Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 3

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O Gott, so zeige Dich doch nur!

Es konnte sein, daß sie im Vorzimmer zu hören gewesen war; jedenfalls wurde die Tür aufgerissen, einige protestantische Herren erschienen darin und verkündeten, der Admiral Coligny sei im Hause, er ersteige die Treppe, er nahe, er sei angelangt. Alle machten Platz, und der protestantische Feldherr trat ein, er legte als Gruß die Hand auf die Brust. Der König von Navarra sogar neigte den Kopf vor diesem alten Mann und damit auch vor der Partei, die er führte. Wenn andere sie nur benutzten ihres Vorteils wegen, dieser hatte die uneigennützige Strenge eines Märtyrers, das stand auf seiner heftigen und traurigen Stirn.

Jeanne d’Albret umarmte den Admiral. Seiner hatte sie grade noch bedurft, um in der Begeisterung auszuschweifen. Sie rief nach allen ihren Leuten, ihren beiden Pastoren, ihren Kindern. Sie brachte ihren Sohn dem Admiral, der auf den Kopf des Knaben die rechte Hand legte und sie nicht fortnahm, solange der erste der Pastoren redete. Er sprach in Worten, die niemand mißverstehen konnte, vom Reich Gottes, das nahe bevorsteht. Wir kommen dran! Alle hörten es, ob es nun gesagt wurde oder nicht. Sie stießen einander in dem überfüllten Zimmer, jeder wollte nach vorn, schon zugreifen, schon haben, die ganze Macht, den ganzen Reichtum, und dies auch noch zur Ehre Gottes!

Der zweite der Pastoren stimmte einen Choral an. „O Gott, so zeige dich doch nur!“ Alle sangen dringend und erwartungsvoll, todesmutig und schon ihres Sieges sicher. Denn wo sangen sie so laut, wo behaupteten sie dreist ihre Sache? Im eigenen Hause der Könige von Frankreich! Sie konnten es wagen, sie wagten es!

Coligny erhob mit beiden Armen den Prinzen von Navarra über alle Köpfe, er ließ ihn dort oben einatmen für sein Leben, was vorging, was diese alle waren. Ein großes Bekenntnis wurde abgelegt von lauter gläubigen Helden. Henri war einverstanden und ergriffen, denn er sah seine liebe Mutter weinen und weinte mit. Sein Vater dagegen hatte, aus Furcht vor den Folgen der schönen Feier, alle Fenster schließen lassen; das machte die Luft im Zimmer fast unerträglich.

Dies alles waren recht gefährliche Überschreitungen der erlaubten Grenzen; Jeanne sah es nachher von selbst ein, ihr Gatte brauchte sie nicht lange zu warnen. Sie beschloß, der Königin Katharina jede beliebige Genugtuung zu geben, denn es bestand wenig Hoffnung, daß Madame Catherine von dem Vorfall nicht in Kenntnis gesetzt wäre. Als aber die beiden guten Freundinnen einander wiedersahen, erwies sich, daß die eine von dem ungehörigen Verhalten der anderen nichts wußte oder vorzog, darüber hinwegzusehen. Anstatt Jeanne Mißtrauen zu zeigen, bat die Königinmutter sie um Hilfe gegen ihre Feinde.

Die schlimmste Gefahr für das Herrscherhaus waren die Guise, das lothringische Geschlecht, das Anspruch auf den Thron machte. Jeanne begriff, daß dagegen die kleine Familie Bourbon für unschädlich gehalten wurde. Die Guise gaben sich weitaus katholischer als die Königin, auch waren sie reich. Beides begünstigte ihre Absichten; sie hatten angefangen, sich dem Volk von Paris als die Retter des Königreichs zu empfehlen. Die armen Könige von Navarra waren hier unbekannt, und sie kamen aus einer entfernten Provinz, die ketzerisch und ein Herd des Aufstandes war. Madame Catherine schnurrte wohlig wie eine alte Katze, sooft sie Jeanne d’Albret erblickte, und Jeanne fühlte sich gedemütigt, aber sie zeigte es nicht.

