Kitabı oku: «Die Geburt der Schamanin», sayfa 2

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Obwohl diese kleine Siedlung rund um die Ausgrabung weit abgeschieden war, wuchs Théra gleichzeitig mit mehreren Sprachen auf und sie konnte diese Sprachen bald unterscheiden und lernte sie alle zu sprechen.

6.

Als die Sporthalle und die Eventhalle fertig waren, die dort neben em Hotel gebaut worden waren, diese muschelförmigen Gebäude, die sich bis hinauf in den Himmel hoben, da begann Papa regelmäßig verschiedene Musiker einzuladen. Es entwickelte sich bald ein weiteres Zentrum in dem indianische Musik genauso gepflegt wurde wie klassische Musik.

Théra nahm an diesen Ereignissen von Anfang an Teil. Sie lernte, dass es ganz verschiedene Musikrichtungen gab. Jede hatte irgendetwas besonders schönes. Da gab es einen Klavierspieler. Papa hatte sie in dieses Konzert mitgenommen. Théra hatte mit wachen Augen und Ohren dagesessen, der Mund stand offen. Speichel tropfte aus den Mundwinkeln, so vertieft war Théra in diese Musik. Sie sabberte Dennis das ganze Hemd voll. Später schlief sie in seinen Armen ein.

Manchmal kamen Gruppen, die indianische Musik spielten. Théra kannte das aus der Indiosiedlung, dennoch klang es anders.

Schließlich kamen auch Conny, Armando und Fatima. Natürlich kannte sie diese Namen nicht. Aber Mama und Papa nahmen sie mit. So etwas hatte Théra noch nie gehört. Die Musik blieb in ihrem Kopf. Noch lange nachdem die Musiker aufgehört hatten zu spielen.

Théra hatte auf Papas Schoß gesessen. Sie hatte die Ärmchen zu der Musik gestreckt. Manchmal bewegte sie die Ärmchen im Takt der Musik und wiegte mit dem Kopf. Sie hatte fieberheisse Wangen und ihr Atem ging schwer und stoßweise. In dieser Nacht prägte Théra ein eigenes Wort für Musik. Es klang wie eine Mischung aus Geige, Panflöte und dem Gesang Fatimas. In den Folgetagen sang sie immer wieder diese Art der Musik. Manchmal saß sie bei Papa oder Para auf dem Schoß, manchmal bei Mama. Théra sang und sang und sang.

Sie sang auch ihren Hunden vor, die dann anfingen zu kläffen und zu heulen, und der Gesang wurde dreistimmig, Théra und ihre zwei Hunde. Manchmal klang das schaurig, manchmal melodisch. Théra und ihre zwei Hunde hatten einen eigenen Gesang gefunden.

7.

Im Herbst war Papa dann fortgegangen. Mama, Para und einige Menschen im Hotel, die wirklich wichtig für Théra waren, blieben. Papa kam erst im nächsten Frühjahr wieder.

Théra lernte ihren ersten Winter kennen.

Sie spürte, wie es kalt wurde. Sie lernte, wie der Atem vor dem Mund „rauchte“, sie bekam warme Kleidung. Sie spürte die Kälte an ihren Händen, in ihren Lungen und an den Wangen. Sie lernte den ersten Schnee kennen. Diese wunderbaren weissen Flocken, die vom Himmel tanzten, manchmal so dicht, dass man durch dieses Treiben nicht mehr hindurchsehen konnte.

Sie sah, wie der Schnee liegenblieb, sie spürte, wie schwer es war, mit ihren kurzen Beinen gegen diese weisse Masse anzukämpfen. Sie erlebte, wie der Wasserfall im Tal zu einer einzigen großen Wassersäule gefror. Para hatte sie mitgenommen. Sie lebten ein paar Tage bei den Indios in der Hütte, die warm war von der Glut des Feuers. Sie erlebte, wie sich die Hunde vor das Feuer legten und mit ihr im Schnee balgten. Sie spürte den kalten Luftstrom, wenn sich die Tür öffnete und sie merkte, wie wichtig es war, dass sie draussen eine Mütze aufsetzte. Im Stall, bei den Hühnern, den Schweinen, den Gänsen und Ziegen war es immer warm. Manchmal warf sie sich quiekend ins Stroh.

