Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 2
Erste Begegnungen
So trat er zuerst denn auf wie ein kleiner Hahn, stolz und kampflustig. Allerdings bekam er anfangs nur Dienerschaft zu sehen, sie trennten ihn aber von seiner Mutter, nur seinen Erzieher behielt er bei sich im Zimmer, und dann wurde Fleisch aufgetragen, so viel Fleisch! Als es auch am nächsten Tage nichts anderes gab, verlangte er dringend nach den heimischen Melonen, dies war ihre Jahreszeit. Er weinte, aß nichts und wurde zu seinem Trost in den Garten geschickt. Der Regen hatte endlich aufgehört.
„Ich will zu meiner Mutter. Wo ist sie?“
Ihm wurde der Bescheid: „Bei Madame Catherine“, und er erschrak, weil ihm bekannt war, das sei die Königin. Er fragte nicht weiter.
Er trug seine beste Kleidung, hinter ihm gingen zwei Herren, sein Erzieher La Gaucherie und Larchant, ein Béarner Edelmann. Auf einer Wiese kamen ihm drei andere Knaben entgegen, auch sie mit Gefolge, aber es war zahlreicher. Henri bemerkte sogleich, daß sie sich nicht benahmen wie Jungen, die spielen wollten; der älteste besonders drehte sich in den Hüften und trug den Kopf hoch, als wäre er ein erwachsener Hofmann; auf seinem weißen Barett saßen Federn.
„Meine Herren“, fragte Henri nach rückwärts, „wer ist der Vogel?“
„Achtung!“ flüsterten sie. „Es ist der König von Frankreich.“
Jetzt hielten die beiden Gesellschaften voreinander an, der junge König stand gegenüber dem kleinen Prinzen von Navarra. Er bewegte sich nicht mehr, sondern wartete auf Henri. Der ließ sich Zeit, ihn zu betrachten. Karl der Neunte hatte nicht nur das weiße Barett, er war ganz und gar in Weiß. Seinen Hals umschloß eine weiße Krause, das Gesicht ruhte darauf, er hielt es halb abgewendet, sein Blick kam von der Seite. Schlau und traurig schien er zu sagen: ,Dich kenne ich schon. Es ist schlimm genug, daß ich euch alle kennen muß.‘
Henri fühlte sich lustig werden, zum erstenmal, seit er hier war. Er hätte laut aufgelacht, aber hinter ihm raunten sie nochmals: „Achtung!“ Da warf der Siebenjährige sich vor dem Zwölfjährigen zuerst in die Brust, dann neigte er den Rumpf bis auf die Füße und streifte mit der rechten Hand im Halbkreis über den Boden. Er wiederholte diese Übung zu beiden Seiten des Königs und endlich sogar in seinem Rücken, mehrere der Herren lächelten darüber. Anders Larchant, der Edelmann aus dem Gefolge Jeannes; er ließ sich vor Karl auf ein Knie nieder und erklärte:
„Sire! Der Prinz von Navarra hat noch keinen großen König gesehen.“
„Er selbst wird nie einer werden“, sagte Karl, ließ die Worte vor sich hinfallen und schloß sogleich wieder fest den Mund unter seiner fleischigen Nase. Jetzt wurde Henri zornig; seine sanften und freundlichen Augen fingen zu blitzen an, er rief:
„Das lassen Sie nicht meine Mutter hören, und auch Ihre nicht, die statt Ihrer regiert!“
Es waren etwas zu geringschätzige Worte, als daß ein König sie hätte hören dürfen; die Herren hinter Karl dem Neunten erschraken. Er selbst schloß nur die Augen; in diesem Augenblick merkte er sich etwas für immer.
Henri hatte sich sogleich beruhigt, unbefangen richtete er das Wort an die beiden anderen Knaben. „Na, und ihr?“ fragte er ermunternd, denn sie erschienen ihm merkwürdig verlegen. Es kam daher, daß er noch keine vornehme Erziehung kannte.
