Kitabı oku: «Logos Gottes und Logos des Menschen», sayfa 5

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1.4.5. Der Primat der Vernunft

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Evolutionstheorie nach Ratzinger dann unvollständig und unlogisch bleibt, wenn sie „ihre eigenen Lücken überspielt und die über die methodischen Möglichkeiten der Naturwissenschaft hinausreichenden Fragen nicht sehen will.“135 Sie muss anerkennen, dass diese Fragen, die innerhalb ihrer selbst aufgeworfen werden, nicht innerhalb ihrer selbst zu lösen sind. Sie verweisen vielmehr auf eine Rationalität der Natur, die sich nach Ratzinger zum einen in der Lesbarkeit der Materie zeigt, zum anderen im Entwicklungsprozess als Ganzem, der „trotz seiner Irrungen und Wirrungen durch den schmalen Korridor hindurch“136 für ihn etwas Rationales darstellt.

Es geht Ratzinger also im Kern um die Einbettung der Evolutionstheorie in ein rationales Ganzes. Das scheinbar Unvernünftige wird vom Vernünftigen umgriffen und so als im Prinzip vernünftig erkannt. „Letzten Endes geht es um eine Alternative, die sich bloß naturwissenschaftlich und im Grunde auch philosophisch nicht mehr auflösen lässt. Es geht um die Frage, ob die Vernunft bzw. das Vernünftige am Anfang aller Dinge und auf ihrem Grunde steht oder nicht. Es geht um die Frage, ob das Wirkliche aufgrund von Zufall und Notwendigkeit … also aus dem Vernunftlosen entstanden ist, ob also die Vernunft ein zufälliges Nebenprodukt des Unvernünftigen und im Ozean des Unvernünftigen letztlich auch bedeutungslos ist oder ob wahr bleibt, was die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens und seiner Philosophie bildet: In principio erat verbum – am Anfang aller Dinge steht die schöpferische Kraft der Vernunft.“137 Dies ist die Kernfrage, die den Vernunftbegriff Ratzingers charakterisiert und auf die man in dieser Arbeit in verschiedenen Variationen immer wieder stoßen wird: Gibt es ein vernünftiges Prinzip, das die Wirklichkeit strukturiert und auf das wir uns als Menschen mittels unserer Vernunft beziehen können, oder ist die Wirklichkeit im Ganzen unvernünftig und unsere eigene Vernunft nur ein Zufall der Evolution?

In Bezug auf die naturwissenschaftliche Vernunft lässt sich die Frage, wie schon gesehen, so ausdrücken: Ist die Evolutionstheorie die alles bestimmende Theorie der Wirklichkeit oder muss sie sich in eine ihr übergeordnete, rationale Struktur einordnen lassen? Es wurde deutlich, wie Ratzinger auf der Basis der naturwissenschaftlichen Vernunft für die letztere Alternative argumentiert: Naturwissenschaftliche Vernunft wird seiner Überzeugung nach erst durch den Bezug auf eine ihr vorgegebene vernünftige Struktur der Wirklichkeit möglich. Durch ihre Arbeit bringt die Naturwissenschaft diese vernünftige Struktur der Wirklichkeit mehr und mehr zum Vorschein. Außerdem lässt sich auch die Evolutionstheorie laut Ratzinger nur unter der Voraussetzung dieser Annahme einer ihr übergeordneten Vernunft erklären.

Der Primat der Vernunft vor dem Unvernünftigen ist somit für Ratzinger von der Naturwissenschaft her evident. Doch er geht sogar noch einen Schritt weiter: Ist die Rationalität der Wirklichkeit erst einmal anerkannt, gelangt man notwendig zur Frage, woher diese Rationalität stammt und somit zum Verweis auf den Schöpfer. „Die Naturwissenschaft kann und darf darauf nicht direkt antworten, aber wir müssen die Frage als eine vernünftige anerkennen und es wagen, der schöpferischen Vernunft zu glauben und uns ihr anzuvertrauen.“138 Die naturwissenschaftliche Vernunft kann durch ihre Einsicht in die gedankliche Struktur der Wirklichkeit somit nach Ratzinger den Menschen auf den Schöpfungsglauben verweisen, sodass er mit Bonaventura sagen kann: „Wer hier nicht sieht, ist blind, wer hier nicht hört, ist taub, und wer hier nicht anfängt anzubeten und den Schöpfergeist zu lobpreisen, der ist stumm.“139

Doch nicht nur die naturwissenschaftliche Vernunft des Menschen hat Ratzinger zufolge einen Zugang zum Logos des Schöpfers. Im nächsten Kapitel soll gezeigt werden, dass sich nach Ratzinger auch das moralische Denken des Menschen auf dieses kosmische Vernunftprinzip beziehen kann. Dieses vermittelt dem Menschen also nach Ansicht Ratzingers nicht nur theoretische, sondern auch praktische Wahrheit. Am Anfang seiner Schaffenszeit setzte sich Ratzinger allerdings zunächst sehr kritisch mit einer solchen moralischen Wahrheitserkenntnis des Menschen, die ihm Erkenntnis des ‚von Natur her Rechten‘ vermitteln könnte, auseinander.

