Kitabı oku: «Pit Summerby und die Magie des Pentagramms», sayfa 4

Yazı tipi:

„Sicherlich haben sie wieder einmal über ihn und seine Geschichten gelacht.“,

folgerte er. Besagter Mensch unterrichtete die alten Damen nämlich während ihrer Kindheit im Fach Heimatkunde und soll ein sehr kauziges Exemplar gewesen sein.

Pit begann das vorgegebene Programm abzuarbeiten, dann stand er am gedeckten Kaffeetisch. Seine Oma hatte das beste Geschirr aufgelegt, den selbst gekochten Apfelgelee in einem Kristallschälchen serviert, daneben eine Schüssel mit geschlagener Sahne und dazu ein Krug frischer Kuhmilch gestellt. Als Krönung des Ganzen befanden sich in der Tischmitte auf einem größeren Teller die köstlichen Fitzkuchen. Pit begrüßte gerade artig die Nachbarin, als seine Oma mit dem eben gebrühten Kaffee erschien. Er stand noch, als sie das behaglich duftende Getränk einschenkte und auf jeden Teller einen der Leckerbissen legte. Danach setzte sie sich zu ihrer Freundin aufs Kanapee. Erst jetzt nahm Pit auf einem der beiden Stühle Platz, so wollten es Omas Tischregeln. „So, nun langt zu!“,

lautete endlich das Stichwort, auf das er sehnsüchtig gewartet hatte. Er wollte sich gerade eine Portion Schlagsahne auf sein Gebäckstück klatschen, da bemerkte er noch rechtzeitig den tadelnden Blick.

„Der Gast hat immer den Vortritt.“,

korrigierte seine Oma im belehrenden Ton den vermeintlichen Fehlgriff und reichte Käthe die Schale. Selten widersprach Pit einer von Omas Bemerkungen. Doch diesmal irritierte ihn ihre Logik.

„Ich bin doch auch dein Gast. Du hast mich ausdrücklich eingeladen, Oma. Was habe ich falsch gemacht?“,

fragte er mit einem Anflug von Empörung. Lächelnd überhörte sie den Unterton in seiner Stimme.

„Das ist richtig, Peterle, aber zuerst kommen immer die Älteren, dann die Damen und na ja, dann kommst eben du. Ich glaube, das hat dir schon dein Opa beigebracht, du hast es sicherlich vergessen“,

sagte sie versöhnlich und reichte ihm nun die Schlagsahne.

„Tschuldigung“,

knurrte Pit, was Opa gesagt hatte, besaß für ihn den Charakter des Unumstößlichen, daran gab es nichts zu rütteln. Besser gelaunt vertilgte er jetzt die Hälfte des appetitlich riechenden Kuchens, abwechselnd verfeinert mit Gelee oder Sahne. Die alten Ladys sahen es mit Freuden. Fast überschwänglich lobte er danach Omas unübertroffene Backkunst und machte sie damit sogar etwas verlegen.

„Wenn es dir geschmeckt hat, war das Freude und Dank zugleich für mich, Peterle. Du musst deshalb nicht gleich übertreiben“,

dämpfte sie seine anerkennenden Worte. Schweigend lehnte er sich zurück.

„Wie schön und gemütlich kann das Leben sein, auch mit diesen seltsamen Regeln“, dachte er und starrte auf das Grammophon. ‚Edison’ stand auf dem schwarzen Kasten mit dem riesigen Trichter aus Messing. Im Vergleich zu seinem CD-Player stellte das Gerät ein technisches Monster dar, aber es funktionierte noch. Man musste es nur mit einer Kurbel aufziehen, eine Platte auflegen und die Nadel, die mit dem Trichter in Verbindung stand, in die Rille der Platte setzen, dann kam Musik heraus, falls sie sich drehte. Seine Oma besaß noch mehrere solcher alten, so genannten Schellackplatten aus ihrer Jugendzeit. Auf einer stand ‚Hammerpolka’. Pit hätte sie gern einmal selbst abgespielt, aber sie verwehrte ihm das. Er verstand das nicht, technisch war er doch anerkanntermaßen sehr begabt. Auch diesmal drohte sie freundlich, aber bestimmt mit dem Finger. Sie hatte wohl seine Absicht bemerkt.

„Wie gut sie mich kennt!“,

gestand er sich heimlich,

„Sie wird mich sicher nie an das alte Ding lassen.“

Ein wenig enttäuscht muffelte er die Reste auf seinem Teller, dann machte er Anstalten zu gehen. Die Gesellschaft der Beiden verursachte plötzlich eine zunehmende Beklemmung. Doch seine Oma hielt ihn mit einer Frage zurück.

