Kitabı oku: «Sind wir noch zu retten?», sayfa 2
DEEP DIVE: WIRKUNG VON PLASTIKCHEMIKALIEN AUF KINDER
Nicht erst, wenn Kinder am Boden krabbeln, nehmen sie Schadstoffe auf. Die Belastung kann schon viel früher beginnen. Mit Zunahme vorliegender Forschungsergebnisse rücken speziell hormonähnlich wirkende Chemikalien stärker in den Vordergrund. Insbesondere, wenn ein Stoff die Plazentaschranke passiert, können solche Substanzen schon während der Schwangerschaft in das ungeborene Kind praktisch eingeschwemmt werden. Eine Reihe von Studien belegt, dass bereits diese chemischen Belastungen während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes haben können. Der Grund: Der menschliche Organismus reagiert während der embryonalen und fötalen Phasen besonders empfindlich auf Störungen des Hormonhaushalts.
So wurde etwa ein Zusammenhang zwischen mütterlicher Phthalat-Exposition und einem anti-androgenen Index (verminderter Abstand zwischen Anus und den Genitalien) bei männlichen Neugeborenen beobachtet. Es konnte auch gezeigt werden, dass männliche Babys und Kleinkinder ein erhöhtes Risiko für Hodenhochstand (Kryptorchismus) und einen kleineren Penis haben, wenn die Mutter vor der Geburt Weichmachern ausgesetzt war.3
Eine kindliche, nachgeburtliche Exposition kann u.a. auch zu Fortpflanzungsstörungen (z. B. verminderte Spermienzahl) führen. Außerdem werden diese hormonell wirksamen Chemikalien mit Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, metabolischem Syndrom und Übergewicht in Verbindung gebracht.
Im Zuge der deutschen Kinder-Umwelt-Survey wurde für einige hormonell wirksame oder vermutlich hormonell wirksame Substanzen bei Kindern (3 bis 14 Jahre) nachgewiesen, dass die Belastung bei Kindern in Deutschland jedenfalls zu hoch ist.
DAS BIOLOGISCH ABBAUBARE PLASTIKSACKERL
Biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe werden häufig als mögliche Lösung für die Ansammlung von Plastikmüll angesehen. Am Markt gibt es derzeit viele Materialien, und das macht es für die KonsumentInnen schwer, sich zu orientieren.
So sind beispielsweise sogenannte „biobasierte“ Kunststoffe ganz oder auch nur zu einem Teil aus Biomasse hergestellte Kunststoffe (z. B. Mais, Zuckerrohr). Diese müssen nicht zwingend auch biologisch abbaubar sein. Hingegen bestehen „biologisch abbaubare“ Plastiksackerl aus Kunststoffen, die sich quasi selbst zersetzen. Diese können aus pflanzlichen Rohstoffen sein, aber genauso auch aus erdölbasierten Polymeren.
In dieser Kategorie wird noch zusätzlich unterschieden zwischen „biologisch abbaubarem“ und „kompostierbarem“ Kunststoff. Kompostierbar heißt, dass der jeweilige Kunststoff durch Mikroorganismen überwiegend in Wasser, Kohlendioxid und Biomasse „zerlegt“ wird. Das geschieht allerdings in einem kontrollierten Prozess mit definiertem Zeitrahmen.
Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen läuft der Abbau vergleichbar ab. Er könnte zwar auch in der freien Natur von alleine stattfinden, würde dafür aber deutlich länger dauern.
Wenig berauschend sind sogenannte „oxo-abbaubare“ Kunststoffe. Diese Materialien werden zwar verhältnismäßig schneller abgebaut (sie enthalten Metallionen, die oxidiert werden). Es ist aber schwierig zu berechnen, wie lange ein oxo-abbaubares Plastiksackerl tatsächlich braucht, bis es abgebaut ist. Unter ungünstigen Bedingungen zerfällt es gar nicht oder nur in kleine Mikroplastikfragmente, die sich dann kaum weiter zersetzen. Daher finden sich auch immer mehr Stimmen, die ein generelles Verbot solcher Kunststoffe befürworten.