Sie war klug und ging auf alles ein, sobald die alte Katze wollte. Diese bohrte ein Loch in die Wand ihres Arbeitszimmers, dadurch sah und hörte sie, was Antoine von Bourbon und der Kardinal von Lothringen vielleicht gegen sie vorhatten; und Jeanne mußte mit ihr spähen und horchen, obwohl einer der Beobachteten ihr eigener Mann war. Indessen handelte es sich nicht um ihn, er wurde kaum gefürchtet; gerade das war sehr demütigend, aber Jeanne machte gute Miene. Furcht hatte die alte Katze vor dem Haupt des Hauses Guise, dem reichen Kardinal, der alle ihre Diener bestechen konnte, auch den Navarra. Diesem brauchte er übrigens nur die spanischen Pyrenäen zu versprechen, um sie ihm niemals zu gehen; das kostete nichts.

Katharina und mit ihr Jeanne kamen hinter viele Ränke, denn der Kardinal empfing im Zimmer Antoines, das ihm am unverdächtigsten schien, noch andere Herren. Jeanne staunte über den Leichtsinn ihres Mannes. Wahrscheinlich verstand er nicht einmal alles; durch das Loch in der Wand sah sie ihm an, daß er mit seinen Gedanken bei einer Geliebten weilte. Das war ein Grund mehr für sie, ihm keinen Wink zu geben und ihre Freundin Katharina nicht an ihn zu verraten. Sie nahm sich sogar vor, es mit seiner Geliebten niemals zu einem öffentlichen Auftritt kommen zu lassen. Solche stille Selbstbeherrschung übte Jeanne; denn der Vorteil ihres Sohnes und der Religion verlangte, daß sie mit der alten Katze befreundet wäre.

Dennoch trat der schreckliche Fall ein, daß die Dame, eine Marschallin, ihr begegnete und sogar wagte, sich ihr vorzustellen, ja, einen Kuß zur Begrüßung erwartete sie. Jeanne ertrug es nicht, so vernünftige Vorsätze sie auch gehegt hatte. In diesen Armen, an dieser entblößten Brust lag in den Stunden, deren jede sie selbst immer älter und kränker machte, der einzige Mann, um den sie je gekämpft hatte! Empört starrte Jeanne in das Gesicht, das reizend und sogar lieblich war. Der ganze Betrug des Lebens stieg ihr in den Hals. Wenn sie es auch nicht gewollt hätte, sie drehte der Dame den Rücken und ließ sie stehen.

Die Marschallin aber nahm die Behandlung nicht hin und wich keineswegs. Während die Königin von Navarra andere begrüßte, stand sie dabei, ihr Gesicht war nicht mehr lieblich, und sie sagte laut genug:

„Du kehrst mir den Hintern zu, und küssen willst du mich nicht? Beim heiligen Johann! Um so weniger Küsse beziehst du von deinem Mann; die krieg alle ich!“

Jeanne umgab sich dicht mit ihren Freundinnen, um auf gute Art fortzukommen. Die andere war ein großes, drohendes Weib, ein Zusammenstoß hätte schlimm enden können. Mehrere Herren, die aufmerksam wurden, beschützten Jeanne auf der Flucht.

Aber erst nachher sah es aus, als ob der Vorfall ihr gefährlich werden sollte. Nie hatte sie ihren Mann so zornig gesehn, er sprach davon, sie zu verstoßen, sie einzusperren, und sie wußte, daß nicht allein seine Geliebte ihn aufhetzte. Das Loch in der Wand hatte sie davon überzeugt, daß der Kardinal von Lothringen mit dem armen Antoine machte, was er wollte, und sein Ziel war die Beseitigung Jeannes; dann hatte das Haus Guise keine Mitbewerber mehr, und die Protestanten verloren ihre Königin.

Jeanne begriff vollkommen, daß sie nur bei Madame Catherine ihr Heil suchen konnte. Durch das Loch wurde ihnen beiden bekannt, was die Freunde Antoines ihm einredeten: er könnte die junge Maria Stuart heiraten. Diese war die Witwe des verstorbenen ältesten Sohnes der Medici, eines ihrer Söhne, die nacheinander König hießen, während sie selbst regierte. Katharina war derselben Meinung wie Jeanne, daß diese Verbindung verhindert werden müßte. Sie konnte einen Mann im Haus nicht brauchen, wäre es auch nur der gute Antoine. Hinsichtlich seiner verstanden die Frauen einander.