„Was habt ihr eigentlich heute in der Schule gelernt?“,

wollte sie wissen.

„Buchstabenrechnen und etwas über Eichen“,

entgegnete er wortkarg, um seine Unlust auf die Befragung kund zu tun. Doch sie bohrte weiter:

„Was hat man euch über Eichen erzählt?“,

forschte sie interessiert. Pit erwähnte ein paar Einzelheiten und wurde, als er das Projekt ‚Alte Eiche' zur Sprache brachte, plötzlich mitteilsamer, als ahnte er, dass sie möglicherweise über Wissen verfügte, das von Bedeutung sein könnte. Seine Ahnung bestätigte sich, denn Käthe, die Nachbarin, sah ihn viel sagend an.

„Da können wir dir vielleicht mit ein paar alten Geschichten, die uns in unserer Schulzeit der Meier erzählt hat, helfen. Stimmt’, Gretel?“

und sie machte eine aufmunternde Geste in ihre Richtung.

„Also, wenn du solche Erzählungen kennst, Oma, warum hast du sie mir bisher verschwiegen?“

Die winkte ab.

„Waren doch sicherlich nur Märchen, was der Meier herum posaunte, so richtig geglaubt habe ich ihm das nie.“

Ihre Freundin widersprach:

„Woher willst du das wissen, Gretel? Erzähle deinem Enkel doch ruhig all dieses seltsame Zeug. Möglicherweise nehmen wir alles mit ins Grab, wir sind doch die Einzigen, die überhaupt noch etwas davon gehört haben.“

„Bitte, Oma!“,

drängte jetzt Pit,

„Falls nicht alles stimmt, so ist doch sicherlich viel Richtiges dabei. Ich weiß, dass sich Meli sehr dafür interessiert, die schreibt nämlich alles auf, was früher im Dorf los gewesen ist."

Plötzlich war sie wieder gegenwärtig, Meli, bei der er sich am Vormittag wegen der Lappalie mit dem Abwerfen in Ungnade gebracht hatte. Was wollte sie damit erreichen? So was machte doch jeder einmal, auch in der Clique. Und außerdem handelte es sich doch nur um ein Spiel. Ob sie sich unter diesen Umständen überhaupt für die Geschichten interessierte? Pit wurde unschlüssig, aber er wollte sich auf jeden Fall alles anhören, was seine Oma wusste. Warum verschwieg sie bisher diese Erinnerungen? Auch das konnte er nicht begreifen, solches Wissen gehörte doch zur Chronik eines Ortes.

„Wenn ich sie jetzt mit meinen Fragen nerve, schweigt sie womöglich und alles ist verloren“,

überlegte er und rückte sich deshalb zurecht, erwartungsvoll auf seine Großmutter schauend. Sie verstand seine Geste sofort, nahm aber vorher noch in aller Ruhe einen Schluck Kaffee.

„Also“,

begann sie,

„der besagte Alfons Meier trieb sich oftmals auf dem und am Burgberg herum. Fast seine ganze Freizeit verbrachte er dort, machte um alles und jedes viel Geheimniskrämerei. Frau und Kinder besaß er nicht, sein Haus nutzte er eigentlich nur als Schlafgelegenheit, er kümmerte sich kaum um den Erhalt. Sehr oft wurde er bei der ‚Alten Eiche' gesehen. Manche im Dorf behaupteten, dass er stundenlang in der Sandkuhle hockte, die sich unter der riesigen Baumkrone befindet oder unweit davon im Gras lag. Stimmt’s, Käthe?“

Die nickte beipflichtend.

„Mit allerlei seltsamen Gerätschaften nahm er Messungen vor“,

fuhr sie fort.

„In der Schule erzählte er manchmal, dass er dabei sei, ein großes Geheimnis zu enträtseln. Er hätte herausgefunden, dass es zwischen der ‚Fünf-Ecken-Burg‘ und der ‚Alten Eiche‘ eine mysteriöse Verbindung gäbe, bei der die Zahl Fünf eine große Bedeutung besäße. Als Beweis führte er die Blütenstände der Eiche an, die meist fünf Eicheln hervorbrächten. Außerdem hatte er herausgefunden, dass sich der Baum mit fünf gleichmäßig verteilten Flachwurzeln in den sandigen Boden krallte. Sie würden der mächtigen Eiche nicht nur ihre Standfestigkeit geben, sondern auch ein Geheimnis überdecken, das sich tief unter ihrem Wurzelwerk befände.“

Sie unterbrach kurz, um für Käthe noch Kaffee nachzuschenken, dann nahm sie den Faden wieder auf und ergänzte:

„Was nun Wahrheit oder Dichtung ist, dem ist niemand nachgegangen. Jedenfalls ist der Meier auf sehr ungewöhnliche Weise gestorben. Man fand ihn in der Sandkuhle, ein Arm steckte tief im Boden, so als hätte jemand versucht, ihn in die Tiefe zu ziehen. Es sollen sich auch eigenartige Zeichen im Sand befunden haben, die niemand deuten konnte. Man glaubte damals an einen Fluch, der über ihn gekommen sei, weil er sich angeblich in das mystische Geschehen um den Burgberg eingemischt hätte, mit dem Versuch es zu enträtseln. Nur der Totengräber war bei seiner Grablegung anwesend, alle anderen im Dorf mieden seine Nähe, wollten mit dem vermeintlichen Fluch nichts zu tun bekommen. Mit ihm sind auch all die Geschichten und Legenden, die er über unser Dorf zusammen getragen hatte, begraben worden. Der Aberglaube bewirkte, dass sich keiner danach bereit erklärte, das alte Wissen in irgendeiner Form festzuhalten. So ist es bis heute geblieben.“

Pit lauschte fasziniert und geschockt zugleich.

„Bin ich denn auf einem falschen Dampfer, Oma, und soll glauben, dass du auch jetzt noch an den Unsinn mit dem Fluch glaubst? Fast scheint es so. Nicht umsonst hast du bisher geschwiegen. Das sind doch hoch interessante Dinge, die der Meier herausgefunden hat. Wenn auch ein bisschen Klamauk dabei ist, in einer aufgeklärten Zeit wie der heutigen ist man doch nicht mehr dem Teufel aufgesessen und glaubt an Flüche und solchen Kram. Du musst mir alles erzählen, was du noch weißt, das ist wichtig für unsere Identität, wir sollten unbedingt wissen, was einst in unserer Gegend getrieben wurde, was das für Leute waren, von denen wir abstammen.“

Die beiden alten Damen schauten ihn gleichermaßen entgeistert an. Sie hatten so etwas nicht erwartet. Zuerst fasste sich seine Oma:

„Was faselst du für ein neumodisches Zeug, Peterle? Von Identität habe ich noch nie etwas gehört, und die Dinge sind nun mal so, wie sie sind. Man kann sie nicht ändern und sollte sie so lassen, wie sie waren. Ich habe schon gewusst, warum ich immer geschwiegen habe, es verwirrt euch nur, und wir Alten werden womöglich belacht, nicht mehr ernst genommen.“

„Im Gegenteil, Oma“,

echauffierte sich Pit,

„diese Geschichten sind viel zu wertvoll und zu wichtig, als dass man sie totschweigen sollte. Du und auch Tante Käthe solltet sie aufschreiben oder jemandem erzählen, der sie aufschreibt. Bestimmt fällt euch noch eine weitere ein. Ich habe Zeit und würde sie gern hören.“

Es wurde still. Pits Wunsch nach einer zweiten Geschichte hatte eine gewisse Betretenheit und Unsicherheit bei den Frauen ausgelöst. Es brauchte eine Weile, bis sich Tante Käthe schließlich aufraffte und sagte:

„Eine Geschichte könnten wir dir ja noch erzählen. Sie beruht weitgehend auf Tatsachen, natürlich hat man im Laufe der Zeit auch etwas hinzu geflunkert.“

„Welche meinst du?“,

mischte sich Oma Gretel ein.

„Na die von der Windmühle.“

„Ja, bei der müssen wir kein schlechtes Gewissen haben, die kannst du noch erzählen.“

„Also“,

begann Omas Freundin,

„diese Geschichte beruht zum Teil auf Ereignissen, die im Kirchenbuch belegt sind. Es begann alles mit einem orkanartigen Sturm, der fünf Jahre nach dem Heraussägen eines dicken Astes aus der Eiche in der Gegend wütete. Der Müller benötigte ihn damals zur Reparatur seiner Mühle. Diesen Frevel hatte ihm der alte Baum lange Zeit nicht verziehen, doch nach fünf Jahren ließ er Milde walten und übernahm wieder sein altes Amt. Im 18. Jahrhundert - während ein Sturm in vielen Dörfern der Umgebung große Schäden anrichtete, machte er damals um Burgroda einen großen Bogen. Als Ursache vermutete man ein seltsames Rauschen der ‚Alten Eiche'. Es soll ihn zur Umkehr gezwungen haben, so sagen es die Annalen. In der Folgezeit lieferte sie auch wieder reichlich Eicheln, und die armen Tagelöhner des Dorfes konnten sich mit ihnen wie einst ein Schwein füttern. Danach blieb sogar das Hochwasser der Werla aus, das zuvor über Jahre die Ernten in der Flussaue vernichtete. Bis zum heutigen Tage hat es keine Überschwemmung mehr gegeben. Die Experten haben noch keine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen gefunden. Die Älteren im Dorf sind nach wie vor davon überzeugt, dass es der ‚Alten Eiche' zuzuschreiben ist, die uns Schutz gewährt. Deine Großmutter und ich glauben das ebenfalls.“