„Ich werde Monsieur genannt“, sagte der erste der beiden Kleinen, er stand im gleichen Alter wie Henri. „Es ist mein Titel, weil ich der älteste unter den Brüdern des Königs bin.“
„Ich heiße einfach Henri.“
„Ach! Ich auch“, rief Monsieur lebhaft wie ein Kind, und beide musterten einander aufmerksam.
„Habt ihr keine Melonen?“ fragte Henri, um gleich ans Ziel zu kommen. Der jüngste der königlichen Brüder lachte hierüber wie bei einem Witz. Man hätte erkennen müssen, daß die kleine Gestalt nur selten laut und glücklich war.
Hoch über den Kindern hing das Laub eines Baumes, darin schrie ein Vogel, alle drei wendeten die Gesichter hinauf. Dann stellten sie fest, daß der König seinen Weg fortsetzte, alle Herren hinter ihm. Die beiden Begleiter des Prinzen von Navarra befanden sich im Gespräch mit den Leuten vom Hofe Frankreichs, sie wurden abgelenkt. Henri flüsterte:
„Man muß sich die Schuhe ausziehen.“
Er tat es schon und begann den Stamm zu erklettern. Unter der Krone angelangt, erklärte er den beiden anderen:
„Ich werde gleich verschwunden sein. Ihr wagt das wohl nicht?“
Als dann der Wipfel ihn wirklich ganz verbarg, wollten sie doch nicht zurückstehen, auch sie stellten ihre Schuhe in das Gebüsch und folgten ihm auf den Baum. Henri erklärte ihnen:
„Hier können sie uns nicht finden. Sie werden uns überall suchen, inzwischen führt ihr mich, ich weiß schon wohin. Nein! Nehmt nicht das Nest aus. Seht ihr nicht, daß es Vögel mit gelben Schnäbeln sind? Solche nisten vor meinem Fenster, zu Haus in Pau. “
Mehrere Herren kehrten zurück, spähten umher, berieten sich und schlugen eine andere Richtung ein. Sofort stiegen die drei Knaben herab, und endlich gelangte Henri an den verabredeten Ort, es war der Gemüsegarten. Die ersehnten Früchte lagen auf der schwarzen Erde, er setzte sich hin, wühlte die Hände, die bloßen Füße hinein und jauchzte leise:
„Hier ist es schön!“
Denn Kräuter würzten die Luft, er schmeckte sie, genoß auf den Lippen alles, Zwiebel, Lattich, Lauch. „Na, und ihr?“ fragte er.
Sie standen und sahen auf ihre halbvergrabenen Füße. „Erde ist Schmutz“, meinten sie. Aber Henri hatte einen Gärtner entdeckt. Der gemeine Mann wollte sich in Sicherheit bringen, sobald er die Prinzen erkannte. Henri rief: „Komm her, oder es geht dir schlecht!“ Da schlich der Tölpel gebückt herbei.
„Zieh dein Messer! Schneide die reifste Melone auf!“ Erst nachdem er schon die Hälfte verschlungen hatte, erklärte er sie für wässerig und sauer. „Das ist das Beste, was ihr habt?“
Der Bursche entschuldigte sich damit, daß es zuviel geregnet habe. Henri sagte: „Ich verzeihe dir.“
Hierauf stellte er die Fragen über den Garten und über die Lebensverhältnisse des Gärtners, wobei er weiteraß. „Du kannst nach Navarra kommen“, sagte er dann, „dort gebe ich dir Melonen zu essen! Sieh nicht so dumm aus! Kennst du Navarra nicht? Es ist ein Land, größer als Frankreich. Auch die Melonen sind größer.“
„Und dein Bauch!“ bemerkte der zweite Henri, der Monsieur genannt wurde. Denn sein fremder Vetter hatte die Frucht ganz allein beendet. „Wenn ich aber noch eine anfange?“ fragte er sogar.
„Vielfraß“, äußerte Henri von Valois, aber es bekam ihm nicht gut. Henri von Bourbon rief:
„Du kriegst meinen Fuß in den Hintern“, und er holte seinen Fuß auch schon aus der Erde. Bevor er aufrecht stand, lief der andere fort und sein kleiner Bruder weinend hinterher. Henri behauptete das Feld.
