Kitabı oku: «Sind wir noch zu retten?», sayfa 3
WAS TUN?
PLASTIK IM ALLTAG VERMEIDEN
Plastik beim Einkauf vermeiden (z. B. Obst und Gemüse lose kaufen, „Unverpackt“-Läden unterstützen etc.)
Gehen Sie mit Stoffsackerl/Rucksack/Korb etc. einkaufen, anstatt Plastiksackerl zu kaufen (auch im Urlaub).
Auch Verpackungen aus „Bioplastik“ vermeiden
Generell langlebige, hochwertige Produkte bevorzugen (z. B. Möbel, Textilien etc.)
Plastikfreies Spielzeug verwenden und schenken
Kreative, abfallfreie Geschenkverpackungen – oder Zeitungspapier verwenden
Mehrwegglasflaschen statt PET-Flaschen und andere Mehrwegprodukte
Leitungswasser trinken (und Geld und Müll sparen)
Verwenden Sie Kosmetika/Peelings ohne Mikroplastik (Einkaufsratgeber verschiedener Organisationen helfen dabei)
Feste Seife statt Flüssigseife und Duschgel in Plastikverpackungen
Bevorzugen Sie Textilien aus Naturfasern.
Statt „to go“-Bechern sollten Sie sich lieber ein paar Minuten bewusst Zeit nehmen und den Kaffee/Tee in Ruhe – und zwar in der Tasse – genießen.
Reparieren statt wegwerfen
Richtige, ordnungsgemäße Entsorgung von Kunststoff 2
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PESTIZIDE
… in aller Munde
Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln sind häufig Thema, wenn es um den Konsum von Obst und Gemüse geht. Soll man dann überhaupt noch Gemüse essen? Für wen sind Pestizide gefährlich? Wird das persönliche Risiko überschätzt? Oder schützen uns ohnedies die Grenzwerte?
INTRO
„Verzeihung, bitte!“ Möglichst höflich versuche ich mir den Weg zu den Obstregalen zu bahnen, konkreter: zu den Äpfeln. Und die Auswahl ist enorm. Aus Italien oder Österreich – wohl keine Frage. Aus der Steiermark oder aus Niederösterreich – für die Weinviertlerin ebenfalls keine schwierige Entscheidung. Doch jetzt wird es herausfordernder: Bio oder nicht bio? Selbstverständlich bio, werden Sie vielleicht sagen, denn da wird auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Doch dieses Angebot lässt mich vermuten: Viele entscheiden sich für „nicht bio“ – und das kann ja nicht gefährlich sein, sonst würde es nicht bei uns im Supermarkt liegen, oder doch?
Ein kurzer Rempler, und die giftgrünen Granny Smith vor meinen Augen reißen mich aus meinen Gedanken, denn ein älterer Herr neben mir hat soeben seine Entscheidung getroffen. Und zwar: nicht bio. Gut, warum auch nicht. Bio hat schließlich seinen Preis. Bei mir landen trotzdem die niederösterreichischen Äpfel aus Bio-Landwirtschaft im Wagerl. Sicherheitshalber.
Doch wenn sich dieser Gedanke einmal im Gehirn eingenistet hat, dann ist er gar nicht mehr so einfach loszuwerden. Bei den Backwaren wird er gleich wieder unangenehm präsent. Auch hier: Roggenbrot oder Bio-Roggenbrot pur? Beim Käseregal dasselbe Bild: Gouda oder Bio-Gouda? Und natürlich auch beim Kaffee. Ich ziehe meine Entscheidung durch – und die macht sich beim Bezahlen an der Kassa ebenfalls durchaus unangenehm bemerkbar.
Während ich auf die Straßenbahn warte und das Gras sehe, das sich seinen Weg durch die Spalten neben den Schienen bahnt, wird mir bewusst: Auch hier waren wir jahrelang von Pestiziden umgeben. Es ist noch nicht lange her, dass sich etwa die Stadt Wien oder auch die Wiener Linien beim Kampf gegen das Unkraut auch gegen den Einsatz von Pestiziden entschieden haben. Das bedeutet aber andersrum: Jahrelang waren wir dem Pestizideinsatz in der Öffentlichkeit ausgeliefert. Und beim Blick in meine Einkaufstasche frage ich mich: Warum lässt man die Entscheidung über bio oder nicht bio überhaupt bei den KonsumentInnen? Gibt es also Lebensmittel, die sicherer sind als andere? Ich merke, wie bei all diesen Gedanken ein wenig Ärger in mir aufsteigt: Ein wenig zu heftig klopfe ich an die Bürotür von Hans-Peter Hutter – mit vielen Fragen und Bio-Frühstück im Gepäck.