Zusammenfassend kann man, wenn überhaupt, nur schwer Vorteile finden, die diese „Bio-Sackerl“ haben. Nur eines ist sicher: Wir müssen unseren Verbrauch an Einwegsackerln dringend reduzieren bzw. vermeiden: Immer eigene Taschen oder alte Sackerl mitnehmen. Wenn doch einmal ein neues Sackerl nötig ist – egal, ob aus Plastik oder Papier: dieses so oft wie möglich wieder benutzen.
Aber auf Plastik zu verzichten ist in etwa so, als würde ich sagen, ich verzichte auf Strom – das ist schlicht nicht möglich. Können wir uns trotzdem schützen oder sollten wir mit bestimmten Plastikarten jedenfalls nicht mehr in Berührung kommen?
Das ist schwer zu sagen, weil man ja nie sicher sein kann, was bzw. welche Additive in welchem Kunststoffprodukt eigentlich genau enthalten sind – schon aufgrund der oft fraglichen Herkunft der Produkte.
Dennoch kann man nach einer einfachen Regel die Produkte auswählen: Je mehr ein Kunststoff „kann“, also je mehr Eigenschaften diesem zugeschrieben werden, wie z. B. farbenfroh, UV-beständig, beduftet etc. zu sein, desto mehr Zusatzstoffe werden vermutlich auch eingesetzt worden sein, um diese Eigenschaften „herbeizuzaubern“. Desto größer ist daher aber auch deren potenzielle Gefährlichkeit.
Eine weitere einfache Probe ist, daran zu riechen: Wenn ein Produkt chemisch oder auffällig riecht, ist davon auszugehen, dass aus dem Kunststoff diverse flüchtige Substanzen ausgasen und die Qualität nicht wirklich geprüft wurde.
„Rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff werden weltweit pro Jahr produziert.“
Viele andere Substanzen sind aber praktisch nicht zu riechen, wie etwa Weichmacher. Hier ist es ratsam, auf Hinweise wie etwa „phthalatfrei“ zu achten. Vorsichtiger sollte man generell mit Gegenständen sein, also auch mit diversen Kunststoffprodukten, wenn wir mit ihnen im Alltag häufiger, intensiver und/oder über eine längere Zeit Kontakt haben. Das betrifft etwa kindernahe Produkte (z. B. Spielzeug).
Jeder kann aber auch bei den Herstellern nachfragen, ob etwa diverse Additive in ihren Kunststoffen eingesetzt werden. Diese sind auskunftspflichtig, wenn das Produkt mehr als ein Gramm pro Kilogramm des Schadstoffes aufweist. Laut Europäischem Gerichtshof gilt diese 0,1-Prozent-Grenze bei Erzeugnissen, wenn sie aus mehreren Teilen zusammengesetzt sind, auch für die Einzelkomponenten.
Generell weniger Plastikprodukte zu verwenden bzw. zu kaufen ist aber natürlich immer der sicherste Weg.
Auf all diese Chemikalien möchte ich in Wahrheit meinem Körper zuliebe verzichten, aber das ist wohl nicht der einzige Grund, warum man seinen Plastikkonsum im Auge behalten sollte, oder?
Keineswegs, denn Fakt ist: Die Rohstoff- und Ressourcenverschwendung sowie die anwachsende Verunreinigung aller Umweltmedien mit Kunststoffrückständen und Mikroplastik einzudämmen ist von stark wachsender Dringlichkeit. Man kann sich kaum vorstellen, dass rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit pro Jahr produziert werden. Auf Verpackungen entfällt mehr als ein Drittel aller hergestellten Kunststoffe. Und die Produktionsmenge wächst noch immer – und ein großer Teil dieser Produktion landet im Müll.
