Kitabı oku: «Sind wir noch zu retten?», sayfa 4

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DEEP DIVE: PESTIZIDAUSBRINGUNG KANN AUCH DIE NACHBARSCHAFT GEFÄHRDEN

Eine Reihe von Untersuchungen wiesen schon vor einiger Zeit darauf hin, dass die gesundheitlichen Risiken nicht nur auf die PestizidanwenderInnen selbst beschränkt sind, sondern sich auch auf die benachbarte Bevölkerung der Anbaugebiete erstrecken können.

In einer epidemiologischen Studie8 wurden rund 1000 kalifornische Familien hinsichtlich des Auftretens von Entwicklungsstörungen bei Kindern untersucht, deren Mütter näher oder weiter entfernt von mit Bioziden „behandelten“ landwirtschaftlichen Flächen wohnten. Im Studiengebiet wurden vorwiegend Pestizide aus der Gruppe der Organophosphate, Pyrethroide und Carbamate verwendet.

Mittels Fragebogen wurde erhoben, wo sich die Mütter während ihrer Schwangerschaft aufgehalten hatten. Daraus wurden Verknüpfungen zwischen den Einsatzgebieten bestimmter Pestizide und der Häufigkeit und räumlichen Verteilung mentaler Entwicklungsstörungen erstellt. Untersucht wurden u.a. Autismus-Spektrum-Störungen. Dabei handelt es sich um Entwicklungsstörungen, die von leichten Verhaltensauffälligkeiten bis zu schweren Behinderungen (in sozialen Interaktionen etc.) reichen können.

Die Analysen waren durchwegs beunruhigend: Sie zeigten, dass Mütter, die während ihrer Schwangerschaft im Umkreis von 1,25 bis 1,75 Kilometer von landwirtschaftlichen Flächen (mit Pestizideinsatz) gelebt hatten, ein durchschnittlich um zwei Drittel höheres Risiko hatten, ein Kind mit Autismus oder einer anderen geistigen Entwicklungsstörung zu bekommen. Kurz gesagt: Je weiter entfernt die Mütter von den Anbauflächen lebten, desto geringer das „Autismus-Risiko“ für das Kind (und umgekehrt). Die Effekte scheinen besonders dann gravierend zu sein, wenn Pestizide im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel einwirken.

Pestizide und ihre Verbreitung in der Umwelt


GLYPHOSAT – das meistversprühte Pestizid der Welt

Das mittlerweile wohl berühmteste Pestizid ist Glyphosat. In den USA laufen bereits tausende Klagen wegen Gesundheitsschäden. Wissen wir nun wirklich, wie gefährlich es ist? Und warum ist es so schwer, diese Frage klar zu beantworten?

Das hat einige Gründe. Die meisten aussagekräftigen Humanstudien, die sich speziell mit der Frage der Tumorentstehung beschäftigen, wurden im Rahmen von Arbeitsplatz-Untersuchungen durchgeführt. Die untersuchten Personengruppen (LandwirtInnen und LandarbeiterInnen) sind viel höheren Belastungen ausgesetzt als wir KonsumentInnen durch Rückstände in Lebensmitteln. Schon aus diesem Grund ist es nicht einfach, die Studienergebnisse von der einen Gruppe auf die andere zu übertragen.

Die Einschätzung möglicher Gesundheitsrisiken des Wirkstoffes Glyphosat wird zusätzlich dadurch erschwert, dass der Wirkstoff in den experimentellen Studien oft „isoliert“, also für sich allein, beurteilt wird. Im Alltag kommt der Wirkstoff aber nicht ohne Zusatzstoffe in den Handel, und damit sind Natur und Mensch nie nur Glyphosat alleine ausgesetzt. Deshalb ist es essenziell, das Zusammenspiel des Wirkstoffs mit den anderen beigemengten Stoffen zu untersuchen.

