Kitabı oku: «Pit Summerby und die Magie des Pentagramms», sayfa 5

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„Was ist mit der Fünf?“,

fuhr er begierig in Dickis Erzählung.

„Was interessiert dich auf einmal die Fünf, hast doch bisher kaum zugehört?“, entgegnete der erstaunt und auch ein wenig beleidigt.

„Hör zu, dann wirst du es noch früh genug erfahren!“,

moserte er ihn an, bevor er seinen Vortrag fortsetzte.

Plätze in Eichelhainen oder auch unter Eichen wären bei den Griechen, Römern, Kelten und den Germanen allesamt besondere, ja heilige Orte gewesen. Man nutzte sie zur Durchführung kultischer Rituale und als Orte der Rechtsprechung. Auch wenn ein Bann über jemanden verhängt werden sollte, fanden sich die Richter auf solchen Plätzen zur Urteilsfindung ein. Bei Beratungen orientierte man sich häufig am Rauschen der Blätter, flocht das in die Entscheidungen mit ein. Die Germanen nannten ihre Beratungen „Thing“, so wie man heute in skandinavischen Ländern immer noch die Parlamente bezeichnen würde.

Über die aufgeworfenen Fragen ließ er sich mit keiner Silbe aus. Weder auf das Orakel noch auf die Fünf ging er ein. Stinki interessierte das sowieso weniger. Er fand das Vorgetragene bereits phänomenal.

„Du musst das mal aufschreiben, Dicki, für das Eichenprojekt an der Schule!“

Der winkte ab.

„Wozu gibt es Drucker?“,

machte er wieder auf wichtig und ergänzte: „Ich könnte euch noch mehr erzählen, habe aber keine Lust mehr.“

Meli nahm ihm das übel.

„Erst machst du uns neugierig, lässt Wichtiges offen und brichst plötzlich ab. Das ist unfair. Ich hatte mit Spannung auf eine abgeschlossene und vollständige Darstellung gehofft und nicht auf diese Halbheiten.“

Jetzt saß er in der Klemme. Um den Vorwurf etwas zu entschärfen, fügte er schnell noch, nach seiner Meinung etwas besonders Wichtiges, hinzu.

„Übrigens ist die Eiche der Baum der Deutschen. Darüber gibt es eine Unmenge von Geschichten.“

Auch hier blieb er nur bei der Erwähnung eines Faktes. Warum und weshalb das so ist, darüber verlor er kein Wort, oder er wusste dazu nichts. Wie meist in solchen Situationen raffte er seine Siebensachen zusammen und erklärte den „Thing“ für beendet. Dann ging er, in der Ferne tauchte das Auto der Bäckerei auf.

„So ein Spinner!“,

empörte sich Fauli.

„Wäre ich doch lieber gleich mit Anne gegangen.“

Stinki befand, dass man selber noch Nachforschungen betreiben sollte. Dickis Geschichten könnte man ja als Hinweise und Tipps betrachten. Meli stimmte der Überlegung zu. In Pits Kopf geisterte immer noch die Fünf herum, er dachte an die Geschichte von seiner Großmutter und wandte sich an die Anderen:

„Man müsste mal rauskriegen, was der Alfons Meyer so alles über die ‚Alte Eiche' herausgefunden hat, der wusste Bescheid, auch das mit der Fünf.“

Nach einer kurzen Pause stieß er Stinki an.

„Ihr habt doch von ihm das Haus bekommen, vielleicht gibt es noch Hinterlassenschaften, du musst unbedingt mal nachgucken!“

Der winkte ab und wechselte das Thema.

„Da ist nichts, hab jetzt auch andere Sorgen. Mein Bruder will ein Bad einbauen, da muss ich mit meinem Vater den Graben für die Wasserleitung ausheben. Das Meiste bleibt sowieso an mir hängen, der Alte hat wieder einmal seine Saufphase.“

„Wir können dir auch helfen“,

bot ihm Pit an, und Fauli nickte zustimmend.

