Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 4

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Als der Vater starb

Er sah sie grün bewaldet bis in den Himmel, seine Füße trugen den Schlafenden hinan wie der Wind, und oben war er so groß wie sie, so groß wie die Berge. Er konnte sich hinabneigen bis zu dem Schloß von Pau und seine liebe Mutter auf den Mund küssen. Vom Heimweh erkrankte er wieder, wie vorher wegen der Messe. Man hielt es zuerst für die Blattern, die waren es nicht. Sein Vater hatte ihn damals auf das Land gebracht, denn Antoine von Bourbon zog wieder einmal ins Feld, und sein kleiner Sohn sollte nicht allein in Paris bleiben. Henri fürchtete die Verlassenheit auf dem Lande nicht weniger, er erflehte vom Vater, daß er ihn mitnehmen möge in das Lager. Das tat Antoine schon darum nicht, weil er dort eine Geliebte hatte.

Als er fortritt, begleitete Henri ihn eine Strecke weit auf seinem Pferd. Er konnte sich nicht trennen, er liebte wie nie vorher diesen schönen Mann in Bart und Waffen, das war sein Vater, noch blieb er ihm, bis an den Kreuzweg noch, bis zu dem Bach! „Ich bin schneller als du, willst du wetten? Ich weiß eine Abkürzung, hinter dem Wald hast du mich auf einmal wieder neben dir!“ Das trieb er, bis der Vater ihn im Zorn nach Hause schickte. Aber kaum sechs Wochen, und Antoine war tot. Das Laub der Bäume vertrocknete, und ein Bote kam zu seinem Sohn, der König von Navarra sei gefallen.

Der Prinz, sein Sohn, wollte aufschreien, plötzlich unterdrückte er alle Tränen und fragte:

„Ist es wahr?“

Denn er hielt es jetzt schon für die Regel, daß man log und ihm Fallen stellte.

„Erzähle mal, wie es zuging!“

Zweifelnd hörte er die Geschichte von dem Laufgraben, wohin der König sich sein Essen bringen ließ. Der Page, der ihm einschenkte, war schon von einem Geschoß verwundet worden. Einen Hauptmann gleich daneben traf ein anderes tödlich, der stand ungedeckt und verrichtete sein Bedürfnis. Stellt der König sich auf denselben Fleck! Wie sollte es anders kommen? Noch eine Kugel schlug dort ein, und das war, als der König pißte.

Hier ließ endlich Henri seine Tränen fließen. Er hatte die Wahrheit erkannt an dem unbesorgten Mut seines Vaters. Ihn brannte der Schmerz, daß er selbst hatte fern sein müssen, nicht hatte teilhaben dürfen an der Schlacht und der Gefahr, wie dieser Diener, den sein Vater geliebt hatte.

„Raphael!“ schrie er ihn an. „Liebte der König mich?“

„Als er seiner Verwundung erlag, es war auf dem Schiff, das ihn nach Paris führen sollte —“

„Wer war bei ihm? Ich will es wissen!“

Der Diener antwortete nicht. Die Geliebte, in deren Armen Antoine gestorben war, verschwieg er.

„Ich war mit ihm allein“, versicherte er. „Als mein Herr das Ende kommen fühlte, neun Uhr abends, faßte er mir in den Bart und sagte: „Dien meinem Sohne gut, und mög er gut dem König dienen!“

Henri sah dies vor sich, daher hörte er auf zu weinen und griff selbst in den Bart des Mannes. Er fühlte, daß es nichts Schöneres geben könnte, als so brav wie sein Vater Antoine zu sterben für den König von Frankreich.

Das Andenken an seinen Vater bestimmte die beiden nächsten Jahre des Knaben. Solange sah er seine Mutter nicht wieder. Jeanne wurde die ganze Zeit schwer bedroht vom General Montluc; das war der Druck, unter dem Madame Catherine erreichte, daß sich mit ihr leben ließ. Darauf verstand sich Madame Catherine, denn sie kannte nicht die Leidenschaft zu hassen wie Jeanne d’Albret; sie handelte einfach nach den Umständen. Das Haus Guise blieb ihr stärkster Feind, während die Protestanten zeitweilig unterlegen waren. Um so eher könnte sie sich ihrer bedienen, vor allem ihrer geistigen Führerin. Alles wohl überlegt, entschied Madame Catherine wie folgt.