Das Wort Pestizide setzt sich aus dem lateinischen Wort „pestis“ für Seuche und „caedere“ für töten zusammen. Das gibt schon klare Hinweise. Aber was sind Pestizide überhaupt und wofür sind sie da?
Einfach gesagt werden Pestizide eingesetzt, um Pflanzen vor Schaderregern zu schützen. Die Weltgesundheitsorganisation definiert sie genauer als „Stoff oder Stoffgemisch mit chemischen oder biologischen Inhaltsstoffen, welches zur Abwehr, Vernichtung oder Bekämpfung von Schädlingen oder zur Regulierung des Pflanzenwachstums dient“.
Dabei ist es wichtig, zwischen Pestiziden und den eigentlich eingesetzten Wirkstoffen zu unterscheiden: Wirkstoffe sind vorwiegend chemische Verbindungen, die gegen „Schaderreger“ auf Pflanzen oder Pflanzenprodukten wirken. Pestizide hingegen sind „handelsübliche Zubereitungen“, also Gemische aus einem oder mehreren Wirkstoffen. Darin können allerdings zusätzlich weitere Hilfsstoffe enthalten sein, die etwa garantieren sollen, dass die Pestizide z. B. gut auszubringen und lagerstabil sind. Der Großteil der zugelassenen Pestizide enthält nur einen Wirkstoff, bis zu vier Wirkstoffe sind derzeit am Markt.
„Weil sie unter dem Namen ‚Pflanzenschutzmittel‘ verkauft werden, vergisst man oft, dass sie eigentlich zum Abtöten von Lebewesen entwickelt wurden.“
Der Oberbegriff „Pestizide“ umfasst dabei verschiedene Produkte wie etwa Insektizide (Mittel gegen Insekten und deren Entwicklungsstadien), Fungizide (Mittel gegen Pilze) und Herbizide (Mittel gegen „Unkräuter“/Beikräuter).
Weil sie unter dem Namen „Pflanzenschutzmittel“ verkauft werden, vergisst man oft, dass sie eigentlich zum Abtöten von Lebewesen – etwa von Insekten – entwickelt wurden, die sich von Getreide, Obst und Gemüse ernähren. Da diese Insekten aber auch von anderen gefressen werden – Stichwort Nützlinge –, führt das letztlich auch zum Tod ihrer natürlichen Feinde oder anderer Lebewesen, wie etwa unserer Bienen, und als Konsequenz davon zum Aussterben vieler Pflanzenarten.
Welche sind die gängigsten Pestizide, die letztendlich auch auf unsere Teller gelangen?
Wenn man sich die Verkaufszahlen ansieht, so sind es ganz klar Fungizide – gefolgt von Herbiziden, die mengenmäßig am häufigsten gehandelt werden. Was dann tatsächlich auf unseren Tellern landet, ist natürlich abhängig davon, was wir essen, denn es sind ja unterschiedliche Wirkstoffe, die etwa beim Weizen- oder Obstanbau verwendet werden.
Insgesamt sind allein in Europa rund 280 Wirkstoffe zugelassen, etwas mehr als 800 Pestizidmischungen werden unter rund 1600 Handelsnamen verkauft. In anderen Ländern, speziell in Ländern des Globalen Südens, können es deutlich mehr sein.
„Biozide werden auch im Haushalt eingesetzt – besonders beliebt in Form von Gelsensteckern.“
Die Aufnahme von Pestiziden erfolgt hauptsächlich über die Nahrung, vor allem über Obst und Gemüse aus der konventionellen Landwirtschaft. So gelangen sie in den Magen-Darm-Trakt und damit in den Organismus. Was aber oft vergessen wird, ist, dass Biozide auch nicht selten im Haushalt eingesetzt werden. Besonders beliebt in Form von Gelsensteckern. Dann ist auch eine Aufnahme über die Atemwege möglich. Und schließlich sind die freigesetzten Gifte auch im Hausstaub zu finden. Wenn Kinder im Krabbelalter alles in den Mund nehmen, dann nehmen sie Staub und damit auch Pestizide auf.