Sie sah, wie die Lamas und die Maultiere mit den Hufen im Schnee scharren, um etwas essbares zu finden. Sie lernte, die Tiere mit Heu zu füttern, und sah wie ihre Schnauzen in der Kälte dampften. Manchmal setzte Para sie auf eines der Maultiere. Dann spürte sie die Wärme unter diesem dichten Fell. Sie legte sich hin und nahm die Wärme in sich auf. Ihre kleinen Hände griffen in den Winterpelz und hielten sich fest.

Para zeigte ihr, dass man auf Maultieren reiten kann. Das war wunderbar. Ein paar mal machten sie Ausflüge hinauf auf die Hochebene. Hier war der Schnee sehr tief. An Weihnachten ging der Schnee den Maultieren bereits bis zum Hals. Die Hunde waren schon lange vorher umgekehrt. Später konnte man gar nicht mehr hinauf.

Sie sah auch, wie sich Para ein paar Mal in einen Adler verwandelte und in die Lüfte hinaufstieg. Das war etwas ganz Neues für Théra. Sie sah zu und staunte.

Sie war noch viel zu klein, um solche Fähigkeiten zu entwickeln, aber sie beobachtete und lernte.

In diesem Winter sah Théra zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum. Es gab hier in Peru keine Tannen. Bübchen hatte irgendeinen jungen Baum abholzen lassen. Er hatte sich aus Deutschland bunte Kugeln und Kerzen schicken lassen.

Der Baum stand in der Hotelhalle und Théra erlebte, wie unter den Arbeitern, den Wachleuten und den wenigen Gästen, die es im Winter hier gab, Geschenke getauscht wurden. Es wurde gesungen. Diese Klänge waren für Théra neu.

Bald wurden die Gesänge abgelöst durch die typischen indianischen Gesänge und Instrumente. Es wurde ein lustiges Fest und Théra träumte in den nächsten Tagen viel davon.

Im Winter lernte Théra auch erstmals die Schule der Indios kennen. Sie kannte das alles nicht, und sie verstand nicht genau, was die Erwachsenen da machten, aber sie sah, wie wichtig das für die Indios und die Wachleute war, was sie da machten. Einige Hotelgäste mischten sich dazu. Sie staunten über diese Schule, und sie ließen sich von der gutgelaunten Schar anstecken, und stellten ihr Wissen bereitwillig zur Verfügung. Es war im Hotel ganz anders als im Sommer.

Théra mit ihren 12 Monaten begriff instinktiv, dass das alles anders war, aber sie konnte das nur gefühlsmäßig begreifen. Es wurde mehr gelacht. Die Menschen genossen die Wärme der Öfen im Hotel, und die Kälte des Schnees ließ sie enger zusammenrücken. Es gab wunderbar duftende Kuchen und gefüllte Gänsebraten. Es wurde viel musiziert und Théra nahm all das tief in sich auf.

Auch von ihrer Mutter hatte sie in diesem Winter viel. Nicht nur, weil Alanque mehr Zeit für Théra hatte, als im Sommer. Théra bekam viel mehr von ihrer Mutter mit. Was mit sechs Monaten eher wie ein diffuses Erleben für sie war, das nahm sie jetzt alles mit wachen Augen auf. Sie stolperte überall mit ihren kurzen Beinen herum. Sie hatte im Laufen inzwischen viel mehr Sicherheit bekommen und sie genoß diese neue Freiheit. Sie hatte richtige Zähne bekommen, das Essen wurde nicht mehr wie früher nur gelutscht oder zwischen den Zähnchen hin und hergeschoben, sondern richtig gekaut. Alles war anders.

Théra lernte den Winter zu lieben.

8.

Als der Schnee taute und der Frühling Gras, Blumen und Blätter herbeizauberte, erlebte Théra schon wieder eine neue Welt. Ihre beiden Hunde wurden regelrecht übermütig. Sie tollten draussen herum und sie kläfften die Blumen, die Wolken und die Sonne fröhlich an.

Sie konnte die warme Kleidung endlich ablegen und tankte die ersten Sonnenstrahlen. Sie begann zu verstehen, was ihr Para über die Kraft und die Güte der Sonne erzählte.

Dann kam Papa wieder.

In ihrem zweiten Lebensjahr erlebte Théra alles viel intensiver und viel bewusster. Sie konnte jetzt selbstständig überall herumstapfen – auch wenn sie mit ihren eigenen Beinen noch keine großen Entfernungen überwinden konnte. Ihre Laute wurden immer klarer. Sie kannte längst solche Worte wie Papa, Mama, Para, Hund und Haus und sie kannte die Namen der Tiere und sie erweiterte ihren Wortschatz immer mehr.

