Kitabı oku: «Bauchgefühl & Gottvertrauen», sayfa 3
3. Was wäre ich ohne Otto?
Meine Entscheidung, Humordienstleister zu werden, war nun also gefällt. Der Weg dorthin zeichnete sich allerdings deutlich früher ab. Vermutlich fiel eine Art Vorentscheidung schon ganze 19 Jahre früher, bei meinem Übergang vom Kindergarten in die Grundschule.
Als ich 1977 eingeschult wurde, hätte ich eigentlich noch Anspruch auf ein weiteres Jahr Kindergarten gehabt. Ich bin im August geboren und war ein sogenanntes „Kann-Kind“, also einer der Fälle, in denen man je nach Entwicklungsstand den Schulbesuch auch noch ein Jahr nach hinten vertagen kann. Meine Erzieherinnen waren jedoch der Überzeugung: „Vom Reden her ist er so weit.“ Was vielleicht übersetzt bedeutete: Von uns aus darf sich ab jetzt das Lehrpersonal der Dauerbeschallung aussetzen.
Ich war also einer der Jüngsten und definitiv der Kleinste und dazu auch noch der Rothaarigste in meiner Klasse. In meine blonde Phase trat ich erst deutlich später ein.
Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass man als kleiner Fuzzi Unterstützer braucht, um von den Mitschülern beachtet zu werden. Meine hießen Otto Waalkes, Dieter Hallervorden oder Jürgen von Manger. Otto war auf dem Schulhof definitiv eine stabile Währung, den fanden alle Mitschüler cool. Als stolzer Besitzer seines Albums „Der ostfriesische Götterbote“ rezitierte ich daraus ständig Nummern, die heute als Klassiker des deutschen Humors gelten: „Oberförster Pudlich“, „Englisch für Fortgeschrittene“ oder seine Parodie des angesagten „Lied der Schlümpfe“. Auch Dieter Hallervordens „Kuh Elsa“ eignete ich mir inklusive Intonation recht schnell an. Meine Mutter besaß außerdem eine Single mit dem „Kleinaktionär“ von Jürgen von Manger, besser bekannt als Alfred Tegtmeier. Obwohl ich in diesem Fall sicherlich noch nicht jede Pointe in ihrer inhaltlichen Tragweite verstanden habe, wusste ich instinktiv, dass es sehr lustig war, wie dieser Kleinaktionär den Vorstandsvorsitzenden Herrn Nottoff erst ans Telefon zitieren ließ und dann frech anredete, in der tiefen Überzeugung, dass das Unternehmen irgendwie auch sein Laden sei.
Mit diesem Repertoire hatte ich für jede große Pause ausreichend Material zur Verfügung. Und meine Eltern waren sicherlich allein schon deshalb dankbar für die Schulpflicht in Deutschland, weil sie sicherstellte, dass sie zumindest zwischen acht und 13 Uhr nicht als Publikum herhalten mussten. Es kam dann immer wieder etwas Neues hinzu. Wann immer ich durfte, sah ich mir Sendungen wie Hallervordens „Nonstop Nonsens“ oder „die Otto Show“ an, in der er mir als Harry Hirsch, Susi Sorglos oder Robin Hood, der Rächer der Enterbten neuen Input gab, den ich dankbar aufsaugte.
Otto war und ist mein absoluter Held und für mich der größte Komiker Deutschlands. Er tat als Erwachsener all das, was ich als Kind auch gern gemacht habe: albern sein, seltsame Geräusche produzieren, sich unkorrekt und frech benehmen. Viele seiner eher anzüglichen Witze habe ich als Kind noch nicht wirklich kapiert, aber ich habe immer meinen kindlichen Weg gefunden, sie für mich mit Sinn zu füllen.
Otto war und ist mein absoluter Held
Meine Otto-Leidenschaft durfte ich vor einiger Zeit im WDR in der Sendung „Cantz feiert Otto“ unter Beweis stellen. Als ich ihn kurz darauf im Flugzeug persönlich traf, hat er sich bei mir bedankt und wirkte ehrlich beeindruckt von meiner Textsicherheit. Als kleines Andenken gab er mir ein Autogramm auf seinen aktuellen Kunstkatalog: „Für Guido von deinem Fan Otto!“ Ich halte diesen Katalog selbstverständlich in Ehren. Sollte beim Aufräumen versehentlich jemals das Unvorstellbare passieren, würde ich sogar nachts heimlich die Altpapierdeponie danach absuchen.
