Kitabı oku: «Alte Geschichte studieren», sayfa 2

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1.2.2 Raum

Die zweite Eingrenzung der ,Griechisch-römischen Zivilisation der Mittelmeerwelt‘ betrifft den Raum: Selbst wenn sie chronologisch in dieselben Jahre fallen, bleiben die ,alte‘ Geschichte Japans, Chinas, Amerikas, Afrikas oder Australiens doch ausgeklammert. Auch dies erklärt sich aus der Geschichte des Fachs: Aus der Wiederentdeckung der klassischen Antike vornehmlich in den alten Texten resultierte eine Bindung des Gegenstands an die griechische und lateinische Sprache. Dies hat sich insoweit bewährt, als sie das althistorische Arbeiten in direkte Beziehung zu den Sprachkompetenzen setzt, die für das Verständnis der Quellen erforderlich sind. Die Kulturen des Alten Orients, obwohl in vielen Punkten mit der Geschichte der griechischen Zivilisation verwoben – und von Eduard MeyerMeyer, Eduard (1855–1930) in seiner großen UniversalgeschichteUniversalgeschichte des Altertums souverän mit einbezogen – werden heute von der Alten Geschichte zumeist nicht mehr mitbehandelt. Nur die wenigsten Historiker des griechisch-römischen Altertums verfügen über die Fähigkeit, die entsprechenden Quellen in der Originalsprache zu lesen. Geleitet von der Sprachkompetenz haben sich entsprechend die Altorientalistik, HethitologieHethitologie, AssyriologieAssyriologie, JudaistikJudaistik oder auch Ägyptologie als eigene Disziplinen ausgebildet.

Die Nachbarkulturen der griechisch-römischen Welt geraten im Allgemeinen dann in das Blickfeld der Alten Geschichte, wenn es Berührungen durch politische Ereignisse oder kulturellen Austausch gab, und oft heißt dieses: wenn sie Teil der griechisch-römischen Zivilisation wurden. So werden mit dem Siegeszug Alexanders des Großen nicht nur ein Großteil Asiens, sondern auch das kulturell und sprachlich so eigenständige Ägypten Gegenstand des Fachs. Ähnliches gilt für den Westen Europas, für Spanien und Frankreich, die britischen Inseln, die Alpenländer oder die westlichen und südlichen Gebiete des heutigen Deutschland: Erst mit der Ankunft der römischen Soldaten treten sie ins hellere Licht der Ereignisse, wo sie die einsetzende römische Überlieferung zu einem Bestandteil der Alten Geschichte macht. Die Alte Geschichte beginnt –und endet – in den verschiedenen geographischen Räumen zu höchst unterschiedlichen Zeiten.

Aus der Bindung des Fachs Alte Geschichte an Zeit und Raum resultiert, dass sie ein regional gebundener Epochenbegriff ist, und zwar der okzidentalen Geschichte. ,Alte Geschichte‘ ist kein Strukturbegriff, etwa in Form eines definierten ,alten‘ Entwicklungsabschnitts der Geschichte einer jeden Kultur. Derartige Ansätze ermöglichen zwar anregende Kulturvergleiche, doch werden diese von den Althistorikern im Allgemeinen nicht mehr vorgenommen: Gegenüber den dabei zumindest als Arbeitshypothese mitschwingenden Kulturstufenvorstellungen herrscht derzeit ebenso eine Grundskepsis vor, wie hinsichtlich der Entwicklung umfassender geschichtsphilosophischer Modelle.

Die Alte Geschichte beschäftigt sich also mit einer ganz konkreten Antike. Zwar befasst sie sich dabei – gemessen an dem Umfang der von ihr behandelten Zeit von deutlich über 1000 Jahren und ebenso der Größe des von ihr untersuchten Raumes – mit sehr heterogenen Dingen, doch aus größerer Distanz zeigt die griechisch-römische Zivilisation viele Gemeinsamkeiten. Eine andere Gefahr einer so definierten Alten Geschichte innerhalb des weit verbreiteten Drei-Perioden-Schemas aus Altertum, MittelalterMittelalter und NeuzeitNeuzeit ist eher, dass ihr Einsetzen im 8.Jahrhundert v. Chr. als Nullpunkt einer jetzt kontinuierlich aufstrebenden okzidentalen KulturgeschichteKulturgeschichte wahrgenommen wird, wenn nicht als Anfang der Geschichte überhaupt. Doch auch die abendländische Geschichte begann nicht voraussetzungslos, sondern sie ist durch unzählige Elemente aus den frühen Hochkulturen des Orients geprägt.