„Ihr seid doch alle im Urlaub, wenn es losgeht, mein Bruder hat jetzt noch keine Zeit“, wimmelte er viel sagend das Angebot ab. In Wirklichkeit stand ein anderer Grund dahinter. Er schämte sich für die häuslichen Zustände. Trotz größter Mühen seiner Mutter hatte sich kaum etwas an dem heruntergekommenen Haus geändert. Sein Vater vertrank oft das wenige Geld und rührte zu Hause keinen Handschlag. Dass sein Bruder, der als Fliesenleger in Hamburg tätig war, in der alten Speisekammer ein Bad einrichten wollte, galt als ein Bahn brechendes Ereignis in seiner Familie. Besonders seine Mutter, die unter dem jetzigen Zustand am meisten litt, verbreitete eine ansteckende Begeisterung. Stinkis eigene Zielstellung bestand darin, möglichst viel selbst dazu beizutragen. Sein Stolz verbot ihm, die Hilfe seiner Freunde anzunehmen. Das Gespräch in der Clique lief auseinander, der eigentliche Grund für ihr Zusammentreffen in der Kuhle hatte sich aus dem Staub gemacht. Fauli verließ als Nächster das Trüppchen. Dann ging auch der Rest. Pit schob sein Rad, begleitete Meli und Stinki, die zu Fuß gekommen waren. Man redete belangloses Zeug oder schwieg auf dem Rückweg. Pit drängte sich immer wieder in Melis Nähe und versuchte krampfhaft, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Nur kurz berühren, das misslang bis auf ein einziges Mal. Sie erwiderte seine Annäherung mit einem Lächeln. Dabei wurden ihm fast die Knie weich. Taumelnd lief er bis zur Bachbrücke mit, den Ort der Trennung. „Tschüss bis morgen“,

rief ihm Stinki zu, und sie ließ, unbemerkt von ihm, ein Handküsschen zu Pit fliegen. Ihre Wege schieden sich jetzt. Wie angewurzelt verharrte er eine Weile und starrte hinter ihr her, auch als sie längst im Garten ihres Hauses verschwunden war. Er fühlte sich noch immer wie im Rausch, als er daheim ankam. Ganz gegen seine Gewohnheit stellte er sein Fahrrad diesmal gleich in die Garage, hob sogar Jules Bike vom Boden auf und schob es neben seins. In seiner Bude streifte er ein frisches T-Shirt über. Dem Zustand der Entrückung folgte wenig später ein unbändiges Glücksgefühl und weckte in ihm unversehens Eigenschaften aus seiner Kindheit, die er eigentlich schon seit einigen Jahren als lästigen Ballast über Bord geworfen hatte. Seine Mutter lud ihn zum gemeinsamen Abendbrot ein. Wider Erwarten folgte er ihrer Bitte. Vorher wusch er sich die Hände gründlicher als sonst, dann bot er Jule seine Hilfe während des Tischdeckens an, verbunden mit einem überschwänglichen Kuss auf deren Wange. Überrascht von der ungewohnten Charmeattacke ihres Bruders, keifte sie gleich los: „Der Pit spinnt heute, den hat bestimmt eine Zecke gebissen!“

„Ja, Schwesterchen, wie recht du doch hast“,

flötete er und verpasste ihr einen weiteren Knutscher.

„Iih, ist ja ekelhaft!“,

wehrte sie halbherzig ab, um ihr Gezicke schlagartig gegen Neugier einzutauschen. „Mama, mit dem Pit stimmt etwas nicht, kannst du das mal rauskriegen?“

Aber die machte selbst ein ratloses Gesicht, auch sie war irritiert. Am Tisch reichte er das Brot herum und goss seiner Schwester Saft ins Glas. Höflich, fast charmant, erkundigte er sich nach dem Verbleib seines Vaters. Doch noch wurde gegessen und nicht geredet, wie es allgemein die Sitte vorsah. Mit Eifer half er danach beim Abräumen, freundlich, ohne auf die Antwort zu drängen. In der Hoffnung, etwas über den Grund des ungewöhnlichen Verhaltens ihres Bruders zu erfahren, schlich Jule durch die Küche, aber ein anderes Thema versprach ihr keinen Erfolg.

„Der Papa kommt später, er ist noch im Gemeindeamt. Sie beraten zusammen mit dem Baron, Herrn Faulstich und dem Ortsbürgermeister. Auch Mias Vater soll wohl teilnehmen. Die Kerle haben sich in den Kopf gesetzt, die Windmühle in Ordnung zu bringen “, erwähnte die Mutter.

„Donnerwetter, da haben sie sich aber was vorgenommen!“,

lachte Pit, bevor er die Küche verließ.

„Jetzt haben wir nicht rausgekriegt, was mit ihm los ist“,

maulte Jule enttäuscht.