Ein Kaninchen sprang an ihm vorbei, er hinterher. Es verkroch sich, er störte es auf, aber fangen ließ es sich nicht. Er war schon atemlos von der Jagd. „Henri!“ Da stand seine kleine Schwester und neben ihr ein anderes Mädchen. Es war größer als Catherine und ungefähr in seinem eigenen Alter. Er konnte sich denken, wer es war, sagte aber zuerst gar nichts vor Erstaunen. Seine kleine Schwester erklärte:
„Wir sind gekommen. Margot war neugierig.“
„Sind Sie immer so schmutzig?“ fragte Marguerite von Valois, die Schwester des Königs.
„Ich wollte Melonen essen“, erwiderte er und fühlte sich beschämt. „Warten Sie, ich gebe Ihnen auch eine.“
„Danke, das geht nicht.“
„Ich verstehe. Ihr schönes Kleid könnte Flecken bekommen.“
Sie lächelte, weil sie dachte: ,Und auch mein Gesicht. Ich bin geschminkt, das sieht dieser Bauer nicht.‘
Was für ein Mädchen! Er hatte ihresgleichen nie erblickt. Seine kleine Catherine, die er so sehr liebte, erschien daneben wie eine Gänsemagd, trotz ihrem Sonntagsstaat. Marguerite hatte Farben wie Rosen und Nelken, und die hätten noch froh sein dürfen. Ihr weißes Kleid lag bis zu den Hüften eng an, dann begann es sich weit und steif zu entfalten, schimmernd von Goldstickerei und bunten Steinen. Auch ihre Schuhe waren weiß, etwas Erde hing daran. Henri folgte einer Eingebung; er kniete hin, und mit seinen Lippen entfernte er die Erde. Dann stand er auf und sagte:
„Meine Hände waren nicht sauber genug.“
Sein Ton wurde hierbei unfreundlich, weil das Mädchen überheblich lächelte. Daher nahm er seine Schwester beiseite und flüsterte ihr zu, aber die andere konnte es sicherlich hören:
„Jetzt hebe ich ihr den Rock auf, ich muß doch herausbekommen, ob sie Beine hat wie alle Mädchen.“ Das Lächeln der kleinen Prinzessin wurde starr. Er bemerkte noch: „Ihre Nase ist zu lang. Kathrin, du kannst sie wieder mitnehmen. “
Da verzog sie das Gesicht zum Weinen. Sogleich wurde Henri sehr höflich. „Fräulein, ich bin nur ein dummer Junge vom Lande, und Sie sind ein feines Fräulein“, sagte er bereitwilligst. Seine Schwester berichtete:
„Sie kann Lateinisch.“
Er redete sie in der alten Sprache an und fragte, ob sie schon verlobt sei mit einem Prinzen. Sie antwortete: „Nein“; so erfuhr er, daß die Geschichte, die seine liehe Mutter ihm erzählt hatte, wohl nur ein Märchen war, und sie hatte es geträumt. Indessen dachte er: ,Was nicht ist, kann noch werden.‘ Vorläufig stellte er fest:
„Ihre beiden Brüder sind vor mir davongelaufen.“
„Meine Brüder werden sich vor Ihrem Geruch gefürchtet haben. So riecht kein Prinz“, sagte Marguerite von Valois und rümpfte die zu lange Nase. Henri von Bourbon fühlte sich gekränkt, er fragte heftig:
„Wissen Sie, was das heißt: Aut vincere aut mori?“ Sie antwortete: „Nein. Aber ich werde meine Mutter fragen.“
Herausfordernd sahen die beiden Kinder einander an. Die kleine Catherine sagte ängstlich:
„Achtung, da kommt jemand.“
Es war eine Dame, jedenfalls eine vom Hof, vielleicht sogar die Erzieherin der Prinzessin, denn sie äußerte ihre Mißbilligung.
