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Ausdifferenzierung und Ausweitung der Vertriebswege

Das 19. Jahrhundert ist auch durch eine Ausweitung der Zugangsmöglichkeiten für das Publikum zu Lesestoffen der verschiedensten Art gekennzeichnet. Dazu gehört als wichtiger Faktor der sich entwickelnde stationäre Buchhandel, also der Buchhandel mit Ladengeschäften. Dessen Organisationsgefüge „war noch bis tief ins 19. Jahrhundert hinein sehr weitmaschig“ (Ungern-Sternberg 1987: 383). Um 1800 existierten nur ca. 500 Buchhandlungen, davon ein Zehntel allein in Leipzig. Zwar verdreifachte sich die Zahl bis zur Reichsgründung im Jahr 1870, doch bleiben Regionen wie Bayern und Westfalen unterversorgt (Wittmann 1982b: 118f., Schenda 1970: 174ff.). Angesichts der Tatsache, dass weite Teile der Bevölkerung auf dem Land lebten und die Verstädterung erst nach der Jahrhundertmitte deutlich stieg, ist die Versorgungslücke mit Lesestoffen evident. Die langsame Entwicklung des stationären Buchhandels war bis zur Einführung der Gewerbefreiheit in hohem Maß Folge des Konzessionisierungszwangs, der erst 1868/1869 für den Norddeutschen Bund und 1872 für das gesamte Deutsche Reich abgeschafft wurde.

Zu den Lesestofflieferanten für das Publikum gehörten neben dem stationären Buchhandel die bürgerlichen Lesegesellschaften und die Leihbibliotheken, die seit dem 18. Jahrhundert für größere Lesergruppen eine extensive Lektüre erst erschwinglich gemacht haben. „Der mächtigste Lesestofflieferant zumindest des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wenn nicht gar der gesamten Buchhandelsgeschichte“ (Schenda 1976: 28) war jedoch der Kolportagebuchhandel, dessen wichtigste Funktion die des „Unterhaltungslieferanten“ (Schenda 1970: 269) war. Zwar war der Kolportagevertrieb von verschiedensten Schriften durch Wanderbuchhändler, auch „Buchführer“ genannt, schon kurz nach Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg gebräuchlich, doch bildete sich diese Vertriebsform systematisch erst im 19. Jahrhundert heraus. Dazu trug in den 1820er Jahren vor allem Carl Joseph Meyer wesentlich bei, indem er für seine Bibliothek deutscher Klassiker Reisende anstellte, um Subskribenten zu sammeln. Die Bestellungen wurden an den Sortimentsbuchhandel vor Ort weitergegeben, der dann die Lieferungen ausführte. Diese „Verlagskolportage“ (Scheidt 1994: 138) wurde nach der Mitte des Jahrhunderts durch einen selbständigen Kolportagebuchhandel abgelöst.

Zur Einführung in den Kolportagebuchhandel siehe die farbige, sehr detailreiche Darstellung bei Schenda 1970: 228–270 sowie Scheidt 1994 und Storim 2003.

Zentral für diese Entwicklung waren die Familienzeitschriften im Gefolge der Gartenlaube. Das Sortiment war nicht in der Lage, die höheren Auflagen und die dichte periodische Erscheinungsweise zu ‚verarbeiten’, sodass „ein Vakuum in der Absatzgestaltung“ (Scheidt 1994: 140) entstand. Der Kolportagebuchhandel wurde so zum „Prototyp eines auf das ‚Massenbuch‘ spezialisierten Buchhandelszweiges“, der den „Übergang des Buchhandels zum Massenkommunikationssystem“ markierte (Scheidt 1994: 135). Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts etablierte sich diese Vertriebsform „zumindest in den städtischen Regionen – endgültig als verlagsunabhängiges System selbständiger, ortsfester Kolportagebuchhandlungen, die von Grossisten beliefert wurden“ (Kosch/Nagl 1993: 34). 1894 wurden in einem zeitgenössischen Artikel 3.500 reine Kolportagebuchhandlungen und 4.000 Sortimenter mit Kolportage als Nebenerwerb gezählt (Kosch/Nagl 1993: 23; deutlich geringere Zahlen bei Wittmann 1999: 272.), die Zahl der in der Kolportage beschäftigten Personen wurde auf 26.000 gegenüber 22.000 im übrigen Buchhandel geschätzt (Kosch/Nagl 1993: 23).

