Kitabı oku: «Logos Gottes und Logos des Menschen», sayfa 12

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4.3.5. Die Einfachheit der Glaubenserkenntnis

Die Menschwerdung des göttlichen Logos in Christus bringt also eine spezifische Art der Erkenntnismöglichkeit mit sich: Der Mensch kann nun durch die im Glauben und durch Kreuzesnachfolge und Eucharistie vollzogene Einheit mit Christus eine personal vermittelte Erkenntnis der Wahrheit erlangen.

Dieses spezifisch christliche Verständnis von Wahrheitserkenntnis stand Ratzinger zufolge in der Spätantike in starkem Kontrast zur philosophischen Auffassung von Wahrheitserkenntnis. Diese nämlich geschah für die Philosophen des Neuplatonismus in der Reinigung des Geistes durch den Aufstieg zum ‚Nous‘, zum geistigen Urprinzip der Wirklichkeit. Wie schon erwähnt, war dem einfachen Volk dieser Aufstieg des Geistes versperrt und so musste es sich mit den vorläufigen Reinigungen des Götterkultes begnügen.163 Eine solche elitäre Form von Wahrheitserkenntnis war für die Kirchenväter undenkbar: Für Augustinus liegt das Geheimnis der Christen laut Ratzinger darin, dass der Nous Fleisch geworden ist. Die „höchste Reinigung zur letzten Geistigkeit geschieht nun gerade nicht mehr durch den intellectus, sondern in der fides.“164 Sie ist deshalb nicht, wie bei den antiken Philosophen, „einfach Denkbemühung von unten, sondern vor allem Gnade von oben.“165

Die Erkenntnis des Glaubens hat also nichts mit Denkanstrengungen oder philosophischer Spekulation zu tun, sondern kommt in Christus von außen auf den Menschen zu.166 Alles, was der Mensch tun muss, um sie zu erlangen, ist, die Einheit mit Christus zu suchen, in der Nachfolge Christi immer mehr in dessen Willen und somit in den Willen des Schöpfers einzustimmen und auf diesem Wege die Autonomie seiner eigenen Vernunft durch die Vernunft des Schöpfers aufbrechen und weiten zu lassen. „Die Erkenntnis Gottes ist nicht wie die Erkenntnis irgendeines Dinges. Sie ist ein Weg. Und nur wer ihn geht, kann sehen. Wer sich dem Weg weigert, wer nur seine neugierigen Augen bereitstellt, aber sein Sein, sich selbst heraushalten will, der findet nicht.“167

Diesen Akt der Nachfolge Christi in der Aufgabe der Autonomie und der Unterwerfung des Eigenwillens unter den Willen des Schöpfers nach dem Vorbild des Sohnes bezeichnet Ratzinger im Anschluss an Augustinus als die christliche Demut (Humilitas). Sie steht als Weg der Wahrheitserkenntnis „gegen die superbia der Philosophen“168: Nicht der elitäre Hochmut bringt den Menschen zur Wahrheit, sondern die demütige Unterwerfung unter dieselbe. Wahrheitserkenntnis ist nach christlicher Auffassung demnach nicht mehr einer aufgeklärten Elite vorbehalten, sondern jedem noch so einfachen Menschen, der sich im Glauben demütig dem Wort und Willen Gottes unterordnet, zugänglich.

Benedikt XVI. bezieht diese Einsicht in seinem ersten Jesus-Buch in Anlehnung an Joh 6,44 auf die Erfahrung Jesu mit den geistigen Eliten Israels: „Nicht die Schriftkundigen, die beruflich mit Gott Beschäftigten erkennen ihn; sie bleiben im Dickicht ihrer Detailerkenntnisse stecken. Der einfache Blick auf das Ganze, auf die sich offenbarende Wirklichkeit Gottes selbst, ist ihnen durch all ihr Wissen verstellt – so einfach kann es eben nicht sein für den, der so viel von der Komplexität der Probleme weiß.“169 Wahrheitserkenntnis ist im Christentum nach Ansicht Ratzingers analog dazu gerade nicht den Exegeten und anderen Theologen vorbehalten, sondern in Christus allen zugänglich geworden. „An Gott glauben heißt an die Wahrheit glauben; an Christus glauben heißt an ihre Zugänglichkeit glauben“170.