„Vielleicht ist er verliebt, da werden Jungen plötzlich anders, frag ihn doch selber.“ Wie Recht doch seine Mutter hatte, dachte Pit, die weiß Bescheid. Ihre letzten Worte erreichten ihn gerade noch. Draußen im Hof setzte er sich auf Omas Bank. Aus ihrem Zimmer drang die Musik von einer der alten Schellackplatten. Er hatte sie oft gehört, kannte sie auswendig und hörte sie auch immer wieder gern. Deutlich klang das rhythmische Klopfen der Hammerpolka durchs Fenster. Oma verheimlichte bisher, was sie mit dieser Melodie verband, denn sie spielte sie öfter als alle anderen Platten ab. „Sicherlich steckt eine Liebesromanze aus ihrer Jugendzeit dahinter, über die sie nicht sprechen will. Sie lebt bestimmt von der Erinnerung“,

mutmaßte Pit.

„Vielleicht entsinne ich mich im Alter auch an die heutige Begegnung mit Meli, es wird eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens werden. Ich muss sie hüten wie ein Juwel.“,

schwärmte er bei diesem Gedanken. Sein Vater trat zu ihm. Er hatte sein Kommen nicht bemerkt. Pit sprang auf, wollte Hof- und Garagentor schließen, doch er wurde von ihm zurückgehalten.

„Du verhältst dich heute sonderbar, wer hat dich denn so umgekrempelt?“

„Bin ich anders?“

„Ja, solche Freundlichkeiten von dir habe ich lange nicht erlebt. Du kannst dich wieder setzen, ich schließe die Türen selbst, damit ich es nicht verlerne.“

Jetzt staunte Pit. Merkte man ihm tatsächlich an, dass er verliebt war? Später vernahm er Wortfetzen von einem Gespräch zwischen seinen Eltern. Es ging um ihn und auch das Wort „verliebt“ kam darin vor. Seine Eltern lachten, also würden sie sich in solchen auffälligen Verhaltensweisen auskennen. Er pfiff die Melodie der Hammerpolka, fühlte sich frei und unbeschwert Den Abend fand er herrlicher als sonst. Irgendwann kam sein Vater wieder und setzte sich zu ihm auf die Bank.

„Mm“,

bemerkte er nach einer Weile,

„ich glaube, ich sollte dir von unserer Beratung erzählen, du bist alt genug, mein Sohn.“ Diese plötzliche Vertrautheit überraschte ihn plötzlich. Und Pit erfuhr so als Erster, was die Männer vorhatten. Sie wollten einen Rastplatz am Radwanderweg der Werla schaffen. Die Windmühle wäre dabei die Hauptattraktion. Man beabsichtige, sie so herzurichten, dass sie wie einst Getreide mahlen könnte, das man danach am gleichen Ort in einem Natursteinofen zu einem speziellen Mühlenbrot zu verbacken gedächte. Auch eine kleine Rastunterkunft in Form einer Blockhütte gehöre in die Planung. Noch wäre alles in der Phase der ersten Überlegungen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Er hoffe, dass er als angehender Mann schweigen könne.

„Großes Indianerehrenwort“,

ein Versprechen, das bei ihm eine andere Bedeutung hatte als im allgemeinen. Sein Vater wusste das. Später überlegte er, was sein Erzeuger wohl mit dem „angehenden Mann“ gemeint haben mochte. Dachte er etwa, er hätte mit seinen fast vierzehn Jahren schon sexuelle Erfahrungen? Das verblüffte und erstaunte ihn gleichermaßen. Kannte ihn sein Vater so wenig? Andererseits - warum nicht? Er wusste aus der Schule, dass es Jungen in seinem Alter gab, die sich damit brüsteten. Ob sie die Wahrheit sagten oder nur angeben wollten, das interessierte ihn bisher wenig. Ihn drängte es noch nicht nach solchen Erlebnissen, und wenn, dann sollten sie sein Geheimnis bleiben. Er liebte keine billigen Abenteuer, für ihn gehörte das Sexuelle zu der Liebe, die man für ein Mädchen empfand, so hatte er es von seiner Oma gehört und bei seinen Eltern erlebt. Alles andere konnte er sich nicht richtig vorstellen. Sein Vater saß immer noch neben ihm, eigentlich ungewöhnlich. Er musste was auf dem Herzen Tragen, das für seine Mutter vermutlich wenig Bedeutung besaß. Pit überlegte. Hatte sie sich nicht beim Abendbrot abschätzig über das Vorhaben mit der Windmühle geäußert? Warum? Die Idee fand er doch bombig. Viele Leute der Umgebung würden sich dafür begeistern, denn das Vorhaben brächte ein wenig Abwechslung und Spaß in den langweiligen Dorfalltag.