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese Entwicklung schuf eine neue Gewerbeordnung, die am 8. Juli 1868 als Gesetz für den Norddeutschen Bund verabschiedet wurde (Erlass am 21. Juni 1869) und die für den Kolportagebuchhandel sowie für jeglichen Handel mit Presseerzeugnissen bedeutete, „dass er nicht mehr dem Pressegesetz und damit den ‚direkten‘ Zensurbeschränkungen unterworfen war, sondern als Gewerbe betrachtet und durch die Gewerbeordnung geregelt wurde“, was „einer praktischen Freigabe der Presse gleichkam“ (Scheidt 1994: 142). Das Gesetz stellte den Wanderbuchhandel, den Kolportagebuchhandel und das Sortiment als gleichberechtigte Betriebsformen des Buchhandels nebeneinander.

Im Kolportagebuchhandel vertrieben wurden drei Hauptgruppen von Printmedien. Zum einen Periodika der verschiedensten Art, überwiegend jedoch Familienzeitschriften, zum anderen Werke, die auch im Buchhandel erhältlich waren wie Sammelwerke und Serien, Lexika, Fachliteratur und preiswerte Prachtausgaben, sowie schließlich Artikel, die in hohen Auflagen nur für den Kolportagebuchhandel produziert wurden wie Kalender, klerikale Traktate, Kochbücher, Traumbücher, Erotika, Kriegsschilderungen und politische Agitation bis hin zu medizinischen Ratgebern (Wittmann 1999: 272f.) Eine hochinteressante Übersicht über ‚kolportagefähige’ Werke bietet die Schrift Der Kolportagehandel von Friedrich Streissler aus dem Jahr 1887 (Beilage zu Kosch/Nagl 1993; eine weitere zeitgenössische Quelle bei Scheidt 1994, Anm. 269).

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Zeitschriften aller Art zum Hauptvertriebsobjekt. Lieferungswerke wie die Klassiker, aber auch die Volksromane in Heften à 10 Pfennig traten mehr und mehr in den Hintergrund (Storim 2003: 529f.). Gleichzeitig differenzierten sich Kolportagebuchhandel und Reisebuchhandel/Versandbuchhandel aus: „Der Kolportagebuchhandel entwickelte sich zum Buch- und Zeitschriftenhandel […]. Der ehemalige ‚neue‘ Kolportagebuchhandel wandelte sich zum Reise- bzw. später Reise- und Versandbuchhandel mit einem deutlichen Gewicht auf der zweiten Komponente.“ (Storim 2003: 526)

Insgesamt ist die Bedeutung des Kolporteurs (frz. col: Nacken; porter: tragen), der mit dem Bücherkarren durch Städtchen und Dörfer oder mit der Bücherlade von Haus zu Haus zog, und des Kolportagebuchhandels für die Verbreitung von populären Lesestoffen in breiten Bevölkerungsschichten kaum zu unterschätzen. Gegen Ende des Jahrhunderts vermerkt ein Zeitgenosse, dass „zwei Drittel der gesamten buchhändlerischen Produktion auf dem Wege der Kolportage vertrieben wird“ (Kellen 1899: 82).

Die technische Entwicklung der Buchproduktion

Grundlegende Innovationen in den Bereichen Papier, Satz, Druck und Bindung, in denen die Herstellungstechnik sich seit den Zeiten Gutenbergs substantiell kaum weiterentwickelt hatte, schufen die Voraussetzungen für die massenhafte Verbreitung populärer Lesestoffe im 19. Jahrhundert – nicht zuletzt, weil durch diese „Revolutionierung der Buchherstellung“ (zusammenfassend Stümpel 1987, Fallbacher 1992: 90–108 und Wittmann 1999: 220–223) die Lesestoffe deutlich billiger und damit auch für einkommensschwache Schichten erschwinglicher wurden. Betrug der Preis für den fünften Jahrgang des beliebten Taschenbuchs Penelope aus der C. J. Hinrichschen Buchhandlung im Jahr 1844 noch umgerechnet 50 Silber- oder Neugroschen (Krieg 1953: 32), so kostete eine 600seitige Lessing-Ausgabe im Klassikerjahr 1867 zehn Silber- oder Neugroschen, die Einzelbände von ReclamReclams Universal-BibliothekUniversal-Bibliothek nur zwei Silber- oder Neugroschen (Bode 2003: 23).

