußen," setzte er dann plötzlich, von einem neuen Gedanken durchzuckt, hinzu, „und Felipe schickte mich hier herein, eins der Gewehre zu holen - die Haut des Thieres gäbe ein herrliches Lager für die Señorita."

„Ich will selber mit Dir gehen," sagte Ellington rasch, aber Don José ergriff seinen Arm.

„Das wäre doppelter Wahnsinn," rief er in englischer Sprache; „drohte hier wirklich Verrath, so liefst Du den Schuften selber in die Schlinge, - selbst das aber angenommen, daß sie ehrlich sind, dürfen wir hier gar nicht schießen, denn der Schall würde unendliche Strecken in die Berge donnern und unseren Feinden, sollten uns diese wirklich nachfolgen, genaue Kunde von unserer Nähe geben. - Mir gefällt auch der Rath des Burschen nicht - der alte Peon ist viel zu schlau und vorsichtig, um sich selber zu verrathen, und außerdem glaub' ich nicht einmal, daß er ein Gewehr ab- feuern könnte."

Der junge Bursche hatte indessen dem Gespräch, von dem er keine Silbe verstand, unruhig und mißtrauisch gelauscht; - was beriethen die Männer, und was thaten indessen die vielleicht ungeduldig werdenden mashorqueros, wenn er zu lange zögerte? Er erkannte jetzt recht gut, daß Alle auf und zum Weitermarsch gerüstet waren, und was blieb da für ihn selbst das Sicherste?

„Aber wo ist Felipe?" wandte sich Don José jetzt plötzlich gegen ihn, - „Euer früherer Posten war gerade da drüben, und ich kann nichts mehr von ihm erkennen."

„Er ist an der Spitze da vorn stehen geblieben," erwiderte, auf diese Frage schon vorbereitet, der Peon - „erstlich hoffte er dort den Puma am ersten wieder zu sehen, und dann kann man auch von dem Punkt aus den von unten herauf führenden Pfad bester überwachen."

„Gut, so leg Dich wieder nieder," sagte Ellington, „und schlaf noch ein paar Stunden; vor Tag aber wollen wir wieder aufbrechen, um wo möglich noch die zweite casucha6 zu erreichen; der nächste Tag sieht uns dann auf chilenischem Gebiet, und dort hoffentlich sicher vor den Henkersknechten des blutigen Tyrannen."

„Bueno, amigo!" brummte als halbe Antwort der Peon. An der Wand der Hütte aber hintastend, um seinen früheren Lagerplatz wieder zu finden und dort das Weitere zu überlegen, so wie abzuwarten, bis sich die jetzt mißtrauisch gemachten Flüchtlinge wieder beruhigt hätten, fühlte er plötzlich - und wie mit einem elektrischen Schlag fuhr es ihm durch die Glieder - die Gewehre der beiden Engländer, die Ellington dort hingestellt hatte, um sie, falls sie wirklich angegriffen werden sollten, gleich zum Gebrauch bei der Hand zu haben. /96/

Eine rasche Bewegung der Hand überzeugte den Peon jedoch, daß die Pulverhörner nicht dabei hingen, und er kauerte sich dicht daneben auf den Boden nieder, den für ihn günstigsten Zeitpunkt abzuwarten.

Er sollte nicht lange zu warten brauchen. Wenn auch Ellington im Anfang beabsichtigt haben mochte, zu wachen, und ein paar Mal zu dem niedern Eingang schritt und hinauslauschte, war die Luft doch zu bitter kalt, sich ihr unnöthiger Weise zu lange auszusetzen. In seinen Poncho deshalb fest eingehüllt, streckte sich der Verfolgte endlich tief aufseufzend dicht neben die Gattin nieder, der er schon vorher das Lager wieder bereitet.

Der Peon war indessen nicht müßig gewesen; vorsichtig neben sich herumfühlend, nahm er das eine Gewehr zu sich nieder auf's Knie und fing an es zu untersuchen. Hierbei aber war für ihn ein Uebelstand - er hatte wohl schon häufig schießen sehen, aber noch nie selber geschossen; nur so viel wußte er, daß der Hahn gespannt werden mußte. Die Waffe, die er in der Hand hielt, war ein Doppelrohr, die andere eine einfache Büchse, aber weder Pulver noch Blei dazu; was half ihm da das Gewehr? Da durchblitzte ihn ein teuflischer Gedanke - wenn er das einfache Rohr in die Ecke abfeuerte, wo die Flüchtigen dicht aneinander geschmiegt lagen, und dann mit dem noch geladenen Doppelgewehr entfloh, brachte ihn die Verwirrung des ersten Entsetzens jedenfalls außer Schußweite, und nicht allein einer oder mehrere der Fremden würden verwundet, sondern die mashorqueros waren dann auch im Stande, mit dem andern Gewehr sie am Weitermarsch zu verhindern, oder doch so lange aufzuhalten, bis sie die wenigen Provisionen aufgezehrt hatten und dann rettungslos ihnen zur Beute fielen.