1.3 Der ,Sinn‘ der Alten Geschichte

Die Frage nach der Legitimation der Alten Geschichte stellen sich nicht nur die in der Alten Geschichte Forschenden regelmäßig zur Selbstvergewisserung, sondern in einer konsequent Kosten und Nutzen kalkulierenden Gesellschaft wird sie regelmäßig auch von außen an die Wissenschaft herangetragen. Innerhalb des Fachs fallen die Antworten unterschiedlich aus, doch geben sie dabei in ihren Akzentuierungen einen Einblick in den Pluralismus der Forschungen und in Denktraditionen.

1.3.1 Alte Geschichte als Teil der Geschichte

Zum einen ist die Alte Geschichte ein integraler Teil des Fachs Geschichte und sie ist von dieser im Hinblick auf die Notwendigkeiten einer Beschäftigung mit Geschichte nicht zu trennen. Die Verzahnung zeigt sich bei der Verfolgung der Traditionen und Entwicklungslinien, da ohne Kenntnis der Antike vieles aus dem MittelalterMittelalter, der NeuzeitNeuzeit und selbst in unserer Gegenwart überhaupt nicht verständlich wäre: Die Verbreitung der Sprachen in EuropaEuropa, das ChristentumChristentum oder die Grundzüge unseres Rechtssystems zählen zu den unmittelbar auf das Imperium Romanum zurückgehenden Tatsachen. In der Wahl von Siedlungsplätzen, in Stadtplänen, Straßenzügen und Bauwerken sind noch direkte Überreste aus römischer Zeit zu sehen, oft können sie nur vor diesem Hintergrund adäquat erklärt werden. Hinzu kommen die zahlreichen REZEPTIONEN und ganze Rezeptionsphasen – wie die RenaissanceRenaissance des 15. und 16. Jahrhunderts oder der KlassizismusKlassizismus des 19. Jahrhunderts –, die in ihrer Architektur, Kunst und Literatur, überhaupt in ihrem ganzen Lebensgefühl ohne Kenntnis der antiken Vorbilder unverstanden bleiben würden.

1.3.2 Zunahme der Quellen

Dabei ist die Alte Geschichte mehr als ein auf ihren Gegenstand hoch spezialisierter Gedächtnisspeicher der Gesellschaft, der für mögliche Fragen nach Ursprüngen, Vorbildern und Traditionen zum Verständnis der eigenen Kultur abgerufen werden kann. Sie ist ebenso ein sich selbst dynamisch verändernder Bereich. Zum einen befindet sich das für eine Auswertung zur Verfügung stehende Quellenmaterial der Alten Geschichte – gegen eine weit verbreitete Grundannahme – in einem unaufhörlichen Wachstum. Weniger betrifft dieses die literarische Überlieferung, wo mit der Neuentdeckung eines noch völlig unbekannten bedeutenderen Werks kaum mehr gerechnet werden kann. Doch durch Surveys, Prospektionen und Ausgrabungen, veranlasst nicht zuletzt durch die immer stärker voranschreitende bauliche Erschließung von Räumen, nimmt die Zahl der materiellen Überreste in teils atemberaubender Geschwindigkeit zu. Sind selbst weite Teile des Altmaterials noch nicht oder nicht in der erforderlichen kritischen Weise publiziert, so kommen Teil- und Nachbardisziplinen wie Epigraphik, Papyrologie, Numismatik oder Archäologie mit der Bearbeitung des sich stetig vermehrenden Quellenmaterials erst recht kaum nach (→Kap. 2.3–2.6). Angesichts stets drohenden Verfalls durch Verwitterung, Korrosion oder sogar mutwillige Zerstörung – und der gleichzeitigen Unmöglichkeit, alles zu konservieren – sehen Forscher wie der verstorbene Géza AlföldyAlföldy, Géza in der Sicherung und dem Zugänglichmachen der Quellen die wichtigste Aufgabe der Alten Geschichte: eine Pflicht zeitgenössischer Historiker für künftige Generationen, der im Zweifelsfall Vorrang auch vor dem Entwurf neuer Theorien oder Interpretationsmodelle gebühre.