Pit lief ein Schauer über den Rücken. Jetzt ging es ihm nicht mehr um eine Geschichte, die aufgeschrieben werden sollte, er spürte, dass er einem Mysterium auf der Spur war, das den Dorfbewohnern über Jahrhunderte Respekt abverlangt und ihnen Angst eingeflößt hatte. Das schien nachzuwirken bis in die heutige Zeit, die als aufgeklärt und modern galt. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass man ihm ein winziges Stück dieses dunklen Geschehens offenbart hatte. Die gurgelnden Geräusche, die er vor kurzem bei seinem Sturz an der Eiche glaubte gehört zu haben, waren möglicherweise gar nicht trügerisch, sie mussten etwas mit der verschwiegenen Vergangenheit des Dorfes zu tun haben. Aber warum kam ausgerechnet er als derjenige infrage, den man damit konfrontierte? Er hatte schon einmal gehört, dass es Menschen gab, die einen siebten Sinn besaßen, und damit unbekannte Geschehnisse spüren oder voraus sehen konnten. Ausgerechnet er, der sich für naturwissenschaftlich aufgeklärt hielt, sollte doch gegen eine solche Fähigkeit immun sein. Oder? Pit wollte seine Überlegungen nicht ausufern lassen. Er stand auf, bedankte sich für die Einladung und den interessanten Nachmittag. Seine Oma drückte ihm noch eine Portion Fitzkuchen für Jule in die Hand, bevor er ging.

Doch wer kann schon die Gedanken beherrschen, wenn sie erst einmal Besitz von einem ergriffen haben. Geistesabwesend lieferte er das Backwerk ab. Jetzt wollte er allein sein mit dem, was in seinem Kopf vorging und wie ein Bienenkorb zu summen begann. Doch die Einsamkeit in seiner Bude störte ihn plötzlich, hier konnte er nichts ordnen, nichts erklären. In letzter Minute fiel ihm noch ein, dass sich die Clique am Baggersee verabredet hatte. Bevor er losfuhr, versorgte er die quietschende Kette des Rades mit Öl. Eine Kleinigkeit mit großer Wirkung. Im Nu langte er am See an. Fauli und Anne vergnügten sich schon im Wasser. Sie spritzten und neckten sich, ein sicheres Zeichen, dass sich etwas zwischen den Beiden anbahnte. Meli stand am Rand und kühlte sich ab wie immer. Das machte sie stets vorschriftsmäßig, ließ sich auch von niemandem davon abbringen. Sie kehrte ihm den Rücken zu. Pit schaute nach ihr, ja er musterte sie unverhohlen. Sie bot ein unwiderstehliches Bild. Er blickte auf ein außergewöhnlich hübsches Mädchen, gut gebaut und für ihr Alter bereits mit allen Attributen einer heranreifenden Frau ausgestattet. In ihrem Bikini sah sie noch verlockender aus. Er hatte sie noch nie auf diese Weise so intensiv betrachtet. Plötzlich spürte er, wie sein Blut nach oben schoss, alle belastenden Gedanken verdrängte, seinen Kopf in einen hochroten, glühenden Ball verwandelte und nur für zwei Überlegungen Platz ließ. Erstens:

„Ich mag sie, dieses göttliche Wesen“,

eine Formulierung, die ihn selbst überraschte und zweitens:

„Wie werde ich auf schnellstem Wege meine rote Birne los?“

Für die zweite gab es eine rasche Lösung. Er sprang ins Wasser, das kühlte und verhalf ihm zu einer normalen Gesichtsfarbe. Noch schien es so, als ob Meli ihn nicht bemerken würde. Er schwamm ein Stück, täuschte Gleichgültigkeit vor, registrierte aber unter höchster Anspannung, dass sie vorsichtig ins Wasser ging und in anderer Richtung davonschwamm. Enttäuscht begab er sich zurück ans Ufer. Dicki erschien. Er setzte sich ins Gras und verstellte seine Taucherbrille, danach montierte er seine Schwimmflossen wie zwei große Paddel an die Füße.

