Kitabı oku: «Die Geburt der Schamanin», sayfa 5
Aysa hatte von dem Erfolg des Konzerts gehört. Jetzt sah sie Robert in fast demütiger Haltung vor Théra stehen. Sie hatte selten eine ergreifendere Geste gesehen.
Auch die anderen Gäste sahen das. Robert versteckte sich nicht. Er stand zu seiner Entschuldigung und langsam verbreitete sich die Geschichte von Roberts wundersamer Heilung.
Aysa ließ sie sich einen Mitschnitt vorspielen. Sie hörte sich das zusammen mit Roman an, der das Konzert bereits kannte. Seine Wachdienst-Truppe hatte bei dem Konzert für die Sicherheit gesorgt. Er hatte diese Veränderung staunend zur Kenntnis genommen. Laura hatte am Anfang gesagt, die neue Musik sei Hammer. Das war weit untertrieben. Das war Oberhammer.
Aysa hatte nach dem Band tief durchgeatmet. Sie hatte nach Romans Hände gegriffen und sie hatte Roman lange angeschaut. „Das war Théras Verdienst“, hatte Aysa gesagt. „Jetzt verstehst du vielleicht, was ich versucht habe, dir vor ein paar Tagen zu erklären.“
6.
In der nächsten Woche erlebte Théra noch einige Gruppen. Sie erlebte aber auch die Kinder und Jugendlichen, die das Zentrum als ihr neues Zuhause erkoren hatten. Sie ging mit Papa hinaus zu den Halfpipes und den BMX Fahrern, die bei jedem Wetter hier draussen waren. Die Stiftung hatte über der Anlage ein Dach gebaut, das bei schlechtem Wetter automatisch zusammengezogen wurde, um die Anlage vor Regen zu schützen.
Théra erlebte diese Kids mit ihren Skateboards und Inlinern. Sie sah den BMX Kids zu, wie sie waghalsige Sprünge machten. Papa besorgte ihr ein Board, und Théra probierte das vorsichtig aus.
Skateboards waren nichts Neues für Théra. Sie kannte die Halfpipe hinter dem Hotel. Diese Virtuosität, diese absolute Beherrschung von Körper und Gerät war indes neu, und sie bat Papa mehrere solcher Boards und BMX Räder einzukaufen und nach Hause zu schicken. Dennis sah die Begeisterung in Théras Augen und er handelte sofort. Er sprach mit den Cracks der Szene. Er ließ sich beschreiben, was die besten Boards und Räder sind. Er ließ sich erzählen, was der Unterschied zwischen den kleinen Rollen der Inline Skates ist, welche die Stuntfahrer benutzen, die „normalen“ Räder der Alltagsfahrer und die Spezialräder für Langstreckenfahrer (mit fünf Rollen). Es gab auch verstellbare Inliner mit zwei großen gummibereiften Rädern, in die man mit normalen Schuhen einsteigen konnte.
Das konnte eine teure Angelegenheit werden. Vielleicht musste man nicht alles haben.
Die besten Skateboards gab es in den USA, wurde erzählt. Die Kids hatten all diese Adressen im Kopf. Alles war über Internetshops zu beziehen.
Dennis und Laura rechneten. Dort in der neuen Stadt gab es so viele Villen. All diese Politiker und Unternehmer hatten Kids. Es gab nagelneue und glatte Straßen durch die Villenvororte. Es würde vielleicht ein gutes Geschäft werden, in Peru einen oder zwei Sportshops zu eröffnen, inclusive der passenden Fan Kleidung.
Er machte mit der Digitalkamera ein Bild von Théra auf dem Skateboard und mehrere Bilder von den Cracks, wie sie durch die Luft flogen. Dann ging er zusammen mit Laura und Théra ins Internet. Sie suchten sich als erstes einen Satz Skates aus, den sie nach Peru schicken ließen. Dann schickte Dennis eine Mail von Théra an Alanque. Er legte die Bilder bei und schrieb, dass Théra viel Spass hat. Von dem Zusammenbruch Théras schrieb er nichts.