1 Einführung, 35. Die zahlreichen Bezugnahmen Ratzingers auf andere Autoren wie z.B. auf Vico können im Rahmen dieser Arbeit nicht kritisch verfolgt werden, d.h. es wird nicht im Einzelnen geprüft, ob Ratzinger dem jeweiligen Autor in der Wiedergabe seiner Position tatsächlich gerecht wird.

2 Einführung, 37.

3 Einführung, 37.

4 Einführung, 37.

5 Einführung, 38.

6 Einführung, 38; vgl. auch Gottes Projekt, 65.

7 Geschichtlichkeit der Dogmen, 62.

8 Theologische Prinzipienlehre, 16.

9 Einführung, 38.

10 Einführung, 39.

11 Vgl. Einführung, 40.

12 Einführung, 40.

13 Eschatologie, 32.

14 Eschatologie, 32.

15 Dogma und Verkündigung, 88.

16 Dogma und Verkündigung, 89.

17 Vgl. Krise der Verkündigung, 212.

18 Dogma und Verkündigung, 89.

19 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 127.

20 Zeichen der Frau, 109.

21 Gottes Projekt, 34.

22 Dogma und Verkündigung, 90.

23 Einführung, 34.

24 Schöpfung und Evolution, 151.

25 Dogma und Verkündigung, 90.

26 Einführung, 34.

27 Letzte Sitzungsperiode, 48f; vgl. auch Auf Christus schauen, 19.

28 Dogma und Verkündigung, 195f.

29 Einführung, 39.

30 Einführung, 40.

31 Einführung, 39.

32 Einführung, 41.

33 Vgl. Geschichtlichkeit der Dogmen, 63; Einführung, 38f.

34 Theologische Prinzipienlehre, 17.

35 Die Problematik dieser philosophischen Weltanschauung für den Menschen und ihre theologische Parallele, die Ratzinger besonders in der politischen Theologie der Befreiung sieht, sollen im Rahmen der Vernunftkritik Ratzingers thematisiert werden; vgl. 5.5 und 5.7.6.

36 Vgl. Einheit des Glaubens, 11.

37 Einheit des Glaubens, 11.

38 Vgl. auch Theologie, 65f. Besonders die durch die technische Vereinheitlichung ermöglichte globale Vernetzung der Medien trägt nach Ansicht Ratzingers maßgeblich zur Uniformierung kultureller Lebensformen bei: „Die Massenmedien haben das Verhalten der Menschen selbst in ihren intimsten Bereichen und gerade da, wo es Ausdruck des Allerpersönlichsten sein sollte, bis nahezu in den letzten Winkel der Erde hinein uniformiert; sie schaffen Verhaltensmuster, Formen des Sprechens, des Denkens, der Gebärde, die, von den gleichen Bildern vorgeprägt, auf allen Kontinenten sich durchsetzen und auch vor politischen Grenzen nicht haltmachen. Diese Vereinheitlichung des Menschen, die ihn von außen nach innen bis ins Unbewusste hinab prägt, ist Auswirkung der vorher erzielten Kommunikation in der technischen Gestaltung der Welt, die ihrerseits auf der mathematischen Enträtselung der Natur beruht“ (Einheit des Glaubens, 11).

39 Gott und die Welt, 121.

40 Vgl. Gott und die Welt, 121.

41 Gott und die Welt, 121f.

42 Gott und die Welt, 122.

43 Glaube und Zukunft, 101.

44 Gott und die Welt, 122.

45 Vgl. 4.5.7.

46 Atheismus, 5.

47 Atheismus, 5.

48 Technische Sicherheit, 55.

49 Vgl. Technische Sicherheit, 55f.

50 Technische Sicherheit, 56.

51 Technische Sicherheit, 56.

52 Technische Sicherheit, 56.

53 Theologische Prinzipienlehre, 364.

54 Theologische Prinzipienlehre, 364.

55 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 126f.