„Will was gegen meine Pfunde tun“,

begrüßte er Pit. Der musste grinsen. So wie sich sein Kumpel aufgerüstet hatte, hätte er besser in ein Panoptikum gepasst. Er unterließ eine höhnische Bemerkung. Dicki war als Freund für seine theatralischen Auftritte bekannt. Er knurrte nur:

„Gute Idee, Dicki.“

Stinki nahte im Laufschritt, rief „Hi“ herüber, stürzte sich sofort ins Wasser und schwamm zu Anne und Fauli. Dicki, inzwischen fertig, stapfte wie ein lahmer Frosch ins Wasser. Dort tauchte er nahe dem Ufer hin und her. Plötzlich schrie er auf, riss Schnorchel und Brille herunter.

„Pit, hier sind eben zwei Riesenhechte vorbei gekommen, Man, waren das große Viecher.“

Er flüchtete hastig ins Trockene. Kurz darauf tauchten Stinki und Fauli auf, lachten lauthals und klatschten sich auf die Bäuche.

„Ihr Blödmänner!“,

maulte der so Blamierte beleidigt und befreite sich von seinen Schwimmflossen. Dann legte er sich ins Gras, vom Baden hatte er genug. Anne und Meli, die auf der Sandbank standen, durch das Schreien und Lachen neugierig geworden, winkten den Jungen im Wasser zu. Ohne Absprache begannen die Drei ein Wettschwimmen. Pit, der sich etwas abseits befand, holte schnell auf. Die Mädchen unterstützten den Kampf lautstark mit Temporufen. Er merkte, dass Stinki wieder eine Nasenlänge vor ihm lag. Vom Ehrgeiz getrieben, mobilisierte er alle Kräfte. Meli sollte sehen, was in ihm steckte. Zentimeter um Zentimeter holte er auf. Jetzt lagen noch ca. zwanzig Meter vor ihnen. Pit kam fast gleichzeitig mit Stinki an. Anne hob den Arm;

„Stinki hat gesiegt“,

jubelte sie,

„und Fauli, na ja, der bekommt Bronze.“

„Einspruch! Ich habe genau gesehen, dass Pit eine Armlänge vor Stinki lag, er ist der Erste. Was Recht ist, muss Recht bleiben“,

mischte sich Meli ein. Pit schüttelte sich das Wasser aus den Haaren, um überhaupt etwas zu tun, das seine Verlegenheit übertünchte.

„Ist doch egal, war ja kein Wettkampf“,

murmelte er wie abwesend.

„Das ist nicht egal“,

widersprach sie,

„das gebietet einfach die sportliche Fairness.“

Meli stritt für ihn! Das hatte er nicht erwartet! Noch wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Sie kam auf ihn zu.

„Was war denn da vorhin los?“,

sprach sie ihn direkt an, so normal wie immer, ohne den geringsten Groll. Das erleichterte seine scheinbar peinliche Situation. Und er berichtete, anfangs stockend, dann immer freier, schließlich so, dass alle schallend lachten. Dicki, der das Gelächter von der Sandbank hörte, wusste sofort, dass es ihm galt. Noch mehr beleidigt, verzog er sich hinter einem Busch. Die fröhliche Ungezwungenheit stachelte jetzt den Übermut der Fünf auf der Sandbank an. Jeder spritzte jeden mit Wasser oder tauchte ihn unter. Pit machte einen Kopfstand, er fühlte sich leicht und froh wie selten. Plötzlich merkte er, wie ihn jemand an den Beinen festhielt. Zappelnd wollte er sich befreien und erwischte einen Fuß. Er zog ihn zu sich. Dieser Jemand verlor plötzlich seinen Stand, fiel hin und ruderte neben ihm im Wasser. Er zog weiter. Nach dem Fuß folgte ein Bein. Arme umschlangen ihn, hielten ihn fest. Jetzt spürte er, es handelte sich um Meli, die ihn umklammerte. Nicht ängstlich, vielmehr, um ihn festzuhalten. Die Luft wurde knapp. Gemeinsam tauchten sie auf. Sie lagen sich immer noch in den Armen. Was für ein wunderbares Gefühl! Pit hätte vor Glück schreien können, alle Welt teilhaben lassen. Sie schaute ihn lächelnd an, ein Lächeln, so tief und unergründlich, wie später noch so oft. Dann löste sie sich sanft aus seinen Armen. Entrückt und starr blieb er stehen.

„Komm, schwimmen wir zurück!“,

sagte sie leise und war schon unterwegs. Immer noch benommen, folgte er ihr. Es fühlte sich an, als ob sie ihn mit einem unsichtbaren Band hinterher ziehen würde. Er merkte nicht, was die anderen neben ihm quatschten. Erst am Ufer kam er langsam zur Besinnung. Doch auch hier blieb ihm das eben Geschehene immer noch ein Rätsel.

Dicki erschien, umgezogen, mit den Utensilien seiner Schmierenkomödie bereits im Beutel. Fauli machte sich über ihn lustig.