In der Öffentlichkeit findet leider kaum Beachtung, dass ArbeiterInnen in der konventionellen Landwirtschaft, die Pestizide ausbringen – im Globalen Süden, aber auch bei uns –, direkt und in wesentlich höheren Mengen Pestiziden und damit hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.
Wir nehmen Pestizide also praktisch unbemerkt zu uns – aber welche Auswirkungen hat das auf unsere Gesundheit?
Ob Pestizide ein Gesundheitsrisiko für den Menschen sind, hängt davon ab, wie viel in unseren Körper gelangt, also wie viel wir verschlucken, einatmen oder über die Haut aufnehmen.
Sie können akute, aber auch chronische Wirkungen haben. Zu den akuten, rasch auftretenden Effekten zählen Reizwirkungen (z. B. obere Atemwege, Haut), Magen-Darm-Störungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) und neurologische Beeinträchtigungen (z. B. Kopfschmerzen). Diese Effekte treten aufgrund vergleichsweise hoher Exposition auf – beim Konsum von Gemüse und Obst sind solche Beschwerden praktisch ausgeschlossen, bei AnwenderInnen in der Landwirtschaft aber sehr wohl möglich.
Zu den langfristigen Folgen von Pestizid-Belastungen zählen Atemwegsund Hautprobleme, neurologische Defizite, aber auch Beeinträchtigungen des Immun- und Nervensystems (z. B. Parkinson-Erkrankungen) sowie der Fortpflanzungsfähigkeit bis hin zu Krebs, wie etwa Leukämie. Erforscht wurden diese Effekte vor allem anhand von Untersuchungen an LandwirtInnen und LandarbeiterInnen. Deren Belastung ist nicht nur auf die orale Aufnahme beschränkt, hier ist auch die Aufnahme über die Haut und die Atemwege von höherer Bedeutung.
Anteil der Bio-Flächen in der österreichischen Landwirtschaft
Quelle: BMLRT
Sind Kinder denn eigentlich empfindlicher, was Pestizide betrifft?
Kinder sind tatsächlich anfälliger gegenüber den Wirkungen von Pestiziden als Erwachsene. Sie sind im Wachstum und ihre Organsysteme (u.a. auch jene zur Entgiftung) sind noch nicht ausgereift, sondern befinden sich in der Entwicklung. Sie haben auch, abhängig vom Lebensalter, eine erhöhte Stoffwechselrate. So nimmt der Körper über den Magen-Darm-Trakt bestimmte Stoffe schneller und in größeren Mengen auf als bei Erwachsenen. Schadstoffe, die nur langsam abgebaut werden, können daher über einen längeren Zeitraum einwirken, und dadurch – gerade, wenn sie schon früh im Leben einwirken –, auch eher Schäden oder negative Effekte hervorrufen.
„Kinder nehmen bestimmte Stoffe schneller und in größeren Mengen auf als Erwachsene.“
Eine Gefährdung von Kindern durch Pestizide beginnt aber nicht erst mit der selbstständigen Nahrungsaufnahme von entsprechenden Lebensmitteln, sondern häufig schon im Mutterleib. Bereits im Embryonalstadium können sie höheren Pestizidkonzentrationen ausgesetzt sein, etwa wenn schwangere Frauen pestizidbelastete Lebensmittel zu sich nehmen oder beruflich, z. B. in der Landwirtschaft, mit Pestiziden hantieren oder anderweitig in Kontakt kommen.
Das klingt jetzt noch alles recht theoretisch, aber wie hoch ist denn das Risiko wirklich, tatsächlich aufgrund von Pestiziden zu erkranken, etwa an Krebs?
Eine genaue Darstellung oder gar eine Quantifizierung der Folgen für jeden Einzelnen ist selbst für Erwachsene nur sehr schwer möglich – die Beurteilung langfristiger Pestizidrisiken für Säuglinge und Kinder noch um einiges schwieriger. Was man aber jedenfalls sagen kann: Es ist besonders besorgniserregend, wenn man (potenziell) krebserregenden Substanzen bereits im frühen Lebensalter ausgesetzt ist. Denn die Betroffenen haben aufgrund der noch vor ihnen liegenden langen Lebensdauer theoretisch eine höhere Wahrscheinlichkeit, einen Tumor „zu erleben“.