„Wie habt ihr euch das vorgestellt, Papa? Die Leute, mit denen du zusammen gesessen hast, schaffen das doch niemals allein. Der Bankdirektor hat ohnehin zwei linke Hände, den würde ich gar nicht erst bemühen.“

Pit hatte wohl den richtigen Nerv getroffen. Sein Vater berichtete, was geschehen sollte. Wie befreit von einem Geheimnis legte er jede Einzelheit, jede Idee dar, die sie in der Gemeinde abgesprochen hatten. Pit kam sich vor wie Einer, der ihre Absichten begutachten und bewerten sollte. Er hörte aufmerksam zu und schwieg. Das hatte ihm einmal sein Großvater eingebläut.

„Dadurch gewinnst du die Achtung und den Respekt der Menschen, sie werden dir vertrauen“,

hatte er damals gesagt, als er sich bei einem Gespräch zwischen Erwachsenen als kleiner Naseweis einmischte. Jetzt erfuhr er mit dieser Lebensweisheit alles, was nur einige Wenige wussten. Auch Freisitze mit einer Überdachung sollten entstehen, die zum Verweilen animieren. Man wollte die Radwanderer dort auch über das Dorf, seine Umgebung und die Sehenswürdigkeiten informieren. So eine Informationstafel könnte beispielsweise die Schule gestalten. Sein Vater redete plötzlich mit einer Begeisterung, als wäre alles schon unter Dach und Fach. An bestimmten Feiertagen hätte man an eine Bewirtschaftung gedacht, die die Radwanderer den Dorfbewohnern näher bringen könnte. Um den Platz und die Mühle in Ordnung zu halten, wolle man eine ABM-Stelle einrichten. Derjenige, der die Stelle bekäme, solle auf einen Lehrgang für Windmüller geschickt werden. Damit entstünde möglicherweise eine dauerhafte Arbeitsstelle.

„Und wie wollt ihr das finanzieren?“

Pit brach mit dieser Zwischenfrage seinen Grundsatz. Sein Vater schien ihm aber diesmal sichtlich dankbar zu sein, denn das stellte offensichtlich das größte Problem dar. Man hätte überlegt, einen Kredit zu nehmen, aber die Idee gleich wieder verworfen. Danach wären Sponsoren und Fördergelder ins Gespräch gekommen, doch dazu sei ein Verein erforderlich, den es nicht gab. Man brauchte zunächst ein strategisches Konzept, so hatte man sich geeinigt, um das Vorhaben nicht gleich am Anfang im Ideenchaos zu beerdigen. Pit hörte aufmerksam zu. Er werde nachdenken, versprach er, einen Einfall hätte er schon, der zweite kam ihm nachts im Traum. Das Bild, das sich dabei in seinem Kopf verhakte, war nicht neu. Er musste es im Fernsehen beim abendlichen Sandmann aufgeschnappt haben. Doch das lag schon lange zurück. Jetzt trug alles realistische Züge.

Eine Windmühle, so groß wie der Feuerwehrturm, drehte ihre Flügel ächzend im Wind. Der Müller stand mit einer weißen Zipfelmütze und zu kurz geratener grauer Hose vor dem Mühleneingang und spähte in die Ferne. Mit seinen hölzernen Pantoffeln trat er polternd auf die Bretter des Podestes vor der Tür, als wolle er jemanden zur Eile antreiben. Sein kurzer heller, Mehl verstaubter Kittel flatterte im Wind, so wie üblich bei einem Windmüller.