Sie hatte genau aufgepasst, wenn sich Para manchmal in einen Hund verwandelte. Sie begann, sich selbst manchmal in einen Hund zu verwandeln, und sie lernte, dass ein Hund mit anderthalb Jahren eine gewaltige Ausdauer hat. Sie musste aber auch lernen, dass Papa und Para ihr verboten, sich überall und in jedes Tier zu verwandeln. Sie lernte, was ein Geheimnis ist.

Auch das war zunächst ein sehr diffuses Wissen, doch Para und Papa erklärten ihr das immer wieder und immer wieder, bis sie begriff, dass es gefährlich war, sich in manche Tiere zu verwandeln. Sie lernte, dass es in ihrer Familie Fähigkeiten gab, die man fremden Menschen nicht offen zeigen durfte.

Das war ein harter Lernschritt und er formte das Bewusstsein der kleinen Théra. Sie merkte, dass sie anders war, als andere Menschen. Nicht wie Para oder Papa, aber anders als alle anderen und sogar anders als Mama. Sie lernte auch, dass es einige Menschen gab, denen sie ihre Fähigkeiten zeigen durfte. Dazu gehörten Onkel Bübchen, Tante Apanache, der Koch Moses und der „kleine Spanier“, aber nur, wenn sonst niemand in der Nähe war. Anderen durfte sie das nicht zeigen, dass sie gerade lernte, die Gestalt von Tieren anzunehmen und sich nach Belieben wieder zurückzuverwandeln konnte in ein kleines Mädchen.

Papa und Para verboten ihr strikt, sich in eine Spinne, eine Fliege oder eine Maus zu verwandeln. Das Leben dieser Tiere ist gefährlich, erklärten sie. Wie leicht konnte Théra zur Beute werden. Sie begriff, dass sie verletzt oder getötet werden konnte, wenn sie das Falsche tut.

Para und Papa waren in diesem Punkt wirklich energisch. Sie zeigten ihr, wie Fliegen von Vögeln gefressen werden, wie sie sich in Spinnennetzen verfangen, oder wie Mäuse von den Hunden gejagt, gefangen und aufgefressen werden. Das ist der Lauf der Dinge, hatten sie Théra erklärt. Das ist die Natur. Setze dich nicht unnötig einer solchen Situation aus, die dein Leben in Gefahr bringt.

Auch das war ein schmerzhafter Prozess. Théra begann die Tiere mit anderen Augen zu sehen, und sie verstand bald, was sie als Baby bei den Tieren nur als eine Art immerwährenden Zyklus des Lebens sehr diffus beobachtet hatte.

Théra war schließlich mit anderthalb Jahren ihren Altersgenossen weit vorraus, aber sie war - natürlich - immer noch ein sehr kleines Mädchen.

9.

In diesem Sommer erzählten Para und Papa viel von der alten Stadt, die dort ausgegraben wurde. Sie erzählten von einer längst vergangenen Kultur, von der Sonnenkönnigin und von Kriegern der Théluan.

Sie nahmen Théra überall hin, sie verstand (wenn auch zunächst noch sehr verschwommen), dass diese Ruinen einmal eine richtige Stadt gewesen waren mit vielen Häusern und Bewohnern. So richtig konnte sie sich das noch nicht vorstellen, aber sie sah natürlich diese vielen Hütten der Arbeiter, und das war für Théra zunächst eine Stadt.

Théra ahnte, dass etwas zwischen dieser Stadt und ihren Bewohnern besonders war. Etwas, das sie mit diesen Bewohnern verband. Vielleicht war es diese besondere Hochachtung, die Para und ihr Vater bei diesen Indios genossen, die dort in der Erde wühlten und die gegenüber in ihrer eigenen Stadt wohnten.

Sie sah, wie ganze Karawanen von Lamas und Maultieren mit Körben voller Erde und Schutt beladen, und weggebracht wurden. Ein immerwährender Strom von Tieren.

Unten am Fuß des Berges wurden diese Körbe auf Lastwagen umgeladen und weggebracht. Sie sah, dass hier etwas wichtiges passierte, aber sie verstand die Bedeutung noch nicht. Ihre Mutter war immer mittendrin in all diesem Gewimmel. Sie dirigierte, sie leitete an, sie gab Befehle. Es gab Besprechungen, an denen Théra manchmal teilnehmen durfte, bis es ihr zu langweilig wurde. Sie durfte auch Scherben, Steine, Goldstücke und andere Funde in die Hand nehmen. Papa und Para erzählten ihr dann geduldig von diesen Dingen.