Im Bereich der Papierherstellung wurde die 1799 patentierte Langsiebpapiermaschine des Franzosen Nicolas Louis Robert so verbessert, dass die 1818 in Berlin installierte erste deutsche Maschine mit Dampfbetrieb die bisherige Tagesproduktion bei besserer Qualität verzehnfachen konnte. Der traditionelle Rohstoff (Hadern und Lumpen) wurde bei steigendem Papierbedarf immer knapper. Dieser Engpass konnte mit der Erfindung des Holzschliffs durch Gottlob Keller im Jahr 1844 Schritt für Schritt beseitigt werden. Allerdings vergilbten und zerfielen die stark holzhaltigen Papiere schnell, was durch die 1863 in Amerika patentierte und 1874 in Deutschland eingeführte Sulfitkochung weitgehend behoben werden konnte. Dabei wurde der Holzschliff chemisch behandelt. Diese Verarbeitung des nun Zellstoff genannten Rohstoffs führte zu Papieren mit hohem Weißegrad und deutlich geringerer Vergilbungsanfälligkeit.

Im Bereich der Satzherstellung brachte die Erfindung der Handgießmaschine im Jahr 1838 durch den Amerikaner David Bruce einen ersten wirklich Fortschritt, konnte doch damit die Arbeitsleistung eines Setzers annähernd verzehnfacht werden. Eine weitere Steigerung erlaubte die automatische Gießmaschine der französischen Firma Foucher Frères aus dem Jahr 1883. Sie lieferte in einem Arbeitsgang gebrauchsfertige Typen. Den wirklichen Durchbruch für einen Mengensatz – vor allem für Zeitungen – schaffte jedoch erst die Setzmaschine, vor allem Otmar Mergenthalers automatisch ausschließende Linotype von 1884, die nicht einzelne Typen, sondern Zeilen produzierte. Sie übertraf die Leistung eines guten Handsetzers um das Dreifache. Kurz vor der Jahrhundertwende entwickelte der Amerikaner Robert Lanston die Monotype, eine automatische Einzeltypen-Setz- und Gießmaschine.

Zum Bereich der Satzherstellung gehört auch das Stereotypie-Verfahren. Dabei wurde das einmal in Blei erstellte Satzbild nach einer Abformung in Gips und später in einer Papiermasse mit Schriftmetall ausgegossen. Der Text war damit „stereotypiert“, und das teure Letternmaterial konnte für andere Satzaufgaben genutzt werden. Dieses Verfahren war etwa seit 1820 für immer wieder gedruckte oder in Massen hergestellte identische Texte allgemein üblich (siehe Wilkes 2010).

Im Bereich des Drucks wurde über Jahrhunderte zwar die Handpresse technisch optimiert, doch eine qualitative Veränderung brachte erst die Zylinder-Schnellpresse, für die Friedrich König 1811 in London ein Patent erhielt. Sie wurde zunächst für den Zeitungsdruck eingesetzt, danach auch immer häufiger für den Buchdruck. Arbeitete die dampfbetriebene Schnellpresse noch mit Papierbogen, so baute der Amerikaner William Bullock 1865 die erste funktionierende Rotationsmaschine. Das Papier wurde hier als Papierbahn von der Rolle zugeführt und in einem Durchlauf von beiden Seiten bedruckt. Als Druckform dienten Rundstereotypie-Platten. Die Maschine lief vollautomatisch und schaffte 10.000 Bogen pro Stunde. Für den Buchdruck blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend die Königsche Schnellpresse im Einsatz. Doch soll bereits 1866 auf der von Bullock konstruierten Maschine ein Buch mit einem Umfang von fast 700 Seiten gedruckt worden sein (Wilkes 2010: 186). 1875 wurde Meyers Konversationslexikon in Leipzig auf einer Rollenrotationsmaschine der Firma MAN hergestellt.

Im Bereich der Bindung war Buchbinden vom 17. Jahrhundert bis etwa 1840 im wörtlichen Sinn ein Hand-Werk ohne technische Hilfsmittel und Maschinen. Einzige Ausnahme war die Stockpresse. Jetzt kamen unter anderen die Schneidemaschine (Frankreich, seit 1837), die Falzmaschine (England, seit 1849), die Drahtheftmaschine (Deutschland, seit 1875) und die Fadenheftmaschine (Deutschland, seit 1884) hinzu, was die buchbinderischen Voraussetzungen für eine massenhafte Produktion schuf.

Die in diesem Kapitel geschilderten Entwicklungen – die Ausweitung des Lesepublikums, die Ausdifferenzierung und Ausweitung der Printmedien, die Ausdifferenzierung und Ausweitung der Vertriebswege sowie die technische Entwicklung der Buchproduktion – führten zu einer inhaltlichen Bandbreite und Vielfalt des literarischen Markts, auf die im nächsten Kapitel eingegangen wird.