Der Bursche, schlau und gewandt, zögerte nicht lange mit der Ausführung; überdies sollte der Schuß ja als Zeichen den Uebrigen gelten, und preßten diese scharf heran, so war es sogar möglich, daß sie sich ihrer Beute ohne Weiteres bemächtigten. Ellington's Leichtsinn, die Gewehre solcher Art außer dem Bereich des eigenen Arms zu lassen, wäre den /97/ armen Verrathenen bald verderblich geworden - Pedro kannte nur den Mechanismus des Gewehres nicht genau genug, um den Hahn geräuschlos zu spannen, und als er das Doppelrohr wieder neben sich an die Wand gelehnt und die Büchse ergriffen hatte, um den Hahn leise aufzuziehen, knackte dieser, als er in die erste Ruhe trat.

Don José hatte gar nicht geschlafen, und schon seit der Peon die Hütte wieder betreten, lehnte er, halb sitzend und nur in seinen warmen Poncho gehüllt, an der Mauer der Hütte, dem geringsten Laut horchend, der zu ihm herüberdringen möchte. Er wußte sich selber nicht ordentlich Rechenschaft zu geben, aber er war mißtrauisch geworden und erwartete mit Sehnsucht den anbrechenden Morgen. Nur die Augen schloß er endlich, und überdachte halb wachend, halb träumend die Möglichkeit des Gelingens - die Gefahren ihres Marsches - als ihn das Knacken des Hahns zuerst aus seiner Ruhe wieder emporschreckte. Den Blick rasch nach dort richtend, von woher das so unvermuthete Geräusch gekommen, sah er jetzt deutlich bei dem schwachen von draußen hereindämmernden Schneelicht, wie sich der blanke Lauf eines Gewehres - er konnte nur nicht recht genau erkennen nach welcher Richtung - niedersenkte. Dann war Alles todtenstill.

Aber auch Ellington war durch den nur zu gut gekannten Laut aufgestört; auch er sah, gerade als er die Augen aufschlug, die Bewegung des Laufs, und dem im Lager überraschten Wilde gleich fuhren die beiden Männer empor, um der neuen, noch kaum bewußten Gefahr zu begegnen .

Vergebens riß indessen der Bandit an dem Drücker der Büchse, um sich selber durch den Schuß zu retten; er hatte keine Ahnung, daß der Hahn zweimal ausklinken mußte, ehe er feuern konnte; so war er nur „in Ruh' gesetzt" und das Schloß verweigerte den Dienst. Die doch nutzlose Waffe von sich schleudernd, ergriff er das Doppelrohr, um die Thür noch vor seinen Angreifern zu erreichen; hier aber verrannte ihm Ellington den Weg, und noch während er sein Messer aus /98/ der Scheide riß, sich die Bahn zu stoßen, brach er mit einem leisen Stöhnen, zugleich von Ellington's Faust und Don José's scharfem Stahl getroffen, der ihm die eigene Waffe in den Rücken trieb, eine Leiche, zu Boden.

Die kleine Hütte war im Augenblick ein Bild der Verwirrung, und das Verderben der Unglücklichen wäre besiegelt gewesen, hätten die Henker nicht auf das Zeichen des ausgesandten Spions gewartet. Aber die Furcht vor Feuerwaffen, die der Gaucho nicht leicht überwindet, besonders wenn er sie in den Händen von Europäern weiß, hielt sie zurück, und so gern sie das Blutgeld ihres Herrn verdienen mochten, so wenig dachten sie daran, ihre eigene Haut unnöthig dabei zu Markte zu tragen.

Ellington und Don José aber waren in dem Augenblick so bestürzt und erschreckt, daß der Spanier schon in der That das Messer zum zweiten Mal gezückt hatte, den eigenen Schwager, den er ebenfalls für einen der Angreifer hielt, niederzustoßen, als ein zufälliger Ausruf desselben noch sein Leben rettete.