Papa und Para nahmen Théra oft mit in ihr Tal des Wasserfalls. Das Tal wurde Théra bald zu ihrer zweiten Heimat. Ein Teich war angelegt worden. Sie konnte mit den Maultieren, den Gänsen und den Schweinen viel besser reden als ein Jahr zuvor. Théra nahm alles viel bewusster auf. Sie lernte auch mit den anderen Kindern zu spielen, auch wenn es so war, dass die Kinder der Indiofmilie mehr auf Théra aufpassten, als wirklich mit ihr zu spielen. Der Altersunterschied war einfach zu groß.

Im Tal des Wasserfalls gab es Füchse, Eulen und es gab noch viele andere Wildtiere. Para zeigte ihr die Rehe und die Wildschweine, die Eichhörnchen, die Wiesel, die Raben, die Kaninchen und die Luchse.

Manchmal nahm Para sie mit auf die Hochebene. Dort lernte Théra eine ganz andere Welt kennen. Eine Welt aus Gras und Gestrüpp, eine Welt mit klaren und kalten Seen. Eine Welt, in der es Adler, Riesengürteltiere und Pumas gab. Es gab hier wilde Hunde. Füchse und Mäuse gab es überall. Manchmal rief Théra die Mäuse und ließ sich von ihrer Welt auf der Hochebene erzählen.

Als es dann Winter wurde, ging Papa wieder fort. Alle andern blieben. Théra erlebte ihren zweiten Winter, ihr zweites Weihnachten und sie merkte bald, dass ihre Mutter einen dicken Bauch bekam. Es war Para, der ihr erklärte, dass in diesem Bauch ein kleines Mädchen wuchs. Théra würde im Sommer eine kleine Schwester bekommen.

Mama ließ sie den Bauch befühlen. Théra konzentrierte sich ganz stark, und sie konnte bald den Herzschlag dieses kleinen Wesens spüren, das hier wuchs. Es gab zwei Herzschläge. Den von Mama und den von ihrer kleinen Schwester. Théra konnte das bald deutlich voneinander unterscheiden.

Dann schmolz der Schnee. Das erste Grün zeigte sich, die Hunde tollten wieder draussen herum und bellten vor Freude die Blumen und die Sonne an.

Papa kam wieder.

Théra hatte ihn lange vermisst. Sie lag an diesem abend lange in Papas Armen, und sie erzählte Dennis von ihren Erlebnissen im Winter und von all diesen Tieren, die Para ihr gezeigt hatte. Ihre menschlichen Worte waren einfach, aber sie hatte ja ihren Strom von Energiewellen, die Papa viel besser erzählten, was sie alles erlebt hatte, als sie das mit ihren wenigen menschlichen Worten beschreiben konnte. Später lag sie mit Papa und Mama in dem großen Bett. Sie spürte die Wärme und die Liebe von Papa und Mama und sie war glücklich.

10.

In diesem Jahr sah Théra, wie die Stadt langsam wuchs. Überall um das Hotel herum entstanden neue Gebäude. Die Siedlung der Arbeiter wurde zu einem Teil durch feste Bauten ersetzt. Viele neue Arbeiter zogen zu. Es waren vorwiegend Aymara und Quechua Indianer, so wie sie.

Papa ließ ein Appartementhaus errichten, in dem die Angestellten des Hotels kleine und saubere Einzimmerappartements bezogen.

Nur ihr eigenes Holzhaus - in dem sie mit Mama und Papa lebte - blieb unverändert. Sie liebte dieses Haus.

Sie hatte schon mehrere Unwetter in diesem Holzhaus erlebt. Sturm und Regen. Das Haus lebte wirklich. Es knackte und knarrte. Die Balken bogen sich manchmal ein wenig unter der Last des Sturms. Sie sah, wie Spinnen, Käfer, Wespen und Mäuse Zuflucht suchten, wenn sich das Wetter änderte. Sie sah auch, wie ihre Hunde manchmal die Nasen schnüffelnd in die Luft hoben, und die Luft prüfend durch die dicken Nasen einsogen. Sie lernte, selbst auf solche Wetterveränderungen zu achten, und begann sie zu spüren, längst bevor solche Ereignisse eintrafen.