3 Das serielle Buch im 19. Jahrhundert

Man hat von der „serial revolution“ im 19. Jahrhundert gesprochen und dabei nicht nur Periodika mit den verschiedensten Inhalten – ein Beispiel sind die jahrbuchähnlichen Zusammenstellungen wie Meyer’s Volksbibliothek für Länder-, Völker- und Naturkunde (1853–1856) –, sondern auch Reihenveröffentlichungen in selbständigen Teilen bezeichnet (Law/Patten 2009: 144).

Wenn wir „Buch“ als Produkt eines technischen Herstellungsprozesses definieren, wobei dem Träger Papier die zu übermittelnden Sprach- und Bildzeichen appliziert werden, als Buchform die Codexform voraussetzen (Rautenberg 2015: 65) und zugleich die Unesco-Definition mit dem Mindestumfang von 49 Seiten außer Betracht lassen, so spannt sich im 19. Jahrhundert die Produktbreite inhaltlich vom Roman bis zum Ratgeber und zum wissenschaftlichen Buch, formal vom Hardcover bis zur Broschur und zum Heft sowie adressatenspezifisch von Büchern für Erwachsene bis zur Kinder- und Jugendliteratur. Jede einzelne dieser Buchgattungen (zum Begriff siehe Rautenberg 2015: 75) lassen sich Bereitstellungsqualität, Organisiertheit, Funktionalität und Institutionalisiertheit zuschreiben (Saxer 1999). Im Kontext einer Geschichte des Taschenbuchs interessieren dabei die Gattungen, die die folgenden Merkmale erfüllen.

Der Auftritt als Reihe ist das zentrale Kriterium. Den Reihencharakter machen ein übergeordneter Reihentitel – oft mit einer Reihennummer für den einzelnen Band –, das Format, eine weitgehend einheitliche Buchgestaltung, ein niedriger – sehr oft einheitlicher – Ladenpreis bei relativ hoher Auflage und die Periodizität aus. Eine niederschwellige Definition bietet Isabelle Olivero in ihrer Untersuchung zur „paperback revolution in France“ an: „A nineteenth and twentieth century ‚collection‘ is a collectable series of uniform volumes, which brought the same high quality of production of ‚high-end‘ or ‚well produced‘ books to the inexpensive and popular book.“ (Olivero 2011: 72)

Eine Reihenforschung existiert im deutschen Sprachraum so gut wie nicht. Einzig Bry 1917 und Unger 2015 befassen sich mit dem Thema im engeren Sinn. Zusammenfassend Bast 1988 und Rautenberg 2015: 333f. Sehr differenziert und materialreich vor allem für den englischen Sprachraum Spiers 2011, besonders die Einleitungen zu den beiden Bänden. Für den französischen Sprachraum Olivero 1999, zusammenfassend Olivero 2011. Sie sieht die Reihenentwicklung im 19. Jahrhundert als „un phénomène européen“ (Olivero 1999: 13).

Der Reihentitel versucht, die Grundidee der Reihe zu vermitteln, und bindet Einzeltitel verschiedener Urheber zusammen. Dem dient auch die Reihennummer, die zudem den Umfang und damit in der Regel auch die Bedeutung der Reihe signalisiert. Reihentitel reichen von relativ unspezifischen Benennungen wie Universal-BibliothekUniversal-Bibliothek bis Formulierungen wie Neue JugendbibliothekJugendbibliothek, Neue, die die Zielgruppe eindeutig adressieren.

In den Reihen erscheinen sowohl selbständige und inhaltlich in sich abgeschlossene Publikationen als auch Lieferungen von Werkausgaben (zum Beispiel Walter Scotts Werke bei den Gebrüdern FranckhFranckh in Stuttgart ab 1827 in 150 Bändchen) oder Lieferungen von umfangreichen Werken wie die eines Kolportageromans. Inhaltlich (in ihrem Programm) sind Reihen keineswegs auf Fiction beschränkt, sondern umfassen auch nicht-fiktionale Stoffe. Die Spanne reicht von Enzyklopädien und Nachschlagewerken über Ratgeber und Erbauungsbücher bis zu wissenschaftlicher Literatur, sozusagen von ReclamReclams Universal-BibliothekUniversal-Bibliothek über Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände von Carl Joseph Meyer bis zur Sammlung GöschenSammlung GöschenGöschen. Werner Faulstich hat die Entwicklung zur Reihe als Publikationsform pointiert charakterisiert: „Der Buchmarkt, soweit er sich zu einem Massenmarkt veränderte, wurde im Prinzip in einen Heftmarkt verwandelt und ging damit in einem allgemeinen Medienmarkt auf.“ (Faulstich 2004: 195) Diese pauschale Feststellung ist sicher zu differenzieren, aber bei der enormen Zahl an Reihen durchaus diskussionswürdig.