56 Theologische Prinzipienlehre, 364.

57 Theologische Prinzipienlehre, 364f. Ratzinger bezieht sich in diesen Ausführungen auf Monod, 127 ff. und 139.

58 Vgl. Glaube – Wahrheit – Toleranz, 126; vgl. auch Letzte Sitzungsperiode, 47.

59 Vgl. Glaube – Wahrheit – Toleranz, 127: „Alles naturwissenschaftliche Denken und alle technische Anwendung beruht auf der Voraussetzung, dass die Welt nach geistigen Gesetzen geordnet ist, Geist in sich trägt, der von unserem Geist nachgezeichnet werden kann.“

60 Theologische Prinzipienlehre, 365.

61 Vgl. Theologische Prinzipienlehre, 365.

62 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 127.

63 Gott Jesu Christi, 31f.

64 Einstein, Albert: Mein Weltbild, hrsg. von C. Seelig, Zürich/Stuttgart/Wien 1953, 21, zit. nach Einführung, 116. Ratzinger bezieht sich auch noch im Jahr 1985 in Gottes Projekt, 35 auf dieses Zitat.

65 Vgl. Gottes Projekt, 36; vgl. auch Gott und die Welt, 98f.

66 Projekt Gottes, 35.

67 Einführung, 118.

68 Schöpfungsglaube, 8.

69 Schöpfungsglaube, 9.

70 Vgl. Einführung, 116.

71 Einführung, 117.

72 Vgl. 4.3.

73 Einführung, 118.

74 Theologische Prinzipienlehre, 75.

75 Vgl. Theologische Prinzipienlehre, 75.

76 Einführung, 116.

77 Letzte Sitzungsperiode, 47. Mit diesen Worten gibt Ratzinger seine Interpretation von GS 34 wieder, die sich klar mit seiner eigenen Meinung deckt.

78 Dogma und Verkündigung, 92.

79 Die gleiche Argumentationslinie verfolgt Benedikt XVI., wenn er fragt, ob am Anfang der Wirklichkeit der Schöpfergeist steht oder „das Unvernünftige, das sonderbarerweise einen mathematisch geordneten Kosmos hervorbringt“ (Gott und die Vernunft, 120).

80 Theologische Prinzipienlehre, 73f.

81 Theologische Prinzipienlehre, 74.

82 Gottes Projekt, 37.

83 Gottes Projekt, 37.

84 Vgl. Gottes Projekt, 34f.

85 Gottes Projekt, 35.

86 Gottes Projekt, 35.

87 Gottes Projekt, 35.

88 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 146.

89 Vgl. den Argumentationsgang in Glaube – Wahrheit – Toleranz, 144f.

90 Vgl. Dogma und Verkündigung, 147–160.

91 Dogma und Verkündigung, 149.

92 Heidegger, 42.

93 Dogma und Verkündigung, 157.

94 Vgl. Dogma und Verkündigung, 154f.

95 Dogma und Verkündigung, 155.

96 Dogma und Verkündigung, 157.

97 Dogma und Verkündigung, 157.

98 Zur Beantwortung der Frage, warum Ratzinger in seinem Aufsatz von 1968 eine solche Einheit von Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie denken kann, ohne die Evolutionstheorie immanent zu kritisieren, in späteren Veröffentlichungen dann aber gerade so viel Wert auf diese immanente Kritik der Theorie legt, vgl. 6.2.

99 Junker, R. / Scherer, S.: Evolution. Ein kritisches Lesebuch, 4. Aufl., Gießen 1998, 5, zit. nach Glaube – Wahrheit – Toleranz, 145.

100 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 145.

101 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 145.

102 Sathmáry, Eörs / Smith, John Maynard: The major evolutionary transitions, in: Nature 374, 227–232; zit. nach Glaube – Wahrheit – Toleranz, 145, wobei Ratzinger nach Junker/Scherer zitiert.