Katharina wurde hierdurch sogar veranlaßt, sich an einen anderen Plan zu erinnern, die Verlobung ihrer Tochter Margot mit dem kleinen Henri von Navarra. Sie sagte offen, dies wäre der wahre Nutzen des Königreichs, einen Prinzen vom Geblüt und den nächsten Verwandten des Hauses darin aufzunehmen und daran zu fesseln. Einer ihrer Astrologen hatte ihr eröffnet, es würde eine ihrer glücklichsten Handlungen sein. Leider war es zu früh, wegen der Jugend der Kinder. Die Königinmutter bezeugte Jeanne ihre Aufrichtigkeit durch eine Umarmung; aber in den Armen der alten Katze begann Jeanne zu zittern. Ihr war ein gewisses Gerücht über ihre gute Freundin eingefallen. Madame Catherine sollte einen Würdenträger vergiftet haben, damit sie seine Einkünfte für einen anderen frei bekäme. Im gleichen Augenblick sagte Katharina und machte die Umarmung etwas enger:

„Für meine Freunde bin ich zu allem fähig.“

Vielleicht war es Zufall. Jedenfalls belehrte dies Wort die Mutter Henris nochmals, wie sehr geboten es war, die Freundschaft dieser Frau um keinen Preis zu verlieren. Aber in ihrem Innern war zuviel Auflehnung gegen die eigene Einsicht, sie konnte niemals lange klug bleiben. Wenn Jeanne ihre wahre Gesinnung noch so fest im Herzen verschlossen hatte, plötzlich befreite die Wahrheit sich und wurde laut. Der Ton der schmächtigen Jeanne bekam dann etwas Herrisches und Hohes, weil sie im Namen der Religion sprach. Noch im Lauf dieses selben Gespräches forderte sie, und vergaß dabei alle schrecklichen Gerüchte über Madame Catherine:

„Margot muß protestantisch werden! Sonst darf mein Sohn sie nicht heiraten.“

Sie wußte durchaus nicht, wie die andere es aufnehmen würde; aber die blieb genau so freundlich, sie wurde sogar noch vertraulicher. Sie gestand, daß sie überlegte, ob nicht auch sie selbst mit allen ihren Kindern zu der neuen Religion übertreten sollte! Die Protestanten wären vielleicht doch die Stärkeren, und mit ihnen schlüge sie dann die Guise. Vom Glauben sprach sie gar nicht, und Jeanne warf es ihr vor; aber die Predigt, die sie ihr hielt, berührte die gute Freundin Katharina nicht. Sie erwiderte einfach, es wäre besser, das Spiel nicht aufzudecken, und ihre gute Freundin Jeanne sollte nur fortfahren, die Pastoren bei geschlossenen Fenstern predigen zu lassen.

Hierbei öffnete sie ein Fenster und bat Jeanne, hinauszusehen. Im Garten vergnügten sich Margot und Henri. Er schaukelte das kleine Mädchen, es trug heute kein Prachtgewand, nur ein leichtes Gewebe, und das flatterte um sie her bei jedem Schwung der Schaukel. Henri hockte sich auf den Boden, ließ sie über sich hinfliegen und rief:

„Jetzt seh ich deine Beine!“

„Du siehst sie nicht“, rief Margot hinunter.

„Wie die Sonne am Himmel!“ beteuerte er.

„Das ist nicht wahr.“

„Und sie sind dick!“

„Halte sofort die Schaukel an!“

Er tat es nicht, sondern ließ sie von selbst ausschwingen. Margot stieg ab, nahm zuerst seine Hilfe an, und dann schlug sie ihm mit aller ihrer Kraft ins Gesicht.

„Das habe ich verdient“, sagte er und verzog vor Schmerz das Gesicht. Hierauf erfaßte er den Saum ihres Kleides und küßte ihn.