Die Reihe erscheint in der Regel in einem einheitlichen Format, das im Publikationsverlauf durchaus wechseln kann. Das Format reicht von der sehr kleinformatigen Etui-Bibliothek der Deutschen ClassikerEtui-Bibliothek der Deutschen Classiker August SchumannSchumanns (8 cm x 9 cm) bis zum Großformat bei Enzyklopädien (ca. 25 cm x 30 cm).

Der Reihencharakter wird auch durch die Buchgestaltung hervorgehoben. So erschienen die Bände von ReclamReclams Universal-BibliothekUniversal-Bibliothek 50 Jahre lang im einheitlichen Reihendesign: rötlich-blasser Grundton des Einbands, floristische Elemente im linken Teil der Vorderseite und der Reihenname prominent am Kopf der Seite.

Der Ladenpreis der einzelnen Bücher bzw. Lieferungen war dank der technischen Fortschritte in der Buchproduktion und der relativ hohen Auflagen relativ niedrig. Zeitgenössisch schlug sich das in der Opposition von Kulturbuch vs. Massenbuch nieder (Steinen 1912, siehe auch Jeremias 1938). Massenhaftigkeit ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal des seriellen Buchs.

„Format“ meint im engeren Sinn Papier- oder Buchformat, im erweiterten Sinn ist die Reihe mit ihren Bestimmungselementen ein „Format“. Eine Reihe hat ein Format, sie ist aber zugleich auch ein Format. Michael Niehaus hat den Format-Begriff in seiner perspektivenreichen Abhandlung Was ist ein Format? (Niehaus 2018) entfaltet: „Etwas wird genau dann als ein Format bezeichnet, wenn es als durch von außen gesetzte Formatvorgaben definiert betrachtet werden kann.“ Das Format als formale Institution ist „gewissermaßen zeitlos“, liegt also bereit und kann reaktiviert werden, und stellt „für verschiedene ‚Contents‘ eine Option“ dar (Niehaus 2018: 91). „Denn von sich aus hat das Format keine narrative, sondern nur eine serielle Dimension.“ (82) Pointiert ausgedrückt: „Das Format ist die Botschaft.“ (135) In dieser Betrachtungsweise ist die einzelne Reihe ein „Genre“ (86).

Periodizität grenzt die Reihen des 19. Jahrhunderts gegenüber Formen aus dem Jahrhundert zuvor wie Almanach und „Taschenbuch“ ab. Zwar treffen etliche der oben genannten Merkmale auch für diese beiden Formen zu (Bunzel 1999), doch kann beim einmaligen Erscheinen pro Jahr von einer Periodizität, wie wir sie als Basismerkmal einer Zeitschrift – im 18. Jahrhundert etwa die Moralischen Wochenschriften (siehe Martens 1968 und FischerFischer/Haefs/Mix 1999) – kennen, nicht die Rede sein. Reihen des 19. Jahrhunderts umfassen von wenigen Werken in einer kurzen Lebenszeit der Reihe, etwa die Rheinische Reise-Bibliothek für Dampfschiff und EisenbahnReise-Bibliothek für Dampfschiff und Eisenbahn, Rheinische (2 Bände zwischen 1859 und 1861), bis zu Tausenden von Titeln über Jahrzehnte hinweg wie die Tauchnitz-EditionAlbatross Modern Continental Library, The, in der zwischen dem Start im Jahr 1841 und der Jahrhundertwende 3.400 Nummern verlegt wurden. Das Erscheinen erfolgt im Allgemeinen unregelmäßig, doch gibt es auch Fälle regelmäßigen Erscheinens wie Engelhorns allgemeine Roman-BibliothekEngelhorns allgemeine Roman-Bibliothek (vierzehntäglich) und Kürschners BücherschatzKürschners Bücherschatz (wöchentlich).

Nicht alle populären Lesestoffe des 19. Jahrhunderts (zu den Formen und Gattungen siehe Schenda 1970: 271–324 und Galle 2006b) sind in Reihen erschienen. Sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch vom seriellen Charakter und der Frequenz des Erscheinens her sind jedoch vier Gattungen typisch, die „Bibliotheken“ (oft auch unter den Bezeichnungen „Collectionen“ oder „Sammlungen“), die Volksbücher, der Kolportageroman und gegen Ende des Jahrhunderts die Serienhefte und der Heftroman.