103 Schöpfung und Evolution, 150.

104 Schöpfung und Evolution, 150.

105 Schöpfung und Evolution, 150.

106 Schöpfung und Evolution, 151.

107 Schöpfung und Evolution, 151.

108 Schöpfung und Evolution, 151.

109 Schöpfung und Evolution, 151.

110 Schöpfung und Evolution, 152.

111 Schöpfung und Evolution, 152.

112 Vgl. Gottes Projekt, 36f; Glaube – Wahrheit – Toleranz, 122; Auf Christus schauen, 136; Unterwegs, 63.

113 Gottes Projekt, 66.

114 Gottes Projekt, 66. Monod erläutert dieses Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit folgendermaßen: „Wenn ich sage, dass die Lebewesen als Klasse nicht von den fundamentalen Prinzipien her voraussagbar sind, so will ich damit keineswegs suggerieren, dass sie aus diesen Prinzipien nicht erklärbar wären, dass sie sie irgendwie überschreiten und dass andere, allein und ausschließlich anwendbare Prinzipien herangezogen werden müssten. Nach meiner Ansicht ist die Biosphäre genauso unvorhersehbar wie die spezielle Konfiguration der Atome, aus denen der Kieselstein in meiner Hand besteht. Gegen eine universelle Theorie wird niemand den Vorwurf erheben, dass sie die Existenz dieser speziellen Atomkonfiguration nicht behauptet oder voraussieht; es genügt uns, dass dieses vorliegende, einzigartige und reale Objekt mit der Theorie vereinbar ist. Der Theorie zufolge muss dieses Objekt nicht, aber es darf existieren“ (Monod, 57). Tatsächlich spricht Monod wenig später auch wörtlich von ‚schöpferischer Freiheit‘: „Man muss daher sagen, dass die gleiche Störungsquelle, die bei einem unbelebten, das heißt nicht replikativen System langsam die ganze Struktur vernichten würde, in der belebten Natur am Beginn der Evolution steht und deren totale schöpferische Freiheit ermöglicht – freilich dank jener Bewahrerin des Zufalls, die gegen jede Störung unempfindlich ist – die replikationsfähige DNS-Struktur“ (a.a.O. 146).

115 Vgl. Gottes Projekt, 68f.

116 Gottes Projekt, 69.

117 Vgl. Monod, 139f: „Das ganze System ist … total konservativ, streng in sich abgeschlossen und absolut unfähig, irgendeine Belehrung aus der Außenwelt anzunehmen. Durch seine Eigenschaften wie durch seine Funktionsweise als eine Art mikroskopischer Uhr, die zwischen DNS und Protein wie auch zwischen Organismus und Umwelt Beziehungen ausschließlich in einer Richtung herstellt, widersetzt sich dieses System jeder ‚dialektischen‘ Beschreibung. Es ist von Grund auf kartesianisch und nicht hegelianisch: Die Zelle ist sehr wohl eine Maschine. Es könnte daher den Anschein haben, als müsse dieses System aufgrund seiner Struktur jeglichem Wandel, jeglicher Evolution sich widersetzen. Das ist ohne Zweifel richtig, und damit haben wir die Erklärung für eine Tatsache, die in Wirklichkeit noch viel paradoxer ist als die Evolution selbst, die Tatsache nämlich, das bestimmte Arten sich mit erstaunlicher Stabilität ohne merkliche Veränderungen seit hundert Millionen Jahren reproduzieren können.“

118 Gottes Projekt, 69.

119 Gottes Projekt, 71.

120 Gottes Projekt, 70.

121 Monod, 149.

122 Gottes Projekt, 70; vgl. Monod, 141f: „Wir sagten, diese Änderungen seien akzidentiell, sie fänden zufällig statt. Und da sie die einzige mögliche Ursache von Änderungen des genetischen Textes darstellen, der seinerseits der einzige Verwahrer der Erbstrukturen des Organismus ist, so folgt daraus mit Notwendigkeit, dass einzig und allein der Zufall jeglicher Neuerung, jeglicher Schöpfung in der belebten Natur zugrunde liegt. Der reine Zufall, nichts als der Zufall, die absolute, blinde Freiheit der Evolution – diese zentrale Erkenntnis der modernen Biologie ist heute nicht mehr nur eine unter anderen möglichen oder wenigstens denkbaren Hypothesen; sie ist die einzig vorstellbare, da sie allein sich mit den Beobachtungs- und Erfahrungstatsachen deckt.“

123 Gottes Projekt, 70.

124 Zit. nach Gottes Projekt, 36; in der Übersetzung von Friedrich Griese heißt es bei Monod: „So mancher ausgezeichnete Geist scheint auch heute noch nicht akzeptieren oder auch nur begreifen zu können, dass allein die Selektion aus störenden Geräuschen das ganze Konzert der Natur hervorgebracht haben könnte“ (Monod, 149).