Ich war in meinem Leben selten so nervös wie bei der Aufzeichnung einer Show zu seinen Ehren im Jahr 2015. Im ZDF präsentierte Johannes B. Kerner eine Sendung zum 50-jährigen Bühnenjubiläum des größten Ostfriesen aller Zeiten. Von Bully Herbig über Ralf Schmitz, bis Bülent Ceylan huldigten die unterschiedlichsten Kollegen ihrem großen Vorbild. Die Anspannung war bei allen Beteiligten über den ganzen Tag spürbar.
Vor den Augen von Otto eine Otto-Nummer zu präsentieren, das war wie Abitur, Fahrprüfung und Heiratsantrag zusammen. Es fühlte sich für uns alle mehr als nur ein bisschen gewagt an und jeder spürte, dass er bei diesem Drahtseilakt schnell abstürzen konnte. Mit meinem Karnevalshintergrund war ich natürlich prädestiniert für Ottos legendäre Parodie einer Büttenrede. Ich denke, ein paar Stichworte reichen: Vertreter der chemischen Industrie reimt über die Segnungen der Risiken und Nebenwirkungen ihrer Produkte. Die Passage, die auf dem dazugehörigen Album die größten Lacher erntet, lautet:
Und was ist denn am Kalb das Schöne ?
Doch nicht das Fleisch! – Die Östrogene!
Der Stoff ist wirklich ungewöhnlich,
er macht den Mann der Gattin ähnlich.
Der Schniedel schrumpft, die Büste quillt,
schon isser Mamas Ebenbild!
Sie schaut ihm neidisch auf den Busen,
jetzt kann er mit sich selber schmusen.
Ob Mann, ob Frau, ob hart, ob weich,
Chemie macht alle Menschen gleich.
Ich durfte nun also diese Rede, von Otto im Original im Mainzer Dialekt angelegt, präsentieren. Doch irgendwie fühlte es sich für mich falsch an, sie nur zu reproduzieren. Ich wollte noch eine persönliche Note hinzufügen, ein paar Reime als Würdigung. Der Verantwortliche auf Produzentenseite war sich nicht sicher, ob das in Ottos Sinne sei, doch der gab schließlich sein Okay. Und so fügte ich noch meine persönliche Hommage in Reimform hinzu:
Seit fünfzisch Jahrn im Rampelischt,
das glaubt dir keine Schlampe nischt.
Vital und fit, von Kopf bis Knie
un das schaffst du mit null Chemie!
Viagra oder andre Pille
erzeuge bei dir Widerwille.
Und statt mit Botox vom Labor
gehst du streng biologisch vor:
Jahrzehnte auf der Bühne stehn,
mit Ottifanten Gassi geh‘n,
Gitarre spiel‘n und Filme mache
bis des die Leude Träne lache.
Im Herzen rein im Kopf bescheuert –
so wird man ständisch runderneuert!
Dafür hab ich dich stets bewundert.1
Mach weiter so – und du wirst hundert!
Otto hat mich jedenfalls gut durch die ersten Jahre meiner Schulzeit gebracht und ganz nebenbei habe ich bei ihm auch viel darüber gelernt, wie Pointen funktionieren. Dass Otto später mehrfach in meiner Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ zu Gast war, habe ich immer als besondere Ehre empfunden. Er ist und bleibt mein Vorbild. Denn er gibt dem Publikum immer ein Gemeinschaftsgefühl, dass wir alle miteinander lachen können, ohne dass es auf die Kosten eines Einzelnen geht.
Ministrieren und imitieren
Ein weiteres entscheidendes Schlüsselerlebnis in Sachen Comedy hatte ich einige Jahre später als Ministrant. Nicht nur, weil wir aus Quatsch auch mal auf die Melodie eines Kirchenliedes einen Text der Kölschrocker von BAP gesungen haben. Bei der alljährlichen Ministrantenfahrt in die Eifel ergriff einmal unser Obermessdiener das Mikrofon des Busfahrers und parodierte Willy Brandt.