Aus der Forschung kann jedoch abgeleitet werden, dass auch eine vorübergehende Belastung mit Pestizidrückständen Entwicklungsstörungen und/oder neurologische Effekte verursachen kann, also durchaus ein bestimmtes Gefährdungspotenzial hat.
„Pestizide sind per se Gifte – und damit höchstwahrscheinlich nie ganz harmlos.“
Leider sind gesundheitliche Auswirkungen in der Regel nicht wirklich offensichtlich und vor allem nicht gleich auf Pestizidkonsum rückführbar. Wenn man nicht hohe Dosen akut zu sich nimmt, dann kann es sehr lange dauern, bis sich Auswirkungen zeigen. Insgesamt ist es immer schwierig, speziell wenn es um die Aufnahme im Alltag geht, also um zum Teil sehr, sehr kleine Mengen. Auch hier ist es ratsam, möglichst pestizidfreie Lebensmittel zu wählen, um auf der sicheren Seite zu sein.
Gibt es denn Pestizide, die für den Menschen nicht giftig sind?
Pestizide sind per se Gifte – und damit höchstwahrscheinlich nie ganz harmlos. Selbst wenn sie nur auf den Stoffwechsel von Pflanzen ausgerichtet sind – wie etwa Glyphosat –, ist eine gewisse Wirkung auch auf tierisches bzw. menschliches Leben nicht ganz ausgeschlossen. Aber ob diese Wirkungen für den Einzelnen gesundheitlich relevant sind, ist natürlich damit verbunden, wie häufig und in welchen Mengen jemand damit in Berührung kommt.
PESTIZID-SCHWARZMARKT – 25 PROZENT DER PESTIZIDE IN EUROPA GEFÄLSCHT
Eine wenig bekannte, gefährliche Seite der Pestizide ist der florierende Schwarzmarkt. Diverse Medien wie der „Spiegel“ berichteten, dass etwa der Hamburger Hafen als Drehscheibe für den illegalen Pestizid-Import nach Europa gilt. Tonnenweise werden dort Pflanzenschutzmittel aus Übersee beschlagnahmt, die bei uns bereits verboten sind.
Der Pestizid-Schwarzmarkt soll außerdem größere Gewinne als der Drogenhandel abwerfen, weil die verwendeten Wirkstoffe billiger sind als die Originale der Agrochemie. Allerdings sind sie auch giftiger.
Obwohl das meiste Schmuggelgut in Osteuropa landet, kann es beispielsweise über importierte Nahrungsmittel auch auf unseren Tellern landen. Europol schätzt, dass etwa 25 Prozent der in Europa eingesetzten Pestizide gefälscht sind.
Aber dafür gibt es ja Grenzwerte, die die Bevölkerung schützen sollen?
Hier kommt wiederum die Europäische Union ins Spiel. Sie legt die Grenzwerte in der EU fest, und auch die Überwachung von Lebensmitteln hinsichtlich ihrer Belastung mit Pestiziden wird durch sie geregelt.
Dass es hier Interessenkonflikte gibt, liegt auf der Hand. Selbst, wenn es eine europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt, die für die wissenschaftliche Ableitung von Grenzwerten zuständig ist. Einflüsse aus der Industrie auf diese Behörde werden immer wieder thematisiert – Stichwort: unangemessene Nähe von EFSA-MitarbeiterInnen zur Industrie. Speziell rund um die Glyphosat-Diskussion sind gewisse Schwächen offensichtlich geworden.
„,Unsere‘ Grenzwerte und Regelungen sind zwar besser als in anderen Regionen der Welt. Aber es gibt Luft nach oben.“
„Unsere“ Grenzwerte und Regelungen sind zwar besser als in anderen Regionen der Welt. Aber es gibt Luft nach oben – sowohl in Richtung strengerer Grenzwerte als auch, was die Zulassung von Wirkstoffen betrifft.
In Nahrungsmitteln speziell für Kinder, die sich in Entwicklung befinden, sollten aus umweltmedizinischer Sicht die Rückstände ohnehin so weit wie möglich verringert werden, selbst wenn sie festgesetzte Grenzwerte nicht überschreiten. Schließlich sind Mehrfachbelastungen mit Pestiziden und anderen Chemikalien anzunehmen und Kombinationswirkungen selbst in niedrigen Konzentrationen nicht ganz auszuschließen.