Der junge Prinz von Navarra wurde, wie sein Vater es gewesen war, Gouverneur der Provinz Guyenne, auch Admiral wurde er, und hundert Leibwächter bekam er, mußte aber bei Hof bleiben. Sein Stellvertreter dort im Süden, der hieß natürlich Montluc, kein anderer als der, über den Jeanne sich so heftig beschwerte. Dafür durfte sie ihren Henri erziehen wie sie wollte, obwohl sie selbst nicht zugegen war. Sofort gab sie ihm als Lehrer seinen alten biederen La Gaucherie zurück, die oberste Leitung des Prinzen lag in den Händen des schlauen Beauvois, und zur Messe wurde nicht mehr gegangen. Henri war wieder Protestant, es regte ihn schon nicht mehr auf.

Er sagte sich: ,Ich bin katholisch geboren, meine liebe Mutter hat mich zum Hugenotten gemacht, und das will ich auch bleiben, obwohl mein Vater mich schon wieder zur Messe geschickt hatte, oder eigentlich war es Madame Catherine, und die Ordensritter küßten mich. Wenn ich jetzt mit denen von der Religion im Felde stände, wie es mir zukäme‘ – und dem Knaben schlug das Herz —, ,dann würden sie mich nicht mehr küssen. Vielmehr müßte ich sie darum bitten, denn sie könnten uns besiegen, und darauf wäre ich wieder katholisch. So ist die Welt.‘

Noch höher sprang sein Herz. ,Nein!‘ dachte er. ,Siegen oder sterben!‘ Diesen Spruch, aut vincere aut mori, schrieb er auch auf einen Zettel, für eine Lotterie, und Madame Catherine fragte ihn, was das bedeutete. Da sagte er, den Sinn der Worte kenne er nicht.

Der merkwürdige Besuch

Im elften Jahr war Henri, als er mitgenommen wurde auf die große Reise des Königs Karl des Neunten durch Frankreich. Die Königinmutter Katharina fand, daß das ganze Königreich ihren Sohn endlich zu sehen bekommen müßte, und auch der erste Prinz vom Geblüt, der Henri von Navarra war, müßte in seinem Gefolge überall gezeigt werden, ein Protestant und doch nur ein Vasall. Wer durchkreuzte wieder einmal die Pläne der klugen Dicken? Oder glaubte wenigstens sie zu durchkreuzen? Jeanne d’Albret; plötzlich erschien sie. In eine Stadt, wo der Hof sich grade aufhielt, zog sie ein, wie eine selbständige Fürstin, mit dreihundert Reitern und nicht weniger als acht Pastoren.

Sofort überfiel sie Madame Catherine mit lauter unbefriedigten und stürmischen Forderungen. Sie ließ sich nur die Zeit, mit ihrem Sohn zu beten. Ihren Sohn hatte sie ihrer guten Freundin überlassen als Pfand der Verständigung; statt dessen verbot Monluc in Béarn das Predigen, und etwas noch Schlimmeres sollte bevorstehen, eine Zusammenkunft Katharinas mit Philipp dem Zweiten von Spanien, dem Dämon des Südens und Erzfeind der Religion. Jeanne verlangte die Wahrheit, Jeanne forderte ihr Recht.

Niemand konnte Verträge gleichgültiger finden als Katharina, sobald sie keinen Nutzen mehr brachten. Sie lachte nach ihrer Art in sich hinein. ,Meine gute Freundin, jetzt sind Sie hier und ich habe Sie, das hat mir am meisten am Herzen gelegen.‘

So war es wirklich, denn Philipp hatte sie wissen lassen, bevor er seine Gesandten auf die andere Seite der Pyrenäen schickte, müßte die Königin von Navarra aus der Gegend verschwinden. Daher erreichte Jeanne nichts weiter als etwas Geld zum Leben für ihre Reiter und Pastoren, damit mußte sie sich wieder in die Grafschaft Vendôme zurückziehen, wie vor zwei Jahren. Die Reise des Hofes aber ging nach Süden.