Prompt kam eine Mail zurück. Wir vermissen dich hier alle, schrieb Alanque an Théra, aber sie solle die schöne Zeit mit Papa auskosten.
7.
Anfang Dezember sah Théra Conny wieder. Papa hatte sie schon ein paar Mal mitgenommen in die U-Bahn. Er war mit Théra in die Stadt gefahren und an die Havel. Jetzt nahm er sie mit in diesen Villenvorort im westlichen Teil Berlins. Dort wohnte Conny.
Sie war von einer Tournee zurückgekommen, sie hatte zwei Tage durchgeschlafen, und hatte dann mit Dennis telefoniert. Sie hatten sich verabredet. Dennis hatte Aysas Vater angerufen und einen Präsentkorb bestellt, wie er das gerne machte, um seine Freundin Conny zu überraschen. Es war noch recht früh am Morgen.
Als Théra und Papa jetzt vor dem großen Haus standen, kam auch der Lieferwagen von Aysas Vater angefahren.
Dennis klingelte und nahm den Korb kurzerhand mit hinein.
Théra war normalerweise nicht schüchtern. Jetzt hielt sie sich zurück. Sie hatte große Hochachtung vor dieser Frau. Sie erschien manchmal in ihren Träumen. Die Musik war in ihrem Kopf.
Jetzt erlebte sie, dass Conny ein ganz normaler Mensch war. Freundlich, liebevoll, aufmerksam. Sie freute sich riesig, Dennis zu sehen und sie lud Théra in ihre große Küche ein, wo sie zusammen Kaffee kochten, Saft auspressten, Käse und Wurstscheiben schnitten, Tomaten vierteilten und Eier brieten.
Conny hatte Théra angesehen. „Kannst du das alles schon?“ hatte sie gefragt, und als Théra nickte, meinte sie. „Na dann werden wir Papa mal verwöhnen. Wir zaubern ihm ein Frühstück. Er kann sich auf die Eckbank setzen und uns dabei zusehen.“ Théra durfte das Ei in die Pfanne schlagen. Sie durfte die Tomaten schneiden und die Gurken. Sie legte Käse- und Wurstscheiben auf Teller und brachte Teller und Tassen an den Tisch. Sie sah, wie Papa lächelte. Sie sah, dass er stolz auf sie war und sie gab sich richtig Mühe alles richtig zu machen.
Es wurde ein wunderbarer Tag. Sie kuschelten auf der großen Couch im Wohnzimmer. Théra durfte die Geige in der Hand halten und sah aufmerksam zu, wie Conny dieses Instrument stimmte und ansetzte, um ein kurzes Stück zu spielen. Kollophonium hatte Théra noch nie gesehen. Sie tauchte den Finger in etwas Staub, der auf den Boden gebröselt war und roch daran. Als sie den Staub zwischen ihren Fingern zerrieb, fühlte er sich fettig an.
Später durfte sie in Connys großem Auto fahren. Es gab einen Chauffeur. Théra saß zwischen Conny und Papa. Sie erzählte und sie hatte viele Fragen.
Sie fuhren an einen See vor den Toren Berlins. So einen See gibt es jetzt auch bei uns, erzählte sie, aber der ist nicht so groß wie der hier. Hier war alles flach. Papa hatte ihr warme Kleidung gegeben, eine Mütze und Handschuhe. Es war nicht sehr kalt, aber der Wind pfiff über die weite flache Landschaft, und erzeugte auf dem See viele kleine Wellen.
Am Abend legte sich Théra zu Dennis und Laura ins Bett und erzählte Laura von ihrem Erlebnis, bis sie eingeschlafen war.
8.
Eine Woche später sah sie auch Fatima wieder. Fatima war ihr Idol. Sie hatte sich selbständig gemacht. Sie hatte jetzt eine eigene Band und ganz eigene Stücke. Sie war fraulicher geworden. Théra fand, dass Fatima eine wirklich schöne Frau war. Sie war weich und warm und sie war ganz anders als Conny, Laura oder Mama.