1.3.3 Beantwortung neuer Fragestellungen

Andere Historiker heben dagegen gerade die jeweils neue Erarbeitung des Vergangenen für die je aktuelle Gegenwart als wichtigste Aufgabe der Geschichtswissenschaft hervor. Zwar steht das Vergangene selbst nicht mehr zur Disposition, doch einerseits können sich die Methoden zum Verständnis der Quellen verbessern und mithin bessere Ergebnisse liefern, zum anderen ändert sich stetig das Interesse an dem Vergangenem (→Kap.3.1.4). Aus dem langen Kontinuum der Ereignisse, der Geschichte im landläufigen Verständnis, wird stets etwas anderes sichtbar gemacht. Das erwachte Interesse an einer Geschichte der Geschlechter, des Kontaktes und Zusammenlebens verschiedener Kulturen oder auch an einer Geschichte des Zusammenspiels von Mensch und Natur/Umwelt geben illustrative Einblicke in derartige Prozesse. Intensivere Sensibilisierungen für Aspekte der Kommunikation haben Formen der Repräsentation und Propaganda, ebenso die Bedeutung des symbolischen Handelns ins Zentrum der historischen Forschungen gestellt. Gedenkstättendiskussionen einerseits und die Ergebnisse der Hirnforschung andererseits führen derzeit zu einer Neubewertung dessen, was ,Gedächtnis‘ überhaupt ist – und betreffen damit grundlegend die Frage, was ,Geschichte‘ sein kann.

„So lange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte.“ (Martin Walser, Ein springender Brunnen)

Der Zugang zur Vergangenheit erfolgt also von der Gegenwart aus und ist auch nur so möglich. Geschichte ist „die im Bewusstsein der Gegenwart verarbeitete Vergangenheit“ (Hans-Werner GoetzGoetz, Hans-Werner). Noch drastischer formulierte es Benedetto CroceCroce, Benedetto (1866–1952): „Alle Geschichte ist Zeitgeschichte.“ Dabei ist die Befangenheit in den Fragestellungen und Denkweisen ihrer Zeit für die Historiker keineswegs nur eine unerfreuliche Last, von der sie sich zur Objektivierung ihrer Tätigkeit möglichst zu befreien trachten sollten, sondern sie ist, im positiven Sinne, ebenso Teil und Grundlage der ihnen auferlegten Pflicht, den Wissens-, Kenntnis- und Orientierungsbedarf ihrer Zeit zu erfüllen.

Info: Der „Fall“ Roms

In seinem Buch „Der Fall Roms. Die Auflösung des Römischen Reiches im Urteil der Nachwelt“ von 1984 hat der Althistoriker Alexander Demandt nicht den Untergang des Römischen Reiches, sondern die bislang dazu vorgetragenen Deutungen zum Thema gemacht. Rund 400 verschiedene Erklärungen konnten von ihm zusammengestellt werden: Frauenemanzipation oder fehlende Männerwürde, Askese oder Genusssucht, Führungsschwäche oder Totalitarismus, die vorhandenen Besitzunterschiede oder die soziale Egalisierung, Polytheismus oder ChristentumChristentum, Faulheit oder Stress, Duckmäuserei oder Hybris, Überfremdung, Überzivilisation oder Unterentwicklung, Frühreife, Rentnergesinnung und Gicht, das Badewesen und der Regenmangel, die Korruption, Dezentralisation, Prostitution und Bodenerosion, der Ruin des Mittelstandes und die Traurigkeit, die Degeneration des Intellekts, die Freiheit im Übermaß, die Selbstgefälligkeit, Impotenz oder auch nur die unnützen Esser – die vorgebrachten Gründe für den „Fall Roms“ scheinen unermesslich zu sein und haben sowohl ihn als auch die seit anderthalb Jahrtausenden fortdauernde Suche nach seinen Ursachen selbst zum Fall werden lassen. Und wer angesichts der unterschiedlichsten Antworten in ‚Resignation‘ verfällt oder ‚Nichternst‘ vermutet, wird feststellen müssen, dass Vorgängern und Zeitgenossen in gleicher Seelenlage eben dieses zum Kern ihrer Beschäftigung mit dem Fall Roms geriet. Durch diese Erkenntnis ist der Leser aber auch schon einem zentralen Anliegen des Buchs von Alexander Demandt nähergekommen.