So ist es laut Ratzinger nicht die intellektuelle Anstrengung, sondern in Anlehnung an die Bergpredigt „die Reinheit des Herzens, die sehend macht. Darin besteht jene letzte Einfachheit, die unser Leben auftut für den Offenbarungswillen Jesu.“171 Diese Reinheit des Herzens bedeutet für Ratzinger nichts anderes als das Einstimmen in den Sohneswillen, das Ablassen von der eigenen Autonomie, die sich in sich selbst verschließt. Christliche Erkenntnis hat für ihn mit „Kindwerden“172, mit Abhängigkeit von etwas Größerem, mit Demut zu tun. Sie steht im krassen Gegensatz zu einer menschlichen Vernunft, die sich selbst als völlig autonom versteht. Christliche Aufklärung ist für Ratzinger somit keine Aufklärung einer solchen autonomen Vernunft des Menschen, wie sie in der Neuzeit verstanden wird, sondern die Aufklärung einer demütigen und vernehmenden Vernunft, die sich von der Vernunft des Schöpfers abhängig weiß.

Aus dieser Einsicht Ratzingers in die Einfachheit christlichen Glaubens und seiner auf die Nachfolge Christi ausgerichteten Wahrheitserkenntnis erklärt sich sein Selbstverständnis als ‚Anwalt der einfachen Gläubigen‘, als welcher er sich als Präfekt der römischen Glaubenskongregation verstand. Denn nicht theologische Spekulationen bringen den Menschen seiner Ansicht nach der Wahrheit näher, sondern der einfache Glaube an die Menschwerdung des Logos Gottes in Jesus Christus, die jedem Menschen diesen Logos zugänglich macht. Die Theologie ist, wie im Folgenden gezeigt wird, laut Ratzinger alles andere als überflüssig, aber „sie darf nicht die letzte Einfachheit des Glaubens verschatten, der uns einfach vor Gott stellt und vor einen Gott, der mir nahe geworden ist, indem er Mensch geworden ist.“173 Dieser einfache Glaube darf niemals theologischen Spekulationen zum Opfer fallen. Denn nicht diese sind es für Ratzinger, die am Ende die Kirche in schweren Krisen retten, sondern „der Glaube derer, die einfachen Herzens sind“174. Er ist für ihn „der kostbarste Schatz der Kirche; ihm zu dienen und ihn selbst zu leben die höchste Aufgabe kirchlicher Erneuerung.“175

4.3.6. Die Vernünftigkeit des Glaubens

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der christliche Glaube für Ratzinger alles andere ist als ein „blindes Sichausliefern ins Irrationale hinein.“176 Vielmehr geschieht in ihm ein „Zugehen auf den ‚Logos‘, auf die ‚Ratio‘, auf den Sinn und so auf die Wahrheit selbst, denn am Ende kann und darf der Grund, worauf der Mensch sich stellt, kein anderer als die sich eröffnende Wahrheit selber sein.“177 Der Glaube an Christus ist nichts Unvernünftiges, sondern er steht im Gegenteil in vollkommener Kontinuität zum aufklärerischen Schöpfungsglauben Israels, da sich in Christus genau jene Vernunft Gottes offenbart, die auch schon in der Schöpfung zum Vorschein kommt. So ist christlicher Glaube nicht etwa „Resignation der Vernunft angesichts der Grenzen unserer Erkenntnis“178, sondern ganz im Gegenteil „Mut zum Sein und Aufbruch ins Große und Weite des Wirklichen.“179 Denn sein Mysterium ist nicht „das Irrationale, sondern die äußerste Tiefe der göttlichen Vernunft, die wir mit unseren schwachen Augen nicht mehr zu durchdringen vermögen.“180