Im Winter lebte sie mit Mama und Para im Hotel. Das bot mehr Sicherheit und es war warm.

In diesem Winter hatte ihr Para etwas gezeigt. Er war mehrfach mit ihr ins Tal des Wasserfalls gezogen. Einmal ritt sie auf einem Maultier. Ein anderes Mal verwandelten sich Para und Théra in große Hunde und liefen zusammen neben den Maultieren her. Ein drittes Mal verwandelte sie sich zusammen mit Para in ein Lama. Das war ja ein leichtes Laufen. Im Tal lag Schnee. Während Suse bis zum Bauch im Schnee versank, lief sie mit Para fast mühelos durch den Schnee. Es machte den Lamas gar nichts aus.

Para hatte in der Hütte der Aymara warme Kleidung für sich und Théra deponiert. Es war schon lästig, dass Théra sich für solche Verwandlungen immer erst nackt ausziehen musste. Lamas oder Hunde tragen nun mal keine Menschenkleidung. Sie hatte jetzt begriffen, dass diese Verwandlungen ein Geheimnis waren. Die Aymara im Tal wussten allerdings davon. Para hatte sie verpflichtet, nie etwas darüber zu sagen.

Im Tal saßen sie mit den Kindern der Aymara Familie in der warmen Stube, Para lernte mit den Kindern und den Eltern schreiben, lesen und rechnen. Er erzählte indianische Märchen. Théra nahm all das in sich auf. Schreiben und lesen war noch sehr fremd. Sie konnte das nicht, aber sie hörte genau zu. Es gab bald einzelne Worte, die sie grob entziffern konnte.

Sie sahen nach den Hühnern und Gänsen. Théra liebte all diese Tiere. Sie waren für sie wie Brüder und Schwestern.

Dann kam der Tag, wo Théra von Para in ein leeres Hotelzimmer mitgenommen wurde. Er fasste sie an den Händen und bat sie, die Kleidung anzubehalten und zu versuchen zu erraten, was er gerade denkt. Théra konnte das nicht. Sie sah Para an, runzelte die Stirn, und sie versuchte es noch einmal und noch einmal. Dann hatte sie eine diffuse Ahnung von Fliegen und stand plötzlich in Papas Holzhütte im Tal des Wasserfalls. Para nahm sie mit hinaus in die Schneelandschaft. Théra staunte. Sie sah Para lange an und bat ihn, sie hochzunehmen, so dass sie in seinen Armen lag. Para setzte sie auf die Hüfte und Théra schlang ihre kleinen Arme um Paras Hals.

Es war das erste Mal, dass sie diesen Sprung machte. Diese Überwindung von Raum. Sie hatte gespürt, wie sie durch eine Art Tunnel flog. Warm und dunkel. Später sprang Para mit Théra zurück. Diesmal landeten sie in dem winterleeren und unbeheizten Holzhaus von Papa und Mama. Para hatte ihr erklärt, dass auch Papa solche Fähigheiten hat, und dass Théra mit niemandem darüber reden dürfe, auch nicht mit der Familie in ihrem Tal des Wasserfalls. „Das ist ein Geheimnis unserer Familie“, hatte Para gewarnt.

Er war mit Théra hinüber ins Hotel gegangen. An diesem Abend lag Para lange neben ihr im Bett, und erzählte von den Königen der Théluan Krieger, vom Urwald und von seiner eigenen Familie, seiner Mutter und seinen beiden Schwestern. Langsam begriff Théra, dass Para nicht ihr Onkel war, sondern ihr Bruder. Dass Papa auch der Papa von Para war, und dass Para aus der Vergangenheit gekommen war, um sie, Théra, zu beschützen. Théra lag mit roten Wangen neben Para. Manchmal richtete sie sich auf. Manchmal legte sie sich auf Paras Brust und hielt ihn mit ihren Ärmchen fest.

Sie verstand sehr diffus, dass ihre Familie eine lange und fast königliche Tradition hatte, die Théra mit der Vergangenheit verband, aus der Para gekommen war, um sie zu beschützen.

Inzwischen war es wieder Sommer geworden. Papa war längst wieder da. Théra hatte viele Fragen. Papa nahm sie jetzt oft in die Ausgrabung mit und erzählte Théra von diesem geheimnisvollen Volk, das einmal hier gelebt hatte und das Théras Familie war. Théra nahm das auf mit ihren zweieinhalb Jahren und sie bat Papa manchmal, mit ihr ins Tal des Wasserfalls zu springen.