„Kommst hierher wie der größte Taucher aller Zeiten und spielst danach die beleidigte Leberwurst. Von mir aus brauchst du nicht abzuhauen.“

Mit einer bittersüßen Miene ließ ihn der so Verhöhnte abblitzen und wollte gehen.

„Bleib doch!“,

forderte jetzt auch Meli, und der Rest nickte zustimmend.

„Aber nur dir zuliebe, Meli. Die anderen warne ich vor einer Wiederholung.“

Den drohenden Unterton nahm aber niemand ernst. Dicki gehörte nicht zu den nachtragenden Typen. Versöhnlich packte er seine Liegematte aus und machte sich lang. Die Mädchen saßen bereits auf ihren ausgebreiteten Decken. Fauli pflanzte sich sofort neben Anne, Stinki bat Dicki um ein Plätzchen, nur Pit stand unschlüssig rum.

„Setz dich doch zu mir, oder traust du dich nicht?“,

rief ihm Meli zu. Wieder errötete er, nur diesmal konnte er ihn nicht mit Wasser kühlen. Er drehte sich weg und hauchte:

„Danke.“

Dann ließ er sich auf dem äußersten Rand ihrer Decke nieder, obwohl sie die halbe Liegefläche frei gemacht hatte. Und wieder lächelte sie. Noch vor einer Woche hätte er sich nicht geniert, aber jetzt zersprang sein Herz fast vor Aufregung. Er wusste mit der Situation nichts anzufangen. Nur flüchtig registrierte er ihren unergründlichen Gesichtsausdruck, auch der entsprach nicht dem sonstigen. Milde, Zuneigung, Nachsicht, Opferbereitschaft, vielleicht auch Liebe und Hingabe hätte man herauslesen können, wenn er zu einer Deutung fähig gewesen wäre. Aber er konnte es nicht, denn der wummernde Herzschlag zertrümmerte im Moment jegliche Art solcher Gedanken. Er musterte zunächst Stinki, der bot Ablenkung. Sein muskulöser Körper glänzte in der Sonne. Jetzt, wo er im Wasser seinen Schweißgeruch verloren hatte, bot er eine Augenweide für jedes Mädchen. Warum hatte das noch keine bemerkt? Bescheiden und ehrlich war er schon immer gewesen, zu Hause ersetzte er oft seinen Vater, wenn der betrunken die Familie im Stich ließ. Sein Freund ertrug diesen Zustand wortkarg, er verhielt sich nur selten fröhlich. Pit mochte ihn von allen am meisten. Neuerdings störte ihn sein Spitzname. „Stinki“ - der klang beleidigend und entwürdigend, obwohl er ihn widerspruchslos akzeptiert hatte und auch darauf hörte. Diese Gedanken brachten etwas Ordnung in sein aufgewühltes Innere.

Pit nahm sich vor, mit Meli darüber zu sprechen. Sie nannte ihn sowieso meistens Reinhard, wie er richtig hieß. Plötzlich ebbte die Aufregung ab. Sein Kopf wurde klar so wie früher. Auch die Röte verschwand. Wieder mutiger, rückte er auf der Decke ein Stück weiter. Fauli hatte ihn die ganze Zeit im Visier und grinste hintergründig. Pit kannte den Blick und wusste, dass bald ein flapsiger Spruch folgen würde. Er ging selbst zum Angriff über:

„Warum bist du hier, Fauli, ich denke du hast Stubenarrest?“

„Ich habe die Formeln gelernt, war ein Megastress. Danach hat mich meine Mutter abgehört. Sie hat keinen Patzer entdeckt, deshalb hat sie mich ziehen lassen.“ Meist formulierte er solche Antworten etwas derber. Ob es an Anne lag, dass er sich heute zusammen nahm? Jedenfalls stellte es Pit mit Genugtuung fest. Oft genug brachte Fauli die Clique oder andere Freunde mit seinen Grobheiten in Misskredit.

„Dann ist wohl dein Hausarrest vorbei?“,

freute sich Anne mit fragender Miene.