Im Fall von Glyphosat kommt das Pestizid unter verschiedenen Handelsnamen auf den Markt, bekanntester Vertreter ist „Roundup“. Die gehandelten Produkte enthalten unterschiedliche Mengen an Glyphosat und an Hilfsstoffen. Das Problem ist: Welche Zusatzstoffe in welchen Mengen verwendet werden, bleibt von den Herstellern unveröffentlicht – sie berufen sich auf das Geschäftsgeheimnis.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Totalherbizid oft nicht das einzige Pestizid ist, das vor Ort ausgebracht wird. Und dann haben wir wieder dasselbe Problem: Man weiß nicht, wie dieser Pestizid-Cocktail wirkt. Denn es hat sich gezeigt, dass die Kombination verschiedener Pestizide gesundheitlich andere Auswirkungen haben kann, als die einzelnen Spritzmittel alleine betrachtet vermuten ließen.

Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen ein (IARC WHO 2015). Dieses Gremium bewertet die Beweislage und sieht die wissenschaftlichen Belege als ausreichend dafür, dass Glyphosat Krebs beim Menschen auslösen könnte. Damit wird zwar nicht das Risiko bewertet, tatsächlich an Krebs zu erkranken, aber immerhin müsste diese Bewertung Anlass sein, entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten. Sollte man jedenfalls meinen. Doch passiert ist das nicht: International war man mehr darum bemüht, diese Einstufung zu relativeren, als vorsorglichen Gesundheitsschutz zu betreiben. Beispielsweise schreibt das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (2016), „dass nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist“.

„Die Hersteller berufen sich auf das Geschäftsgeheimnis.“

Was soll man nun mit dieser Aussage anfangen? Vor allem lässt sie so einiges offen, speziell, was die Ausbringung in den Ländern des Globalen Südens betrifft. Gerade dort wurde vielfach gezeigt, dass die PestizidanwenderInnen praktisch ohne Schutzmaßnahmen und ohne jegliches Wissen um die Gefährlichkeit den Stoffen ausgesetzt sind. Die Voraussetzung einer „bestimmungsgemäßen Anwendung“ ist daher realitätsfremd und eher als Abwiegelungsversuch zu werten. Denn eine Einschätzung eines Gesundheitsrisikos muss alle Risikogruppen im Fokus haben. Das bedeutet, dass man daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen – im Sinne der öffentlichen Gesundheit – jedenfalls auch an die Gegebenheiten anpassen muss, vor allem sollten sie vorsorgeorientiert sein. Schließlich ist das hochwirksame Totalherbizid weltweit eines der am häufigsten eingesetzten Pestizide. Damit ist auch davon auszugehen, dass es eine große Anzahl Menschen gibt, die einer nicht unerheblichen Belastung ausgesetzt sind.

Eines kann man aber mit Sicherheit sagen: Es ist äußerst schwierig, solche komplexen wissenschaftlichen Sachverhalte in der Öffentlichkeit darzustellen. Vor allem dann, wenn namhafte Institutionen einander widersprechen und Aussagen durch Spitzfindigkeiten relativieren.

Wie funktioniert Glyphosat genau? Und war nicht von Anfang an klar, dass ein Mittel, welches so gut Pflanzen abtötet, auch für den Menschen nicht unbedenklich sein kann?

Das Breitband-Herbizid Glyphosat wurde in den 1970er Jahren entwickelt. Es hat für viele Pflanzen eine tödliche Wirkung, denn es hemmt ein lebenswichtiges pflanzliches Enzym. Innerhalb weniger Tage stirbt die Pflanze ab. Da es diesen Stoffwechselweg nur bei grünen Pflanzen gibt, nahm man damals an, dass Glyphosat für Mensch und Tier unbedenklich sei.9 Zweifel kamen erst nach Experimenten an menschlichen und tierischen Zellkulturen auf, bei denen Glyphosat gemeinsam mit seinen handelsüblichen Zusatzstoffen eingesetzt wurde. In dieser Zubereitung konnte Glyphosat besser in die tierischen Zellen eindringen und führte dort zu einer Reihe von unspezifischen Schäden – es gab also kein bestimmtes Zielmolekül, das besonders betroffen war, sondern eine ganze Bandbreite von Molekülen, die angegriffen wurden.