„Was ist das für ein schmutziger Junge, mit dem Sie sprechen, Fräulein?“
„Es scheint, daß es der Prinz von Navarra ist“, erwiderte Marguerite.
Sofort machte die Dame einen tiefen Knicks. „Ihr Vater ist angekommen, mein Herr, und will Sie sehen. Aber zuerst müssen Sie sich waschen.“
Die Feindinnen
Indessen dies geschah, hatte seine Mutter Jeanne d’Albret ihre Unterredung mit Katharina von Medici. Diese zeigte sich ungemein freundlich, bereit zur Verständigung und abgeneigt allen Streitfragen. Die Protestantin in ihrem Eifer bemerkte es gar nicht, oder sie hielt es für Tücke.
„Die Religion und ihre Feinde werden nie Zusammenkommen!“ behauptete sie hartnäckig. Sie verschwur sich: ,Und hätte ich an der einen Hand mein Königreich und an der anderen meinen Sohn, lieber versenkte ich beide auf den Meeresgrund, als daß ich nachgäbe.‘
„Was ist Religion?“ sagte die dicke schwarze Medici zu der magern blonden d’Albret. „Es wird Zeit, daß wir Vernunft annehmen. Durch unseren ewigen Bürgerkrieg verlieren wir Frankreich, denn ich muß die Spanier hereinlassen, um mit euch Protestanten fertig zu werden. Dabei hasse ich euch nicht, und wenn ich könnte, möchte ich euch eure Religion abkaufen.“
„Sie sind die würdige Tochter eines Florentiner Wechslers“, erwiderte Jeanne mit Verachtung. Was sie selbst hatte hören müssen, erschien ihr noch viel beleidigender. Katharina ließ sich nicht beirren.
„Seien Sie froh, daß ich eine Italienerin bin! Keine französische Katholikin würde Ihnen so günstige Friedensbedingungen anbieten. Ihre Glaubensgenossen sollen alle Freiheiten haben, ihre Religion auszuüben, und auch sichere Zufluchtsorte, befestigte Städte, will ich ihnen geben. Sie müssen nur darauf verzichten, gegen die Katholiken zu hetzen und sie zu überfallen.“
„Ich bin ein zorniger Gott, spricht der Herr!“
Die von Grund auf erregte Jeanne konnte es in dem Stuhl nicht mehr aushalten. Katharina blieb ruhig sitzen, sie faltete ihre fleischigen Hände, die voller Ringe und Grübchen waren.
„Ihr seid zornig“, sagte sie, „weil ihr arm seid. Der Krieg ist euer Geschäft. Ich biete euch Geld, dann braucht ihr ihn nicht mehr.“
Dieses Übermaß von Unverständnis und Mißachtung brachte Jeanne zum Äußersten. Sie hätte auf die Dicke mit Fäusten losgehen wollen. Sie stammelte:
„Und wieviel Geld bekommen die Geliebten meines Gatten, damit sie ihn weiter verführen, gegen die Religion zu kämpfen?“
Katharina nickte nur – grade als ob sie dies und nichts anderes erwartet hätte. Endlich war es heraus. Eine eifersüchtige Frau, diese Glaubensheldin! Eine Antwort war nicht notwendig, die Blonde mit dem Ziegengesicht hätte doch nichts gehört, sie war aus Mangel an Selbstbeherrschung bis gegen die Wand getaumelt und wie ohnmächtig auf die große Truhe hingesunken. In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, die bemalt, vergoldet, aber mit Eisen beschlagen war. Die Wache stieß ihre Hellebarden auf den Boden, und den Saal betrat der König von Navarra, an der Hand seine beiden Kinder.
Antoine von Bourbon wiegte sich in den Hüften als der schöne, begehrte Mann, der er war. Er tat es für alle Fälle, ohne bis jetzt zu erkennen, was hier vorging. Die Fenster lagen in tiefen Nischen, es herrschte Dunkelheit für jeden, der eintrat. An der entfernten Wand glaubte er eine Bewegung zu bemerken, sofort griff er nach seinem Dolch. Da lachte die Königin Katharina von Herzen, wenn auch nur leise in sich hinein.