Ellington besetzte jetzt vor allen Dingen die Thür, und - während Don José die Leiche aus dem Weg und in die eine Ecke zog, eilte auch der alte Herr herbei, um den Platz, der, wie er natürlich glauben mußte, schon vom Feind angegriffen wurde, vertheidigen zu helfen.

III.

Der Führer der mashorqueros stampfte indessen den Schnee in toller Ungeduld.

„Carajo!" rief er, dem alten Peon dabei einen grimmigen Seitenblick zuschleudernd - „ich glaube wahrhaftig, der Schuft von vaqueano hat uns betrogen und die vermaledeiten cringos gewarnt, anstatt ihre Waffen in unsere Hände zu liefern - Gift und Messer, wenn ich das gewiß wüßte!" /99/

Die Anrede war halb an den Alten gerichtet, und dieser, der sich unter dem boshaften, tückischen Blick des Henkers nicht gerade wohl fühlte, erwiderte ruhig:

„Pedro wird sich hüten und uns verrathen, er weiß gut genug, daß uns die Burschen nicht entgehen können; aber es ist auch möglich, er hat die Sache dumm angefangen, - und dann freilich wär's böse."

„Böse für Dich, compañero," knurrte der Andere, - „wenn uns die Schufte entgehen, so freu' Dich, denn ein Kopf ist mir sicher, und wenn er auch keine zwölf Unzen trägt, ist er doch des Mitnehmens werth."

„Paciencia, amigo," sagte der Alte trocken und mit unzerstörbarem Gleichmuth - „wenn der Tag dämmert, werden wir's sehen."

„Und glaubst Du, daß ich helles Tageslicht abwarten soll, mich von den Schuften nachher wie einen Hund todtschießen zu lassen, wenn ich mich nur in Kugelnähe auf dem Schnee blicken lasse?" tobte der Henker. „Jetzt, augenblicklich müssen wir den Angriff wagen, oder sie ziehen morgen früh aus und ab vor unseren Augen, ohne daß wir es hindern können. Die punta del vaca ist außerdem noch die einzige Hütte, an die ein Anschleichen möglich wäre, wenn ich überhaupt Lust hätte, mich weiter in die Schneeregion hinein zu wagen."

„Aber, amigo," sagte der Alte, „Du wirst Dir selber -"

„Fuego!" unterbrach ihn, ingrimmig den Boden stampfend, der Henker - „Du wirst reden, wenn ich Dich frage, und nun voran! Wohl verstanden, Du bleibst dicht an meiner Seite - es könnte sein, daß ich Dich brauchte."

Der Henker wandte sich von ihm ab, der alte Peon aber murmelte leise vor sich hin:

„Glaub's wohl, um irgendwo zur Scheibe zu dienen, während die Uebrigen von der andern Seite anschleichen - aber paciencia!" - und ruhig seinen Poncho etwas fester um sich ziehend, erwartete er den Entschluß des Anführers, /100/ dem er sich, wie er recht gut wußte, offen doch nicht widersetzen durfte.

Der mashorquero rief jetzt seine Schaar rasch zusammen, und mit der Gegend hier, ja mit jedem Stein und Felsenvorsprung seit langen Jahren vertraut, bedurfte es auch weiter keiner Berathung. Klar und deutlich wies er Jedem den von ihm bestimmten Platz an, um im entscheidenden Moment hervorzubrechen, und zu diesem bestimmte er den Augenblick, wo die Flüchtigen die Hütte selber wieder verlassen würden, um ihren Weg fortzusetzen.

Die casucha der punta del vaca besteht aus einer Doppelhütte von Steinen, und nur wenige Schritte von ihr entfernt läuft die Bank des Tucunjado in steilem Hang schräg nieder zu dem unten vorbeischäumenden Strom, den selbst der eisige Winter hier oben nicht unter der starren Decke fesseln konnte. Diesen Weg schlug er selber mit dem alten Peon und noch Einem von den Seinen ein, bis sie sich dahin durch den Schnee arbeiteten, wo sie durch den Ausbau der Hütte selber geschützt waren und leicht bis dicht hinankommen konnten. Der mashorquero hatte außer zwei kleinen Terzerolen auch noch einen leichten Lasso, ohne den ein Gaucho selten auf einen Kriegszug ausgeht, an seinem Gürtel hängen, und den Uebrigen noch einmal einprägend, so nahe als möglich an die Hütte hinanzurücken, begann er selber seinen weniger gefährlichen als mühseligen Pfad zu verfolgen.