„Auch verbotene Stoffe können oft noch Jahrzehnte in der Umwelt, aber auch im menschlichen Gewebe nachgewiesen werden.“
Für ein Kilo Polyethylen benötigt man rund zehn Liter Wasser, und natürlich Erdöl, einen wertvollen Rohstoff, den wir für unnötige Produkte unseren Nachkommen entziehen, denn Erdöl wächst nicht nach. Immerhin acht Prozent des jährlich geförderten Erdöls gehen in die Plastikproduktion. Allein für die Herstellung von rund 16,4 Milliarden Plastikflaschen für Deutschland sind pro Jahr 665.000 Tonnen Rohöl erforderlich, das muss man sich mal vor Augen halten. Und in Österreich finden immerhin 1,5 Milliarden Plastikflaschen jährlich ihren Weg auf den Markt. Ein Ersatz dieser durch Mehrweg-Pfandflaschen würde eine Plastikreduktion um 45.000 Tonnen ausmachen – pro Jahr.
Betrachtet man nun die umweltschädigenden Folgen von Erdölproduktion und -transport wie etwa Tankerunglücke oder Ölverschmutzungen durch „havarierte“ Bohrinseln, Plattformen (Brent Spar) oder die Leckagen in Pipelines (z. B. Nigeria), die Gesundheitsprobleme der Bevölkerung in den Ölfördergebieten und so weiter, kann man wohl schon sagen, dass es eine Menge (ökologischer und gesundheitlicher) Gründe gibt, sich einzuschränken.
Aber das ist nur der Anfang, es geht ja an den Arbeitsplätzen in der Kunststoffproduktion weiter. Stichwort: Chemische Belastungen in den Fabriken.
Und zum Schluss: Ein erheblicher, sehr großer Teil des erzeugten Plastiks landet nach sehr kurzer Nutzungs- bzw. Verwendungszeit (Plastiktrinkflasche) nagelneu in der Umwelt. Vor allem in Ländern ohne bzw. mit mangelhaftem Recycling und Abfallbehandlung sind diese Folgen augenscheinlich in der Natur abgebildet, wo es dann möglicherweise hunderte Jahre dauert, bis der Plastikmüll abgebaut ist. Und nicht nur, dass wild deponierter und nicht recycelter Müll jährlich riesige Mengen an Treibhausgasen produziert, ist auch ein anderes Problem augenscheinlich: Mikroplastik.
DEEP DIVE: PLASTIK-FASTEN IN EINER PLASTIKWELT
Inspiriert vom sehenswerten Dokumentarfilm „Plastic Planet“ (Regie: Werner Boote) hat eine fünfköpfige Familie aus der Steiermark im privaten Haushalt monatelang radikal auf Kunststoffe verzichtet. Umweltmediziner der MedUni Wien haben sie dabei im Rahmen einer Interventionsstudie begleitet.
Familie K. hat Mitte November 2009 begonnen, sich von Kunststoffen im eigenen Haus zu befreien, ein weltweit bisher einzigartiges Experiment. Alle Kunststoffprodukte des täglichen Lebens wurden, soweit möglich, durch entsprechende kunststofffreie Produkte ersetzt – bis hin zu Zahnbürsten aus Holz mit Tierhaarborsten. Zugleich wurde akribisch darauf geachtet, Lebensmittel nur dann zu essen, wenn sie vorher nicht oder kaum mit Kunststoff in Berührung gekommen waren. Schon das war eine große Herausforderung beim Einkaufen. Daran kann man sehen, wie facettenreich die Kunststoffproblematik unseren Alltag durchdringt.