Jeanne verzieh es sich nicht, daß sie in eine Falle geraten war. Ihr Sohn schlief eines Nachts zu ebener Erde im Gasthof eines Ortes, dessen Schloß zu klein gewesen war für die ganze Gesellschaft. Plötzlich sprang er auf. Glas hatte geklirrt, und jemand war auf den Fußboden gefallen. Henri stürzte sich mit aller Kraft auf den Mann, solange er noch lag, und rief dabei laut um Hilfe. Lichter und Leute erschienen, der Mann wurde übel zugerichtet. Als Henri ihn sehen konnte, erkannte er ihn und schwieg bestürzt. Auf einmal verstand er, wer ihn geschickt hatte, und wozu. Aber er hütete sich, irgend jemandem einzugestehen, daß seine liebe Mutter ihn hatte entführen lassen wollen. Auch sein Erzieher Beauvois verriet sich nie. Beide blickten einander manchmal traurig an, der Ältere schüttelte den Kopf, indessen der Knabe ihn senkte.

Ein Ort in der Provence heißt Salon, dort wohnte damals ein merkwürdiger Mann, und Henri von Navarra lernte ihn kennen. Es war früh am Morgen; der Elfjährige stand nackt im Zimmer, grade sollte der Diener ihm sein Hemd reichen, da trat Beauvois ein und mit ihm dieser Mann. ,Was will Beauvois‘, denkt Henri. ,Ist das ein Arzt? Ich bin nicht krank.‘

Indessen fragt der Mann: „Wo ist der Prinz?“ Hält fünf Schritte vor ihm und sieht ihn nicht, obwohl er ganz nackt ist! Beauvois beantwortet die Frage nicht, sondern wartet aufmerksam – scheu, hätte man gesagt, wenn Beauvois scheu sein könnte. Der Diener seinerseits verzieht sich in eine Ecke und nimmt das Hemd mit. Der Knabe fühlt sich sonderbar allein, entkleidet, vollkommen sichtbar, auch die Fehler, auch das Schlechte. Er beginnt zu fürchten, das Ereignis werde darauf hinauslaufen, daß er die Peitsche bekommt. O alter Mann, so hager, eisengrau von Haaren und die Wangen hohl, so sieh mich endlich und dann geh wieder!

Längst hält der Mann ihn im Auge, durchforscht die Gestalt und das kleine Menschengesicht; das weiß nur niemand, sein eigener Blick ist verhängt und kommt von weiter her als aus fünf Schritten Abstand. Außerdem lenkt er ab, durch unbegründete Bewegungen, springt zurück, vor, stößt Beauvois an, murmelt Entschuldigungen, hört überhaupt nicht auf zu murmeln, viel zu spät aber fällt ihm ein, sich zu verbeugen. Er schwenkt dabei seinen großen Hut, und aus Ungeschicklichkeit schleudert er ihn fort, dem Prinzen vor die Füße. Hier tut Henri etwas, das nicht seinem Rang entspricht. Er weiß nicht warum, er hebt den Hut auf und bringt ihn dem Mann, einem Mann, der höchstens ein Arzt, aber für einen Arzt zu ungeschickt ist.

Da stehen sie nahe voreinander, der Hagere sieht hinunter, der Kleine erhebt angestrengt das Gesicht – umsonst; der unfaßbare Blick dieser Erscheinung zieht einen Vorhang bis über seine Wangen und den Hals, übrig bleibt das Gerüst ohne Kopf, ein Schleier statt des Kopfes. Der Knabe fürchtet sich, und nicht mehr vor Prügeln.