Verschiedene Studien zeigten, dass die Kombination von Glyphosat mit Zusatzstoffen stärkere Effekte hatte als der Wirkstoff alleine.10 Und genau dieser Befund könnte beigetragen haben, Langzeitwirkungen zu unterschätzen. Wenn beispielsweise bei der Berechnung der akzeptablen täglichen Aufnahme nur der aktive Wirkstoff Glyphosat berücksichtigt wird, nicht aber die gesamte, im Handel verkaufte Mischung, dann wird man der Expositionssituation nicht gerecht. Zusätzlich kann die Giftigkeit von Glyphosat auch durch die häufige kombinierte Einwirkung mit anderen Pestiziden verändert werden.11

„Bisher wurden zahlreiche Schadwirkungen beschrieben, mit denen man ursprünglich einfach nicht gerechnet hatte.“

Bisher wurden zahlreiche Schadwirkungen von Glyphosat beschrieben, mit denen man auf Basis des Wirkmechanismus ursprünglich einfach nicht gerechnet hatte. Zu den am besten untersuchten Effekten gehören krebserregende und hormonelle Wirkungen sowie Effekte auf Mikroorganismen. Weniger bekannt sind Hinweise auf Wirkungen, die das Herz-Kreislauf-System12, den Atemtrakt13, das Nervensystem14 und die Nierenfunktion betreffen.15

Dadurch, dass Glyphosat aber so gut wirkt, also Pflanzen abtötet, und dabei nicht zwischen „guten“ Nutzpflanzen und „bösem“ Unkraut unterscheidet, musste man Nutzpflanzen eine Toleranz gegenüber Glyphosat gentechnisch „einbauen“ – nur so konnte Glyphosat als „Total-Herbizid“ im Ackerbau überhaupt erst eingesetzt werden.

Glyphosat-Absatz in Österreich (Menge in Tonnen)

Quelle: AGES


Doch die Natur lässt sich das nicht ohne Weiteres gefallen: Denn Resistenzen gegen das Herbizid nehmen nun auch unter Pflanzen zu, die für die Landwirtschaft besonders störend sind.16 Gerade bei Glyphosat hat sich in den letzten Jahren eine Verbrauchssteigerung gezeigt – statt der von der Gentechnik versprochenen Einsparung.17 Es bestehen daher zunehmend Sorgen über mögliche langfristige Auswirkungen auf die komplexen Bodenökosysteme.

DEEP DIVE: GESUNDHEITSRISIKEN VON GLYPHOSAT

Krebserregende Wirkung

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) stufte Glyphosat als Stoff der Gruppe 2A (wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen)18 ein. Was die Wirkung auf den Menschen betrifft, stützt sich diese Klassifikation zwar auf begrenzte Erkenntnisse (insbesondere bezüglich Non-Hodgkin-Lymphomen), Ergebnisse aus Tierexperimenten wurden allerdings als ausreichend für diese Einstufung angesehen. Die wenigen vorhandenen Studien an Menschen wurden vor allem an LandarbeiterInnen durchgeführt. Sie zeigen aber alle ein ähnlich beunruhigendes Bild – ebenso wie einige Bioeffektstudien: Sie weisen auf ein erhöhtes Krebsrisiko hin.19

Nicht zuletzt nahm auch das Office of Environmental Health Hazard Assessment in Kalifornien Glyphosat in die Liste der krebserzeugenden Chemikalien auf20, obwohl dies der Konzern Monsanto (der mittlerweile vom deutschen Konzern Bayer übernommen wurde) auf gerichtlichem Weg verhindern wollte.

Hormonelle Wirksamkeit

Ähnlich wie beim Krebsrisiko ist auch hier die Erkenntnislage noch etwas unsicher. Herkömmliche Tests verneinen ein endokrines, also hormonelles Wirkpotenzial. Allerdings fanden verschiedene Arbeitsgruppen Hinweise, dass Glyphosat bzw. Glyphosatzubereitungen indirekt hormonelle Funktionen stören können21, bzw. dass verschiedene Schadwirkungen des Stoffes zum Beispiel geschlechtsabhängig sind22 – ebenfalls ein Hinweis auf eine hormonelle Wirkung. Der Wirkmechanismus ist bislang aber weitgehend unbekannt. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass Glyphosat auch die Entwicklung und das Wachstum von Organismen beeinträchtigen kann.23