Sie sah, dass Papa das genauso gut konnte wie ihr Bruder Para. Es machte sie glücklich.

Mamas Bauch wurde in dieser Zeit immer dicker. Théra fühlte das Leben in diesem Bauch. Sie nahm Kontakt auf zu diesem Wesen, das dort wohnte und sie merkte, wie dieses Wesen, das einmal ihre Schwester werden sollte, manchmal die kleinen Händchen von innen fest gegen die Bauchdecke drückte, um Théras Hände zu fühlen.

Längst bevor ihre Schwester geboren war, bestand eine Art der Kommunikation zwischen den beiden Schwestern. Sie waren miteinander verbunden durch ein Band aus Energie.

Als Théras Schwester im Sommer geboren wurde, staunte Théra, wie klein dieses Wesen war. Es konnte nicht mit Worten sprechen wie sie, aber sie fühlte, wie sich ihre kleine Schwester mit ihr durch Energieströme verständigte.

Die kleine Schwester wurde Clara genannt.

Théra sah zu, wie Clara an der Brust von Mama trank. Jetzt wurde ihr bewusst, wozu diese Brust gut war. Sie durfte manchmal daran nippen. Es schmeckte süss, und sie begriff, dass auch sie, Théra, lange von dieser Brust genährt worden war. Jetzt war sie schon groß und jetzt lernte sie von Papa und Para ganz andere Dinge.

11.

Im Sommer kamen viele Indios in die neu gebaute Siedlung. Männer, Frauen und Kinder.

Immer wieder durfte Théra mit Papa, mit Para oder mit einem ihrer Freunde aus dem Hotel dorthin gehen. Sie lernte jetzt viele neue Kinder kennen. Kleine und große.

Dann gab es ein einschneidendes Erlebnis. Eines der Kinder war krank geworden. Papa hatte Para hingeschickt, und Para hatte Théra mitgenommen.

Das Mädchen lag mit hohem Fieber im Bett. Der Arzt, der manchmal kam, um nach dem Kind zu sehen, wusste keinen Rat mehr.

Para hatte sich zu dem Kind gelegt und bat auch Théra, sich dazuzulegen. Was dann kam, war wie ein Traum. Para entführte sie in eine neue Welt. Es war, als wenn Théra sich in ihre Atome auflöste. Sie spürte, wie sie zusammen mit Para in den Körper dieses kranken Kindes kroch. Sie flogen durch die Blutbahnen. Sie besuchten das Herz, die Leber und den Darm dieses Kindes. Sie besuchten die Nervenzellen und das Gehirn. Para nahm sie an der Hand und begann mit Théra zusammen kranke Zellen aufzuspüren. Para zeigte ihr, was gesunde und kranke Zellen sind. Er kroch in die Zellen des Mädchens, er rief gesunde Zellen zu Hilfe, und bildete Gürtel aus Abwehrzellen um die kranken Zellen, bis sie abstarben. Es gab viele davon.

Théra hatte keine Ahnung, wie lange das dauerte. Para war stets bei ihr, und er führte sie durch den Körper des Mädchens. Später sollte sie erfahren, dass sie drei Tage und drei Nächte neben dem kranken Mädchen gelegen hatten. Ein Netz aus Blitzen hatte sie umgeben. Die Mutter und der Vater des Mädchens hatten still im Raum gesessen und gewartet. Sie hielten sich gegenseitig fest. Sie hatten geweint und gebetet. Manchmal waren sie vor Erschöpfung eingeschlafen.

Dann waren Para und Théra aus den Blutbahnen, den Nervenzellen und dem Körper des Mädchens wieder ausgezogen. Sie wachte auf, sie sah, dass Para nach Wasser verlangte, nach rohem Fisch und nach Früchten. Er hatte dem Mädchen zu trinken gegeben, und er hatte darum gebeten, dem Mädchen nun alle zwei Stunden etwas Wasser, Obst und Fisch zu geben. Sie müsse jetzt viel schlafen. Die Familie dürfe auch nicht darüber reden, was in den letzten Tagen geschehen sei.