Brandt war zwar bereits nicht mehr Bundeskanzler, aber seine leicht knurrende Stimme und seine bedächtige Art, mit der er jedes Wort einzeln betonte, waren immer noch präsent. Das wollte ich auch können! Denn hier war auf einmal jemand, der nicht nur das wiedergab, was andere auf Schallplatten aufgenommen hatten, sondern mit seiner Stimme spielte und selbst lustig war.
Mit 13 Jahren habe ich deshalb angefangen, Prominente zu parodieren. Neben Willy Brandt stürzte ich mich auf den Showmaster Rudi Carrell, dessen niederländischer Akzent mir sehr leichtfiel. Als dann am 7. Juli 1985 ein 17-jähriger Leimener als jüngster Tennisspieler aller Zeiten das Finale der Wimbledon-Championships gewann und anschließend im ganzen Land der Boris-Becker-Hype ausbrach, hatte ich eine neue Figur gefunden, die sich zu parodieren lohnte.
Mit fremden Stimmen zu sprechen, machte mir großen Spaß. Das liegt wohl in der Familie. Schon mein Vater liebte es, Dialekte zu imitieren. Wir lachten jedes Mal Tränen, wenn er seinen aus Sachsen stammenden Chef nachmachte. Damals, viele Jahre vor der Wiedervereinigung, begegnete man diesem Akzent in Westdeutschland nur ausgesprochen selten. Bis heute faszinieren mich Dialekte und regionale Sprachfärbung, auf Zugfahrten kann ich mich stundenlang mit der Frage beschäftigen, woher meine Mitreisenden wohl kommen, während sie mich an ihren Telefonaten teilhaben lassen.
Mit fremden Stimmen zu sprechen, machte mir großen Spaß.
Ich weiß noch, wie ich samstagabends bei meinem Kumpel Karsten zu Hause die Rudi-Carrell-Show verfolgt habe. Seine Eltern hatte eines dieser neuen Tastentelefone der deutschen Bundespost, Farbe Rot und – technisch konnte man kaum näher am Puls der Zeit sein – mit Lautsprecher, es konnten also alle Umstehenden hören, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde.
Die jüngere Generation kann dieses Wunder wohl nicht mehr so recht nachvollziehen, aber für uns, die wir noch als Familie zu viert im Halbkreis stehend unserem Opa in Stuttgart zum Geburtstag gratulierten und kaum zu atmen wagten, wenn Mama den Hörer in die Luft hielt, damit alle seine Reaktion mitbekamen, war das zukunftsweisende Hochtechnologie.
Während also in Carrells Sendung gerade eine Metzgereifachverkäuferin als Mireille Mathieu „Akropolis adieu“ schmetterte – natürlich nach Rudis obligatorischer Ankündigung: „Eben noch an der Fleischtheke, jetzt auf unserer Showbühne“, griff ich zum Telefonhörer, wählte eine beliebige Nummer und sagte: „Guten Abend, hier ist Rudi Carrell, ich gratuliere, Sie haben gewonnen. Schalten Sie Ihren Fernseher ein. Ja, da läuft gerade Musik, deswegen kann ich sie ja anrufen.“
Manch einer mag einwenden, dass ich mit 16 Jahren für derart infantile Telefonstreiche womöglich schon ein bisschen zu alt gewesen sein könnte. Ich sehe das eher als Berufsvorbereitung. Wie von selbst entwickelte sich jedenfalls plötzlich ein Repertoire aus Gags bekannter Komiker, Witzen und selbstausgedachten Parodien. Ich brauchte also nur noch die Gelegenheit, es vor mehr Menschen als nur meinem unmittelbaren Umfeld zu präsentieren, das es zugegebenermaßen recht gut kannte. Glücklicherweise gab es immer wieder private Feiern oder größere Familienfeste, bei denen ich meinen Gag-Fundus ausprobieren und verfeinern konnte.
1989 habe ich es dann zum ersten Mal für Geld getan. Mein Bruder Jochen war damals schon Student und jobbte nebenbei bei einer Softwarefirma, die kurzfristig jemanden suchte, der das Sommerfest bespaßen sollte. Diese Chance habe ich sofort genutzt. Die Versuchsanordnung war geradezu perfekt: Man hatte ein Ausflugsschiff gemietet, das Publikum hatte dementsprechend keine Fluchtmöglichkeiten. Direkt am Eingang habe ich von allen Mitarbeitern Polaroidfotos geschossen, anschließend eine Tombola moderiert und meine Parodien vorgeführt. Für hundert D-Mark habe ich die Gesellschaft den ganzen Tag bespaßt. Ein, wie ich finde, guter Deal für das Unternehmen, das Boris Becker, Otto, Helmut Kohl und Guido Cantz zum Preis von einem bekam.