„Gehen Sie tapfer drauf los, Navarra! Sie sollen sehen, daß ich keinen Mörder versteckt halte – erst recht nicht für einen Mann wie Sie.“
Er hätte die freimütigste Geringschätzung heraushören sollen, aber dafür war er zu eitel. Deshalb verschmähte er es, sich um die verdächtige Wand noch länger zu bekümmern, sondern verneigte sich vor Katharina. Dann sagte er mit Anstand:
„Dies ist mein Sohn Henri, er bittet um Ihre Gunst, Madame.“ Die kleine Schwester wurde nicht beachtet, aus Scham schlug sie die Augen nieder.
Henri betrachtete die Frau und vergaß zu grüßen. Hier saß mitten in einem großen Zimmer, an der Stelle, auf die das meiste Lieht fiel, die schreckliche und böse Katharina von Medici, das war sie. Über seinen Reiseerlebnissen, den neuen Bekanntschaften im Garten und besonders wegen der Melonen hatte er sie so gut wie ganz vergessen; erst jetzt fiel ihm wieder ein, wie sie hätte aussehen müssen. Sie mußte Klauen, einen Buckel, eine Hexennase haben, und so war er auch bereit, sie wiederzuerkennen; leider machte sie es ihm schwer, sie war so gewöhnlich. An der hohen, graden Lehne ihres Sessels erschien sie klein, auch fett war sie, hatte schwammige weiße Wangen und Augen wie Kohlen, die nicht brannten. Sie enttäuschte Henri.
Daher machte sein munterer Blick die Runde durch den Saal, und was fand er? Oh! Er sah schärfer als sein Vater, außerdem liebte er mehr. Daher stürmte er dorthin, wo Jeanne lag oder kauerte.
„Mama! Mama!“ rief er und dachte, noch laufend: ,Also doch! Sie hat ihr etwas getan.‘
„Was hat die böse Madame Catherine dir getan?“ fragte er leise und dringend, während er seine Mutter küßte.
„Nichts. Mir war nur schlecht geworden. Jetzt stehen wir beide auf und sind ganz besonders artig.“ Dann tat sie auch gleich, was sie beschlossen hatte.
Jeanne kam herbei, den Arm um ihren kleinen Sohn, sie lächelte ihrem Gatten entgegen und sagte: „Hier ist unser Sohn“ – ließ Henri aber nicht aus ihrem Arm.
„Ich habe ihn dir mitgebracht, damit du ihn einmal wiedersiehst, mein lieber Mann, denn du kommst selten nach Haus. Besonders will ich ihn auch der Königin von Frankreich vorstellen als ihren kleinen Soldaten, der ihr ebenso dienen soll wie sein Vater.“
„Das ist recht“, erwiderte Katharina gutmütig. „Wenn es aber nach mir geht, leben wir im ganzen Königreich friedlich wie eine Familie.“
„Dann müßte ich wohl meinen Acker bebauen?“ fragte der Kriegsmann Antoine, wenig befriedigt.
„Sie sollten sich mehr um Ihre Frau kümmern. Sie liebt Sie und erleidet Schwächeanfälle, weil Sie ihr fehlen. Ich kann ihr zwar ein kleines Mittel eingeben.“
Jeanne erschauerte; sie wußte genug von den kleinen Mitteln dieser Giftmischerin! „Oh! Das ist nicht nötig“, versicherte sie schnell.
Sie hatte sich noch zusammennehmen müssen, während sie von der Truhe aufstand und herkam; jetzt aber ging die Verstellung schon von selbst, nicht schlechter als bei Katharina. Diese gab sich mütterlich.