Dann hatte Para nach Dennis gerufen. Er wankte mit Théra zurück in ihr Holzhaus. Er war zu schwach, um gerade zu laufen oder gar zu springen. Dort legte er sich mit Théra ins Bett, und schlief mit Théra drei Tage durch. Théra fühlte sich regelrecht ausgelaugt. Manchmal wurde sie ein wenig wach, mehr wie ein Dämmerzustand, Papa war immer da. Er versorgte sie mit Wasser und mit Obst und rohem Fisch. Das hatte sie vorher noch nie gegessen. Es war schwer zu kauen und es schmeckte eigenartig. Dann war sie jedes Mal wieder eingeschlafen. Sie war völlig kraftlos.

Nach drei Tagen wachte sie auf. Para nahm sie mit zum Fluss, und badete mit ihr in diesem kalten und klaren Wasser. Théra spürte, wie das Wasser ihre Müdigkeit wegwusch. Es war wie eine Reinigung an Körper und Geist. Dann waren sie zurückgegangen, hatten noch zwei Tage geschlafen und standen dann auf. Théra fühlte sich wieder fit und voller Kraft.

Diesmal gingen Papa, Para und Théra gemeinsam zu dem kleinen Indiomädchen. Ein Wunder war geschehen. Sie hüpfte und lachte wieder. Es war, als wäre sie nie krank gewesen. Die Eltern warfen sich vor Dankbarkeit vor Para und Théra auf die Knie, aber Para hob sie auf und umarmte sie. Sie aßen gemeinsam, erzählten und sangen zusammen. Para bat die Eltern, niemandem davon zu erzählen.

Dennoch waberte dieses Ereignis wie ein Gerücht durch die Indiosiedlung. Man sprach nur hinter vorgehaltener Hand und Théra erlebte, wie die Indios ihr plötzlich hochachtungsvoll, ja voller Verehrung gegenübertraten.

In den nächsten Tagen und Wochen wollte Théra von Papa und Para viel über dieses Ereignis hören, an dem sie teilgenommen hatte, was sie mit ihren zweieinhalb Jahren aber noch nicht völlig verstand.

12.

Es gab noch ein anderes Ereignis, das für Thera in diesem Sommer bedeutend war. Sie stapfte manchmal alleine in Begleitung ihrer beiden Hunde durch die Ansiedlung. Manchmal besuchte sie auch ihre Mutter in der Ausgrabung. Das war ein sehr weiter Weg für ihre kurzen Beine, den sie nur bewältigen konnte, weil sie immer wieder ein Stück des Weges durch den Raum sprang.

Ihre kleine Schwester war inzwischen geboren worden, Mama ging wieder zu ihrer Arbeit in der Ausgrabung und Clara wurde stets mitgenommen.

Es gab rings um die Ausgrabung immer irgendwelche schwer bewaffneten Soldaten, welche genau kontrollierten, wer in die Ausgrabung durfte und wer nicht.

An diesem Tag waren einige neue Soldaten gekommen. Sie hatten Ausweise kontrolliert, aber sie kannten die Gesichter der Arbeiter noch nicht.

Als Théra mit ihren beiden Hunden angestapft kam, hatte sich ihr einer der neuen Soldaten in den Weg gestellt. Sie war gekleidet wie in Indiomädchen. Er hielt sie für die Tochter eines der Arbeiter. Sie hatte hier nichts zu suchen.

Es war an diesem Tag sehr heiß. Er hatte nichts mehr zu rauchen und er war schlecht gelaunt. Er hatte vor zwei Tagen erfahren, dass seine Frau ihn betrog und er durfte diese Ausgrabung nicht verlassen. Alles war Scheiße.

Als dann dieses Mädchen mit den Hunden vor ihm auftauchte, hatte er grob geantwortet, sie solle bloss abhauen und er hatte die Hand erhoben, um diese Gör wegzustoßen.

Mit der Reaktion des großen Hundes hatte er nicht gerechnet. Er sah trottelig aus, dieser große graue Hund. Er bewegte sich wie in Zeitlupe. Ein Drecksköter.

Als der Soldat die Hand hob, sprang der Hund dem Soldaten aus dem Stand direkt an die Kehle. Es war ein gewaltiger Satz. Das war so blitzschnell geschehen, dass keiner der anderen Soldaten eingreifen konnte.

Der Soldat wurde auf den Rücken geworfen, der Hund stand über ihm. Er spürte diesen heissen Atem und das fauchende Knurren. Jetzt bloss keine falsche Bewegung machen, dachte sich der Soldat. Er hörte, wie um ihn herum die Maschinenpistolen entsichert wurden. Er kannte dieses metallische Klick.