Antibiotika-Resistenz

Eine bisher kaum erforschte Facette rund um Gesundheitsrisiken von Pestizidanwendungen sind Überlegungen zur unabsichtlichen Herbeiführung von Antibiotika-Resistenzen. In einer Studie24 gingen Forscher der Frage nach, wie Bakterien auf Antibiotika reagieren, wenn gleichzeitig Herbizide (Glyphosat, Dicamba, 2,4-D) verabreicht werden. Glyphosat steigerte das Bakterien-Wachstum (Salmonella, E. Coli), obwohl diese mit Antibiotika behandelt wurden. Das bedeutet, dass es durch Wechselwirkungen zur Entstehung multiresistenter Krankheitserreger kommen kann. Auch die Bakterien-Flora im menschlichen Körper könnte somit beeinträchtigt und verändert werden.25

Es gibt zu Glyphosat nun also unzählige Studien, Erkenntnisse und Einschätzungen – was soll man jetzt damit tun?

Das Beispiel Glyphosat zeigt besonders deutlich, dass unsere Annahmen über toxische Wirkmechanismen, die der ursprünglichen Einstufung eines Stoffes zugrunde liegen, vereinfachend und deshalb falsch sein können. Die Wirklichkeit ist viel komplexer, und leider erkennen wir oft erst viel zu spät, dass mit dem großflächigen Einsatz von Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen unerwartete ökologische, aber auch gesundheitliche Probleme auftauchen.

„Die Einstufung als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ muss ernst genommen werden.“

Aufgrund des Fehlens eines bekannten Wirkmechanismus, mangelhafter Datenlage und gleichzeitigem Verdacht von Einwirkungen auf sensible Organsysteme (Fortpflanzungsfähigkeit) und einer wahrscheinlichen krebserregenden Wirkung ist eine vorsorgeorientierte Betrachtung dringend notwendig. Und die Schlussfolgerungen der IARC sind wissenschaftlich fundiert und von hoher Bedeutung. Die Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ muss daher ernst genommen werden, insbesondere, was die weitere Zulassung in Europa betrifft. Das bedeutet auch, auf jeder (administrativen) Ebene alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Ausbringung und damit die Exposition der Bevölkerung gegenüber Glyphosat bzw. dessen Zubereitungen zu verringern.

Und das ist aus ökologischer, aber auch aus ärztlicher Sicht aufgrund der vielen möglichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit – besonders auf Risikogruppen – dringend zu unterstützen.

Fazit: Sind wir noch zu retten?

An dieser Stelle: ein klares Ja. Wir können uns und unsere Natur retten und die Situation für alle verbessern. Und dazu braucht es eigentlich nicht viel: Es genügt eine konsequente, mäßige Umorientierung unserer Einkaufsgewohnheiten. Obst und Gemüse biologisch, regional und saisonal einkaufen. Etwas mehr nachdenken und auch das Bewusstsein der anderen beeinflussen. Und damit leisten wir auch unseren Beitrag, um die Landwirtschaft in eine klima- und gesundheitsfreundliche Bahn zu lenken – und damit die Gefährdung von LandwirtInnen, LandarbeiterInnen und deren Familien durch Chemikalien zu reduzieren.

Als KonsumentInnen sind wir damit automatisch weniger Pestizid-Rückständen ausgesetzt, die sich in Lebensmitteln finden, und gleichzeitig unterstützen wir die Umwelt und Biodiversität, also die biologische Vielfalt. Und das kommt letztlich uns allen zugute.

WAS TUN?
TIPPS, UM DIE AUFNAHME VON PESTIZIDEN ZU MINIMIEREN

Gut waschen ist immer wichtig. Wasser reicht hier aus. Manche verwenden auch Backpulver zum Abwaschen etwa von Äpfeln, was ebenso wirkungsvoll ist.

Biologisch erzeugte, regionale, saisonale Produkte prinzipiell bevorzugen.

Bio-Produkte sind speziell ratsam, wenn es beispielsweise um die Schalen von Zitrusfrüchten zum Verzehr oder zur Verwendung in Getränken geht.

Nach dem Schälen, beispielsweise von Zitrusfrüchten, ist es empfehlenswert, die Hände zu waschen, um eine Übertragung von Rückständen auf das Fruchtfleisch zu vermeiden.