Diese Human-Biomonitoring-Studie sollte klären, ob sich durch einen radikalen Verzicht die innere Belastung, speziell an Phthalaten, verändert. Dazu wurden zu Beginn des Experiments und nach einer zweimonatigen Phase mit intensiver privater Kunststoffvermeidung – in Arbeit und Schule war das nur in weitaus geringerem Ausmaß möglich – 14 gesundheitsrelevante Weichmacher im Morgenharn gemessen.4
Das Fazit: Selbst wenn auf privater Ebene jeder mögliche Kontakt mit Kunststoffen vermieden oder zumindest minimiert wird, bleibt eine bestimmte innere Belastung bestehen. Experiment und Studienergebnisse zeigen, dass wir alleine praktisch chancenlos sind, dieser Belastung gänzlich zu entkommen. Ein Freibrief zur hemmungslosen Kunststoffverwendung ist das allerdings nicht: Die Familie hat bereits vor ihrem „Plastikfasten“ gesundheitsbewusst gelebt, weshalb die Belastung durch Kunststoffe schon im Vorfeld unterdurchschnittlich war. Neben weiteren gesellschaftlichen Anstrengungen braucht es dringend auch energische politische Rahmenbedingungen, um Plastik und bestimmte Zusatzstoffe zu vermeiden. Kunststoffvermeidung ist daher vor allem ein Beitrag zum Ressourcen- und zum Umweltschutz.
2 MIKROPLASTIK
Im Scheinwerferlicht steht in den letzten Jahren aber immer mehr das Mikroplastik. Eine neue Studie besagt, dass allein in den oberen Wasserschichten des Atlantiks 21 Millionen Tonnen Mikroplastik schwimmen. Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Was versteht man überhaupt unter Mikroplastik?
Von Mikroplastik (MP) spricht man, wenn es um Kunststoffpartikel geht, die kleiner als fünf Millimeter sind. Partikel, die kleiner als ein Mikrometer (= ein Tausendstel Millimeter) sind, gelten als Sub-Mikroplastik, wenn sie kleiner als 100 Nanometer sind, werden sie als Nanoplastik bezeichnet
Zu unterscheiden ist das primäre Mikroplastik, also eigens hergestelltes Mikroplastik in mikroskopischer Größe – etwa für Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel –, von sekundärem Mikroplastik. Diese Art von Teilchen entsteht u.a. durch Zersetzung und Zerteilung größerer Kunststoffteile.
„Mikroplastik kann auch mit Schadstoffen belastet sein.“
„Ausgangsmaterial“ kann natürlich alles Mögliche sein, da Kunststoffprodukte allgegenwärtig in unserem Umfeld sind: Lebensmittelverpackungen, Bekleidung, Sportausrüstungen, Farben, Kabelummantelungen, Tapeten, Duschvorhänge, Spielzeug – die Liste scheint endlos. Alles, was ungeordnet und nicht sachgemäß entsorgt wird, gelangt in die Natur, wird dort durch „Wind und Wetter“ zerkleinert und verteilt. Außerdem können Mikrokunststoffteilchen als Fasern aus Kleidungsstücken ausgewaschen oder im Straßenverkehr von Autoreifen abgerieben werden. Es handelt sich um Abbaureste von Plastikgegenständen aller Art, die in die Umwelt gelangen.
Und Mikroplastik kann auch mit Schadstoffen belastet sein, darunter eben die bereits erwähnten Zusatzstoffe wie Weichmacher, Flammschutzmittel, Farben, optische Aufheller, Stabilisatoren bis hin zu Duftstoffen. Aber es können sich natürlich auch Schadstoffe, die sich bereits in der Umwelt befinden, an diese Partikel anlagern, wie etwa Schwermetalle.
Plastikteilchen im Größenvergleich
Wird nicht viel Plastik einfach weggeworfen und ist damit auch Quelle von Mikroplastik?
Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge wurden bisher mehr als acht Milliarden Tonnen Plastik produziert.5 Nur ein vergleichsweise kleiner Teil wird wiederaufbereitet oder verbrannt, fast 80 Prozent finden sich auf Müllhalden oder in den Weltmeeren. Das sind noch eher bekannte Fakten.
Was aber seltener den Weg in die Öffentlichkeit findet, ist die steigende Tendenz zu achtlosem Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfällen in der Natur oder im öffentlichen Raum. Das betrifft Getränkedosen, Plastikflaschen, Take-Away-Verpackungen oder Zigarettenstummel. Mengenmäßig dominieren häufig Plastikverpackungen und speziell Plastikflaschen. Dieses sogenannte „Littering“ findet vor allem auf öffentlichen Plätzen oder Treffpunkten, entlang stark befahrener Straßen, in der Nähe von Take-Away-Restaurants oder Tankstellen und nicht zuletzt in Naturerholungsgebieten mit vielen Besucheraktivitäten statt.
„Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass bis zu zwei Drittel aller Zigarettenstummel irgendwo in der Umwelt landen.“
Nicht sachgerecht entsorgte Zigarettenstummel sind dabei immer noch eines der größten Probleme. Das lässt sich leicht darstellen: Rund 4,5 Billionen (als Zahl: 4.500.000.000.000) Zigaretten werden jährlich weltweit nicht ordnungsgemäß entsorgt – geraucht werden 5,6 Billionen. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass bis zu zwei Drittel aller Zigarettenstummel irgendwo in der Umwelt landen. Von zwölf Milliarden verkauften Zigaretten in Österreich (2019) finden sich also acht Milliarden Stummel pro Jahr in der Umwelt wieder. Sie sind damit das am häufigsten achtlos weggeworfene „Ding“. Doch aufgrund ihrer Kleinheit werden sie nach wie vor nicht als wirklich gravierender Müll wahrgenommen – und schon gar nicht als Mikroplastikquelle. Ganz zu Unrecht: Sie bestehen großteils aus dem Kunststoff Celluloseacetat, dessen biologischer Abbau sich nur langsam vollzieht. So kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis sich ein Zigarettenfilter vollständig zersetzt hat.
Alle weggeworfenen Plastikteile zusammen enden dann irgendwann, ins Kleinste zerrieben, als diffuse Partikel-Einträge in unseren Ökosystemen.
Und alles, was in so kleiner Form in die Umwelt gelangt, landet letztendlich auch wieder in unseren Körpern. Mit Mikroplastik ist das wohl nichts anderes. Aber als gesundheitliches Risiko für den Menschen gilt Mikroplastik bis jetzt doch noch nicht?
Offen gesagt ist bisher noch nicht klar, ob, und wenn ja, wie gefährlich Mikroplastik wirklich ist. Die toxikologischen Wirkungen wurden bisher kaum untersucht. Sicher ist aber: Mikroplastikpartikel sind immer als Fremdkörper zu begreifen, weshalb sie auch immer Entzündungsreaktionen auslösen können. Das konnte an verschiedenen Meeresorganismen (z. B. Muscheln) beobachtet werden. Insgesamt muss man aber sagen, dass das Wissen über die Wirkung von Mikroplastik bisher überwiegend aus Zell- und tierexperimentellen Studien stammt. An Mikroplastik können sich aber auch Weichmacher, Flammschutzmittel oder andere Problemstoffe anhaften – und einige dieser Substanzen können hormonell wirksam sein, andere wirken auf das Nervensystem, manche gelten als krebserregend.
Den größten Anteil des Mikroplastiks nehmen wir oral über die Nahrung auf. Wobei Fische und andere Meerestiere, die ihrerseits bereits Plastikpartikel aufgenommen haben, als die wesentlichsten Quellen gelten. Schließlich sind aquatische Ökosysteme und speziell die Weltmeere praktisch Sammelbecken für Kunststoffabfälle. Auch Hausstaub scheint eine besonders relevante Aufnahmequelle zu sein: Dieser besteht aus einer Mischung aus feinsten Partikeln wie Rußteilchen, Sandkörnchen oder Textilfasern und nicht zuletzt auch aus Mikroplastik.
Dass wir also Mikroplastik aufnehmen, ist bekannt und plausibel. Und natürlich auch, dass wir es wieder ausscheiden: In einer kleinen Pilotstudie haben österreichische ForscherInnen Mikroplastik im Darm von Menschen nachgewiesen. Die Kunststoffpartikel wurden in Stuhlproben von allen acht StudienteilnehmerInnen gefunden. Durchschnittlich fanden sich 20 Mikroplastik-Teilchen pro 10 Gramm Stuhl in der Größe von 50 bis 500 Mikrometer, v.a. aus Polypropylen und Polyethylenterephthalat (PET).