Vor allem, wenn es sich um endokrine, also hormonaktive Pestizide handelt, die etwa körpereigene Hormone, wie z. B. Östrogene, imitieren können, muss man davon ausgehen, dass sie bereits bei einer sehr niedrigen Konzentration Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit sowie auf wichtige Reifungs- und Regulationsprozesse haben können.
Wird bei diesen Grenzwerten wirklich alles berücksichtigt? Ein gespritzter Apfel dort, die Orangenschale da – nehmen wir nicht einen Pestizid-Cocktail zu uns?
Aufgrund der Fülle der Wirkstoffe, aber auch der Mischungen, nämlich dass mehrere Wirkstoffe mit Hilfsstoffen eingesetzt werden, ist das natürlich so eine Sache. Bis ins kleinste Detail kann die Vielfalt an Möglichkeiten, wie ein solcher Cocktail zusammengesetzt ist, nie ganz genau erforscht oder bis in die letzte Auswirkung dargestellt werden. Dazu gibt es einfach zu viele mögliche Kombinationen an Stoffen. Man behilft sich in der Umwelttoxikologie in solchen Situationen, indem man diese Unsicherheiten mit entsprechenden Sicherheitsfaktoren belegt. Die Sicherheitsfaktoren sollen vor allem berücksichtigen, dass etwa tierexperimentelle Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar sind oder das Zusammenwirken mehrerer Schadstoffe (Kombinationswirkungen) meist nicht ermittelt werden kann.
Aber klar: Auch diese Herangehensweise kann nicht alle Folgen hundertprozentig ausschließen. Daher raten wir UmweltmedizinerInnen schon lange, aus Vorsorgegründen möglichst auf Produkte aus dem biologischen Anbau zurückzugreifen. Diese Empfehlung ist übrigens nicht nur aus gesundheitlichen Gründen wichtig: Auch aus Klimaschutzgründen und zum Erhalt der biologischen Vielfalt sind solche Produkte zu bevorzugen, da die Anwendung von Pestiziden teils schwerwiegende ökologische Folgen nach sich zieht.
Obst und Gemüse sollte man klarerweise immer waschen, aber reicht es, sie unters Wasser zu halten und abzuwischen, ist man die Pestizide dann los?
Gut waschen ist jedenfalls sehr wichtig. Unabhängig von den eingesetzten Agrochemikalien kann Obst und Gemüse auch andere Verschmutzungen aufweisen. Neben Waschen ist auch Schälen eine gute Idee.
„Pestizide sitzen auch unter der Schale.“
Doch viele vergessen oder wissen nicht, dass Pestizide auch „unter der Schale sitzen“ und durch einen oberflächlichen Reinigungsvorgang nicht entfernt werden können. Denn wenn systemisch wirkende Pestizide eingesetzt werden, dann nehmen die Pflanzenwurzeln diese Wirkstoffe mit dem Wasser auf. So können sich die Stoffe über die gesamte Pflanze verteilen und diverse Rückstände in allen Pflanzenteilen hinterlassen. Es sind zwar vergleichsweise weniger Rückstände im Fruchtfleisch zu finden als außen – wenn man aber auf Nummer sicher gehen möchte, dann sind Produkte aus dem ökologischen Anbau zu bevorzugen.
Wir kennen das, man hat eingekauft, ist noch unterwegs und nascht schon mal von den Trauben – ungewaschen, versteht sich. Wie problematisch ist es, wenn wir das hin und wieder machen?
Sehr schlimm ist das sicher nicht. Wichtig ist, dass es nicht zur Gewohnheit wird. Falls man sich überhaupt nicht zurückhalten kann und das Waschen vielleicht auch zu Hause oft vergisst, dann ist das ein weiterer Grund, Obst und Gemüse aus biologischem Landbau zu wählen. Dann muss man sich wirklich keine Gedanken machen.
Manche meinen, dass Obst und Gemüse essen damit gefährlich ist – sollen wir dann überhaupt so viel davon essen?
Die Pestizid-Problematik darf keinesfalls als Ausrede dafür herhalten, dass man noch weniger Gemüse isst, als es hierzulande ohnedies der Fall ist. Statt der empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag werden hierzulande durchschnittlich nur zwei Portionen verzehrt (Österr. Ernährungsbericht 2017). Die Empfehlungen wissenschaftlicher Institutionen wie etwa der Weltgesundheitsorganisation und Ernährungsgesellschaften, am Tag rund 400 bis 650 Gramm Obst und Gemüse zu essen, wird bei uns von kaum jemandem erreicht.