„Weiß nicht?“,

knurrte er und griff nach ihrer Hand. Pit wunderte sich über den vertrauten Umgang der Beiden, das machte ihn auch beherzter. Er streckte sich neben Meli aus, die jetzt auf dem Bauch ganz dicht an seiner Seite lag. Ihre Wärme, den Duft ihres Haares, den Schlag ihres Herzens, ihre Atemzüge, all das glaubte er auf einmal zu spüren. Er schloss die Augen und träumte. Seine Sinne verwoben alle Eindrücke, die ihm so unerwartet zuteil wurden. Sie mischten sich mit seinen innersten Wünschen. Gleitend entrückte er allem Irdischen, noch versank es im Nebel, was er zu sehen glaubte, aber es entwickelte sich langsam zu einem wunderbaren Bild. Er drehte sich, dabei bemerkte er Melis Blick. Sie schaute ihn an. Verwirrt wendete er sich wieder ab. Die nächste Viertelstunde verging schweigend. Die unbequeme Lage, die er bis zur Unerträglichkeit auszuhalten versuchte, zwang ihn aber erneut, sich zu wenden. Wieder kreuzten sich seine und ihre Blicke. Diesmal blieb er einige Sekunden an ihren Augen haften. Sie besaß wunderschöne dunkelbraune Augen, die ein Feuer in sich trugen, das Wärme ausstrahlte, aber nicht nur das, auch eine unergründliche Sehnsucht kam mit einem Leuchten herüber und brachte Glanz auf ihr Gesicht. Ihr Blick fesselte ihn. So hatte er Meli noch nie erlebt, ihre Augen noch nie so gesehen. Kurz danach senkte er wie geblendet seine Lider, er fühlte nicht die Kraft, diesem völlig anderen Gesichtsausdruck länger zu widerstehen, noch nicht. In seinem Kopf wirbelte es, versetzte ihn in Trance, als ob er unter Drogen stehen würde. Dicki zerstörte schlagartig alles, was Pit in seiner Entrückung empfand. Offenbar plagte ihn die Langweile. „Ich habe im Internet etwas über Eichen rausgekriegt. Vielleicht interessiert das jemanden unter euch?“,

platzte er in die Runde.

„Moment noch“,

bremste Fauli seinen Mitteilungsdrang. Er bemühte sich gerade, Anne zu knutschen. Auch Pit wurde stinksauer. Unter anderen Umständen wäre er bereit gewesen, Dickis Gerede anzuhören. Aber ausgerechnet jetzt musste er mit seinem Internetgefasel diesen einmaligen Traum kaputt machen. Ihm lag eine grobe Zurechtweisung auf den Lippen, als sich ein Finger auf seinen Mund legte. Meli schüttelte fast unmerklich den Kopf und drückte seine Hand. Leise, aber bestimmt sagte sie:

„Erzähl uns das später, Dicki, ich glaube, wir müssen nach Hause“,

und wieder versanken ihre Blicke in Pits Augen. Dessen Zorn zerschmolz wie Wachs in der Sonne, alles um ihn herum war ihm plötzlich egal, nur eines nicht. Dieses Wesen neben ihm hatte ihn erobert, dafür würde er alles hergeben, alles opfern. Selig über so viel Glück, wünschte er sich nur eins, alle anderen mögen verschwinden. Dicki blieb hartnäckig. So verhielt er sich meistens, wenn er glaubte, etwas Wichtiges zu wissen. „Ich gehe jetzt zur ‚Alten Eiche', hier hört mir ja doch keiner zu. Offenbar sind jetzt andere Dinge interessanter. Werde allein der Sache auf den Grund gehen.“

Die letzte Bemerkung weckte natürlich Neugier, doch noch reagierte niemand. Er ging, und Stinki folgte ihm. Anne kreischte plötzlich:

„Ich muss heim, sonst bekomme ich Ärger mit den vorsintflutlichen Ansichten meiner Mutter. Ihr kennt sie ja.“

Sie sprang auf. Fauli folgte ihr zunächst, bog aber dann ab.

„Gehe zu Dicki!“,

rief er Pit und Meli zu, die noch immer auf der Decke lagen. Sie waren jetzt allein. Pit raffte allen Mut zusammen. Getrieben von einer unsichtbaren Kraft, beugte er sich über Meli und küsste sie. Es war sein erster Kuss, den er einem Mädchen schenkte. Noch fiel er entsprechend unbeholfen und linkisch aus, aber er spürte, dass sie ihn begehrte. Auch ihre Erwiderung gelang nur zaghaft, aber er spürte bereits die versteckte Hingabe. „Komm, wir tun Dicki den Gefallen und hören uns seine Neuigkeiten an!“,

schlug sie vor,

„vielleicht ist es wirklich interessant, was er im Internet gefunden hat.“

Nur widerwillig ließ sich Pit überreden, der Kuss hatte ihm jede Lust auf Neuigkeiten solcher Art abgekauft.