Die Collectionen, Bibliotheken oder Sammlungen sind in ihrer Vielfalt kaum zu überblicken. In der derzeit umfangreichsten Materialsammlung nennt Heinz J. Galle rund 200 Reihen (2006b). Diese Klassikerbibliotheken, Familienbibliotheken, Volksbibliotheken, Jugendschriftenreihen etc. wurden von Verlagen auf den Markt gebracht, die teilweise heute kaum mehr bekannt sind. Sie erschienen gebunden, als Broschüre oder als Heft. Nicht immer trifft das Kriterium der massenhaften Verbreitung zu; oft fehlen auch dazu die Informationen.

Das Forschungsinteresse an diesen Bibliotheken ist recht übersichtlich, was nicht zuletzt mit der Materiallage zusammenhängt. Viele dieser Reihen waren für Bibliotheken nicht ‚sammlungswürdig‘. Daher ist es „einer kleinen Gruppe von Sammlern […] überhaupt zu verdanken, dass wir heute wenigstens noch in Umrissen die gesamte Bandbreite der Unterhaltungsliteratur aus der Vergangenheit erahnen können“ (Galle 2006b: 10). Schon seit den Zeiten der frühen Buchhandelshistoriker Friedrich Kapp und Johann Goldfriedrich werden immer wieder nur einige wenige Beispiele genannt; eine detaillierte wissenschaftliche Auseinandersetzung fehlt weitgehend.

In jüngerer Zeit ist Christine Haug mit ihren Arbeiten zu den Reisebibliotheken, einer Sonderform der populären Lesestoffe, eine Ausnahme. „Mit der massenhaften Produktion von Reiselektüre, die Ende der sechziger Jahre einen ersten Höhepunkt erlebte, entwickelte sich eine Gebrauchsliteratur besonderer Art. Bei den ‚Eisenbahn- und Reisebibliotheken‘ handelte es sich um Serien in einheitlicher Ausstattung […]“ (Haug 2003: 595). „Die Reisebibliotheken beinhalten ein vielfältiges und qualitativ stark divergierendes Angebot an Unterhaltungsliteratur und populärwissenschaftlichen Schriften, zum Beispiel Kriminal- und Abenteuergeschichten, Reiseerzählungen, pikante Sensations- und Skandalberichte, aber auch völkerkundliche, geographische und historische Abhandlungen.“ (Haug 2000: A220) Inwiefern hierunter sich Taschenbuchreihen befinden, wie sie im folgenden Kapitel vorgestellt werden, kann angesichts der Begrenzung dieser Untersuchung nicht geklärt werden.

Die erste prototypische Bibliothek erschien bereits im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Christian Gottlieb SchmiederSchmieder in Karlsruhe veröffentlichte zwischen 1774 und 1793 die Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und DichterSammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter in 180 Nummern. Die Nachdrucke waren durch ein kaiserliches Privileg geschützt, was den Verleger aber nicht vor Anfeindungen, beispielsweise durch GöschenGöschen, bewahrte. Basis der Sammlung waren die damaligen Klassiker wie Gellert, Klopstock und Wieland, erweitert später um historische, politische und philosophische Prosa sowie um unterhaltende Literatur der Zeit.

Die meisten der Bibliotheken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentierten deutsche oder antike Klassiker. Am Anfang standen die Etui-Bibliothek der Deutschen ClassikerEtui-Bibliothek der Deutschen Classiker bei August SchumannSchumann (ab 1810), die Sammlung der vorzüglichsten deutschen ClassikerSammlung der vorzüglichsten deutschen Classiker aus dem Bureau der deutschen ClassikerBureau der deutschen Classiker im C. F. MüllerMüller Verlag (ab 1814) sowie die Kollektionen im Bibliographischen Institut von Carl Joseph Meyer (Miniatur-Bibliothek der Deutschen ClassikerMiniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker, ab 1824; Cabinets-Bibliothek der Deutschen Classiker, ab 1827; Hand-Bibliothek der Deutschen ClassikerHand-Bibliothek der Deutschen Classiker, 1828; Groschen-Bibliothek der Deutschen Classiker für alle StändeGroschen-Bibliothek der Deutschen Classiker für alle Stände, ab 1850). Antike Klassiker verlegten originalsprachlich Karl TauchnitzTauchnitz (ab 1819) und Benedictus Gotthelf TeubnerTeubner (ab 1824), in deutschen Übersetzungen der MetzlerMetzler Verlag, herausgegeben von Gustav Schwab (ab 1827). Ausländische Autoren veröffentlichten in Übersetzungen die Gebrüder FranckhFranckh (Walter Scotts Werke, ab 1827; Das belletristische AuslandDas belletristische Ausland, ab 1843), in der Originalsprache TauchnitzTauchnitz in seiner Collection of British AuthorsCollection of British Authors (ab 1841).