125 Gottes Projekt, 37.

126 Auf Christus schauen, 34.

127 Auf Christus schauen, 34.

128 Auf Christus schauen, 136. Das betreffende Zitat aus Monods Werk, auf das Ratzinger sich hier bezieht, lautet: „Das Auftreten der vierfüßigen Wirbeltiere … geht darauf zurück, dass ein Urfisch sich ‚entschieden‘ hatte, das Land zu erforschen, auf dem er sich jedoch nur durch unbeholfene Sprünge fortbewegen konnte. Im Gefolge dieser Verhaltensänderung schuf er den Selektionsdruck, durch den sich dann die starken Glieder der Vierfüßler entwickeln sollten. Unter den Nachkommen dieses ‚kühnen Forschers‘, dieses Magellan der Evolution, können einige mit einer Geschwindigkeit von mehr als 70 Kilometern in der Stunde laufen“ (Monod, 157f).

129 Gottes Projekt, 70.

130 Gottes Projekt, 70.

131 Theologische Prinzipienlehre, 74.

132 Theologische Prinzipienlehre, 74.

133 Schöpfung und Evolution, 151.

134 Theologische Prinzipienlehre, 74.

135 Schöpfung und Evolution, 150.

136 Schöpfung und Evolution, 152.

137 Glaube – Wahrheit – Toleranz, 146.

138 Schöpfung und Evolution, 152.

139 Gottes Projekt, 36.

2. Moralische Vernunft
2.1 Naturrecht: Die moralische Vernunft in der Schöpfung
2.1.1. Kritik am Naturrechtsgedanken

Das Naturrecht hat nach Ratzinger seinen Ursprung im antiken Griechenland, in dem das durch den Götterglauben begründete Recht im Zuge der philosophischen Aufklärung seine religiöse Grundlage verlor. Sollte Recht nun nicht in bloßen positiven Setzungen bestehen, die schnell zu Unrecht werden könnten, musste ein Recht gefunden werden, „das aus der Natur, dem Sein des Menschen selbst folgt.“1 Ihre geschichtlich maßgebliche Form fand diese Suche nach einem solchen universalen Recht für Ratzinger bei Platon, der ausgehend von einigen allgemeinen Einsichten unter Rückgriff auf die deduktive Methode ein System überzeitlich geltender Wesenseinsichten entwarf.2

Wichtigkeit erlangte der Naturrechtsgedanke dann erneut zu Beginn der Neuzeit, und zwar zunächst im Zusammenhang mit der Entdeckung Amerikas, die aufgrund der Begegnung mit neuen Völkern die Frage aufwerfen musste, ob die fehlende Rechtsgemeinschaft mit diesen Völkern diese zu Rechtlosen machte oder ob es im Gegenteil ein Recht gibt, „das alle Rechtssysteme überschreitet, Menschen als Menschen in ihrem Zueinander bindet und weist“3. In dieser Situation entwickelte der spanische Theologe Francisco de Vitoria (um 1483–1546) die Idee eines ‚Rechts der Völker‘, welches der positiven staatlichen Rechtssetzung vorausgeht und so das rechte Miteinander der Völker ordnen kann.4 Ratzinger umschreibt diese Idee auch als den Gedanken „des Bereichs der ‚reinen Natur‘, die alle [Menschen; H. N.] umgreife und daher einen für alle gemeinsamen Rechtsrahmen ermögliche.“5 Dabei griff die christliche Theologie besonders auf die griechische Philosophie zurück, wobei nach Ansicht Ratzingers zu beachten ist, dass diese in einer konkreten geschichtlichen Situation und aufgrund von bestimmten geschichtlichen Anforderungen aufgenommen wurde und daher „der von ihr aufgeworfene Gedanke des natürlich Rechten in einer ganz bestimmten geschichtlichen Prägung zur Geltung kam.“6

Des Weiteren machten die Glaubensspaltungen des Christentums zu Beginn der Neuzeit ein vom Glauben unabhängiges Recht notwendig, um ein Zusammenleben von Menschen verschiedener Glaubensrichtungen zu ermöglichen.7 Mit dem Voranschreiten des Aufklärungsgedankens wurde die Ethik der positiven kirchlichen Glaubenssätze immer weiter von ethischen Aussagen, die auf natürlichen Einsichten aufbauten, zurückgedrängt. Dies führte laut Ratzinger dazu, dass „die lehrende Kirche wie auch die sie interpretierende Theologie, um den gegebenen Forderungen auch weiterhin Geltung zu verschaffen, immer stärker zu naturrechtlichen Kategorien Zuflucht nahmen bzw. immer größere Teile des vorliegenden Lehrgutes als auch naturrechtlich verbindlich darzustellen sich mühten.“8 Dabei wurde das deduktive Verfahren von der Theologie dermaßen überstrapaziert, dass die vermeintlich zwingenden logischen Denkschritte keineswegs für jeden einleuchtend waren und daher zur Verbürgung ihrer Vernünftigkeit nicht selten die Autorität der Kirche in Anspruch genommen wurde.9 Dies bedeutete jedoch, dass einerseits die Vernunft den Glauben, andererseits die Autorität des Glaubens die Vernunft stützen sollte. Diese unlogische Konzeption der Sicherung von Glaubenssätzen spiegelt für Ratzinger „die Problematik der Situation der Kirche in der Neuzeit, in der Zeit der Umstellung von einer rein kirchlichen auf eine weltanschaulich gemischte Gesellschaft.“10