So gehört es nach Überzeugung Ratzingers zum Wesen des christlichen Glaubens, dem Menschen seinen Halt nicht in der Gewohnheit, sondern in der Wahrheit zu geben. Der Glaube kommt nicht aus der menschlichen Vernunft, aber er spricht sie an, weil er die Wahrheit zum Gegenstand hat und „der Verstand für die Wahrheit geschaffen ist. Insofern ist ein Glaube ohne Verstand kein richtiger christlicher Glaube.“181 Weil der Glaube an Christus in die personale Berührung mit der Wahrheit des Seins führt, würde er also „seinen eigenen inneren Ausgangspunkt bestreiten“182, wenn Theologie als vernünftige Reflexion des Glaubens keinen Platz in ihm hätte.

Dies ist der Grund, weshalb für Ratzinger Theologie als „eine Rationalität, die im Glauben selbst bleibt und den eigenen Zusammenhang des Glaubens entwickelt“183, zum Wesen des Glaubens gehört. Wichtig zu sehen ist an dieser Stelle, dass Theologie von Ratzinger damit als eine innere Rationalität des Glaubens begriffen wird, als eine „Vernunft im Glauben und aus dem Glauben“184. Es handelt sich dabei also nicht um eine glaubensunabhängige Vernunft, die den Glaubensaussagen von ‚außen‘ nachdenken würde, sondern um eine Vernunft, die selbst schon den Glaubensakt vollzogen hat. Denn nur unter dieser Voraussetzung bleibt sie nach Ansicht Ratzingers davor bewahrt, sich in Religionsphilosophie oder reine Geschichtswissenschaft aufzulösen.185 Theologie kann also laut Ratzinger wirklich christliche Theologie nur unter der Voraussetzung bleiben, dass sie sich selbst glaubend dem Primat des Logos Gottes unterstellt: Es handelt sich um eine glaubende Vernunft. Nur indem sie glaubt, kann sie dem Anspruch des Christentums gerecht werden, mit der Offenbarung der objektiven Wahrheit des Seins zu tun zu haben. Andernfalls „verschwindet … das eigentlich Christliche, es tritt ins Allgemeine der Religionsgeschichte zurück.“186

Auch die vom Christusglauben unabhängige Vernunft des Menschen kann für Ratzinger zu diesem Glauben nicht im Widerspruch stehen. Denn dieser ist ja eben Glaube an die personal geschehene Offenbarung der einen Wahrheit, auf welche auch die glaubensunabhängige Vernunft in ihren verschiedenen Tätigkeiten ausgerichtet ist. Glaube und Vernunft richten sich also auf die gleiche Wahrheit. Sie sind laut Ratzinger „auch in ihrem Anderssein in der Wahrheit vereint, beide stellen eine wichtige Rolle im Dienst an der Wahrheit dar, beide finden ihre ursprüngliche Grundlage in der Wahrheit.“187 Diese ist ihr gemeinsamer Bezugs- und damit auch ihr Verbindungspunkt.

In ihrer jeweiligen Ausrichtung auf die eine Wahrheit sind Glaube und Vernunft Ratzinger zufolge stark voneinander abhängig: Die Ablehnung oder Annahme der Wahrheit auf der einen Seite bedingt die Ablehnung oder Annahme derselben auf der anderen. „Wer Metaphysik leugnet, leugnet Schöpfung und leugnet so den christlichen Gottesbegriff selbst. Umgekehrt ist auch der Schöpfungsglaube nach wie vor das stärkste rationale Fundament des christlichen Gottesbegriffs und seiner metaphysischen Implikation“188.