Das Traumbild präsentierte etwas Vertrautes. Es betraf nicht die Mühle, die hatte er ja nur aus dem Fernsehen entliehen, es lag am Gesicht des Müllers, das ihm bekannt vorkam. Er überlegte nach dem Hirngespinst sehr lange, zu welchem Dorfbewohner es passen könnte. Früh unter der Dusche fiel es ihm ein. Es handelte sich um Herrn Katzmann, Stinkis Vater. Aber warum ausgerechnet er, der durch seine Trunksucht all seine guten Eigenschaften in Misskredit brachte? Pit überlegte erneut: Er konnte hart arbeiten, wenn er nicht trank, verstand mit Holz umzugehen und er hätte endlich eine dauerhafte Aufgabe, die seinen Fähigkeiten am besten entsprach. Vielleicht würde er dann dem Alkohol abschwören, wenn man ihm diese Chance böte. Freudig begab er sich an den Frühstückstisch, aber leider fehlte sein Vater. Trotzdem ließ er sich nicht entmutigen. Die zweite Idee wollte er mit seiner Mutter besprechen. Er hoffte insgeheim, gleichzeitig ihre Vorbehalte gegen das Windmühlenprojekt auszuräumen. Sein Großvater in Vorbach, also der Vater seiner Mutter, besaß dort eine Zimmerei. Auch sein Onkel, Mutters Bruder, war gelernter Zimmermann. Geschickt brachte er seine Überlegungen bei ihr unter. Am Ende seiner Bemühungen versprach sie, bei den Großeltern anzurufen, um die Interessenlage auszukundschaften, dabei schwante ihm etwas. Sein ungewöhnliches Verhalten von gestern wirkte offensichtlich ansteckend. Dieser Eingebung oder seiner Stimmung folgend - er wurde nämlich erneut von Melis Liebeszauber eingefangen - machte sich Pit übertrieben nützlich, holte sogar für seine Schwester die Nusscreme, die sie nörgelnd vermisste. Das fiel natürlich auf und hatte zur Folge, dass das Frühstück seit langem wieder einmal harmonisch verlief. Als er sich auf den Weg zur Schule machte, sah nicht nur seine Welt rosarot aus, sondern auch sein Zimmer zeigte erste Ansätze von Ordnung. Seine Mutter konnte ihr Schmunzeln nicht unterdrücken und zwinkerte ihm zum Abschied zu. Im Wegfahren hörte er noch, wie Jule sie erneut mit ihrer Neugier traktierte. Sein Name kam dabei öfters vor.

Ungewöhnliche Ereignisse

Auf der Landstraße begegnete er Frau Beierlein, die Mia wie üblich zur Schule brachte. Meist kam kurz darauf auch der Schulbus. Pit bog auf den kürzeren Feldweg ein, er wollte vor den Insassen an der Schule sein. Am Fahrradständer herrschte gähnende Leere, als er eintraf. Mit einem Mal fühlte er sich unsicher. Wie sollte er Meli begegnen, wenn sie im Pulk der Fahrschüler erschien? Er ging zu Mia, die schon bereits allein herumstand. Seine Ungeduld und Spannung legte sich etwas. Gewöhnlich kam Meli im Gefolge von Stinki, Dicki und Fauli. So geschah es auch heute. Mit dem üblichen „Hallo“ fiel die Begrüßung wie immer aus, nur Meli stellte sich diesmal ziemlich dicht neben ihn. Sie schaute ihn zwar nicht an, aber er spürte, wie sie seine Hand berührte und drückte. Es fiel Niemandem auf, weil jeder noch schnell irgendwelche Neuigkeiten vor dem Unterricht loswerden wollte. Auf einmal drang schallendes Gelächter zu ihnen herüber. Rocky und seine Gang standen wie immer vor dem Schulhof, rauchten und lästerten. Selbst das Klingelzeichen rührte sie nicht, sie blieben stehen, starrten hinter der Menge her, die sich zur Schulpforte bewegte. Dort staute es. Heute regelte nicht die Frühaufsicht das morgendliche Chaos, sondern der Hausmeister stand breitbeinig vor der Tür und ließ niemanden durch. Kurz darauf erschienen alle Lehrer, an der Spitze Rektor Hirschwald. Pit hielt im Gedränge Melis Hand. Ihn störte es nicht, dass es sich vor dem Eingang stockte. Sollten sie doch alle nach vorne gaffen, da konnte er sie unbemerkt festhalten. Die ersten fragenden Blicke machten die Runde. Was war los? Die zunehmende Neugier wirkte ansteckend. Pit und Meli konnten sich ihr nicht entziehen.

„Wir müssen weiter vor, damit wir rauskriegen, was los ist“,

schlug sie vor und zog ihn durch das ratlose Durcheinander. Der Rektor hob die Arme, es wurde schlagartig still.

„Ein Vorfall“,

begann er, an die Schüler gewandt,

„zwingt uns, die oberen Klassenräume für zwei Stunden zu sperren. Die unteren werden gerade kontrolliert und stehen wahrscheinlich ab der zweiten Stunde wieder zur Verfügung. Die Lehrer bitte ich zu einer kurzen Besprechung ins Konferenzzimmer, und euch fordere ich auf, Disziplin zu wahren, bis euch die Klassenlehrer abholen. Sie werden euch über den weiteren Ablauf des Unterrichts informieren.“

Das sonst entstehende Gejohle bei der Verkündung von Freistunden blieb aus. Stattdessen entwickelte sich eine Diskussion, gespickt mit Mutmaßungen und Verdächtigungen. Sie bekam neue Nahrung, als ein Trupp Reinigungskräfte mit seinen Gerätschaften und kurz darauf die Polizei erschien. Jetzt erreichte das allgemeine Gezischel ihren Gipfel. Mia zog Pit zur Seite und mit ihm Meli, die ihn festhielt. Sie schaute unsicher auf Sitznachbarin.