„Fang nicht wieder so an!“ verlangte sie. „Du warst immer nur höflich und artig, das mag ich nicht. Heute zum erstenmal hast du richtig mit mir gesprochen.“

„Weil ich jetzt sicher weiß, daß du Beine hast wie die anderen Mädchen, aber schöner.“

„Nein, du weißt es noch nicht. Warte, bis wir beide größer sind!“

Hierauf schwieg sie, sah ihn nur an und bewegte dabei die rosige Spitze ihrer Zunge zwischen den Lippen. Ihr Gesicht hatte Farben wie ein auf Porzellan gemalter Pfirsich, nicht wie ein wirklicher. Der Junge unterschied niemals genau, ob sie ihn herausforderte oder abwies. Damit die Sache endlich klar würde, fiel er über sie her und küßte sie gewalttätig. Margot verlor davon den Atem und lachte glücklich.

„Du kannst es besser als —“

„Wer?“ fragte er und stampfte mit dem Fuß.

„Niemand“, sagte sie beleidigt.

Droben schloß Madame Catherine das Fenster, sie verhinderte dadurch Jeanne, hinunterzurufen.

„Unsere Kinder verstehen einander“, bemerkte die Dicke mit ihrer gutmütigen Ironie. Die Dünne war krankhaft erblaßt, aber noch immer beherrschte sie sich.

Die Folge war, daß sie ihren Sohn so eng an sich zog, als ob sie noch zu Hause gewesen wären. Er hatte lange keine guten Lehren gehört, seine Mutter bearbeitete ihn jetzt wieder täglich, er sollte das Gefühl nicht verlieren, mit ihr auf feindlichem Gebiet vorzugehen, gegen alle, für die Religion: ihre. Verteidigung, das Werben für sie, die Verhöhnung der Messe, der Heiligenbilder, was alles noch! Henri glaubte an seine Mutter; was sie sprach, nahm vor seinen Augen feste Gestalt an. Über Margot hatte sie ihm kein Wort gesagt, wahrscheinlich schämte Jeanne sich des Vorganges, den sie aus dem Fenster mitangesehen hatte, und verübelte es Katharina, daß sie ihn ihr gezeigt hatte.

Er aber begriff; sein böses Gewissen verriet ihm, was seine liebe Mutter meinte, und plötzlich erklärte er der kleinen Marguerite mit einem Gesicht, vor dem sie erschrak: von ihren Beinen könnte nie mehr die Rede sein, die würden in der Hölle braten! Sie sagte, daß sie es nicht glaube, in Wirklichkeit aber fürchtete Marguerite sich und fragte ihre Mutter um Rat.

Die erste Trennung

Madame Catherine erfuhr noch auf andere Weise von den Umtrieben Jeannes. Es war nicht schwer, weil ihr kleiner Sohn so wenig zurückgehalten wurde. Wenn die Protestantin sich selbst noch Geduld und Heimlichkeit auferlegte, bei Henri versuchte sie es nicht, im Gegenteil. Sie verließ sich darauf, daß die Wahrheit unangreifbar ist, wenn sie aus dem Munde von Kindern kommt.

Henri war glücklich, seiner lieben Mutter gefällig zu sein, noch dazu in Dingen, die ihm so viel Spaß machten wie die Verhöhnung der Katholiken. Inzwischen war er der Anführer einer Bande von Jungen geworden, allen verstand er beizubringen, daß es nichts Lächerlicheres gäbe als Bischöfe und Mönche. Bei der Bande befand sich schon bald der ganze Nachwuchs des Hofes, selbst die Königinmutter kannte nicht den Umfang der Verschwörung, denn wer hätte ihr zu sagen gewagt, daß ihre eigenen Söhne dabei waren. Zuerst hatte Henri den jüngsten der drei Prinzen gewonnen für das neue Vergnügen, sich als geistliche Herren zu verkleiden und in diesem Aufzug das Schloß unsicher zu machen. Sie platzten so ungezogen wie möglich in ernste Beratungen und in Liebesszenen hinein und verlangten noch, daß man ihre Kreuze küßte. Es war für sie ein wirklich lustiger Karneval, trotz der unpassenden Jahreszeit im Herbst.