4.3.7. Das bleibende Recht des Griechischen im Christentum

Diese Argumentation Ratzingers hat natürlich zur Voraussetzung, dass die Vernunft des Menschen tatsächlich fähig ist, den Logos als einheitlichen Bezugspunkt ihrer verschiedenen Tätigkeiten in der Wirklichkeit erkennen zu können, wie es die Überzeugung der antiken Philosophie war. Nur aufgrund dieser in der antiken Philosophie gegebenen erkenntnistheoretischen Voraussetzung war die von Ratzinger beschriebene frühchristliche Synthese zwischen Offenbarungsglauben und philosophischer Vernunft überhaupt möglich, denn wo die Philosophie eine metaphysische Wahrheit in der Wirklichkeit fand, konnte das Christentum sich als die Offenbarungsreligion ebendieser Wahrheit verstehen und auf diesem Wege ‚objektive‘ Wahrheit für sich beanspruchen.

Weil Ratzinger also den christlichen Wahrheitsanspruch auf dieser frühchristlichen Synthese von Glauben und antiker Philosophie begründet, betont er in seinen Schriften häufig und nachdrücklich den für das christliche Selbstverständnis notwendigen und konstitutiven Charakter dieser geschichtlichen Synthese, so z.B. in der Einführung in das Christentum: „Ich bin der Überzeugung, dass es im Tiefsten kein bloßer Zufall war, dass die christliche Botschaft bei ihrer Gestaltwerdung zuerst in die griechische Welt eintrat und sich hier mit der Frage nach dem Verstehen, nach der Wahrheit verschmolzen hat“189. Auch in seiner Regensburger Vorlesung betont Benedikt XVI.: „Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des griechischen Denkens war kein Zufall.“190 Als biblische Belegstelle zieht er hier wie dort Apg 16,6–10 heran, wo berichtet wird, wie Paulus in einer Vision ein Mazedonier erscheint, der ihn darum bittet, seine Verkündigung im griechischen Raum statt in Kleinasien fortzusetzen. Diese Vision darf laut Ratzinger „als Verdichtung des von innen her nötigen Aufeinanderzugehens zwischen biblischem Glauben und griechischem Fragen gedeutet werden.“191 Wenn hier von ‚griechischem Fragen‘ die Rede ist, deutet sich damit wie schon vorher das Verständnis der griechischen Vernunft als einer sokratischen, nach Wahrheit fragenden Vernunft an.

Ein früher Aufsatz Ratzingers aus dem Jahre 1960 macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass es ihm bei der Betonung des Griechischen im Christentum keinesfalls um die Untrennbarkeit von Christentum und konkreter griechischer Kultur geht. Zwar können die damals angenommenen kulturellen Ausdrucksweisen des Glaubens niemals wieder „einfach übersprungen oder übergangen werden, sondern Graecitas und Romanitas sind in diesem Prozess der Selbstaussprache des Glaubens in abendländisches Denken hinein zu unaufhebbaren Bestandteilen der christlichen Wirklichkeit geworden.“192 Doch, wie bereits aufgezeigt, begegnet Wahrheit dem Menschen nach Meinung Ratzingers immer nur in geschichtlicher Gestalt; sie „kann vom Menschen immer nur in menschlicher Sprache gesagt und gedacht werden und menschliche Sprache ist immer geschichtliche Sprache, nie einfach die absolute Sprache – der ‚Logos‘ – der Wahrheit selbst.“193 Wenn also auch die eine Wahrheit zur Sprache kommt, so doch immer nur in verengter Form durch die Sprachlichkeit des Menschen hindurch. So ist es durchaus möglich, eine Aussage, die zeitbedingt Absolutes ausdrückt, zu übersetzen – und zwar „wieder in zeitbedingtes Denken hinein, das wieder neu das eine Wahre sieht.“194 Aus diesem Grund gibt es bei aller Maßgeblichkeit des Griechischen und Römischen für den christlichen Glauben doch „keinen theologischen oder philosophischen Grund für eine Exklusivsetzung des Abendländischen“195. Christlicher Glaube kann demnach auch in den Kontext anderer Kulturen ‚übersetzt‘ werden und in ihnen Fuß fassen.196