Gewöhnlich hockten sie am Rand der Kuhle. Früher holte man hier Sand, jetzt lag auf dem Grund ein wirres Durcheinander von kleinen dürren Zweigen, Laub und Resten von Fruchtständen der Eiche aus dem Vorjahr. Die riesige Krone des Baumes überschattete den Platz. Alle in der Clique liebten dieses angenehme Fleckchen. Sie trafen sich oft an dieser Stelle, jeder hatte seinen Platz, man quatschte und heckte manchen Streich aus. Auch heute sollte es so sein. Bis auf Dicki befanden sich die anderen auf den angestammten Plätzen. Pit saß jetzt näher an Meli, blieb aber noch auf Distanz, keiner sollte merken, dass zwischen ihnen etwas lief. Fauli, der lieber mit Anne gegangen wäre, drängte:

„Leg endlich los, Dicki! Du verschwendest wieder einmal unsere Zeit!“

Der überhörte das Drängeln und hockte sich wichtigtuerisch in die Mitte der Kuhle. Jetzt sah er aus wie ein gluckendes Huhn. Diese Pose nahm er oft ein, wenn er etwas zu verkünden gedachte. Fauli fauchte ihn erneut an.

„Wenn du jetzt nicht loslegst, haue ich ab!“

„Also“,

begann Dicki endlich,

„ich habe im Internet Folgendes gefunden“.

Mit diesem Standardsatz legte er meistens los, auch wenn er danach oft ganz Banales von sich gab.

„Komm auf den Punkt!“,

herrschte ihn nun auch Meli an, die ungeduldig wurde. Fast beleidigt, polterte er schließlich los:

„Es ist eine Geschichte über Eichen, sie klingt mehr nach einem Märchen, scheint aber wahr zu sein.“

Bis auf Pit schenkten ihm jetzt die anderen halbherzig ihr Gehör. Der wandelte auf geistigen Abwegen und malte sich ein Zukunftsbild mit Meli. Dickis Worte schwirrten an ihm vorüber. Die Eichen, so dozierte dieser bedeutungsvoll, wären zu allen Zeiten heilige Bäume gewesen. In den alten Religionen hätte man sie oft als Sitz von Göttern und Zauberern verehrt und gefürchtet. Unter ihren riesigen Wurzeln sollen Dämonen und Kobolde ihr Unwesen getrieben haben, die je nach Lust und Laune die Menschen zwickten, ihnen schadeten, aber sie auch mit Wohltaten überhäuften. Als Götterbaum sei sie bereits bei den alten Griechen zu finden. Sie weihten die Eiche dem Göttervater Zeus. Da gäbe es auch ein Orakel. Jetzt staunte Meli plötzlich über Dickis Wissen. Sie hörte ihm interessiert zu, während Pit sich immer noch im Gefängnis seines Liebestaumels befand.

„Los, mach zu! Das ist ja mal richtig spannend!“,

stachelte sie seine aufkommende Mitteilungsfreude an.

„Alle Einzelheiten weiß ich nicht mehr so genau“,

fuhr er euphorisch dort,

„aber die sind auch nicht so bedeutungsvoll wie das Weitere.“

Wahllos kam er von den Griechen auf die Römer und dann auf die Kelten zu sprechen, nur zum angekündigten Orakel sagte er nichts. Mit ein wenig Phantasie ordnete Meli den Wirrwarr. Die Römer hatten die Eiche Jupiter, ihrem höchsten Gott, gewidmet. Die Kelten dagegen befragten das Eichenlaub, nutzten es für kultische Handlungen, das hätte sich teilweise bis heute erhalten. Wo? - dazu sagte Dicki wieder nichts, vielmehr brachte er das Wort „Druide“ ins Spiel. Das sollte die Bezeichnung für ihre Priester gewesen sein und von dem keltischen Wort „duir“ stammen, was in deren Sprache so viel wie Eiche bedeute. Plötzlich landete er bei den Germanen, die wähnten in Eichen den Sitz des Donnergottes Donar. Bei ihnen gäbe es auch „Druden“, die aber nichts mit den keltischen „Druiden“ gemein hätten. Bei ihnen würde es sich vielmehr um weibliche, göttliche Wesen handeln, die sich von Zeit zu Zeit in den Baumkronen aufhielten und mit ihrem Treiben die Früchte des Baumes beseelen sollten. Die Eichel wurde deshalb häufig von den Menschen zur Abwehr des Bösen oder zum Erfüllen von Wünschen als Amulett getragen. Die Zahl Fünf spiele dabei eine große Rolle. Beim Erwähnen dieser Zahl schreckte Pit plötzlich auf und wurde hellwach. Wie ein Blitz schoss er in die Realität zurück. Ob er sich je wieder trauen würde, Meli zu küssen, darüber war er sich jetzt nicht mehr sicher. Ihr auffälliges Interesse an Dickis Geschwafel ließ ihn unerwartet zweifeln. Sie kam ihm auf einmal so unnahbar vor. Sein Problem mit der Fünf versprach Ablenkung.

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