Der jüngste Prinz, d’Alencon genannt, war der unternehmendste, wenn er auch gleich fortlief. Es konnte aber nicht fehlen, daß auch der zweite, Henri, genannt Monsieur, Lust bekam, mitzutun, und zuletzt juckte es Karl den Neunten selbst, ihn, den christlichen König, das Oberhaupt aller Katholiken. Er zog sich wie ein Bischof an und prügelte die Herren und die Damen mit seinem Krummstab, was sie aus Ehrerbietung auch geschehen ließen. Lachen konnte dieser Knabe nicht, er wurde nur bleicher, sein Seitenblick nur mißtrauischer, und er erregte sich, bis ihm unwohl wurde. Wer stand dabei und freute sich aus unschuldigem Herzen dessen, was er angerichtet hatte? Henri Navarra.

Die „kleinen Lieblinge“ nannte der Hof die Verschwörer und stellte sich, als wären sie nur leicht zu nehmen. Madame Catherine wurde so lange getäuscht, bis einmal vor ihrer Tür ein Lärm entstand, sie glaubte einen Augenblick, es sei um sie geschehn. Bei ihr weilte niemand außer einem italienischen Kardinal, und der sah sich schon um, wo er sich verkröche. Dann ging aber die Tür auf, und herein kam als erster ein Esel, darauf ritt Henri von Navarra, rot gekleidet und mit allen Abzeichen einer hohen kirchlichen Würde. Ihm folgten viele junge Herren mit spitzen Mützen, ausgestopften Bäuchen, Mönchskutten jeden Ordens; sie spornten ihre Grautiere an und sprengten um den Saal, unter Absingung von Litaneien. Die Unberittenen sprangen einander auf die Rücken und wollten sich tragen lassen, dabei stürzten viele, die Möbel mit ihnen, der getäfelte Saal hallte wider von Gesang, Wehgeschrei, Krachen des Holzes, Hufgeklapper und Gelächter.

Auch die Königinmutter lachte anfangs, schon weil es keine Mörder waren. Als sie aber am Ende ihrer eigenen Söhne ansichtig wurde, obwohl die Prinzen sich gerne ihrer Aufmerksamkeit entzogen hätten, da war im Grunde ihre Geduld vorbei, sie ließ es indes nicht sehen. Sie stellte sich, als wäre sie nur zum Schein erzürnt, mit mütterlicher Strenge ermahnte sie alle Knaben, zu achten, was heilig ist, und etwas anderes zu spielen. An die Prinzen wandte sie sich nicht besonders. Nur dem kleinen Navarra gab sie einen gutmütigen Backenstreich.

Dennoch war Katharina über die wahre Gesinnung ihrer guten Freundin Jeanne seitdem belehrt, und das geschah schon im Herbst, zur gleichen Zeit, als die beiden guten Freundinnen das Loch in die Wand bohrten. Jetzt kam es nur noch darauf an, wie gefährlich die Protestantin werden konnte, und das zeigte sich zuerst im Januar, als sie ganz offen nach Paris fuhr, um den Eifer ihrer Religionsgenossen zu beleben und sie aufzuwiegeln. Katharina hatte ihnen erlaubt, öffentlich zu predigen, und sofort mißbrauchte die Königin von Navarra die erlaubten Freiheiten. Katharina schwieg und behielt Jeanne als Vertraute; ihre Art war, die Dinge von selbst zum Ende treiben zu lassen. Auch als dieses ihr erreicht schien, trat sie nicht persönlich hervor; vielmehr übergab der arme Antoine ihre Befehle, wobei er glaubte, es seien seine eigenen. Jeanne sollte den Hof verlassen, und das Härteste war: ohne ihren Sohn.

Der Vater behielt Henri zurück, damit er dem Einfluß der Mutter entzogen und ein guter Katholik würde. Vor noch nicht zwei Jahren hatte derselbe Vater ihn zu einem guten Hugenotten machen wollen. Henri erinnerte sich dessen wohl; aber wenn er gewagt hätte, es auszusprechen, wäre er zu sehr erschrocken – über den Vater, über sich selbst. Er fühlte schon jetzt, daß es im Leben stärkere Beweggründe geben müßte als die einfache Aufrichtigkeit. Als seine Mutter Jeanne von ihm Abschied nahm, weinte er – ach, hätte sie gewußt, über was alles! Sie tat ihm leid; so sehr bedauerte er sich selbst nicht. Immer war sie sein höchster Glaube gewesen, zuerst Jeanne und erst dann die Religion.