So ist es also nicht die antike Kultur in ihren einzelnen Ausformungen, die laut Ratzinger für das Christentum konstitutiv ist, sondern vor allem der auf metaphysische Wahrheitserkenntnis ausgerichtete Vernunftbegriff der antiken Philosophie, auf den sich das Christentum in seinem Wahrheitsanspruch beziehen konnte. Denn es ist gerade das Stellen der metaphysischen Wahrheitsfrage, in der die griechische Kultur nach Ansicht Ratzingers eben nicht in sich abgeschlossene Kultur ist, sondern sich selbst transzendiert: Indem sich das griechische Denken zur Wahrheit hin öffnet, wird es universales Denken und von seiner spezifischen Kultur unabhängig. So war Ratzinger zufolge die griechisch-christliche Synthese nur möglich, weil sich in der griechischen Kultur durch die philosophische Orientierung an der Wahrheit ein „Vorgang der Selbstüberschreitung angebahnt hatte. Die Väter haben nicht einfach eine in sich stehende und sich selbst gehörende griechische Kultur ins Evangelium eingeschmolzen. Sie konnten den Dialog mit der griechischen Philosophie aufnehmen und sie zum Instrument des Evangeliums dort machen, wo in der griechischen Welt durch die Suche nach Gott eine Selbstkritik der eigenen Kultur und des eigenen Denkens in Gang gekommen war.“197

Von diesem Gedanken ausgehend ist es klar, dass ‚Hellenisierung des Christentums‘ für Ratzinger eben nicht die Bindung der missionierten Völker an eine griechische Kultur meint, „sondern an deren Selbstüberschreitung, die der wahre Anknüpfungspunkt für die Auslegung der christlichen Botschaft war.“198 Der christliche Glaube konnte eben genau da in die griechische Kultur eintreten, „wo sie selbst begonnen hatte, aus sich herauszutreten, wo sie sich auf den Weg ins Offene der gemeinsamen Wahrheit begeben und die Einhausung im bloß Eigenen hinter sich gelassen hatte.“199 Nicht die griechische Kultur an sich ist Ratzinger also wichtig, sondern die Ausrichtung ihrer Philosophie auf die Wahrheitsfrage. Denn diese „Grundfrage der griechischen Philosophie“ ist es seiner Ansicht nach, „mit der der menschliche Geist in ein neues Stadium seiner Geschichte getreten war: die Frage nach der Wahrheit selbst, nach dem Sein selbst.“200 Diese Offenheit des Denkens für die Wahrheitsfrage, d.h. die philosophische Metaphysik, ist Ratzinger zufolge der geeignete Anknüpfungspunkt für den Schöpfungsund mit ihm auch den Offenbarungsglauben an die menschliche Vernunft. Die Verbindung des Glaubens mit dem metaphysischen Denken ist laut Ratzinger die Grundlage seines bleibenden Wahrheitsanspruchs, weil der Glaube sich so mit der Wahrheit verbindet, die auch die Vernunft des Menschen in der Wirklichkeit finden kann.

4.3.8. Die aktuelle Verbindung von Metaphysik und Offenbarungsglaube

An dieser Stelle muss an die Einsichten der vorangegangenen Kapitel erinnert werden, in denen dargestellt wurde, wie Ratzinger auch im heutigen Kontext zeigen will, dass die Vernunft des Menschen fähig ist, den Logos Gottes als ihren metaphysischen Bezugspunkt zu erkennen. Diese Bemühung erfährt von den dargelegten Ausführungen her eine Erhellung bezüglich ihrer Motivation: Die Synthese von Metaphysik und Offenbarungsglaube, die das Christentum Ratzinger zufolge in der antiken Welt vollzogen hat, ist seines Erachtens auch heute noch die maßgebliche Form, in der das Christentum seinen Wahrheitsanspruch und seine Vernunftgemäßheit, seinen Bezug zum Ganzen der Wirklichkeit, zu verteidigen suchen muss. Zwar sieht er deutlich, dass Gottesbeweise im klassischen Sinne heute in der Theologie nicht mehr zur Geltung gebracht werden können. „Wenn aber die Sache, die damit gemeint war, ganz verabschiedet würde, geschähe etwas sehr Folgenreiches: Dem Glauben würde seine Offenheit in den Raum der gemeinsamen Vernunft aller Menschen hinein genommen.“201 Er würde dann „aus Wahrheit zu Folklore und damit von einem von innen her gegründeten Müssen zu einer Ware, die man verbettelt und an der niemand mehr Freude empfinden kann.“202