Schon in seiner Dissertation Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche übt Ratzinger vorsichtige Kritik an dieser Funktionalisierung der Naturrechtslehre durch die Kirche. Er beschreibt darin das Verständnis des Naturrechts „als die Rechtsnormen des Schöpfers, die in den allgemeinen Wesenheiten der Dinge einbeschlossen jedem Menschengeiste erkennbar sind.“11 Aufgrund dieser universalen Erkennbarkeit durch den Menschen beansprucht das Naturrecht auch universale Geltung. Neben ihm steht dabei das göttliche Recht, das seinen Ursprung in dem dem Menschen durch Offenbarung zugänglich gewordenen Willen Gottes und daher nur für den Glaubenden Verbindlichkeit hat. Das kirchliche Bestreben, möglichst viele Normen im Naturrecht zu verorten, um ihren universellen Geltungsanspruch zu sichern, führt nach Ansicht Ratzingers nun unweigerlich zum Versuch, Offenbarungswahrheiten in Vernunftwahrheiten umzuwandeln, was seines Erachtens eine Abwertung von Offenbarungswahrheiten gegenüber Vernunftwahrheiten zur Folge hat.12

Verharrt das Naturrecht für ihn schon hier in einer „praktischen Ungreifbarkeit“13, so konkretisiert und verschärft sich diese Kritik in einem 1964 erschienenen Aufsatz über die christliche Soziallehre, in dem Ratzinger feststellt, „dass das ‚von Natur her Rechte‘, die wahre Humanität, wenn man so sagen will, für den Menschen, wie er tatsächlich existiert, niemals rein spekulativ, more geometrico, zu ermitteln ist.“14 Vielmehr bedarf der Mensch der ‚regulativen Idee‘ des Glaubens, die er dann in der konkreten geschichtlichen Situation anwenden kann. Christliche Soziallehre gründet so für Ratzinger „in der Hinordnung des Evangeliums auf die jeweiligen Sozialtatsachen. Soziallehre wird sie nur dadurch, dass sie von den Tatsachen her gedacht ist; christlich wird sie, indem sie den Maßstab des Evangeliums auf diese Tatsachen bezieht.“15 Naturrecht kann in dieser Konzeption aber nur noch in seiner jeweiligen historischen Gestalt begriffen werden. Es existiert „nicht nackt, sondern nur in den konkreten Realisierungen der wechselnden Zeiten. Es gibt, anders ausgedrückt, in den jeweiligen Ordnungssystemen ein sich durchhaltendes an sich Rechtes, das aber nicht im Sinn einer überzeitlichen Formel herausdestilliert werden kann, sondern nur in verschiedenen geschichtlichen Konkretisierungen lebt und je in den neuen Tatsachen neu gefunden werden muss.“16

Der große Fehler der christlichen Soziallehre liegt nach Meinung Ratzingers nun darin, dass sie die Geschichte zugunsten des Spekulativen vernachlässigt hat. „Sie hat sich diesem Faktum der Geschichtlichkeit weitgehend entzogen und in abstrakten Formeln eine überzeitliche Sozialdogmatik zu formulieren versucht, die es so nicht geben kann.“17 Ratzingers Auffassung von ‚Naturrecht‘ ist hier dagegen die eines sich in Geschichte konkretisierenden Rechts, das aus den Traditionen der Menschheit und aus der christlichen Glaubenstradition schöpft, ohne die es nicht denkbar wäre.18