Ob die Initiative, mich zu beauftragen von meinem Bruder oder seiner damaligen Freundin ausging, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Sie arbeitete jedenfalls auch bei diesem Unternehmen und kannte mich und meine Neigung, im Mittelpunkt zu stehen, schon aus der Schule.
4. Per Zufall im Karneval
Mundpropaganda verhalf mir zu immer weiteren kleinen und größeren Auftritten – bis zu einem schicksalhaften Polterabend in Porz im Jahr 1990. Der Abend lief richtig gut, die Festgesellschaft im Nebenzimmer lachte lauthals über meine Parodien und im Gastraum saß einer der bekanntesten Redner des Kölner Karnevals: Peter Raddatz, jedem Kölner ein Begriff als „Dä Mann met dem Hötche“. Die Karnevalslegende hatte ein gebrochenes Bein und konnte sich nicht selbst mal eben schnell unauffällig in den Saal schleichen und nachgucken, was dort los war. Vielleicht war gerade deshalb seine Neugier umso mehr geweckt. Raddatz wollte von der Bedienung wissen, wer da gerade nebenan die Leute so zum Lachen brachte. Ihre Antwort kam schnell: „Das ist so junger Typ aus Porz, ein ganz lustiger Vogel.“
Nach meinem Auftritt stellte mich jemand Peter Raddatz vor. Wer er war, wusste ich selbstverständlich. Raddatz fragte mich: „Es hat doch bestimmt jemand ein Video gemacht. Besorg dir das und schick es mir zu. Ich guck mir das gerne an und melde mich.“ Er gab mir dann seine Adresse und bekam im Gegenzug meine Telefonnummer.
Ich habe nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sich daraus etwas ergibt. Typisches Kneipengespräch, dachte ich, vielleicht wollte er ja nur nett sein. Ich konnte ohnehin nicht zu Hause um das Telefon herumschleichen und bei jedem Klingeln hoffen, dass endlich Peter Raddatz anruft, um mir mitzuteilen, dass ihn noch nie zuvor ein Video so begeistert habe. Zu dieser Zeit war ich nämlich noch beim Bund, mein Wehrdienst ging in die Endphase und ich musste schon morgen zurück in die Kaserne.
Ein paar Wochen später, an einem Freitagnachmittag, weckte mich dann aber meine Mutter und streckte mir das Telefon entgegen. Ich war zwei Stunden zuvor von meiner Woche beim Bund zurückgekehrt und hatte mich wie jedes Mal kurz hingelegt.
„Ja, hier Raddatz, ich habe doch gesagt, ich melde mich mal. Ich würde dich gerne mal in Köln vorstellen beim Stammtisch Kölner Karnevalisten. Da bin ich Mitglied und die suchen immer Nachwuchs. Hättest du Lust dazu?“
Natürlich hatte ich Lust. Ich fuhr also zu dieser Versammlung, die an einem Samstag in einem Lokal namens „Zum Jan“ stattfand. Ich ging die Treppen hinab ins Kasino des Reiterkorps „Jan von Werth“ im Keller, in dem auch heute noch regelmäßig das Tanzkorps trainiert und einmal im Monat die Karnevalisten tagen. Dort saßen die Karnevalsprofis an einer langen Tischreihe und hinten im Eck entdeckte ich eine kleine Bühne, auf der ich gleich mein Können zeigen durfte.
Erstaunlicherweise war ich vor meinem Auftritt wenig nervös. Ich hatte nicht das Gefühl, dass von der kommenden Viertelstunde meine Zukunft abhängen würde. Im Nachhinein wundere ich mich, wie unbedarft ich diesen Auftritt anging, aber vielleicht lag genau darin das Geheimnis. Ich tat einfach, was ich immer tat und war gespannt, was die Experten hinterher dazu sagen würden.