Fatima hatte einen Sohn. Er war etwas älter als Théras Schwester Clara. Er konnte schon laufen, und er brabbelte genauso viel, wie Théra das manchmal tat.
Als Théra seine Hände nahm, fuhr ein Blitz durch ihren Körper. Sie atmete tief ein. Dann sah sie Papa an. „Er hat unsere Kraft“, schien Théra zu sagen. Papa erriet Théras Gedanken und er nickte. Er hatte einen arabischen und einen deutschen Namen. Jens Faruk.
„Faruk ist der Sohn von Para“, klärte er auf. „Ich weiß das schon lange, nur Para weiß davon nichts, und du wirst ihm nichts davon erzählen. Versprich mir das. Das ist eine Sache zwischen Fatima und Para. Para wird das eines Tages erfahren, aber wir werden ihm das nicht erzählen.“
Théra sah Papa an. Schon wieder so ein Geheimnis. Es gab in ihrer Familie viele Geheimnisse.
In Fatima konnte Théra versinken. Es war so schön wie bei Mama. Fast noch schöner. Alles an ihr strahlte eine Art Schutz aus. Sicherheit. Es war anders als bei Papa. Papa hatte immer etwas wie Überlegenheit. Fatima war ganz Unschuld. Sie war eine Urgewalt. Es kam Théra vor, niemand und nichts könne Fatima widerstehen.
An diesem Abend gab Fatima ein Konzert. Dennis und Théra wurden eingeladen. Sie setzten sich ganz hinten in den Konzertsaal und hörten zu. Wieder erlebte Théra diese Urgewalt. Sie erlebte wieder diese Magie der Musik, die sie selbst in sich trug und die sie noch vor wenigen Tagen dieser Gruppe von Robert geschenkt hatte.
Sie fuhren an diesem Abend mit Fatima nach Hause. Sie legten sich zu Fatima und Faruk in das große Bett. Théra und Faruk erzeugten zusammen eine große Energiewolke, die sie alle einhüllte. Théra, Faruk, Fatima und Papa.
Am nächsten Tag fuhren Papa und Théra zurück. Diesesmal konnte sie nicht warten, bis Laura von der Arbeit kam. Sie führte Papa in Lauras Büro, Laura sah die Glut in Théras Augen, und sie schickte ihre Besucher kurzerhand hinaus. Théra kletterte auf Lauras Schoss und sie erzählte.
Am Nachmittag bat sie Papa, mit ihr U-Bahn zu fahren. An diesem Nachmittag nahm Dennis seine Tochter Théra das erste Mal mit in den Untergrund.
Sie besuchten die geheime Festung. Théra lernte Kids kennen, die aufjubelten, als sie Papa sahen. Sie hatten viele Fragen und Papa musste erzählen. Théra stapfte in dieser „Höhle“ herum. Es war seltsam. Hier wohnten all diese Freunde von Papa? Papa hatte genickt und dann bat er einige der Kids zu erzählen, warum sie hier unten, unter der U-Bahn lebten.
Théra hörte die Geschichten. Es klang unglaublich. Sie selbst hatte eine intakte Familie. Diese Kids hatten nichts. Nein, ganz stimmte das nicht. Sie gaben sich gegenseitig Halt, und sagten von ihrer Gruppe, das sei ihre Familie. Théra spürte, dass Dennis so etwas wie der Papa dieser Familie war. Papa hatte genickt. Ich bin oft hier unten. Auch Laura ist oft hier unten. Wir lieben diese Kids. Sie sind meine Familie. Er verbesserte sich. Sie sind auch deine Familie. Du weist es nur noch nicht. Später sollte Théra erfahren, dass diese Kids viel mehr als eine Familie waren. Sie gingen füreinander durchs Feuer.
9.
Eines der schönsten Ereignisse passierte an Théras Geburtstag. Es war kurz vor Weihnachten. Conny hatte Laura, Papa und Théra eingeladen. Papa machte Théra heute besonders hübsch. Sie nahmen sich ein Taxi und sie fuhren in die Stadt.