Schälen von Obst und Gemüse, bei dem die Schale genießbar ist, ist nicht unbedingt notwendig.

Mehr und abwechslungsreich Obst und Gemüse essen fördert die Gesundheit, macht uns fitter und hilft unserem Immunsystem insgesamt. Dadurch erhöht sich auch die eigene Widerstandskraft gegen diverse Umwelteinflüsse.

3
LEICHT- & SCHWERMETALLE

Alltagsbegleiter Aluminium, Quecksilber & Blei

Blei im Trinkwasser, Quecksilber in Fischen, Cadmium in Farben, Aluminium in Deos – Metalle sind durch Bergbau, industrielle Prozesse und Straßenverkehr unsere täglichen Wegbegleiter geworden. Wie schädlich sind sie für unsere Gesundheit?

INTRO

Aqua, Isoceteth-20, Paraffinum Liquidum, Glyceryl Isostearate. Nein, ich stehe nicht in einem Chemielabor, sondern in der Drogerie vor dem Deodorant-Regal. Was die Sache nur bedingt vereinfacht, denn um die richtige Wahl bei Körperpflegeprodukten zu treffen, ist man als Chemikerin heutzutage scheinbar klar im Vorteil. Nachdem ich von Chemie aber nur wenig Ahnung habe, ist es eigentlich nur ein Wort, nach dem ich Ausschau halte: Aluminium. Ein Zusatzstoff, der bis vor wenigen Jahren fixer Bestandteil nahezu jedes Deos war – soll er doch Schweißgeruch binden und auch jene unschönen Flecken verhindern, die jedes noch so weiße Oberteil bald abgetragen und – sagen wir es, wie es ist – wenig appetitlich aussehen lassen.

Doch nun ziert immer mehr Packungen die Aufschrift „0 % Aluminium“. Was ist eigentlich passiert, dass Aluminium plötzlich so in Verruf geraten ist? Haben wir als Kind nicht alle unser Pausenbrot in Alufolie gewickelt in die Schule mitbekommen? Ganz zu schweigen von Aluminium-Schalen, die viele gerne beim Grillen verwenden? Doch dann sahen ForscherInnen in Aluminium plötzlich Gefährdungspotenzial: Es könnte krebserregend sein. Und nun stehen wir an derselben Stelle, wie so oft: Kann etwas, das offenbar gefährlich ist, VerbraucherInnen im Markt angeboten werden? Und wie so oft lautet die Antwort wohl: Ja, weil die Gefährlichkeit nicht vollständig bewiesen ist. Dennoch, der Druck auf den Markt und der Wunsch nach Deos, die ohne dieses Leichtmetall auskommen, sind offenbar so groß, dass viele Hersteller ihr Sortiment verändert haben und es nun eine große Auswahl an aluminiumfreien Deos gibt. Und auch ich greife nach einem „ohne“ – sicherheitshalber. Und weil ich sie gerade im Regal gegenüber sehe: Auch in aufhellender Zahnpasta findet sich Aluminium.

Der Einkauf wäre geschafft, der Blick auf die Uhr sagt: spät dran. Und prompt laufe ich beinahe in einen Bauarbeiter, der Rohre aus einem der vielen Wiener Gründerzeithäuser trägt, die laufend saniert werden. Und hier trifft man leider nach wie vor auf ein Schwermetall, das sehr toxisch für den Menschen ist – und zwar erwiesenermaßen: Blei. Denn während alle Wasserleitungen aus Blei bis direkt zu den Häusern von der Stadtgemeinde Wien bis 2007 getauscht worden sind, sind für die Hausinstallationen innerhalb der Häuser die HauseigentümerInnen selbst zuständig. Und viele Wasserproben belegen: Bleileitungen gehören noch nicht der Vergangenheit an.

„Ja, bitte, ein Glas Wasser“, sage ich, nachdem ich dem Baustellen-Wahnsinn entkommen bin und endlich in Hans-Peter Hutters Büro sitze. Er lässt den Wasserhahn laufen: Zehn, zwanzig, dreißig Sekunden, bis es wirklich kalt ist. Und frisch. „Man weiß ja nie, was sich aus den Rohren in das abgestandene Wasser löst“, erklärt er und hält mir das Glas mit eiskaltem Leitungswasser entgegen. Ich finde diesen Satz durchaus ein wenig beunruhigend.