„Eigentlich wollte ich es nur dir sagen“,

flüsterte sie ängstlich.

„Alles, was du mir sagst, kann auch Meli wissen. Du weißt, dass du uns vertrauen kannst.“

Trotzdem stellte sie sich auf die Zehenspitzen und raunte ihm ins Ohr:

„Ich habe vorhin Rocky gesehen, wie er durch die Hintertür ins Schulhaus geschlichen ist, die anderen haben Schmiere gestanden. Ich hoffe, du verpetzt mich nicht“,

bat sie fast flehend, aber mit erleichtertem Gesicht. Pit nickte, ihm blieb keine Zeit, Frau Helmer, die Konrektorin, kam heraus:

„Erik Hellmer und David Sauer melden sich sofort im Sekretariat!“

Alle starrten wie auf Befehl in Richtung der Genannten. Sie, die größten Rabauken und Großmäuler der Schule, verhielten sich heute verdächtig ruhig. Noch wirkte ihr gestriger Auftritt in der Sportstunde nach. Fast zögerlich bahnten sie sich den Weg durch die herumstehende Menge, viel sagende Blicke begleiteten sie. Einige flüsterten miteinander, es kamen auch Schmährufe. Gespannte Stille trat erst ein, als sie im Schulhaus verschwanden. Schon kurze Zeit später erschienen sie erneut, aber in Begleitung der Polizisten. Fast triumphierend, mit hämischen Blicken in Richtung der schadenfrohen und neugierigen Gesichter, folgten sie den Uniformierten. Am Auto wurde ihnen etwas ausgehändigt, dann mischten sie sich grinsend unter die Menge, von enttäuschten Blicken bestaunt. Lehrer Berg kam, er suchte seine 7 b. Locke konnte ihre Neugier nicht zügeln.

„Was war denn los?“,

fuhr sie ihm in die Parade. Berg überhörte ihr vorwitziges Begehren und forderte im unmissverständlichen Ton:

„Mitkommen, der Unterricht geht los!“

Locke unternahm erneut einen Anlauf, ermutigt durch zustimmendes Nicken einiger Mitschüler. Bergs Blick erstickte ihre Frage. Er knurrte nur:

„Nachher!“

Erst als sie alle auf ihren Plätzen im Klassenraum saßen und ihn erwartungsvoll anstarrten, gab er dem Drängen mit merklicher Verzögerung nach. Fast polternd, ohne das übliche Begrüßungszeremoniell, begann er die Klasse zu informieren. Es wäre der augenblickliche Erkenntnisstand, den er auf Anweisung der Schulleitung vortrüge. Seine persönliche Meinung dazu sei unwichtig und auch nicht belegbar. Das Geschehene bedeute mehr als nur ein „Dummer Jungen Streich“, berichtete er. Noch unbekannte Personen, vermutlich Schüler, hätten den oberen Flur mit dem Inhalt eines Pulverfeuerlöschers eingesaut. Das Pulver wäre beim Versprühen auch in die Klassenräume eingedrungen. Reinigungskräfte wären dabei, die Schweinerei zu beseitigen. Allgemeines Kopfschütteln, nur Pit suchte Blickkontakt zu Meli, die wahrscheinlich genau wie er ahnte, wer hinter diesen vermeintlichen Unsinn stand. Anne meldete sich:

„Ich dachte, Hellmer und Sauer wären es gewesen, so wie sie sich gestern benommen haben.“

Berg winkte nur ab.

„Die waren es nicht, das wurde zweifelsfrei festgestellt. Für weitere Spekulationen bin ich nicht zuständig. So, nun zu uns.“

Sein Blick glitt forschend durch den Raum, blieb danach an Locke haften:

„Übrigens, du wurdest gestern im Sportunterricht vermisst.“

„Ich hatte Kopfweh und mir war die ganze Nacht schlecht, Herr Berg“,

log sie scheinheilig und spielte die Ahnungslose.