Die von der antiken Philosophie vertretene Annahme, menschliche Vernunft sei fähig, eine ihr vorgegebene kosmische Wahrheit zu erkennen und sich selbst als Nachdenken dieser Wahrheit zu begreifen, stellt für Ratzinger somit auch heute noch die notwendige Voraussetzung für eine Verantwortung des Glaubens vor der Vernunft dar. Nur wenn die Materie auf ein Vernunftprinzip des Schöpfers hin durchsichtig ist203 und wenn der Mensch auch in seinem praktischen Vernunftvermögen auf ein Vernunftprinzip in der Wirklichkeit zurückgreifen kann204, findet der Glaube Anknüpfungspunkte an die Vernunft des Menschen, da er sich, wie gesehen, im Schöpfungsgedanken auf die gleiche metaphysische Wahrheit bezieht wie es die menschliche Vernunft in den beschriebenen Tätigkeiten tut.

Weil es Ratzinger also um ein aktuelles Problem geht, wenn er die Synthese zwischen christlichem Offenbarungsglauben und antiker Metaphysik beschreibt, bezieht er den Offenbarungsgedanken auch auf seine im modernen Kontext herausgearbeitete Metaphysik: Die von Heisenberg in der Wirklichkeit entdeckte „zentrale Ordnung kann uns gegenwärtig werden wie die Mitte eines Menschen einem anderen Menschen. Sie kann uns begegnen.“205 Der Glaube an Jesus Christus ist laut Ratzinger nichts anderes als Glaube an den Zuspruch ebendieser von der Naturwissenschaft in der Wirklichkeit gefundenen ‚zentralen Ordnung‘.206 Diese wird in Christus als Mensch „sichtbar, hörbar, zugänglich. Der unbekannte Grund des Seins enthüllt sich als Vater.“207

Ich kann mich Christus nach Ratzinger dabei nur „deshalb unbedingt anvertrauen, weil er unbedingt ist, weil seine Person der objektive Grund alles Wirklichen ist.“208 Der Gott, zu dem man als Christ betet, ist von der Vernunft her verifizierbar; sie erkennt in ihm den objektiven Grund des Seins, auf dessen objektive Vernunft und Wahrheit sie sowohl als naturwissenschaftliche als auch als moralische und ästhetische Vernunft immer schon bezogen ist. Ohne diese Verbindung von Christus und metaphysischem Wahrheitsbegriff ist der Glaube auch heute nach Ansicht Ratzingers nicht vor der Vernunft zu verantworten. Mit der Annahme, dass der Mensch die Vernunft des Schöpfers in der Wirklichkeit als seiner Vernunft vorgegebenes Vernunftprinzip erkennen kann, steht und fällt somit die gesamte Argumentation Ratzingers hinsichtlich der Verbindung von Glaube und Vernunft.

Wie noch zur Sprache kommen wird, ist aber gerade die Erkennbarkeit eines vom Menschen nachdenkbaren metaphysischen Vernunftprinzips durch die philosophischen Entwicklungen der Neuzeit nachhaltig in die Kritik geraten.209 Aufgrund seiner beschriebenen Konzeption muss Ratzinger dagegen an einer solchen glaubensunabhängigen Erkenntnismöglichkeit des Schöpfungslogos mittels der menschlichen Vernunft festhalten.210 Es bleibt für ihn evident, dass die „Rationalität der Welt sinnvoll nicht aus der Irrationalität erklärt werden kann … Und so bleibt der Logos am Anfang aller Dinge nach wie vor die beste Hypothese … Die stille Evidenz Gottes ist auch heute nicht verschüttet, sie ist freilich wohl mehr denn je verstellt durch die Gewalt, die Macht und Nützlichkeit über uns ausüben.“211

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