Dem alten Peon war indessen die ganze Jagd von Grund aus verleidet worden. Weiteren Mühseligkeiten und Gefahren zu entgehen, hatte er sich den Treubruch gegen die Fremden zu Schulden kommen lassen, und jetzt mußte er in stockdunkler Nacht, zitternd vor Frost, dem nämlichen Ort durch den tiefen eisigen Schnee wieder entgegenkriechen, eine Kugel sein Lohn, wenn er von dort gesehen wurde, während der mashorqueros hinter ihm wenig Umstände gemacht haben würde, ihn sein Messer fühlen zu lassen, so er sich nur im Mindesten dessen Befehlen widersetzte. Er wäre auch mit dem größten Vergnügen zum zweiten Mal desertirt, aber wie erst hier fortkommen? Und gelang ihm das wirklich, hatten die Fremden dann nicht volle Ursache, seinen /101/ guten Absichten jetzt nicht zu glauben und ihn als einen Feind zu behandeln? - Was war überhaupt aus seinem Kameraden geworden?

Nur unendlich langsam rückten sie indessen vorwärts, denn der Schnee gab oft nach unter ihren Füßen, und wenn auch der Abhang im Ganzen nicht so steil war, daß er unpassirbar gewesen wäre, kamen doch hier und da einzelne Stellen, an denen es schroff und tief hinabging, und die sie zur äußersten Vorsicht zwangen, der dünnen Schneeschicht nicht zu viel zu vertrauen. Endlich erreichten sie den Theil des Ufers, der von dem Eingang der Hütte aus nicht mehr gesehen werden konnte, und der Peon mußte dem Anführer der Bande jetzt genau beschreiben, in welcher der beiden Hütten die Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen, wie viel Gewehre und Pistolen sie bei sich hätten, und von welchem Körperbau die beiden jüngeren Männer wären.

Felipe hatte bis jetzt gehofft, daß er selber zum Recognosciren ausgesandt werden würde, und schon allerlei Pläne darauf gebaut. Der mashorquero schien ihm aber keineswegs zu trauen, und dem mitgenommenen jungen Burschen eins seiner Terzerole und die nöthigen Befehle gebend, sandte er diesen nach dem Rücken der Hütte hinauf, um dort das Terzerol auf den ersten der Männer, der sich zeigen würde, aus seinem Versteck heraus abzufeuern, und sich nachher auf seine Beine zu verlassen, um wieder zu entkommen.

Der Peon verlangte jetzt von seinem Begleiter wenigstens sein Messer zurück, um sich, im Fall es zu einem Handgemenge käme, vertheidigen zu können; der mashorquero verweigerte ihm dasselbe aber mit einem kräftigen Fluch und schwur, die einzige Art, wie er je wieder ein Messer von ihm bekommen solle, sei zwischen die Rippen oder in die Kehle.

Die Nacht war indessen mehr und mehr vorgerückt, und hinter ihnen stieg schon der Morgenstern über die schroffen Kuppen des mächtigen Gebirges. - Der Tag konnte nicht mehr fern sein, aber noch immer ließ sich nicht das mindeste Zeichen irgend eines lebenden Wesens von der Hütte heraus hören oder erkennen. Der Henker wurde ungeduldig. So /102/ lagen sie wohl noch eine halbe Stunde, die Glieder fast zu Eis erstarrt, und über dem Schnee dämmerte indessen der junge Tag. Während die Schlucht unter ihnen noch in tiefem Dunkel lag, schoß über die schneeigen Kuppen, die schroff und starr in den sternbesäeten Nachthimmel hinausragten, ein lichter bläulicher Schein; die Hänge und Kanten gewannen Ausdruck in Form und Farbe, und es war fast, als ob weiße gigantische Körper aus dämmernden Nebelschleiern emporstiegen und höher wüchsen, indeß das steigende Licht ihnen Kraft gab und ihre Glieder reckte.

„Ich halt's nicht mehr aus," flüsterte der Peon endlich, der, von dem scharfen Südostwind abgekehrt, vergebens die letzte Stunde schon gesucht hatte seine Glieder zu erwärmen - „mir ist das Blut in den Adern geronnen."