„Aufgedonnert und angemalt, wie du ausschaust, siehst du eher aus, als ob du dich gerade auf den Kriegspfad begeben wolltest. Ich glaube dir nicht, Locke“,

lautete seine ironische Antwort, und er fügte hinzu:

„Morgen bekomme ich eine ordnungsgemäße Entschuldigung, bitte von Mutter und Vater unterschrieben.“

Das saß. Die Gemaßregelte verkroch sich in ihr inneres Schneckenhaus und schaltete ab sofort auf stur. Kostbare Unterrichtszeit verstrich, die Schüler wussten, dass ihr Lehrer solche störenden Vorfälle hasste und möglichst schnell abtat.

‚Binomische Formeln‘, schrieb er an die Tafel und kam damit zur Sache.

Wieder streifte sein Blick durch die Reihen, begleitet von den Worten:

„Es gibt bei einigen Kandidaten noch Bedarf.“

Eine größere Anzahl Hände flog nach oben.

„Du nicht, Flori, auch du nicht, Anne und Bingo, aber Fauli, du hast es bitter nötig!“, beendete er das Ratespiel.

„Schreib die Formeln, so wie wir sie gelernt haben, an die Tafel!“

Ohne zu zögern und ohne Fehler klierte sie Fauli mit krakeliger Schrift auf den grünen Untergrund.

„Gestern hast du das noch als Klim-Bim bezeichnet, habe ich gehört. Woher dieser Sinneswandel?“

„Ich brauchte mal wieder Freizeit, Herr Berg.“

„Aha, bei einigen scheint so ein Hausarrest Wunder zu bewirken. Übrigens, wenn es euch Spaß macht, ersetzt mal das a der Formel durch ‚Klim' und das b durch ‚Bim'!“

Überall wurde jetzt gerätselt und auch gelacht.

„Na“,

ermunterte Berg sein Häufchen,

„was habt ihr herausgefunden?“

Mia hob zögernd die Hand, man sah ihr die Überwindung an. Es kostete sie stets große Kraft, das mangelnde Selbstbewusstsein zu überlisten.

„Klim plus Bim in Klammern zum Quadrat“,

begann sie fast flüsternd, so dass man es in den hinteren Reihen kaum verstehen konnte, weil einige nun zu lachen begannen. Berg lobte sie, wollte die Fortsetzung aber von Locke wissen. Die schwieg. Mit den Worten:

„Bei dir könnte eine gute Leistung noch das Gröbste retten. Na, wie ist es?“,

wollte er sie aus der Reserve lotsen. Umsonst. Pikiert und demonstrativ abweisend schickte sie ihre Blicke an die Zimmerdecke. Die Reaktion ließ erkennen, dass sie entweder zu keiner Antwort fähig oder dass ihr alles egal schien. Berg brauste auf. „Weißt du was, du bedienst mit deinem Verhalten wieder einmal in vorbildlichster Weise das Blondinenklischee“,

fuhr er sie an und setzte noch eins drauf, als einige Mädchen zu kichern begannen.

„Eure Schadenfreude kommt zu früh, ihr Kichererbsen, ihr könnt gleich beweisen, dass ihr besser seid.“

Dann ging er zum Lehrertisch, nahm eine Handvoll Zettel, die er immer für solche Situationen mitführte und teilte sie aus. Alle wussten, was kam. Sie schrieben wie auf Befehl ihre Namen ans Kopfende.

„So, nun könnt ihr in aller Stille übersetzen. Ich wiederhole es noch einmal: Für a schreibt ihr ‚Klim' und für b ‚Bim'!“

Plötzlich herrschte geschäftige Stille. Niemand traute sich abzugucken oder mit dem Nachbarn zu korrespondieren. Berg reagierte bei Schummeleien stets konsequent und ahndete schon den kleinsten Versuch mit dem Abkassieren des Blattes. Alle wussten, was danach kam und ließen das Mogeln sein. Eine ehrlich erworbene Sechs galt bei ihm allemal als bessere Variante gegen eine durch Betrug vorgetäuschte bessere Leistung. Selbst das Einsammeln der Bögen unterlag einem Ritual. Jeder, der seine Aufgabe gelöst hatte, musste die beschriebene Seite umdrehen und das durch seine Sitzhaltung anzeigen. Berg ließ dann in jeder Bankreihe von einem Schüler die am Ende postierten Lösungen abholen, auch die, wo nichts oder nur ein Teilergebnis drauf stand. Unruhe kam meist auf, wenn die Aktion abgeschlossen war. Diesmal herrschte aber ein durch Spannung geprägtes Schweigen.