„Ihrer Frau, Navarra, habe ich meine Freundschaft angeboten, und ich glaube auch, daß sie mir genau so wohlwill wie ich ihr.“
Jeanne dachte inständig und schnell: ,Mein Sohn soll groß werden, ich werde mit euch noch fertig. Ich werde mit euch fertig, mein Sohn wird groß sein. Ich, die Nichte Franz des Ersten – und diese Krämerstochter!‘
Ihre entzückte und zarte Miene veränderte sich hierbei nicht im geringsten – blieb doch auch das Gesicht Katharinas bei allem, was sie denken mochte, mütterlich. Nur damit verriet die Medici sich, daß sie von den beiden Kindern so gut wie keine Kenntnis nahm, nicht einmal von dem ängstlichen kleinen Mädchen. Wenn eine Frau schon Mütterlichkeit spielt.
„Ich bin aus ganzem Herzen Ihre Freundin!“ rief Jeanne, begeistert, weil sie die andere ertappt hatte.
Vergangene Liebe
Antoine von Bourbon freute sich aufrichtig über den Verlauf der Unterredung. Als sie in ihrem Zimmer allein waren, umarmte er zuerst seine Frau, dann seinen Sohn. Ihm zeigte er aus dem Fenster ein kleines Pferd, das vorübergeführt wurde. „Es ist deins. Du darfst es gleich reiten.“ Schon sprang Henri fort. Die kleine Schwester folgte ihm, um ihn zu bewundern.
Jeanne bekam jetzt ein ganz anderes Gesicht als das entzückte, das sie der Medici gezeigt hatte. Ihr Gatte bemerkte es in seiner großen Zufriedenheit noch nicht. Indessen sah sie ihn an wie zerstreut und sagte:
„Wie heißt doch nur die Frau, mit der du jetzt meistens gesehen wirst? Die dich auf deinem Feldzug begleitet hat und wahrscheinlich auch hierher?“
„Dir wird so vieles zugetragen.“ Er lächelte sogar noch selbstzufrieden, das ertrug sie nur mit Mühe.
„Hast du denn alles vergessen?“ fragte sie plötzlich mit voller, tiefer Stimme. Jeanne überraschte in gewissen Augenblicken mit einer Stimme wie eine Orgel, zu groß, zu klingend für diese schwache Brust. Ihr Gatte hörte sie und war ergriffen, sogleich erinnerte er sich an alles, woran sie wollte, daß er gedenke. Es bedurfte keiner Worte mehr. Sie hatten einander viel und lange geliebt.
Er hatte sie bekommen, nachdem Jeanne ganz allein darum gekämpft hatte, keinem anderen zu gehören. Bevor sie ihn kannte, war sie mit Gewalt verheiratet worden, man trug sie in die Kirche, sie behauptete, nicht gehen zu können; ihr Kleid wog wirklich zu schwer vom vielen Edelgestein. Aber das größere Gewicht hatte ihr Wille, obwohl sie damals noch ein Kind war. Sie verheirateten sie mit Gewalt – gleichviel, der Tag erschien, wenn auch nach Jahren, und Jeanne wurde glücklich mit ihm, durch den sie es sein wollte. Die Reihe der blühenden Tage lief ab, auch kam das frühe Verblühn, ihr eigenes und das ihres Glücks. Jetzt war nichts übrig als nur ihr Sohn, aber das hieß mehr, als sie je vorher besessen hatte. Wollte Antoine dies nur begreifen! Sie hatten den Sohn!
Die Ergriffenheit des Mannes durch ihre Stimme konnte natürlich nicht lange Vorhalten, und seine Erinnerungen an die Zeiten der Leidenschaft wurden von dem Anblick der Armen nicht unterstützt. Er lebte zu sehr von den heute drängenden Aufgaben, einer Belagerung, eines Ränkespiels, einer jungen Frau. Zwar wollte er Jeanne eine halbe Minute, nachdem sie gesagt hatte: „Hast du denn alles vergessen?“ noch umarmen, aber es galt schon nicht mehr der Einigkeit ihrer alten Gefühle, es war nur höflich, daher wies sie ihn zurück.