1.3.4 Die Antike als das ,nächste Fremde‘

Eine besondere Rolle kommt der Beschäftigung mit der Antike durch ihre Stellung in dem uns zugänglichen Wissens- und Erkenntnishorizont zu, eine Position, die Uvo HölscherHölscher, Uvo, in einer oft aufgenommenen Formulierung, die Antike als das „nächste Fremde“ bezeichnen ließ. Ausgedrückt werden soll damit, dass uns die Antike in vielem eigentümlich vertraut und doch zugleich fremd ist. Vieles hat aus der Antike bis in unsere heutige Zeit reichende Traditionslinien entwickelt, die uns in gegenläufiger Richtung den Blick auf das Altertum erleichtern. Doch auf der anderen Seite sehen wir dabei auch immer wieder eine uns eigenartig fremd erscheinende, oft verschlossen bleibende Kultur. So entwickelt sich ein Spannungsverhältnis von Eigenem und Fremdem, von Bekanntem, doch fremd gewordenem, von Dingen, die wir noch verstehen, und anderen, wo dieses nicht mehr gesichert oder möglich ist. Die so bei der Betrachtung der Antike gewonnenen Erfahrungen sind von genereller Relevanz für die Begegnung mit fremden Kulturen: für die Erfassung kultureller IdenIdentitäten, Bewusstmachung der eigenen Lebensweise und Perspektiven sowie die angemessene Einordnung kultureller Unterschiede.

1.3.5 Relative Einfachheit und Abgeschlossenheit

Als weitere paradigmatische Eigenschaften der Antike gelten die relative Einfachheit ihrer Strukturen und Geschehensabläufe sowie ihre Abgeschlossenheit. Christian MeierMeier, Christian spricht von einer „relativen Naturnähe“ der Antike: Der bei einer solchen Bewertung durchscheinende Entwicklungsgedanke wird sicherlich die meisten von einer derartigen qualitativen Zuweisung der Antike zurückhalten. Doch gemessen an dem radikalen Veränderungstempo und der Komplexität unserer globalisierten Gegenwart wird man die Bewertung vielleicht cum grano salis akzeptieren können. Die Abgeschlossenheit der Ereignisse und Prozesse bietet schließlich für die historische Analyse einen optimalen Rahmen: Jeder Akt in der Antike kann auch auf seine kurz- und langfristigen Folgen, auf Intendiertes und Nichtintendiertes untersucht und so von verschiedenen Seiten, aus der Perspektive der Handelnden und ex eventu bewertet und verglichen werden. Gerade in der Zeitgeschichte ist dieser souveräne Blick auf abgeschlossene Entwicklungen in aller Regel nicht möglich – und notwendigerweise zwingen nicht vorhersehbare Folgen zu manch neuer Bewertung vergangener Ereignisse.

Die Abgeschlossenheit ermöglicht in Verbindung mit der zeitlichen Distanz schließlich auch erst die genauere Erfassung von grundlegenden PARADIGMENWECHSELN in der politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Entwicklung. Relative Einfachheit und Abgeschlossenheit erleichtern weiterhin die ModellbildungModellbildung zur Skizzierung historischer Prozesse. Weitet man die Kenntnis dieser ParadigmenwechselParadigmenwechsel auf die Rezeptionsphasen aus, so tritt mit dem Vorbeiziehen der wechselnden zeitgenössischen Fragestellungen, der quellen- und methodenbedingten Einflüsse, von Standortgebundenheit beteiligter Personen, Personengruppen, Gelehrtenschulen oder Nationen in den verschiedenen Generationen auch die historische Bedingtheit der eigenen Erkenntnisinteressen und der Erkenntnismöglichkeiten scharf hervor (→Kap.3.1.4–3.1.6).