Berg legte den Stoß Zettel fast andächtig auf seinen Tisch, konnte es aber nicht verkneifen, einen Blick auf den obersten zu werden. Stirn runzelnd nahm er ihn genauer in Augenschein.

„Dass du ein so schlechter Übersetzer bist, hatte ich nicht gedacht, Giuseppe. Noch nicht einmal das, was Mia vorgetragen hat, stimmt bei dir. So bekommst du deine Leistungen in Mathe nicht in den Griff.“

Der schnellte hoch. Sein südländisches Temperament ging wieder einmal mit ihm durch. „Hab ich doch gestern schon gesagt“,

protestierte er aufgebracht,

„dass ich Mathe als Sänger nicht brauche. Miss Piggy kann das bestätigen.“ Erschrocken hielt er inne und senkte seine Augen.

„Entschuldigung, ich meinte natürlich Frau Seidenfad.“

Alle Blicke flogen nach hinten, wo die Referendarin saß. Die lächelte nur, kein Anzeichen einer beleidigten Miene. Wieder wendeten sich die Augen. Jetzt hafteten sie an Berg. Was würde der wohl sagen? Etwas irritiert erteilte er Giuseppe eine Lektion, die Folgen haben sollte.

„Ich weiß zwar nicht, wen du mit Miss Piggy gemeint hast. Du wirst es mir sicherlich noch erklären!“,

begann er, den Ahnungslosen spielend,

„Aber eins weiß ich mit Sicherheit, dass du auch als Sänger ein wenig Mathematik beherrschen solltest. Denk einmal an das große Geld, was du später kassierst. Du bist nicht in der Lage es richtig zu verwalten, weil du nicht rechnen kannst. Die, die um dich herum sind, kriegen das ganz schnell mit und betrügen dich nach Strich und Faden. Am Ende bist du pleite und die, die rechnen können, sind durch dich reich geworden. Willst du das? Ich gebe dir eine letzte Chance. Du lernst die Formeln bis morgen, von mir aus kannst du sie auch singen.“

Der Spannung im Raum folgte ein befreiendes Lachen. Einige schauten schadenfroh auf Giuseppe. Jetzt konnte er beweisen, was er drauf hatte, dachten sie wohl. Auch Pit dachte das, aber Schadenfreude stellte sich nicht ein. Ihn quälte vielmehr die Tatsache, dass er nicht sicher war, ob er die Aufgabe fehlerfrei gelöst hatte. Schließlich wollte er einmal Techniker werden, da musste man mehr als das ‚Kleine Einmaleins' beherrschen. Erschrocken sprang er auf, als ihn Berg aufforderte, die Formeln in der üblichen Ausdrucksweise an die Tafel zu schreiben.

„Aber bitte leserlich!“,

schob er hinterher, der Pits liederliche Schrift nur zu gut kannte. Noch während er schrieb, musste die restliche Klasse zweistellige Zahlen so zerlegen, dass sie durch eine Summe oder Differenz aus leicht berechenbaren Zahlen ersetzt werden konnten, beispielsweise 13 durch 10 + 3 oder 17 durch 20 - 3. Das begriffen die Meisten auch sehr schnell, sogar Locke zeigte einen Anflug von Interessiertheit. Meli bekam den Auftrag, an der linken Tafelseite die aufgesagten Beispiele anschreiben. Sie schielte zu Pit rüber, der sich immer noch abmühte, die Formeln halbwegs lesbar auf der anderen Seite zu platzieren. Er spürte ihren Blick. Plötzlich wurde er immer aufgeregter und bekam einen roten Kopf. Das fehlte gerade noch in dieser Situation, ärgerte er sich und wurde total unsicher. Prompt setzte er ein falsches Rechenzeichen ein. Meli schrieb dagegen ruhig und sauber so ziemlich alles auf, was Berg den Schülern entlockte. Nach wie vor hatte sie aber auch Pit im Auge. Als sie seinen Fehler bemerkte, huschte sie zu ihm hin, korrigierte das Zeichen und lief schnell wieder zurück. Berg entging die heimliche Hilfe, nur die Klasse wurde Zeuge dieser kleinen Begebenheit. Pit versank fast vor Scham, er glühte förmlich. Obwohl er seine Aufgabe erledigt hatte, besserte er an einigen Stellen scheinbar schlecht Lesbares aus.

„Nur nicht umdrehen",

hämmerte es in seinem Schädel,

„sonst wissen sofort alle, dass ich mit Meli was habe".

Die saß aber schon längst wieder an ihrem Platz, als er noch immer vor der Tafel verharrte.

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