1 GRUNDBEGRIFFE

Wir reden hier über Schwer- und Leichtmetalle – aber hängt die Einstufung tatsächlich mit dem Gewicht zusammen? Wann wird ein Metall als Schwermetall bezeichnet?

So einfach die Frage, so überraschend die Antwort: Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Üblicherweise werden diese Metalle nach der Dichte, dem Atomgewicht oder nach der Ordnungszahl zusammengefasst. Meistens werden Metalle mit einer Dichte über 5,0 g/cm3 als Schwermetalle bezeichnet. Einige Definitionen beziehen sich aber auch auf deren chemische Eigenschaften oder auf ihre Toxizität.

In der Bevölkerung und in der öffentlichen Diskussion werden unter „Schwermetallen“ vor allem „giftige Metalle“ verstanden. Eine solch einseitige Bezeichnung ist aber durchaus problematisch, da etliche dieser Elemente ja auch essenzielle Spurenelemente für den Menschen sind – und damit lebensnotwendig.

Zu den „Schwermetallen“ werden unter anderem Antimon, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Eisen, Kobalt, Kupfer, Molybdän, Nickel, Platin, Quecksilber, Vanadium, Wismut und Zink gerechnet.

Das heißt, theoretisch brauchen wir auch Spuren von diesen Metallen in unseren Körpern – so eigenartig das klingen mag. Aber wie nehmen wir sie auf?

Viele Gesteinsarten der Erdkruste enthalten Schwermetalle. Durch natürliche Verwitterungsprozesse gelangen sie in die Umwelt und landen so letztlich auch in unseren Lebensmitteln. Aber auch durch industrielle Prozesse, angefangen von der Produktion bis hin zur Abfallentsorgung in der Umwelt, finden Schwermetalle ihren Weg in die Luft, in Wasser und Boden und sind schließlich auch in pflanzlichen und tierischen Lebewesen nachzuweisen.

Die Aufnahme von Metallen und Metallverbindungen in den menschlichen Organismus kann somit über alle Routen erfolgen: Bei manchen dominiert die Aufnahme über Nahrung und Trinkwasser (z. B. Arsen, Cadmium), bei anderen jene über die Atemluft (z. B. Nickel). Schwermetalle können sich aber zum Beispiel auch an Partikel anlagern und so mit dem Feinstaub eingeatmet werden – sie werden übrigens auch mit Verkehrsabgasen in die Umwelt eingetragen. Bei anderen Schwermetallen ist sowohl die direkte Exposition über die Atemluft als auch die Umwandlung (z. B. in Methylquecksilber) und Anreicherung über die Nahrungskette zu berücksichtigen.

Mit welchen Schwermetallen wir am häufigsten in Berührung kommen und welche für uns am meisten Relevanz haben, lässt sich gut daraus ableiten, welche Anfragen wir als Umweltmediziner in den letzten Jahrzehnten am häufigsten beantworten mussten: Die meisten Fragen aus der Bevölkerung zu Schwermetallen betreffen Blei (z. B. alte Wasserleitungen) und Quecksilber (z. B. Gehalt in Fischen, Energiesparlampen). Weitere Fragen kreisen um Chrom (z. B. Leder) und Arsen (z. B. Trinkwasser). Aber nicht nur zu Schwermetallen, sondern auch zu Leichtmetallen wie insbesondere rund um Aluminium (z. B. Anti-Transpirantien, Aludosen) werden oft Fragen gestellt.

Nun sind wir ja scheinbar umgeben von Schwermetallen, und ich hoffe mal nicht, dass unsere komplette Umwelt toxisch ist. Die Frage ist also: Schaden Schwermetalle sofort – oder anders: Wie viel an Schwermetallen dürfen in Lebensmitteln enthalten sein, ohne dass sie dem Menschen schaden?