Es gab dort ein großes Gebäude mit einem hohen Turm. In der großen Halle standen riesige Säulen. Vorne gab ein großes, hell erleuchtetes Kreuz. Es gab Bilder an den Wänden und der Raum war nicht beheizt. Sie hatten dieses Mal Sitzplätze ganz weit vorne. Es gab einen riesigen Tannenbaum, der mit Kugeln und Lametta geschmückt war.
Es gab viele Kerzen und es gab ein aufgeregtes Getuschel, ein Scharren von Füssen, ein Gehüstel und ein Stühlerücken, bevor es endlich ganz still wurde. Dann betrat Conny den Raum. Allein mit ihrer Geige.
Théra rutschte auf Papas Schoß, dann hob Conny die Geige ans Kinn und begann zu spielen. Jetzt merkte Théra, dass Conny nicht alleine war. Hinter Théra gab es noch ein Instrument, aber so etwas hatte sie noch nie gehört. Es klang voll. Es tönte durch den Raum. Es vermischte sich mit der Geige.
Später erfuhr sie von Papa, dass dieses andere Instrument eine Orgel war und dass Conny eine Bach Kantate gespielt hatte. Etwas sehr altes, das man nur zu Weihnachten spielt.
Nachdem Conny und das fremde Instrument geendet hatten, kamen von allen Seiten Frauen, Männer und Kinder, die sich vorn auf der Bühne versammelten. Ein kleiner Mann stellte sich davor. Conny nahm etwas seitlich Aufstellung und dann hörte Théra zum ersten Mal in ihrem Leben einen Kirchenchor.
Es war gewaltig. Ein unglaubliches Gefühl durchfuhr den Raum. Ein Gefühl von Andacht. Théra fühlte sich getragen von dieser Musik und gleichzeitig winzig klein. Sie legte den Kopf an Papas Brust und sperrte den Mund auf.
Sie hatte in den letzten Wochen viele Gruppen erlebt und viele Musikrichtungen gehört. Das hier war mächtig. Es war schön und mächtig. Théra atmete diese Musik geradezu ein. Sie nahm sie in sich auf. Sie würde sie nie vergessen.
Auf dem Nachhauseweg kuschelte sie sich in Papas Arme und weinte vor Glück. In dieser Nacht schlief sie wieder bei Papa und Laura im großen Bett. Sie wachte ein paar Mal auf und sie begann im Schlaf zu summen und zu singen.
Papa hatte in diesen fünf Wochen viel mit Théra unternommen. Er war mit ihr durch Kaufhäuser gezogen, er hatte mit ihr Berliner gegessen. Sie hatten Brause aufgelöst, und Théra hatte das Bizzeln des Natrons gespürt, als Papa ihr ein wenig von der Brause auf die hohle Handfläche goß und Spucke dazugab. Sie hatten den Weihnachtsmarkt besucht, sie hatten Lebkuchen gegessen und Kinderpunsch getrunken.
Sie hatten viele Gruppen und Tänzer besucht und Théra hatte die Kids da unten in den Tunneln kennengelernt. Sie hatte Laura lieben gelernt. Laura war zu ihr wie eine Mutter, und auch sie hatte einen wunderbar weichen Körper.
Kurz nach ihrem fünften Geburtstag sprang Papa mit Théra zurück in ihr Hotel nach Peru.
Draussen gab es dichtes Schneetreiben. Hier in Peru gab es einen richtigen Winter. Papa blieb ein paar Tage, dann verabschiedete er sich von Théra. "Ich muß noch ein bisschen arbeiten", sagte er. "Es gibt viele Kids in Berlin, die meine Hilfe brauchen. Im Frühling bin ich wieder da." Théra wusste, was Papa damit meinte. Sie wusste, dass Papa dort viele Freunde hatte. Sie hatte gesehen, dass sie Papa ebenso brauchten, wie Théra ihren Papa brauchte. Er würde wiederkommen.
10.