Antoine bezeugte ihr dennoch, er wäre mit ihr ungewöhnlich zufrieden und freute sich über ihre Mäßigung. Jeanne erklärte ihm, vor allem hätte sie keine Lust, sich vergiften zu lassen. Sie dächte dabei weniger an sich selbst, als an das Interesse der Religion. „Du hast im Grunde recht getan, lieber Mann, daß du wieder katholisch wurdest und in den Dienst des Königs von Frankreich tratest.“
„Sie haben mir das spanische Navarra versprochen.“
„Das werden sie dir nicht geben, denn sie brauchen den König von Spanien gegen uns Protestanten. Deine kleinen Zwecke wirst du nicht erreichen, aber du handelst im Sinne viel Größerer, die du lieber gar nicht mit Namen nennst.“ Sie sagte dies, weil es ihr widerstrebte, ihn mittelmäßig und ohne hohen Ehrgeiz zu wissen.
Er hörte betroffen zu. Er ersparte ihr seine Antwort aus Verlegenheit, aus Nachsicht; denn er hielt sie geistig nicht mehr für gesund. Jeanne fand ihn nicht mehr würdig, sie zu umarmen, aber Vertrauen sollte bestehen in den Angelegenheiten ihres Hauses. Sie sagte:
„Es kann gar nicht anders kommen, als daß einstmals über Frankreich ein protestantischer. Fürst herrscht, wir sind die Entschlossensten, weil wir den wahren Glauben haben. Drüben haben sie nur eine alte Frau mit schlechtem bleichem Fleisch, die an nichts glaubt.“
„Außer an die Astrologie“, bestätigte er, froh, in einem Punkt mit ihr ühereinzustimmen. Er setzte hinzu: „Aber ihre drei Söhne!“
„Die hat sie spät bekommen, sie war lange unfruchtbar – und sieh dir die drei noch lebenden Jungen an!“ behauptete Jeanne, unbeirrbar. „Der vierte ist schon tot, er starb mit sechzehn Jahren, König war er siebzehn Monate lang. Sein Bruder Karl regiert seither ein paar Monate länger, aber er hat auch Augen wie hundert Jahre alt.“
„Nach ihm blieben immer noch zwei“, bemerkte er.
„Ihre Mutter wird sie ebenso sterben lassen. Sie ist eine Frau, die nicht hinblickt, wenn ein Kind in die Tür tritt. Das Königreich besteht für sie nur so lange, wie sie selbst da ist. Hätte sie Religion, sie würde gewiß sein, daß die Hand des Herrn ihren Leib gesegnet hat nicht nur für heut und morgen, sondern auf ewig!“
Jeanne d’Albret sprach diese starken Worte mit sanfter, fester Stimme. Ihrem Gatten war nicht geheuer, und, er bewunderte sie. Um nur wieder festen Boden zu erreichen, sagte er:
„Du solltest Madame Catherine daran erinnern, daß der selige König unseren Sohn mit seiner Tochter verlobt hatte.“
„Daran wird sie mich erinnern“, antwortete Jeanne, „und ich werde bedenken, ob mein Sohn nicht zu gut ist für eine Prinzessin aus diesem niedergehenden Geschlecht.“
Antoine wurde endlich ungeduldig. „Du bist schwer zufriedenzustellen. Der selige König war kerngesund und ist in einem Turnier gefallen. Die Valois können nichts dafür, daß eine Medici ihre Kinder schlecht erzieht.“
„Sprich auch gleich von den schamlosen Sitten, die sie mitgebracht hat an diesen Hof!“ verlangte Jeanne.
Obwohl der Mann einen Auftritt nahen fühlte, konnte er seine Miene nicht beherrschen. Sein ganzer Körper erinnerte sich mit einer unwiderstehlichen Beglückung an die genossene Gunst bei Frauen dieses Hofes; das stand in seinem Gesicht.
Jeanne, noch soeben fein und überlegt, verlor den Kopf, sie fing an zu wettern und zu predigen. Die katholischen Götzenverehrer liebten, ihr zufolge, nur das Fleisch. Rein und streng waren die von der Religion, und ihre Hände hatten Eisen und Feuer, um auszurotten das Verderbte.