Von ganz anderem Programmtypus war die von Ignaz Leopold KoberKober in Prag herausgegebene Reihe Album. Bibliothek deutscher Originalromane der beliebtesten SchriftstellerAlbum. Bibliothek deutscher Originalromane der beliebtesten Schriftsteller. Wie der Name sagt, wurden hier keine Klassikernachdrucke veröffentlicht, sondern Originalwerke zeitgenössischer Autoren. Zwischen 1846 und 1862 erschienen in Jahrgängen jeweils 24 Bände, insgesamt 241 Werke in 350 Bänden; die Reihe wurde 1871 eingestellt. 1861 erschien dort unter dem Pseudonym Jakob Corvinus Der heilige Born von Wilhelm Raabe.

Die zweite Jahrhunderthälfte war die Hochzeit der Eisenbahn- und Reisebibliotheken. Es erschienen in rascher Folge die Humoristische Reise- und EisenbahnbibliothekReise- und Eisenbahnbibliothek, Humoristische bei Albert Heinrich HoffmannHoffmann (ab 1853), die Conversations- und ReisebibliothekConversations- und Reisebibliothek (ab 1855) und Lorck’s EisenbahnbibliothekLorck’s Eisenbahnbibliothek (ab 1855) bei Carl Berend LorckLorck sowie die Reisebibliothek für Eisenbahn und DampfschiffeReisebibliothek für Eisenbahn und Dampfschiffe bei Friedrich Arnold BrockhausBrockhaus (ab 1856). Eine der erfolgreichsten Reihen war die Reiselectüre. Sorglose Stunden im Kreise beliebter ErzählerReiselectüre. Sorglose Stunden im Kreise beliebter Erzähler im Verlag Adolf KrönerKröner (ab 1874). In den 1880er und 1890er Jahren hatten Reisebibliotheken oft nur eine kurze Erscheinungsdauer (viele Beispiele bei Haug 1998: 84f.).

Im Klassikerjahr 1867 oder kurz danach starteten Bibliotheken, in denen zum Teil Tausende von Bänden im Lauf von Jahren und Jahrzehnten erschienen – allen voran Reclams Universal-BibliothekUniversal-Bibliothek (ab 1867). Dazu gehören ferner die Nationalbibliothek sämtlicher deutscher ClassikerNationalbibliothek sämtlicher deutscher Classiker von Gustav HempelHempel (ebenfalls ab 1867), die Collection SpemannCollection Spemann aus dem Verlag Wilhelm SpemannSpemann (ab 1881), Engelhorns allgemeine Roman-BibliothekEngelhorns allgemeine Roman-Bibliothek aus dem Verlag Carl EngelhornEngelhorn (ab 1884), die Bibliothek der Gesamtlitteratur des In- und AuslandesBibliothek der Gesamtlitteratur des In- und Auslandes von Otto HendelHendel (ab 1886), Meyers VolksbücherMeyers Volksbücher aus dem Bibliographischen Institut unter Hermann Julius Meyer (ab 1886) und Kürschners BücherschatzKürschners Bücherschatz aus dem Verlag Herrmann HilgerHilger (ab 1897).

Einen informativen Überblick über mehr als 30 Collectionen, Sammlungen und Bibliotheken aus der Sicht eines Zeitgenossen bietet Moldenhauer 1884, der seine mehrteilige Aufsatzfolge mit der Universal-Bibliothek *Universal-Bibliothek von ReclamReclam beginnt.

Hinzu kamen Sammlungen – zunehmend gebunden –, die durch ihren Reihentitel „entweder an ein möglichst breites soziales Spektrum appellierten oder sich auf eine möglichst kleine Zielgruppe beschränkten“ wie die Familienbibliothek fürs deutsche VolkFamilienbibliothek fürs deutsche Volk, Für Palast und HüttePalast und Hütte, Für, Für den FeierabendFeierabend, Für den, Deutsche Volksbibliothek für Leseverereine und HausVolksbibliothek für Leseverereine und Haus, Deutsche oder Deutsche Handwerker-BibliothekHandwerker-Bibliothek, Deutsche (Wittmann 1982b: 131f.).