Für Thera war es ein Erlebnis, als sie ihre Hunde wiedersah. Suse war ganz aus dem Häuschen. Ihr kleiner Zwergschnauzer gebärdete sich wie wild. Er sprang um Théra herum, er kläffte, er steckte die beiden Hunde an, die Suse zur Welt gebracht hatte. Sie waren mächtig gewachsen, und sie brachten jetzt die Wohnung durcheinander.
Papa hatte sich schließlich eingemischt und den Hunden befohlen, sich zu beruhigen. Er hatte seinen Singsang angestimmt, seine Tiersprache. Die Hunde hatten geschnauft, wie um mit diesem letzten Schnaufer alle ihre Freude noch einmal zum Ausdruck zu bringen, dann hatten sie sich Théra und Dennis vor die Füsse gelegt. Sie hatten die Köpfe auf die Pfoten gelegt, und klappten die Ohren nach vorne und hinten, bis sie sich ganz beruhigt hatten.
Später waren Dennis und Théra hinaus gegangen in dieses Schneetreiben. Sie hatten den Hunden erlaubt herumzutollen und nach den Schneeflocken zu schnappen. Sie wälzten sich im Schnee, der den Boden schon dicht bedeckte und balgten sich. Théra warf sich mitten in diese Knäuel der Hunde. Sie jauchzte und lachte. Irgendwann waren die Handschuhe und der Kragen voller Schnee, Théra merkte, dass ihr kalt wurde, und sie zogen sich in ihre Wohnung zurück. Théra legte eine Decke auf den dicken Teppich, und bezog mit ihren Hunden die Decke als Lager. Sie war schnell eingeschlafen. Dennis deckte sie zu und die Hunde wachten über Théra.
11.
Théra fing in den Tagen nach ihrer Rückkehr an, Bübchen, Moses und die anderen Freunde zu löchern, die Papa aus Berlin mitgebracht hatte. Sie hatte viele Fragen. Sie lernte, dass jeder dieser Freunde von Papa eine schlimme Vergangenheit hatte, und dass sie als Gruppe zusammengewachsen waren, um sich gegenseitig zu helfen und um sich zu schützen.
Théra kannte dieses Zusammenwachsen auch von den Indios in „ihrem“ Viertel, aber die Erzählungen von Papas Freunden waren anders. Théra ahnte bald, dass all diese Freunde von Papa und all die Indios in „ihrem“ eigenen Viertel ein ähnliches Schicksal verband: Das Erleben von Leid.
Théra dachte nach. Sie dachte an die Geheimnisse ihrer Familie. Sie dachte an die Geheimnisse der Kids, und ihr wurde plötzlich klar, dass sie sich alle auf einem langen gemeinsamen Weg befanden, um sich eine bessere Zukunft zu erschaffen. Langsam, mit viel Geschick und mit noch mehr Durchhaltevermögen. Sie war ein Teil davon.
Plötzlich verstand sie Mama, die ihr schon oft erzählt hatte, dass die Indios in Südamerika ihre eigene Geschichte ausgraben und wiederbeleben müssen, um sich eine Zukunft zu bauen. „Wir sind Indios und wir müssen lernen stolz darauf zu sein“, hatte sie damals gesagt.
12.
Théra hatte Moses gebeten, ihr ein solches Getränk zu zaubern, wie Aysa das gemixt hatte, mit Banane. Moses hatte sie lange angesehen.
„Ich kann das hier nicht machen, weil wir hier keine frische Kuhmilch haben, aber ich kann dir etwas ähnliches machen. Es schmeckt ein bisschen anders, aber es ist auch Banane drin. Dann hatte Moses Kakaopulver und H-Milch aufgekocht, er hatte einige Löffel Zucker dazu gegeben. Er hatte das braune Getränk abkühlen lassen und er hatte aus Bananen und H-Milch einen Shake gemixt. Dann hatte er alles zusammengerührt und eine Kugel Vanilleeis dazugetan. Er gab Schlagsahne oben drauf und ein paar Schokoladenröllchen. Moses steckte einen Strohhalm hinein und ein Schirmchen. „Fertig“ sagte er.