Metalle wie Eisen oder Kupfer sind seit Urzeiten in höheren Konzentrationen in der Umwelt vorhanden und die Organismen haben im Laufe der Evolution über viele Generationen praktisch „gelernt“ bzw. Fähigkeiten erworben, diese Metalle zu integrieren und für vitale Funktionen zu nutzen.

Daher richten nicht alle Schwermetalle, die wir aufnehmen, auch gleich Schäden in unserem Organismus an – im Gegenteil: Einige Schwermetalle sind für viele Lebewesen und auch für uns Menschen sogar lebensnotwendig, wie z. B. Eisen oder Kupfer. Sie sind biologisch essenzielle Stoffe, die erst ab einer Überschreitung des relativ weiten Homöostase-Bereichs, also jenes Bereichs, in dem der Körper im Gleichgewicht ist, gesundheitlich problematisch werden können: So wirken die Schwermetalle dann bei hohen Werten toxisch und lösen bei niedrigen Mangelsyndrome aus.

Allerdings verändert sich unsere Umwelt: So sind Lebewesen, angefangen von Pflanzen über Tiere bis zum Menschen erst seit einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne von wenigen Jahrzehnten mit höheren Belastungen an Quecksilber oder Cadmium konfrontiert. Wir sind an diese Situation (noch) nicht angepasst, und so kann unser Organismus diese „unbekannten“ Elemente nicht von „bekannten“, lebensnotwendigen Metallen (z. B. Eisen) unterscheiden und schleust sie in unsere Körper ein, und zwar über die Aufnahmewege, die der Körper sonst für die essenziellen Elemente nutzt. Und das kann Folgen haben: Denn diese Schwermetalle wie Quecksilber, Cadmium oder auch Blei haben keine physiologischen Aufgaben in uns zu verrichten – sie sind somit für uns nutzlos und lagern sich ab. Und so können schon teils sehr geringe Konzentrationen zu messbaren negativen Gesundheitseffekten führen. Dabei sind selbstverständlich Auswirkungen von hohen, einmaligen Dosen, die zu akuten Vergiftungen führen können, anders zu betrachten als kleinste Aufnahmen über lange Zeit: Denn da die Schwermetalle im Körper nicht abgebaut werden können, kann es zu einer Anreicherung und letztlich einer Überschreitung der Toxizitätsgrenzen kommen, sprich zu einer sehr, sehr langsamen Vergiftung.

Damit in der Bevölkerung keine solchen Gesundheitsfolgen auftreten, wird eine wissenschaftliche Risikobewertung durchgeführt, um festzustellen, ob ein Risiko vorhanden und wie groß dieses ist, um es – falls notwendig – eingrenzen und minimieren zu können. Auf diesen Überlegungen basieren letztlich die gesetzlich verbindlichen Höchstgehalte etwa für Quecksilber in Fischen oder für Blei und Cadmium in verschiedenen Lebensmitteln (z. B. Getreide, Gemüse, Obst, Fleisch). Bei Einhaltung dieser Höchstmengen ist dadurch definitionsgemäß auch eine gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinbevölkerung nach derzeitigem Wissen auszuschließen.

Nun züchte ich seit Kurzem – mit durchaus bemerkenswertem Erfolg – Tomaten und Kräuter in meinem Garten. Muss ich mir Sorgen machen, dass die Erde – und damit meine Ernte – vielleicht mit Schwermetallen belastet ist?

Diese Frage wird oft dann gestellt, wenn es neuerdings um den Gemüseanbau in Städten geht. Ob es zu einer Anreicherung von Schwermetallen in solchen „urbanen“ Böden und Pflanzen kommt, wird schon lange untersucht26 und es hat sich gezeigt, dass der Schwermetallgehalt des Bodens nicht direkt mit der Belastung des dort angepflanzten Gemüses zusammenhängen muss. Das klingt zwar paradox, aber auf kontaminierten Böden angebautes Gemüse kann durchaus unbedenklich sein, während toxische Konzentrationen auch in Gemüse auf nicht kontaminierten Böden gefunden wurden.

In der Regel häufen sich in Blattgemüse und Kräutern größere, in Wurzelgemüse mittlere und in Hülsenfrüchten geringere Mengen an Schwermetallen an. Trotz dieser Faustregel können nur Analysen verlässlich klären, ob eine gesundheitsrelevante Belastung mit Schwermetallen in Obst und Gemüse vorliegt oder nicht.