Heute wäre ich wahrscheinlich aufgeregter als damals, denn mittlerweile verunsichern mich nur dreißig Menschen im Publikum mehr als 3.000.
Die Reaktionen der Karnevalisten waren nicht enthusiastisch, aber doch sehr positiv. Menschen, die selbst seit Jahrzehnten auf der Bühne stehen, wird man selten komplett überrascht erleben, dafür haben sie einfach über die Zeit schon zu viel gesehen. Mein Auftritt hatte nur einen einzigen Fehler: Er geschah eindeutig zu spät. Für den großen Vorstellabend im Oktober, bei dem sich neugierige Karnevalsjecken und die Literaten der unterschiedlichen Gesellschaften versammelten, um die neuen Talente unter die Lupe zu nehmen, war der Zug bereits abgefahren. Das Programm war fix und fertig und es gab beim besten Willen keine Lücke mehr. Man verabschiedete mich daher mit den Worten: „Du musst nächstes Jahr noch mal wiederkommen.“
Heute verunsichern mich dreißig Menschen mehr als 3.000.
Peter Raddatz hat mich nicht vergessen
Für mich war die Sache erst mal abgehakt, aber Peter Raddatz hatte mich zum Glück weiter auf dem Schirm. Als 1991 der Karneval aufgrund des Golfkriegs abgesagt wurde und damit ein Großteil der Sitzungen, der Straßenkarneval und die Züge ausfielen, beschloss der amtierende Karnevalsprinz von Porz, im wahren Leben Gastronom, an Karnevalsdienstag zum Abschluss der Session in seiner eigenen Kneipe ein Programm auf die Beine zu stellen. Raddatz brachte mich dort ins Gespräch und vermittelte mir den Auftritt. Als Versicherungsagent wusste er bestens Bescheid, wie man anderen etwas verkauft. Und ich war froh zu sehen, dass er mich nicht vergessen hatte und ganz offensichtlich immer noch fördern wollte. Seine Verlässlichkeit, die er als mein Fürsprecher an den Tag legte, ist der wichtigste Grund, warum ich diesen Weg einschlagen konnte. Er ist mein „karnevalistischer Ziehvater“, dem ich sehr dankbar bin, auch wenn er selbst sein Engagement immer ein bisschen runterspielt und sagt: „Das, was du da im Fernsehen machst, hab ich doch alles gar nicht erlebt. Für mich war die Bühne immer nur ein Nebenjob neben meinen Versicherungen.“

Im Frühjahr erinnerte Raddatz seine Vereinskollegen vom Stammtisch Kölner Karnevalisten an ihr Versprechen, mir in diesem Jahr noch mal eine Chance zu geben. Im Juni 1991 hatte ich also meinen zweiten Auftritt vor den Profis und wurde hospitierend in den Verein aufgenommen. Insgesamt dauert so eine Hospitanz zwei Jahre, letztlich ist das nur ein etwas blumigerer Ausdruck für eine schlichte Probezeit. Man möchte eben sicherstellen, dass ein neues Mitglied weder silberne Löffel klaut noch nach seinen Auftritten marodierend durch die Kneipen und Säle zieht. Doch im ersten Schritt ging es darum, mich als würdig zu erweisen für die Vorstellabende im Oktober.
Ich bestand diesen Test und nun nahte der besagte Auftritt, den ich heute als meinen offiziellen Start im Karneval betrachte. Der unvergessene Freitagabend im Saaltheater Geulen in Aachen-Eilendorf. Mein Einstand vor 1.000 Zuschauern.
Eine Woche später dann die Steigerung: Im ausverkauften Sartory-Saal in Köln stand ich am Samstag- und Sonntagabend jeweils 1.200 Zuschauern gegenüber. Der „Mann für alle Fälle“ konnte auch in seiner Heimatstadt überzeugen.