Der Mann hat aufgehört zu murmeln, er denkt: ,Was sage ich?‘ Er fühlt: ,Dies ist ein Kind. Es ist das Unerfüllte, Grenzenlose, es hat, so schwach es ist, mehr Macht und Gewalt als alle, die schon gelebt haben. Es verspricht Leben und ist daher groß. Es ist das allein Große. Welch ein tapferes Gesicht!‘ sieht er, als Henri grade am meisten Furcht hat.

„Er ist es!“ spricht er laut und wendet sich zu Beauvois, der geduldig wartet. „Wenn Gott Ihnen die Gnade erweist, so lange zu leben, werden Sie als Herrn einen König von Frankreich und Navarra haben.“

Das ist alles, was er laut spricht – versucht nicht noch einmal, sich zu verbeugen, geht schon aus der Tür. Der Herr von Beauvois öffnet sie ihm.

„Ich danke Ihnen“, sagt er. „Auf Wiedersehen, Herr Nostradamus.“

Henri aber fühlt: Das ist keiner von denen; die man wiedersieht. Grade darum wird er die Erscheinung im Gedächtnis bewahren.

Die Zusammenkunft

Außerdem aber drangen in jenen Tagen Gerüchte und Voransagen auf ihn ein; es war unmöglich, zu vergessen, was damals geschah. Wo der Prinz von Navarra immer hinkam mit seinen protestantischen Begleitern, begrüßten die von der Religion ihn mit ungewohnter Heimlichkeit und bestürzten Gesichtern.

„Reisen Sie nicht weiter, Herr. Bleiben Sie in unserer Mitte, wir werden eher alle sterben, als daß wir Sie unseren Feinden überlassen.“ Ähnliches hörte er überall.

Ein weißhaariger Hugenotte, der sich von seinen Enkeln hatte herbeitragen lassen, erhob seine zitternde Hand zum Segen und sprach aus tiefer alter Brust:

„Ich lobe Gott, daß ich Sie gesehen habe. Nachdem wir alle ausgerottet sind, werden Sie, Herr, uns rächen und die Religion zum Siege führen.“

Dann folgten von allen Seiten die bekannten Beschwörungen, er möge sich der Weiterreise um des Himmels willen entziehen.

Nachher erwiderte Beauvois auf die Fragen Henris:

„Lassen Sie sich nicht erschrecken! Mögen diese Leute sich fürchten; das wird sie eifriger im Glauben machen. Sie sehen das Schlimmste voraus, weil die Königinmutter nächstens mit den Spaniern zusammenkommen soll. Wir aber kennen doch Madame Catherine. Die List liegt ihr näher als ein großes Gemetzel.“

„Wenn aber der Teufel aus Spanien es ihr befiehlt?“ bemerkte Henri, ohne auch nur eine Antwort zu erwarten, so gewiß war er der habsburgischen Todfeindschaft und sollte es immer bleiben.

Beauvois versuchte dem Knaben zu erklären, daß Katharina vielleicht nichts weiter vorhabe, als sich vor der katholischen Weltmacht zu rechtfertigen, dafür, daß sie ihren eigenen Protestanten nicht immer nur Heere entgegenschickte, sondern sie manchmal durch Nachgiebigkeit zu fangen versuchte. Im schlimmsten Fall konnte sie Philipp um Hilfe bitten, weil ihre reformierten Untertanen nicht anders zu bändigen waren.

Umsonst, Erwägungen drangen nicht bis in das Innere Henris, seine Phantasie erfüllte es ganz mit Bildern. Sie wurde in ununterbrochener Bewegung erhalten durch das Geraune um ihn her, die Mienen der Sorge und die ahnungsvollen Stimmen, die seine Reise begleiteten. Am Ziel – mußte eintreten, wessen er voll war. Er wußte nicht was, aber das Unbekannte stand bevor, und kam es nicht wirklich, dann war er dennoch bereit, es zu sehen und zu hören.