Dabei ist ganz klar: Wer viel Obst und Gemüse isst, lebt gesünder und ist fitter. Nachweislich senkt reichlicher Verzehr von Obst und Gemüse das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Bluthochdruck.
Grob vereinfacht gesagt ist der gesundheitliche Nutzen von Obst und Gemüse in der Regel größer als das Risiko, das von Pestizidrückständen ausgehen könnte.
Bei uns landen die Produkte, die mit Pestiziden behandelt wurden, auf dem Teller, aber anderswo auf der Welt arbeiten Menschen mit diesen Pestiziden – was bedeutet das für sie?
Aus ärztlicher Sicht sind Pestizide und Gesundheit ein wichtiges umweltmedizinisches Handlungsfeld, insbesondere im Hinblick auf die Risikogruppe der LandwirtInnen bzw. LandarbeiterInnen. Während bei uns KonsumentInnen klar die Fragen rund um die Rückstände in unseren Lebensmitteln und deren gesundheitliche Auswirkungen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stellen, werden die Gefährdungen derjenigen, die sie ausbringen, viel weniger beachtet. Ganz zu Unrecht, denn jene, die einige unserer Lieblings-Importprodukte wie Bananen, Kaffee und Kakao produzieren, leiden am meisten unter dem Pestizideinsatz. Und nicht nur sie selber – meist sind deren Familien ebenso gefährdet. So leiden LandarbeiterInnen und Menschen, die neben Feldern wohnen, häufig an Gesundheitsbeschwerden, weil sie Pestiziden ausgesetzt sind. Einerseits direkt, etwa bei der Pestizidausbringung, oder auch indirekt, etwa durch belastetes Wasser, Nahrungsmittel oder Kleidung.
Das Tragische ist, dass in manchen Ländern des Globalen Südens dort mit Pestiziden hantiert wird, die in Europa zum Teil schon verboten sind. Das Gesundheitsrisiko (Tumorerkrankungen, neurologische Erkrankungen, Beeinträchtigung der Reproduktion) resultiert nicht nur aus dem Kontakt mit gesundheitsbedenklichen Pestiziden bei der Ausbringung, sondern auch aus den schlechten Arbeitsbedingungen (lange Arbeitszeiten, Unterbezahlung, fehlender Arbeitnehmerschutz), die mit beträchtlichen Belastungen verbunden sind. Davon betroffen sind auch empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schwangere und ältere Personen.
Dazu kommt, dass LandarbeiterInnen in Ländern des Globalen Südens kaum über die Gesundheitsrisiken durch Pestizide informiert sind: Es existieren praktisch keine oder nur unzureichende Schulungen durch die Arbeitgeber, sprich, sie haben keine Ahnung, womit sie eigentlich arbeiten und welchem Risiko sie sich aussetzen. Ebenfalls praktisch unauffindbar sind die Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz, wie sie bei uns üblich und vor allem rechtlich verbindlich sind. Warnhinweise auf den Pestizid-Gebinden sind häufig nutzlos, da viele der AnwenderInnen nicht lesen können. Die Pestizide werden auf Märkten frei verkauft – auch bei uns schon längst verbotene Wirkstoffe wie etwa Paraquat und Endosulfan.
„Jene, die unsere Lieblings-Importprodukte wie Bananen, Kaffee und Kakao produzieren, leiden am meisten unter dem Pestizideinsatz.“
Das hängt auch damit zusammen, dass das Bewusstsein für die Gefahren bei den Arbeitgebern ebenfalls nur in geringem Maße vorhanden ist. Diverse Lebensumstände (Armut, hohe Arbeitslosenrate, geringe Bildung) begünstigen zusätzlich einen „sorglosen“ Umgang (mangelhafte/fehlende Vorsorge- und Schutzmaßnahmen) der LandarbeiterInnen mit Pestiziden.7 Während in Europa also Mindestanforderungen an die persönliche Schutzausrüstung im Pflanzenschutz auch rechtlich vorgeschrieben sind, fehlen solche Vorgaben in anderen Weltregionen oder sind nur rudimentär vorhanden.