Eine genaue Quantifizierung der Menge, also beispielsweise wie viel Gramm jemand pro Tag aufnimmt, ist nur mittels grober Annahmen wie Ausmaß von Fischverzehr etc. möglich. So schätzten australische ForscherInnen die täglich Mikroplastikaufnahme über Nahrung, Trinkwasser und Atemluft auf bis zu fünf Gramm pro Woche.
„Förderlich für unsere Gesundheit ist aufgenommenes Mikroplastik sicher nicht.“
Bei größeren Partikeln ist davon auszugehen, dass sie über den Verdauungstrakt ausgeschieden werden. Bei kleineren Partikeln besteht hingegen die Gefahr, dass diese im Darmgewebe eingelagert werden, aber auch in den Atemwegen oder im Lungengewebe – so, wie es mit Rußpartikeln passiert. Zu solchen ultrafeinen Partikeln in der Atemluft und deren Weg und Wirken in unserem Organismus gibt es eine Fülle an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Allesamt wenig erfreulich.
Im Moment lässt sich seriös und fundiert nicht zuverlässig abschätzen, welches Risiko davon ausgeht. Aber eines kann man getrost sagen: Förderlich für unsere Gesundheit ist aufgenommenes Mikroplastik sicher nicht.
Man liest auch immer wieder, dass – eigentlich wenig verwunderlich – Mikroplastik-Rückstände im Trinkwasser gefunden werden. Einerseits heißt es von der WHO, dass das ungefährlich sei, andererseits gibt es bislang nur wenige Studien dazu. Wie kann man sich da also sicher sein?
Die WHO stellte 2019 fest, dass Mikroplastik im Trinkwasser, „basierend auf den begrenzt verfügbaren Informationen“, auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheitsrisiko darzustellen scheine. Diese Aussage ist sicher kein beruhigendes Zeugnis für gänzliche Harmlosigkeit. Sie ist vielmehr in Relation zu anderen Risiken zu sehen, die weltweit die Gesundheit der Bevölkerung durch verschmutztes Trinkwasser bedrohen.
So sind andere Trinkwasser-Verunreinigungen, wie etwa chemische oder mikrobielle Verunreinigungen, global gesehen selbstverständlich wesentlich bedeutsamer, was das Erkrankungsrisiko betrifft, als die Aufnahme von Mikroplastik. Gerade in Ländern des Globalen Südens stehen Probleme im Vordergrund, überhaupt an einigermaßen reines Trinkwasser zu kommen. Immerhin haben nach wie vor rund zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser.
Insgesamt bedeutet das jedoch nicht, dass Mikropartikel im Trinkwasser als harmlos und als völlig irrelevant für die Gesundheit zu bezeichnen wären. Es zeigt allerdings auf, dass Vorkommen und Verbreitung von Mikroplastik gerade im Trinkwasser im Zusammenhang mit gesundheitlichen Effekten noch viel genauer untersucht werden müssen. Speziell ist die Frage zu klären, wie diese Partikel überhaupt ins Trinkwasser gelangen, damit möglichst rasch Abwehrmaßnahmen definiert und umgesetzt werden können.
Ich bin offen gesagt kein großer Fisch-Fan, aber nach allem, was du erzählst, heißt das eigentlich: Wenn man Mikroplastik vermeiden will, sollte man Fisch von der Speisekarte streichen, oder sehe ich das falsch?
Der Verzehr eines einzelnen Fisches ist sicher kein Problem. Was die Teilchen und damit verbundene Stoffe betrifft, ist diese einzelne Quelle mengenmäßig mit großer Wahrscheinlichkeit unproblematisch. Das Problem ist allerdings: Es werden laufend neue Quellen entdeckt. Plastik wird in Oberflächengewässern wie etwa in der Donau nachgewiesen, aber auch im Leitungswasser, in Mineralwässern sowie in verschiedenen Tierarten (Muscheln, Fische, Vögel), andere Forscher wiederum haben Mikroplastik in Salz, Bier oder Honig nachgewiesen. Angesichts dieser zahlreichen möglichen Aufnahmequellen könnten die aufgenommenen Plastikteilchen eine Menge erreichen, die dann möglicherweise doch ein gewisses Gesundheitsrisiko darstellen. Derzeit kann man dazu allerdings – leider – noch wenig sagen.