Was nach diesen Auftritten passierte, erscheint mir auch heute noch unwirklich, fast wie aus einem amerikanischen B-Movie. Genauer gesagt meine ich diese fünfminütige Szene, in der alle den Außenseiter, der vorher 85 Minuten lang nur rumgeschubst wurde, plötzlich als Held feiern, weil ihm irgendwas Besonderes gelungen ist. Das entsprach zwar nicht meiner Geschichte, aber das Gedränge vor meiner Garderobentür schien mir direkt aus einem solchen Film zu stammen. Literaten der unterschiedlichen Karnevalsgesellschaften hatten sich dort versammelt und fragten aufgeregt: „Wie können wir Sie denn engagieren, wo können wir Sie denn buchen?“
Ich war mit der Situation überfordert, doch zum Glück behielt Peter Raddatz einen kühlen Kopf und sagte ganz entspannt: „Du lässt dich jetzt gar nicht buchen, die Leute sollen dich anrufen.“
Und das taten sie. In den folgenden drei Tagen stand das Telefon nicht still. Mein Bruder war schon genervt, weil der Rest der Familie nicht mehr telefonieren konnte. Ich wurde von den Terminanfragen tatsächlich überrollt. Die positiven Kritiken in den Kölner Zeitungen dürften ihren Teil dazu beigetragen haben. Der Kölner Stadt-Anzeiger schrieb:
„,Super, ey, echt super!‘, tönte es am Samstagabend im großen Sartory-Saal. War da etwa schon wieder der neue Star am Kölner Kabaretthimmel Tom Gerhardt zugange? Falsch getippt. Guido Cantz heißt der Ulkvogel, der als ‚Mann für alle Fälle‘ 1.200 Zuschauern Tränen in die Augen trieb. Der größte Wunsch des jungen Büttenredners und Parodisten auf den traditionellen Karnevalssitzungen ist, das verwöhnte Publikum in Stimmung zu bringen. Dazu hat er am Samstag beim Vorstellabend den Grundstein gelegt.“2
Tom Gerhardt war zu dieser Zeit mein neuer Held unter den Komikern. Später sollte er als „Hausmeister Krause“ eine der ersten und mit achtzig Folgen auch eine der am längsten laufenden deutschen Sitcoms auf den Fernsehschirm bringen.
Ich hatte 1988 gleich zu Beginn seiner Karriere sein Programm „Dackel mit Sekt“ gesehen, in einem Bürgerhaus bei uns in der Nähe. Ich bin schier ausgerastet. Das was der Mann da auf der Bühne tat, seine Figur des Proleten Tommie, das war neu und anders. Ich dachte: „Wie toll ist das denn? So was will ich auch machen!“ Ich hatte allerdings ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinerseits einfach so Passagen im Stil von Tommie auf der Bühne präsentierte. Also schrieb ich Tom Gerhardt einen Brief und fragte ihn, ob er damit einverstanden sei, dass ich ihn parodierte.
Als Antwort bekam ich eine Postkarte, auf der stand: „Es ist mir eine Ehre.“ Darüber war ich wirklich glücklich, denn während Otto Waalkes in jüngeren Jahren meine Initialzündung war, mich mit Humor zu beschäftigen, war Tom Gerhardt sozusagen die zweite Zündstufe für den frisch erwachsenen Guido, weil ich durch ihn noch mal eine ganz andere Herangehensweise an Bühnenshows entdeckte.
Auch in der Kölnischen Rundschau wurde ich namentlich erwähnt: „Der 20-jährige Student Guido Cantz stand als Mann für alle Fälle erstmals auf einer Narrenbühne. Treffsicher und pointiert imitierte der blonde Strahlemann die Stimmen von Rudi Carrell und Helmut Kohl und Boris Becker und Tom Gerhardt. Obwohl es ihn auch zum Kabarett zieht, suchte er den Erfolg im Fastelovend. Er sagt: ‚Ich bin ein richtiger Karnevalsjeck.‘“3
Und die BILD-Zeitung schrieb: „Der Mann für alle Fälle. Er kam, parodierte und siegte. Guido Cantz: ‚Besser zwei Holländer auf der Bühne als einer auf der Autobahn.‘ Er debütierte als ‚Mann für alle Fälle‘, Kohl, Blüm, Brandt, Boris Becker, die Parodien sind nicht neu, trotzdem ein Talent, ausbaufähig mit besseren Texten!“
Dafür dass ich zwei Zeilen vorher mit der Art meines Auftritts noch gesiegt hatte, trat der Autor dann zum Ende noch mal fest auf die Euphorie-Bremse.
Wie dem auch sei: Ich hätte keinen besseren Start erwischen können. Doch nun lautete die Herausforderung, die hoch gesteckten Erwartungen auch weiter zu erfüllen.