„Daß ich's nicht flüssig mache!" drohte der mashorquero, „aber, beim Teufel! mir wird die Zeit hier auch lang, und ich begreife nicht, was die Canaillen so lange im Baue hält. - Dein Kamerad, der Schuft von Unitarier, hat jedenfalls geplaudert, und mir zuckt's ordentlich in den Armen, mein Messer da an ihm - und an Dir zu versuchen. - Ruhe! - was helfen mir Deine Beteuerungen, mach' Dich fertig, wir wollen den Spuren unseres vorangegangenen Spions folgen und der Bande zu Leibe rücken, die Uebrigen werden jetzt auf ihren Posten sein. - Ich will, beim Teufel! nicht Wochen lang im Sattel gehangen haben, um jetzt unverrichteter Sache wieder abzuziehen. Da, compañero - krieche einmal zurück bis zu jenem kleinen Vorsprung - von da mußt Du die Thür der Hütte in Sicht haben - und versuch', ob Du nichts von dort erkennen kannst."

Felipe ließ sich das nicht zweimal sagen - irgend ein Grund, aus der Nähe des blutdürstigen mashorquero zu kommen, schien ihm erwünscht, noch dazu da es ihm zugleich Gelegenheit bot, seine Glieder wieder zu gebrauchen. Rasch deshalb in seiner eigenen Fährte zurückspringend, erreichte er bald den bezeichneten Platz und hob leise und vorsichtig den Kopf. - Ein einziger Blick verrieth dem Peon den ganzen Stand der Dinge, und wie ihm die /103/ Gedanken das Hirn durchkreuzten, welchen Weg er jetzt, da ihm ein günstiger Zufall auf kurze Zeit freie Bahn gegeben, am besten verfolgen könne, hatte sich im Nu sein Plan gebildet.

Rasch überzeugte er sich nämlich, daß die Flüchtlinge die Gefahr kannten, in der sie sich befanden, und ihre Annäherung ruhig erwarteten. Er konnte die beiden Gestalten der jungen Männer erkennen, die mit ihren Gewehren in der Thür, aber noch weit genug im Innern standen, um von einem auswärts lauernden Feinde nicht gefährdet zu sein. Der abgesandte mashorquero dagegen lehnte an der einen Ecke der Hütte, wie der Tiger, der auf die Beute lauert, während die übrigen Feinde in kleinen Abtheilungen, theilweise schon in Schußnähe, aber immer noch durch schneebedeckte Felsstücke den Feinden verborgen, im Hinterhalt lagen. Hätten sie Feuerwaffen gehabt, die kleine Besatzung wäre der ersten Salve erlegen.

Nahm er jetzt einen Anlauf, so konnte er sicher die casucha erreichen, ehe die mashorqueros im Stande waren ihn daran zu verhindern; aber wie dann, wenn ihn die Belagerten nicht hinanließen, vielleicht gar auf ihn feuerten? - „Pest und Tod!" murmelte er vor sich hin, „ich glaube die Bestien schössen auf ihren eigenen Bruder." - Im offenen Kampf mit ihnen war er der Gefahr aber noch weit mehr ausgesetzt, während seine Kehle juckte, wenn er nur an das Messer des blutdürstigen mashorqueros-Führers dachte. Er sah sich nach diesem um, und die ungeduldige, drohende Geberde desselben machte im Augenblick all' seinen Zweifeln ein Ende. Noch einmal das Terrain überschauend und mit den Augen messend, blieb ihm ein Raum von circa hundertzwanzig Fuß Breite, um zwischen der nächsten Abtheilung der Feinde zur Rechten und seinem jetzigen Tyrannen zur Linken durchzubrechen; die Entfernung bis zur casucha betrug überdies kaum mehr als dreihundert Schritt, und wenn ihn auch der Schnee im raschen Laufen hinderte, rechnete er doch im Anfang auf die Überraschung der im Hinterhalt Liegenden und später auf den Schutz, den ihm die Gewehre der Europäer bieten mußten. So also sich rasch und entschlossen auf den /104/ Kamm der Bank schwingend, hinter der vor er bis dahin recognoscirt hatte, floh er, hier von dem hartgefrorenen Schnee begünstigt, rasch über die Fläche hin. Wohl sah er, daß sich die Gewehre der Fremden, so wie er sich aus dem Schnee emporhob, gegen ihn wandten; aber nur ein flüchtiger Blick war es, den er dorthin warf, denn links von ihm sprang der mashorquero, jetzt ebenfalls jeden Versteck verschmähend, auf die Bank, und suchte augenscheinlich ihm den Weg abzuschneiden. Was half auch jetzt noch hinter dem Berg halten - ihr Hinterhalt war verrathen, und der mashorquero hätte in diesem Augenblick der Wuth und Rache sicherlich gern die Europäer entfliehen lassen, wäre ihm nur dadurch die Wiederergreifung des verrätherischen Peons gesichert gewesen.

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