1.3.6 Methodische Dichte

Schließlich ist für das Arbeiten in der Alten Geschichte die besondere methodische Dichte hervorzuheben: Die relative Quellenarmut wird zur Tugend, da zur Beantwortung einer Fragestellung in der Regel alle verfügbaren Quellengruppen, d.h. literarische, epigraphische, numismatische, archäologische Zeugnisse etc. gleichzeitig herangezogen, auf ihren jeweiligen Aussagewert untersucht und gegenseitig gewichtet werden müssen – die dann wiederum oft erst durch Vergleiche oder Modelle verständlich gemacht werden können. Für Studierende ist in der Alten Geschichte der Umgang mit den Quellen besonders gut zu lernen, ja, in der breiten Erschließung und dichten Auswertung der Quellen sowie in ihren interdisziplinären Zugängen kann der Alten Geschichte innerhalb der Geschichtswissenschaften geradezu der Rang eines methodischen Exerzierfelds zukommen. Ausdrücklich ist dafür auch auf das oft über Generationen reichende Bemühen um das Verständnis derselben Quellen hinzuweisen. Die Betrachtung des Forschungsgangs bettet das eigene Verständnis in einen langen Diskussionsprozess ein, vor dem es sich als erstes zu bewähren hat. Diese ständige Auseinandersetzung mit einer Vielzahl vorliegender Deutungen, mit ihrer Anordnung und Auslegung vor dem Hintergrund veränderter zeitgenössischer Kenntnisse und Interessen und die Feststellung der Faktoren, die zu veränderten Perspektiven führten – all dieses ließ Dieter TimpeTimpe, Dieter vor einigen Jahrzehnten gar von einem insgesamt höheren Reflexionsgrad sprechen, der das Arbeiten in der Alten Geschichte auszeichne.

Die Kehrseite der vorgegebenen Konzentration auf die Quellen ist allerdings das ‚Hinausdenken‘. So bewahrt die in der Alten Geschichte verbreitete Weiterverwendung der Sprache der Quellen größtmögliche begriffliche Genauigkeit, auf der anderen Seite erschwert sie jedoch die Kommunikation mit Nachbarwissenschaften und behindert Einordnungen auf einer höheren Abstraktionsebene sowie Vergleiche. Und auch für die Theorieentwicklung hat die Alte Geschichte sicherlich mehr Impulse von außen erfahren, als sie selbst Impulse gegeben hat.

1.3.7 Tendenz zur UniversalgeschichteUniversalgeschichte

Allein der Kernbereich der Alten Geschichte deckt einen Zeitraum von beinahe anderthalb Jahrtausenden ab. Für ein adäquates Verständnis der Voraussetzungen und die Würdigung antiker Gesellschaften nützlich ist ferner eine gewisse Kenntnis der frühen Hochkulturen. Gleichfalls als Gegenstand der Alten Geschichte hinzu treten die nachfolgenden Traditionslinien, wie etwa die Rezeptionsphasen in RenaissanceRenaissance und KlassizismusKlassizismus. Und schließlich ist jedes wissenschaftliche Arbeiten in der Alten Geschichte durch die notwendige Auseinandersetzung mit den teils über Jahrhunderte reichenden Bemühungen um dieselben Quellen stets ein Stück WissenschaftsgeschichteWissenschaftsgeschichte, die nur vor dem Hintergrund einer breit angelegten historischen Bildung verstanden und für die Interpretation mit Gewinn herangezogen werden kann.