Jetzt schluchzte sie, küßte ihn, hatte die Erlaubnis nur noch dies eine Mal, und dann mußte sie fort, wohin ihre Feinde sie schickten, er aber kam gegen ihren Willen in eine katholische Schule. Sie faßte sich zwar, um ihn streng und drohend zu ermahnen, daß er niemals zur Messe gehen dürfte, sonst würde sie ihn enterben. Er versprach es ihr auch, weinte aus dem Herzen und war zu allem Guten entschlossen – aber nicht, weil er es für das Sicherste hielt: das war schon hier vorbei. Seine liebe Mutter ging in die Verbannung für die wahre Religion. Sein Vater verleugnete die Religion, auch er tat gewiß, was er mußte. Seine Eltern liebten einander nicht mehr, sie waren Gegner, kämpften jeder um ihn, und das alles war nicht einfach, er fühlte es. Hätte Madame Catherine wirklich den Buckel und die Klauen gehabt, auch rote Augen und eine triefende Nase, dann wäre das Ganze noch zu verstehen gewesen. So aber stand ein kleiner Knabe allein vor der unsicheren, unerklärlichen Welt, und er selbst sollte nächstens den Fuß darauf setzen!

Er kam in das „Collegium Navarra“, die vornehmste Schule von Paris, auch der Bruder des Königs, der Monsieur genannt wurde, und ein gleichalteriger Guise besuchten sie. Beide hießen mit Vornamen wie der Prinz von Navarra, zusammen waren sie „die drei Henris“.

„Ich war wieder nicht in der Messe“, sagte der Prinz von Navarra voll Stolz zu den beiden anderen, als sie allein einander trafen.

„Du hattest dich versteckt.“

„Erzählen sie das? Dann lügen sie. Ich habe ihnen laut meine Meinung gesagt, und sie haben sich vor mir gefürchtet.“

„Fein! Mach nur so weiter“, rieten sie, und er in seinem Eifer merkte noch gar nicht, daß sie es mit ihm nicht ehrlich meinten. Er schlug vor: „Wir wollen uns wieder wie damals verkleiden, Bischofsmützen aufsetzen und auf Eseln reiten.“

Zum Schein gingen sie darauf ein, verrieten ihn aber den geistlichen Lehrern, und das nächste Mal bekam er Schläge, bis er sich in die Kapelle mitnehmen ließ. Hierbei blieb es vorerst, denn er wurde krank, weil er es sich gewünscht hatte und es sein wollte.

An seinem Bett saß während dieser Zeit ein Mann, der einzige, den seine Mutter bei ihm zurückgelassen hatte. Dieser Beauvois hatte es eilig, zu den Feinden seiner Herrin überzugehen, und Henri bemerkte, daß er die Peitschenhiebe, die er bekam, nicht nur seinen Freunden, den jungen Prinzen verdankte; auch der Spion verriet ihn.

„Gehen Sie fort, Beauvois, ich will Sie nicht sehen!“

„Wollen Sie auch einen Brief Ihrer Mutter, der Königin, nicht lesen?“

Da erfuhr der Knabe zu seinem großen Erstaunen, daß seine liebe Mutter den Verräter ihres Dankes und ihrer Zufriedenheit versicherte, weil er ihr alles berichtete, was hier geschah. „Bestärken Sie meinen Sohn in seinem Widerstand und erhalten Sie ihn bei der Religion! Sie tun recht, daß Sie ihn manchmal dem Rektor anzeigen, so daß er die Peitsche bekommt. Dies Opfer muß er bringen, nur dadurch können Sie in seiner Nähe bleiben, und ich kann durch Sie meinen lieben Sohn wissen lassen, was ich unternehme.“

Hierauf folgte noch vieles, aber Henri mußte sich zuerst den Mann neben seinem Bett ansehen; er meinte etwas Ähnlichem nie begegnet zu sein, dabei saß dort nur ein ziemlich beleibter Herr mit breitem Gesicht und eingedrückter Nase. Man erkannte auch, daß er viel trank; etwas Besonderes hätte Henri bei ihm nicht vermutet. Jetzt enthüllte er sich voll von Schlichen, ein krummes Wesen, obwohl so bieder anzusehen, und doch ein treuer Diener!