Théra kostete. Es schmeckte anders, aber es schmeckte saugut. Sie fiel Moses um den Hals. „Das musst du mir jetzt öfter machen“, bat sie.
Théra hatte Moses auf einen Gedanken gebracht. Dennis war gerade für zwei Monate abgereist, und so besprach sich Moses mit Bübchen und dem kleinen Spanier, dann stellten sie in der großen Halle eine Bar auf, in der sich jeder Gast „Karibean Drinks“ holen konnte. Tag und Nacht. Sie stellten zwei hübsche Mädchen hinter die Theke. Für die Erwachsenen gab Moses noch einen Schuß Weinbrand in das Bananenmixgetränk, und er kreierte mit Théras Hilfe viele weitere frischgepresste Säfte und Drinks, mit Kiwis, Mohrrüben, Äpfeln und Feigen. Sie stellten Salzgebäck dazu und kleine Fladen, die wie Käsestangen oder Pizzabrötchen schmeckten. Auf Anregung von Théra ließ er sich das Rezept für Laugenstangen schicken und probierte auch das aus.
Es gab jetzt in der Halle bunte Tücher und Fähnchen zu kaufen. Bübchen organisierte verschiedene indianische Ponchos, Hemden, Hüte, Hosen und Sandalen. Sie machten einen Andenkenladen auf, der von Indios geführt wurde.
Alles, was sie nicht sofort liefern konnten, besorgten sie aus der Siedlung der Indios, unten am Fluß. Bald gab es auch Sonnenbrillen und Uhren. Teure Stücke, die von den verschiedenen Designern entworfen worden waren. Armani, Porsche, Glashütte. Sie hatten hier erlesene Gäste. Alanque sorgte dafür, dass auch Stücke der Ausgrabung in der Vitrine lagen. Kupfer- und Silbermünzen. Goldstückchen und Smaragde. Geschliffene Brillianten und einige Schwertknäufe, Amulette und Schulterstücke. Es gab sehr teure Stücke hinter dickem Panzerglas, alte und neue.
Das Hotel lief inzwischen auch im Winter gut. Es war nicht voll besetzt, aber es gab viele Aktivitäten. Die Sportler unter Dennis Freunden hatten Langlaufschier und Tourenskie besorgt, Schuhe und Schneeanzüge, spezielle Stoffe, leicht und warm. Man konnte das im Hotel gegen eine Gebühr ausleihen oder auch kaufen. Sie organisierten inzwischen im Winter Skiwandertouren hinauf auf die Hochebene. Manchmal gingen sie zu Fuß, mit den Maultieren oder den Lamas. Sie nahmen Zelte und Kochgeschirr mit. Es gab für abgehärtete und ambitionierte Gäste ein richtiges Winterbiwak.
Das Hotel hatte sich im Winter zu einem Sporthotel entwickelt, das Menschen aus den USA, aus Peru und aus den Nachbarstaaten anzog. Die Honoratioren des Landes schickten ihre Kinder. Einige Generäle schickten ihre Offiziere, um für ihre persönliche Fitness zu trainieren. Es war ein richtiges Überlebenstraining.
Viele Industrielle steuerten jetzt das Hotel an. Sie liefen barfuss im Schnee. Es galt als chick, sich abzuhärten und im Zelt zu schlafen. Das Hotel war im Winter gut besetzt und der Laden, den Bübchen und der kleine Spanier ins Leben gerufen hatten, begann bald zu florieren. In der Wildnis brauchte man ein GPS Gerät (so dachten die Gäste), eine wasserdichte Uhr, eine gute Sonnenbrille und exquisite Kleidung, die nicht nur wärmte, sondern auch chick aussah. Es gab einen speziellen und sehr teuren Outdoorlook.
Bübchen hatte sich mit Dennis in Berlin kurzgeschlossen und über die Entwicklung gesprochen. Dennis hatte in den Telefonhörer gelacht. „Da haben wir ja etwas in Gang gebracht, was wir im Sommer erweitern können.“ Bübchen hatte die Skatebords gesehen, die Dennis hatte liefern lassen. Er ahnte, dass Dennis bald ein neues Projekt in Angriff nehmen würde.