Auch die literarischen Verlage brachten gegen Ende des Jahrhunderts Reihen mit gemeinfreien Werken oder als Zweitverwertung von bereits veröffentlichten Werken heraus. CottaCotta startete bereits 1882 seine Bibliothek der WeltliteraturBibliothek der Weltliteratur. S. FischerFischer folgte mit der Nordischen BibliothekBibliothek, Nordische (ab 1889), der Collection FischerCollection Fischer (ab 1894) und mit Fischers Bibliothek zeitgenössischer RomaneFischers Bibliothek zeitgenössischer Romane (ab 1910). LangenLangen brachte seine Kleine Bibliothek ab 1897 auf den Markt, Langewiesche-BrandtLangewiesche-Brandt die Bücher der RoseBücher der Rose ab 1909, UllsteinUllstein die Ullstein-BücherUllstein-Bücher ab 1910 und Anton Kippenberg die Insel-BüchereiInsel-Bücherei ab 1912 (Estermann/Füssel 2003: 275–280). Alle diese preisgünstigen Reihen erschienen als kleinformatige Hardcover.

Zu diesen mit wenigen Ausnahmen (etwa den Reisebibliotheken) belletristischen Collectionen erschienen nach der Jahrhundertmitte Reihen mit nonfiktionalen Inhalten verschiedenster Art. Nach dem frühen Vorläufer Unsere Zeit, oder geschichtliche Übersicht der merkwürdigsten Ereignisse von 1789–1830Zeit, oder geschichtliche Übersicht der merkwürdigsten Ereignisse von 1789–1830, Unsere bei Emanuel SchweizerbartSchweizerbart (ab 1826) kamen Meyers Volksbibliothek für Länder- Völker- und NaturkundeMeyers Volksbibliothek für Länder- Völker- und Naturkunde aus dem Bibliographischen Institut (ab 1853) und die Bibliothek der Unterhaltung und des WissensBibliothek der Unterhaltung und des Wissens bei Hermann SchönleinSchönlein (ab 1876) auf den Markt, später im Jahrhundert die Sammlung GöschenSammlung GöschenGöschen in der Göschen’schen Verlagsbuchhandlung (ab 1889) und Aus Natur und GeistesweltNatur und Geisteswelt, Aus im TeubnerTeubner Verlag (ab 1898).

Im nächsten Kapitel wird zu betrachten sein, welche dieser Reihen aufgrund ihrer Strukturmerkmale als Taschenbuchreihen einzuordnen sind.

Neben den Collectionen, Bibliotheken oder Sammlungen sind für das 19. Jahrhundert die Volksbücher als Reihe typisch. Wie bereits gesagt, sind nicht alle populären Lesestoffe des 19. Jahrhunderts in Reihen erschienen. Es geht hier nicht im weiteren Sinn um „‚Volksbücher‘, ‚Bibliothèque BleueBibliothèque Bleue‘, ‚Volksbüchlein‘, ‚Heftchen‘, ‚Broschüren‘ – wie immer mvan diese Gattung nennen mag“, die „im 19. Jahrhundert in großen Teilen Europas den bedeutendsten nichtperiodischen Lesestoff der gesamten lesenden Bevölkerung“ darstellen (Schenda 1970: 305). Zwar trug die im 18. Jahrhundert in Frankreich entstandene Bibliothèque bleueBibliothèque bleue durch ihren blauen Umschlag Reihencharakter, doch diese Lesestoffe, die in England chapbook und in Italien libretto populare hießen, waren nicht nummeriert, erschienen nicht periodisch und hatte keine standardisierte Aufmachung.

Unter diesen populären Lesestoffen, die man besser „Volksbüchlein“ als „Volksbücher“ nennen sollte (Schenda 1968: 137), hatte nach den Romanen – vor allem Ritter- und Liebesromane – das religiöse Schrifttum mit Andachtsbüchern, Liederbüchern, Gebetsbüchern und erbaulichem Schrifttum den größten Anteil (Andries/Bollème 2003: 23). Hinzu kamen Märchen, Fabeln und Sagen, Sammlungen von Witzen und Anekdoten, Traumdeutungsbücher, aber auch praktische Ratgeber für Gesundheit und Haushalt oder für den Landmann. Es handelte sich „um eine massenhaft hergestellte Art von Lesestoffen, um Heftchen von 8 bis 128 Seiten, etwa 14 mal 9 cm groß, um Massenlektüren auf billigstem Papier zu billigstem Verkaufspreis“ (Schenda 1968a: 140). Eine erste Einführung gibt Mandrou 1975; eine rund 1.000seitige Beispielsammlung von Texten der Bibliothèque bleueBibliothèque bleue findet sich bei Andries/Bollème 2003. Schenda 1968b verzeichnet bibliografisch 1.000 französische Volksbüchlein aus dem 19. Jahrhundert. Vergleichbares für den deutschen Sprachraum gibt es nicht. Zu den chapbooks siehe Weiss 1969 und Schöwerling 1980.

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