Der Herr von Beauvois las in der Miene des Prinzen von Navarra besser, als dieser in der seinen. Er sagte mit milder Stimme, während seine glanzlosen Augen sich belebten:

„Es ist nicht nötig, allen zu sagen, wer man ist.“

„Und das wissen Sie wohl selbst nicht“, erwiderte ganz schnell der Achtjährige.

„Es kommt immer nur darauf an, sich zu halten, wo man sein will“, sagte der alternde Mann.

„Das merke ich mir“, begann Henri und dachte weiterzusprechen:, Aber Ihnen werde ich nie mehr trauen.‘ Dazu kam er indes nicht, Beauvois hatte ihm plötzlich den Brief seiner Mutter fortgenommen – ein unheimlich geschickter, unsichtbarer Griff; er ließ das Papier verschwinden. Schon sagte er ganz verändert:

„Morgen werden Sie aufstehn und freiwillig zur Messe gehn. Ich rate es Ihnen, denn Sie sind schwach und würden die Peitsche schlecht vertragen, aber was verdienen Sie anderes, wenn Sie nicht gehorchen.“

Er drückte sich so weitläufig aus, daß Henri endlich doch die schleichenden Schritte hörte, bei der Tür hinter seinem Bett. Er wandte den Kopf nicht, aber er tat, als ob er weinte; damit ließen sie die Zeit vergehen, bis der Aufseher fort war. Dann teilte der Vertraute ihm den übrigen Inhalt des Briefes mit, flüsternd und eilig, bevor wieder jemand dazwischen käme.

Jeanne d’Albret unternahm nicht mehr und nicht weniger als den offenen und allgemeinen Bürgerkrieg. Sie schonte ihren Gatten nicht länger und daher niemand mehr. Sie brauchte Leute und Geld für ihren Schwager Condé, einen großen Herrn, der seine eigene Macht mit der Religion verwechselte, aber das war ihr gleich, er sollte das protestantische Heer führen. In der Grafschaft Vendôme, wohin sie verbannt war, ließ sie Kirchen plündern. Sie empfing sogar Geld aus der Schändung von Gräbern, und es waren Gräber von Verwandten ihres Mannes! Nichts schreckte sie ab, nichts blieb bestehn, außer ihrem Willen.

Dies alles hörte ihr Sohn mit ihrer Stimme, an seinem Ohr sprach ihr Mund leidenschaftlich, obwohl es nur das überstürzte Geflüster eines fremden Menschen war. Henri sprang aus dem Bett und war gesund. Fortan ertrug er wieder alle Leiden, wenn sie ihn nur vor dem Gang zur Messe bewahrten. Oft vergaß er alles, wurde fröhlich, wie er von Natur war, und balgte sich lärmend mit den anderen Jungen, sah die hohen dunklen Mauern des Schulhofes nicht mehr, war frei und war der Sieger. Er glaubte im Ernst, bald würden seine Feinde ihn angehen und demütig bitten um Fürsprache bei seiner lieben Mutter, sie möchte ihnen verzeihn.

Es kam anders. Jeanne verlor und mußte flüchten, aber ihr Sohn wartete das Ende nicht erst ab. Am ersten Juni gab er nach, seit März hatte er sich gehalten. Sein Vater selbst führte ihn zur Messe, ihm schwur Henri, rechtgläubig zu bleiben, und erwachsene Ordensritter küßten ihn als ihren Mitstreiter, darauf war er trotz allem stolz. Wenige Tage später brach seine liebe Mutter eilig auf; Beauvois berichtete es ihm vorwurfsvoll,obwohl er ihm selbst geraten hatte, noch vor dem Zusammenbruch des Unternehmens den rechten Glauben anzunehmen. Aus einer Gegend nördlich der Loire entwich sie ihren Feinden nach Süden bis in ihr Land, immer in Gefahr, gefangen zu werden von dem General Montluc, den Katharina ihr nachschickte.