Schon in seinem 1962 erschienenen Aufsatz Gratia praesupponit naturam hatte Ratzinger diese Geschichtsbezogenheit der menschlichen Natur in Anlehnung an Bonaventura und Paulus herausgestellt. Dabei stellt er im Hinblick auf die Frage der Beziehung von Natur und Gnade fest, dass Bonaventura zufolge die Natur des Menschen nicht rein biologisch an dessen Geist und freiem Willen vorbei bestimmt werden kann. Der menschliche Wille überschreitet nach Ansicht Bonaventuras „als eine eigene Zwischenordnung zwischen bloßer Natur und Gottes eigener Freiheit“19 den allgemeinen biologischen Naturbegriff: Durch den Geist ist die menschliche Natur mehr als Natur im allgemeinen biologischen Sinn.20 Wenn aber die Bestimmung der menschlichen Natur die Freiheit des Geistes umfasst und nicht unabhängig von dieser Freiheit bestimmt werden kann, so bedeutet dies für Ratzinger, dass sie „nicht an ihrer Geschichte vorbei bestimmt werden darf. Es gibt dann keine geschichtslose Natürlichkeit des Menschen.“21 Denn der Geist des Menschen entfaltet sich in der Geschichte und nicht unabhängig von ihr.

Auch hier zeigt sich also wieder der Primat der Geschichte vor der geschichtslosen Ontologie eines Naturrechts. Eine solche Ontologie aber kommt für Ratzinger trotzdem auch bei Bonaventura zum Vorschein, denn der franziskanische Lehrer kennt neben der Betrachtung der Natur ‚von unten‘ auch eine Betrachtungsweise ‚von oben‘: „Betrachtet man aber die Natur von ihrem wahren Bezugspunkt, von Gott her, so zeigt sich, dass im Letzten alle Natur ‚Gnade‘ ist … Die ganze Natur ist in ihrer innersten Tiefe Ausfluss eines Willens, ist voluntarisch strukturiert von dem schöpferischen Urwillen her, dem allein sie ihren Bestand verdankt.“22 Der Schöpfungsgedanke und mit ihm der Gedanke der Schöpfungsordnung werden hier also ganz eng mit dem freiheitlichen Gnadenhandeln Gottes in Verbindung gebracht.23

So kann Ratzinger sagen, dass für Bonaventura Natur von einer doppelten Freiheit umgriffen ist: „von der Freiheit Gottes und der eigenen Freiheit des Menschen.“24 Dies impliziert ihre Einbindung in die Geschichte des Menschen mit Gott, der ihn ruft und dessen Ruf er sich immer wieder verschließt, weil er „den Aufbruch über sich hinaus scheut und so gerade sich selbst verfehlt.“25

Auf ein ähnliches Bild stößt Ratzinger in der paulinischen Theologie. Paulus gebraucht den Naturbegriff einerseits in Bezug auf das Abstammungsmerkmal Jude – Nicht-Jude, andererseits wendet er am Anfang des Römerbriefs einen Naturbegriff an, der ihm nach Ratzinger „offensichtlich aus der stoischen Popularphilosophie zukam, also Natur nicht im Sinne einer blutsmäßig-biologischen Größe, sondern im Sinne einer rational gefassten Wesensstruktur verstand.“26 Den Nicht-Juden, die das jüdische Gesetz nicht kennen, gibt nach diesen Gedanken des Paulus die metaphysisch verfasste Natur das Gesetz ein (vgl. Röm 2,14). Ratzinger weist hier aber darauf hin, dass in den konkreten Anwendungen dieses Gesetzes bei Paulus „der biologische Einschlag in den metaphysischen Begriff sehr stark ist: Eine konkrete biologische Gegebenheit bietet Wegweisung.“27 Er führt als Beispiele Röm 1,26, wo Paulus sich auf den widernatürlichen sexuellen Verkehr bezieht, sowie 1 Kor 11,14 an, wo der Apostel betont, schon die Natur lehre es, dass der Mann kurze, die Frau aber lange Haare tragen müsse.

Neben dieser positiven metaphysisch-biologischen Bestimmung von Natur findet sich bei Paulus aber natürlich auch die theologische Sichtweise einer auf die Gnade Gottes angewiesenen, verderbten Natur des Menschen: Ob Jude oder Nicht-Jude, „das bloß naturale Dasein ist in jedem Falle heillos.“28 Dies ist so, weil die Natur „nicht unmittelbar von Gott auf den Menschen zukommt, sondern geprägt und verunstaltet ist durch eine lange menschliche Vorgeschichte, die auf ihr liegt.“29 So findet nach Paulus der Mensch die Erfüllung seines Lebens eben nicht im reinen Hören auf seine Natur, sondern im Gegenteil nur in der Begegnung mit Christus im Glauben. Die Natur kann für Paulus zwar „sehr wohl das Zeichen des Schöpfers sein, aber sie ist es nicht ungetrübt, weil sie auch Ausdruck der Eigenmächtigkeit des Menschen ist. Wiederum finden wir, wie bei Bonaventura, die Natur des Menschen im Spannungsfeld zwischen zwei Freiheiten, Gottes und des Menschen.“30