Dann rief dieses Mädchen mit einer hellen und klaren Stimme den Hund zurück. Der Soldat sprang auf, er griff nach seiner MP. Er würde diesen Drecksköter erschießen. Er kam nicht dazu. Einer der Soldaten griff ihm in dem Arm, so dass sich die Ladung Kugeln in den Himmel ergoss. „Bist du wahnsinnig“, wurde er angefahren. Das ist die Tochter von Alanque, der Leiterin der Ausgrabung.“

An diesem Tag ging Dennis zu dem Mann und hatte ein langes Gespräch mit ihm. Irgendwann hatte er genickt. „Geh für ein paar Wochen zurück zu deiner Frau. Sorge dafür, dass deine Ehe gerettet wird. Wenn du deine Frau mit hierher bringen willst, so werde ich mit eurem Oberstleutnant reden. Ich werde dafür sorgen, dass ihr irgendwo im Tal eine kleine Hütte bekommt. Villeicht solltest du mit deiner Frau ein Kind machen. Das wirkt manchmal wie ein Wunder.“

Dennis hielt sein Versprechen. Der Soldat wurde verwarnt, er wurde nicht degradiert, er hatte drei anstrengende Wochen, in denen er nach Hause gefahren war, mit seiner Frau sprach, weinte, schimpfte und ihr Geschenke machte. Dann hatte er mit Dennis telefoniert, und durfte mit seiner Frau zusammen eine der Holzhütten beziehen. Es dauerte tatsächlich nicht lange, da wurde seine Frau schwanger.

Dennis ging zu ihm und er nahm Théra und ihre Hunde mit. „Nicht der Hund“, hatte der Soldat gesagt und gemeint, er solle draussen vor der Hütte bleiben.

Dennis hatte den Kopf geschüttelt. „Théra und ihr Hund sind unzertrennlich. Er wird dir nichts tun, wenn du friedlich bist.“

Tatsächlich hatte sich der Hund still und wachsam hinter die Tür gelegt. Er beobachtete den Soldaten und Théra, und als er sicher war, dass nichts böses passieren würde, stand er auf, stellte sich neben den Soldaten, und legte sich dort schließlich mit einem Schnaufer auf den Boden. Théra hatte die Frau angesehen. Sie kletterte ihr auf den Schoss und legte ihr die Hände auf den Bauch. „Du bekommst ein Kind“, hatte sie gesagt. Das war längst bevor die Frau des Soldaten selbst davon wusste. Die Frau hatte unsicher gelacht und Dennis angeschaut. Dennis war zu dem Soldaten gegangen und hatte ihm die Hand geschüttelt.

„Théra weiß stets, was sie sagt“, meinte er. „Ihr werdet erleben, dass Théra eben die Wahrheit gesagt hat. Meinen Segen habt ihr.“

Es wurde an diesem Abend noch mehr gesprochen, aber das vergaß Théra bald.

13.

In diesem Sommer passierten noch einige bedeutende Dinge.

Die Ausgrabung hatte einen riesigen Erfolg. Oben auf dem Berg wurden Dinge gefunden, die viele fremde Menschen ins Tal lockten. Mama hatte viel zu tun.

In dieser Zeit kümmerten sich Para und Papa intensiv um Théra. Manchmal war Papa weg. Er musste ab und zu verreisen. Wohin er dann ging, erzählte er Théra nicht.

Théra sah, wie sich bei der Ausgrabung so etwas wie grosse Gebäude aus der Erde schälten. Viele Mauern und viele Steine. Papa und Para erklärten ihr den Zusammenhang. Jeder mit seinen eigenen Worten. Hier hatte einmal ihre Schwester gelebt, die zur Königin eines großen Reiches geworden war. Lange bevor Théra geboren wurde. Théra begriff, dass sie Teil einer Dynastie mit einer langen Tradition war. Die Kräfte, die sie hatte, sie, Papa und Para, waren ein Teil dieser Geschichte aus Sonnenkönigen.

Théra entwickelte in dieser Zeit viele Fragen.

Mama konnte einige dieser Fragen beantworten. Auf viele Fragen hatte sie keine Antwort. „Dennis und Para wissen darüber viel mehr als ich“, hatte sie Théra gesagt. „Ich grabe diese Dinge nur aus.“

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22 aralık 2023
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9783942652506
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