Théra beobachtete diese Entwicklung, aber das war nicht ihr Ding. Diese Zurschaustellung männlicher Kraft beeindruckte Théra nicht. Ihr Papa brauchte all das nicht. Sie glaubte, Papa konnte es mit jedem aufnehmen, der sich hier durch den Schnee quälte. Théra sah sich das wilde Treiben an und sie lächelte in sich hinein. Sollten sie sich quälen.
In diesem Winter wanderte sie manchmal mit Para in ihr Tal des Wasserfalls. Sie kämpften sich mit ihren Lamas durch den Schnee, aber das mit Para war ganz zwanglos. Sie sangen und sie erzählten unterwegs. Manchmal ritt Théra auf den Maultieren. Sie mussten sich nichts beweisen. Para war immer gut gelaunt und ganz gelöst, und Théra freute sich jedes Mal auf diese schöne warme Hütte, die Indios, die Hühner und die Gänse. Sie nahm auch ihre Hunde mit und zweimal durfte Clara mitkommen. Para trug sie in einem großen Tuch. Manchmal setzte er Clara auf eines der Maultiere, um zu verschnaufen. Clara war zwar noch klein, aber sie war für einen so langen Weg schon ziemlich schwer.
Die beiden neuen Hunde waren kleiner und zotteliger als Suse. Sie waren noch jung, aber sie hatten viel Kraft, Mut und Ausdauer. Sie schienen wie geschaffen für diese Winterlandschaft. Es gab keine Leinen. Die Hunde liefen frei. Sie gehorchten aufs Wort und sie hatten stets ein waches Auge auf Théra und Clara. Théra war ihr Gott.
Clara war Théra in vielen Dingen ebenbürtig. Sie trappelte mit Théra in den Stall. Sie fasste nach den Schweinen und den Gänsen. Sie brabbelte mit den Tieren und sie hatte keine Angst. Nachts lagen Théra und Clara in Paras Armen. Die Hunde lagen vor dem Bett und passten auf. Théra und Clara fühlten sich geborgen und sicher.
13.
Im Frühjahr, als Papa wiederkam, zogen Alanque und die Kinder nicht mehr in ihre alte Holzhütte. Das neue Haus war fertig und vollständig eingerichtet. Sie bezogen das oberste Stockwerk, das Théra sehr an die große Wohnung in Berlin erinnerte. Es gab sogar eine Badewanne und eine Dusche.
Papa hatte dafür gesorgt, dass es eine große Wohnküche gab. Auch wenn Besuch kommen würde, oder wenn Théra noch weitere Geschwister bekommen würde, so wäre die Küche groß genug, um alle aufzunehmen. Es gab eine Eckbank und einen großen Tisch, den man ausziehen konnte, Théra und ihre Geschwister hatten ein eigenes Zimmer, sie durften aber auch zusammen schlafen, wenn sie wollten. Drei der Zimmer hatten einen Ausgang zu dem großen Balkon, von dem man einen prima Ausblich auf den See und die Staumauer hatte.
Théra hatte gedacht, dass sie ihre Holzhütte vermisst, aber diese neue Wohnung war prima. Die Holzhütte blieb, und sie würde ihr im Sommer noch oft als Spielhütte dienen.
Théra war einmal heimlich hinüber in die Holzhütte gesprungen. Sie hatte ihre Bettdecke mitgenommen und sie hatte in dieser Nacht viel mit den Mäusen geredet, die im Winter Besitz von der Hütte ergriffen hatten. Am Morgen war sie zurück gesprungen, bevor Papa und Mama aufgewacht waren. Théra hatte ihren Hunden gesagt, wohin sie geht, damit sie sich keine Sorgen machen und Papa oder Mama aufwecken.
Théra war an diesem Morgen besonders gut gelaunt. Ein Jahr voller Abenteuer hatte begonnen.
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