Das klingt alles danach, als würde die Beseitigung von Mikroplastik momentan – aus rein gesundheitlicher Sicht gesehen – nicht unbedingt auf Platz 1 unserer Prioritätenliste stehen?
Primär ist die Gefahr von Mikroplastik tatsächlich eher eine Gefahr für Ökosysteme, erst nachrangig besteht eine Gefahr direkt für die menschliche Gesundheit. Und diese Gefahren gehen nicht nur von Mikroplastik aus, sondern auch von „Makroplastik“.
Jedes Jahr landen rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren. Im Nordpazifik treibt seit Jahrzehnten ein Müllstrudel in der Größe Zentraleuropas. Bedrohlich für kleinste, kleine und große Meeresbewohner. Über 800 Spezies sind von marinen Abfällen betroffen.6 Selbst Strände unbewohnter Inseln vermüllen. Und noch immer ist vieles nur in Ansätzen erforscht, vieles unbekannt, aber plausibel. So ist der Einfluss von Plastik auf das Klima noch ungeklärt. Inwiefern etwa die immer größere Menge an Mikroplastikteilchen in den Meeren zentrale biologische Prozesse stört, wodurch die Rolle der Ozeane als Kohlenstoffsenke beeinträchtigt werden könnte.
„Im Nordpazifik treibt seit Jahrzehnten ein Müllstrudel in der Größe Zentraleuropas.“
Dennoch sind die Folgen auf Ökosysteme im Wasser besser beforscht als die Folgen der Mikroplastikverschmutzung in Ökosystemen in festen Böden. Die Folgen des Mikroplastik-Eintrages in die Bodenstruktur und Lebensgemeinschaften (von Mikroorganismen bis hin zu Regenwürmern) sind praktisch unbekannt. Dabei können die Mikroplastik-Einträge in den Böden je nach Umgebung deutlich stärker sein als beispielsweise im Meer.
Man muss sich Kunststoffe und ihre Metamorphose ansehen. Wir wissen, dass es eine völlig unkontrollierte Freisetzung von Kunststoffen gibt. Daher gilt es, die maßlose Verwendung von Plastik zu hinterfragen und auch die Sinnfrage stellen – ob man Plastikprodukte nicht einsparen und durch andere Materialien ersetzen kann, die nicht diese gravierenden ökologischen Probleme mit sich bringen. Vor allem muss man sich darüber Gedanken machen, wie die vielerorts völlig desolate „Entsorgung“ endlich deutlich kontrollierter vollzogen werden kann. Und zwar rasch. Und hier ist ebenso die Politik gefragt, die Rahmenbedingungen schaffen muss. Angefangen bei der klaren Kennzeichnung von Ein- und Mehrwegprodukten, Mindestmehrwegquoten, bis hin zum Verbot von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsprodukten.
Fazit: Sind wir noch zu retten?
Wir Menschen vorerst einmal schon. Aber andere Lebewesen – speziell in unseren Weltmeeren, von der Muschel bis zur Meeresschildkröte – sind es wohl nicht mehr, wenn es so weitergeht.
Heißt also: Bequemlichkeit hin oder her. Wo man im Alltag Kunststoffe einsparen kann, sollte man das unbedingt machen. Auf ein Plastiksackerl kann jeder verzichten. Ganz ehrlich, öfter mal ein Stoffsackerl dabeizuhaben, das ist wirklich keine Einschränkung.
„Ganz ehrlich, öfter mal ein Stoffsackerl dabeizuhaben, das ist wirklich keine Einschränkung.“