Diese oft hervorgehobene Tendenz zur Erweiterung ihres Gegenstands wird durch die Vielfalt der von der Alten Geschichte behandelten Kulturen noch einmal besonders signifikant: Sowohl die griechische Geschichte mit ihren Kolonisationsbewegungen als auch der HellenismusHellenismus und die Geschichte Roms mit ihren militärischen Unternehmungen sind gekennzeichnet durch raumgreifende Expansionsphasen. Die Griechen und Römer drangen in weit entfernte Gebiete mit unterschiedlichsten naturgeographischen Voraussetzungen und mit nicht weniger divergierenden Lebensweisen und kulturellen Traditionen der Bewohner vor: Kleinasien, das Schwarzmeergebiet und das westliche Mittelmeer; Syrien, Arabien, ÄgyptenÄgypten, das Zweistromland und die Regionen bis zum Hindukusch; Nordafrika, die keltischen und germanischen Gebiete Nordeuropas und die britischen Inseln.

Das Aufeinandertreffen unterschiedlichster Kulturen, die Wahrnehmung der Fremdheit, Ausgrenzungen oder kulturelle Annäherungen und Vermischungen sind ein elementarer Bestandteil der Geschichte der Antike. Um zwei in der Gegenwart zu Schlagwörtern geronnene Ambivalenzen zu nennen: Die ,Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ war in den antiken politischen Systemen und Kulturen stets ebenso präsent wie die ,Vielfalt in der Einheit‘. Wenn für dieses Potential in der Forschung der möglicherweise noch größere Räume assoziierende Begriff UNIVERSALGESCHICHTEUniversalgeschichte gewählt wird, so erklärt sich dieses allerdings auch aus einer bewussten Abgrenzung zu den lange vorherrschenden nationalstaatlichen Perspektiven der Geschichtsschreibung. Die gegenwärtig von Teilen der Alten Geschichte feststellbare Annäherung an die EthnologieEthnologie, auf dem Weg zu einer vergleichenden Erfassung der verschiedenen menschlichen Lebensformen, bringt sie in gewisser Weise ebenso wieder einer universalhistorischen Ebene näher (→Kap4.4).

Da die Alte Geschichte sich einer nationalstaatlichen Perspektive weitgehend entzieht, ist sie in jüngerer Zeit – zumal von politischer Seite – vielfach mit der EuropaEuropa-Idee verbunden worden. Die griechisch-römische Zivilisation rückt dabei in eine traditionsbildende, wenn nicht vorbildliche Rolle für ein sich als politische und kulturelle Einheit verstehendes Europa – für dessen Abgrenzung von Asien es ja aus geographischer Perspektive keine Grundlage gibt. Antike Kultur und – kaum präzise gefasste – Vorstellungen einer völkerübergreifenden politischen Integration in der Antike werden zum auch exklusiv gebrauchten Argument im europäischen Einigungsprozess. Von manchen Ländern ist das Aufzeigen dieser Verbindungen zur europäischen Identitätsfindung direkt als Bildungsauftrag formuliert worden.

Unabhängig von der Bewertung der politischen Instrumentalisierung der Vergangenheit ist aus althistorischer Perspektive allerdings anzumerken, dass der Antike ein vergleichbares Europabewusstsein fremd war. Daneben provoziert diese IdentitätsstiftungIdentitätsstiftung auch eine geographische Engführung beim Blick zurück auf die Antike. Viele der politisch und kulturell bedeutendsten Zentren der griechisch-römischen Mittelmeerzivilisation lagen außerhalb der Grenzen dessen, was heute als EuropaEuropa akzeptiert wird, wozu man nur auf die Städte Kleinasiens, des Nahen Ostens, Ägyptens oder Nordafrikas hinzuweisen braucht, die integraler und Impuls gebender Teil dieser Zivilisation waren. Dieses wiederum wird von interessierter Seite zuweilen als Argument für die Zugehörigkeit speziell Kleinasiens zum heutigen Europa formuliert. Doch nicht zuletzt birgt die Berufung auf gemeinsame geistig-kulturelle Wurzeln als Argument in einem positiv beurteilten politischen Prozess die Gefahr, die Antike allzu undifferenziert als vorbildlich erscheinen zu lassen und sie zu idealisieren. Doch die Antike hatte auch viele Schattenseiten wie die Sklaverei, die Rolle des Krieges oder die stete Präsenz physischer Gewalt. Zu Recht ist diesbezüglich schon vor einem ,Dritten HumanismusHumanismus‘ gewarnt worden.

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