„Selbst angebautes Gemüse ist nicht zwingend gesünder als Ware aus dem Supermarkt.“

Fazit ist also: Schwermetallgehalte variieren zwischen einzelnen Obst- und Gemüsearten sowie zwischen Standorten. So kann Gemüse aus innerstädtischen Gärten im Vergleich zu Standard-Supermarktprodukten ein Vielfaches an Schwermetallen angereichert haben. Die Schlussfolgerung ist wenig idyllisch: Selbst angebautes Gemüse ist nicht zwingend gesünder als Ware aus dem Supermarkt.

Jedenfalls wenig überraschend: Je näher eine vielbefahrene Straße liegt, umso belasteter kann das Gemüse sein. Das sollte man beim „Urban Gardening“ beachten.

Werden die Schwermetalle in unserer Umwelt nun generell mehr oder weniger?

In der Biosphäre kommen Schwermetalle und ihre Verbindungen von Natur aus nur in Spuren vor und sind daher im ökologischen Kreislauf auch nur in sehr geringen Konzentrationen anzutreffen. Industrielle Prozesse und speziell Kraftwerke zur Energieerzeugung (z. B. Kohlekraftwerke) waren und sind der Ursprungsort der meisten Schwermetalle.

Durch die Verbrennung fossiler Energieträger zur Energiegewinnung werden mitunter große Mengen an Quecksilber, Cadmium, Arsen, Nickel und Chrom freigesetzt. Auch die chemische und die Elektroindustrie haben in der Vergangenheit teils beträchtliche Mengen an Cadmium in die Umwelt freigesetzt. Dasselbe gilt für Bleiemissionen. So wurden im Jahr 1985 noch insgesamt 332 Tonnen Blei in die Umwelt geblasen, wobei rund drei Viertel des Ausstoßes der Verkehr verursacht hat (verbleites Benzin). Bis zum Jahr 2000 konnte der Ausstoß laut Umweltkontrollbericht 2002 auf nur noch 13,2 Tonnen reduziert werden. Durch den Abrieb von Bremsen und Reifen im Verkehrsbereich finden Blei, aber auch Chrom, Kupfer und Zink nach wie vor ihren Weg in die Umwelt. Diese Trends hängen tatsächlich direkt mit der jährlichen Fahrleistung zusammen.

„Die Klimakrise ist mitverantwortlich für die steigende Quecksilberbelastung.“

Keine Frage: Der Neueintrag von Schwermetallen ist heute durch die Verwendung bleifreien Benzins, durch Einbau hochwirksamer Staubminderungsmaßnahmen oder Stilllegungen von (veralteten) Produktionsstätten zumindest in Mitteleuropa deutlich reduziert. Leider gilt das nicht für andere Weltregionen, wo es bekanntlich aufgrund oft inexistenter Umweltauflagen nach wie vor zu hohen Umwelteinträgen von toxischen Metallen kommt. Und wenn solche Stoffe erst einmal freigesetzt wurden, verbleiben sie auch in der einen oder anderen Form im globalen Ökosystem.

Wenig überraschend ist wohl auch, dass in Österreich erhöhte Schwermetall-Konzentrationen vor allem im Bereich einzelner Industriestandorte auftreten. Quecksilber und andere Schwermetalle können allerdings auch über weite Strecken transportiert werden – selbst die entlegensten Regionen unserer Erde bleiben daher nicht verschont: Über Niederschläge gelangt etwa Quecksilber in die nördliche Polarregion, wo es über Jahrzehnte in Eis und Böden konserviert bleibt. Trotz stark rückgängiger Quecksilber-Emissionen aus Kraftwerken seit den 1970er Jahren sind heute noch höhere Schwermetall-Konzentrationen in der arktischen Tierwelt nachweisbar. Verantwortlich dafür sind die ständig steigenden Durchschnittstemperaturen in der Arktis als Folge des Klimawandels. Permafrostböden tauen auf, Gletscher schmelzen. Ein wenig beachteter Aspekt der Klimakrise – sie ist mitverantwortlich für die steigende Quecksilberbelastung.

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