Wie sehr in Angst begleitete das Herz ihres Sohnes sie auf ihrer Reise! Er war ihr ungehorsam geworden und hatte sie verraten, kam ihr ganzes Unglück nicht daher? Ihr wagte er nicht zu schreiben, einem ihrer Herren schickte er Briefe, die Schreie der Verwirrung und des Schmerzes waren: „Larchant, ich hab so große Furcht, daß der Königin, meiner Mutter, etwas Übles zustößt!“

Das war am Tage; aber in der Nacht schläft ein Kind und träumt vom Spiel. Sogar unter den Stunden des Tages waren doch immer mehrere, die ihn alles vergessen ließen, das Unglück und seine eigene geringe Bedeutung in der Welt. Dann tat er etwas, woran niemand und keine Verkettung ihn hinderten, er setzte einem im Spiel besiegten Jungen das Knie auf die Brust. Hierauf lachte er ihn aus und ließ ihn laufen. Das war falsch, die Bestraften sind weniger gehässig als die Verschonten; aber das sollte Henri niemals ganz begreifen.

Er war nicht grade beliebt bei seinesgleichen, obwohl er beides bei ihnen erreichte, Furcht und Lachen. Ihm lag an ihrer Achtung und daneben an der Wirkung seiner Späße, wobei er niemals bemerkte, daß sie ihn nicht mehr achteten, wenn sie lachten. Er machte ihnen einen Hund vor oder nach ihrem Belieben einen Schweizer oder Deutschen; denn der innere Krieg führte die fremden Landsknechte nach Paris, er hatte sie gesehn. Einst rief er aus: „Cäsar wurde ermordet!“ Zu Henri Monsieur sagte er: „Sie sollen Cäsar sein.“ Zu Henri Guise: „Und wir die Mörder.“ Er kroch am Boden, um seinem Genossen zu zeigen, wie man sich an ein Opfer heranschleicht. Dieses wurde vom Entsetzen gepackt, es schrie und flüchtete, aber die beiden Verfolger waren schon über ihm.

„Was machst du denn?“ fragte plötzlich der Sohn Jeannes. „Du tust ihm weh.“

„Wie soll ich ihn sonst ermorden?“ erwiderte Guise. Indessen hatte der Augenblick der Unterbrechung genügt, um Cäsar nach oben zu bringen, er schlug unerbittlich, Navarra mußte jetzt ihn davon abhalten, den anderen umzubringen.

Er kehrte lieber zur Posse zurück. Jene begriffen nicht, daß man kämpfen und es leichtnehmen konnte. Sie wurden schwerfällig ernst und brüllten „Schlag ihn tot!“ – während er selbst sich am Spiel begeisterte.

Er war kleiner als die meisten Gleichalterigen, hatte eine braune Hautfarbe bei dunkelblonden Haaren, sein Gesicht und seine Augen waren beweglicher als die ihren, seine Einfälle kamen schneller. Manchmal standen alle um ihn her und bestaunten ihn als etwas Fremdes, einen Tanzbär oder Affen.

Bei aller Begeisterung, in die seine Phantasie ihn versetzte, konnte er plötzlich die Wahrheit erkennen; sie sahen einander fragend an, sie hatten nicht verstanden, was er redete, es war zu sehr gefärbt von seiner heimatlichen Sprache. Die beiden anderen Henris brachten heraus, daß er dem Wort Löffel einen falschen Artikel gab, aber sie sagten es ihm nicht, sondern machten den Fehler jetzt selbst, sooft er dabei war. Er fühlte wohl, daß sie irgend etwas gemein und vor ihm voraus hatten. In dieser Zeit träumte er; wovon doch? Am Morgen war es vergessen. Erst als ihm klar wurde, daß er Heimweh, schreckliches und wildes Heimweh litt, da wußte er auch, was jeder Traum ihm zeigte: die Pyrenäen.

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
14 temmuz 2025
Hacim:
790 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9788726482874
Yayıncı:
Telif hakkı:
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