Beide Positionen zu einer Synthese zusammenführend kann Ratzinger nun sagen, dass einerseits die Schöpfungsordnung in keinem Menschen ganz erloschen ist und sich ins konkrete Dasein des Menschen hinein auswirkt.31 Es gibt also „so etwas wie den gesunden Menschenverstand, in dem sich das Bewusstsein der verbliebenen Schöpfungsordnung meldet, von dem sich der Mensch immer wieder korrigieren und auf den Boden der Wirklichkeit zurückrufen lassen soll.“32 Andererseits ist diese Schöpfungsbezogenheit des Menschen, die man als seine erste und ursprüngliche Natur bezeichnen kann, überdeckt von seiner sündigen Geschichte. „Der Mensch hat sich selber eine zweite Natur zugelegt, deren Kern die Ichverfallenheit – die concupiscentia – ist.“33 Die göttliche Gnade kann deshalb für den Menschen nur eins bedeuten, nämlich das Aufbrechen dieser zweiten Natur, „das Aufbrechen der harten Schale der Selbstherrlichkeit, welche die Gottesherrlichkeit in ihm überdeckt.“34

Dieses Motiv des ‚Aufbrechens‘ der Ichbezogenheit des Menschen ist für Ratzinger im Symbol des Kreuzes ausgedrückt. Denn „erst die Menschlichkeit, die durch das Kreuz hindurchgegangen ist, bringt den wahren Menschen ans Licht.“35 Doch diese durch das Kreuz markierte Umkehr ist für Ratzinger nichts dem menschlichen Wesen Fremdes, sondern entspricht zutiefst seiner geistigen Natur. Denn wie bei Bonaventura gesehen, besteht die Natur des menschlichen Geistes ja gerade darin, „über alle ‚Natur‘ hinauszusein, in der Selbstüberschreitung zu stehen. Es ist dem Geist wesentlich, sich nicht selbst zu genügen, den Richtungspfeil über sich hinaus in sich zu tragen.“36 Dies aber bedeutet, dass das ‚Aufbrechen‘ der sündigen Ichverfallenheit des Menschen durch das Kreuz gerade seine „wahre Heilung“ ist, „die ihn vor der trügerischen Selbstgenügsamkeit rettet, in der er nur sich selbst verlieren, die unendliche Verheißung, die in ihm liegt, versäumen kann um des spießigen Linsenmuses seiner vermeintlichen Natürlichkeit willen.“37 Durch die geschichtliche Gnadentat Gottes wird der Mensch von seiner verderbten Natur weg- und zu seiner wahren, schöpfungsgemäßen Natur hingeführt.

Diese Argumentationsstruktur Ratzingers lässt drei Pole erkennen, die für ihn in Bezug auf die Rede von Natur und Naturrecht wichtig sind: erstens die Natur als Ausdruck des Willens Gottes und somit als ursprüngliche Schöpfungsordnung; zweitens die Natur als Ausdruck des Willens des Menschen, als seine geistige Natur und somit als geschichtlich bedingte und damit auch durch die menschliche Sünde entstellte Natur; drittens Gottes geschichtliches Heilshandeln an der entstellten Natur des Menschen, das ihn sozusagen zu einer ‚Umkehr‘ in seine wahre schöpfungsgemäße Natur herausfordert. Kurz könnte man diese drei Pole unter den Stichworten Ontologie, Geschichte und Glaube zusammenfassen.

Wie an den analysierten Ausführungen Ratzingers gut zu sehen war, setzt er in diesen frühen Veröffentlichungen einen starken Akzent auf Geschichte und Glaube, um sich vom zu sehr ontologisch geprägten neuscholastischen Naturrechtsbegriff abzugrenzen. Der ontologische Pol taucht in seinen Argumentationen nur sehr am Rande auf, wenn er vom ‚gesunden Menschenverstand‘ spricht, der sich auf die verbliebene Schöpfungsordnung bezieht. Weitaus wichtiger ist ihm der Bezug des Glaubens an die göttliche Gnade auf die Geschichte des Menschen, wie es dann zwei Jahre später auch sein Aufsatz über die Soziallehre der Kirche herausstellt, in dem die Ontologie fast völlig in Geschichte aufgelöst wird.

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