So erreichte er, im Gefolge der Größeren, die Stadt Bayonne, ganz nahe dem Lande Béarn, seiner Heimat. Hier hatte er sich auf alles gefaßt zu machen, dies war der Ort, grade dieser, an dem er mit Vater und Mutter von klein auf zu Hause gewesen war. Sanft wie die von je bekannten Laute seines Namens zog hindurch der Fluß Adour, und was im dunkelblauen Himmel zerging vor lauter Licht, jene Gipfel waren seine Berge, die Pyrenäen. Henri, der nach ihnen Sehnsucht gelitten hatte, dachte jetzt nicht ein einziges Mal daran, in sie zu flüchten.

Als die Spanier endlich ankamen, war es eine junge Frau, Elisabeth von Frankreich, Königin von Spanien, die eigene Tochter Katharinas, und als der höchste ihrer Begleiter der Herzog von Alba. Mit ihm unter vier Augen führte Madame Catherine ihr wichtigstes Gespräch.

Der Saal war von außen bewacht. Als erste erschien die alte Königin, sie ging die Fensterseite ab und hob alle Vorhänge auf. Gegenüber hingen an der Wand nur Bilder. Dann setzte sie sich in einen hohen graden Sessel, mit dem Blick auf die Tür. Hinter ihr war der Kamin. Grüne Zweige füllten seine große Öffnung aus; es war Mitte Juni.

Der Herzog von Alba trat ein, den Kopf aufgereckt aus seiner steif en Krause. Er beugte ihn nicht und nahm den Hut nicht ab. Er bog beim Schreiten die Knie so wenig wie möglich; sein Gesicht war unjung, aber spurenlos. Kein Erleben hatte darin zurückbleiben können, es war zu hochmütig.

Er blieb stehen – nicht aus Ehrerbietung, sondern wie ein Ankläger, und ohne Vorbereitung eröffnete er der alten Frau, daß sein Herr, der große König Philipp, mit ihr unzufrieden sei. Sie nahm es ohne Erwiderung hin; der Herzog erwartete auch keine, sondern sprach im härtesten Ton von ihren versäumten Pflichten gegen die heilige Kirche und ihren weltlichen Arm, der das Schwert führte, das Haus Habsburg. Sie nahm alles hin, bis er fertig war.

Darauf fragte sie mit ihrer fetten Stimme, wieviel Geld der König von Spanien ihr anböte, damit sie ihr ganzes Königreich katholisch machte. Das wäre teuer, setzte sie hinzu.

Der Herzog sagte: „Gar nichts. Oder Sie nehmen auch unsere Truppen auf und anerkennen Don Philipp als den höchsten Herrn über das Königreich.“

Katharina sagte, und diesmal schwankte ihre Stimme, das könnte Gott nicht wollen, denn er hätte ihr das Königreich anvertrant und ihr Söhne geschenkt. Aber sie verspräche dem König Philipp, daß sie seinen Zorn durch die Duldung der Ketzerei nicht länger herausfordern würde. Ihre Absichten wären immer die besten gewesen, nur hätte sie die unzulängliche Macht ersetzen müssen durch Klugheit.

„Wieviel kostet hierzulande ein Dolchstoß?“ fragte Alba.

Katharina atmete mehrmals hörbar, sie versuchte wohl zu lächeln, ihr Ton wenigstens wurde spöttisch.

„Zehntausend Dolchstöße kosten ebensoviel wie Kanonen, verbrannte Städte und ein Bürgerkrieg.“

„Was denn, zehntausend“, sagte Alba verächtlich. „Ich spreche von einem einzigen.“ Zum erstenmal geruhte er, sein Gesicht mit dem scharfen, spitzen Bart näher heran zu führen gegen den hohen graden Sessel. Dabei versetzte er:

„Zehntausend Frösche sind noch kein Lachs.“

Sie überlegte, obwohl sie ihn verstanden hatte. Um Zeit zu gewinnen, machte sie eine Bewegung nach der Tür und nach den hohen Fenstern. Den Kamin in ihrem Rücken vergaß sie. Ihre Stimme wurde leise, kaum daß Alba selbst noch jedes Wort unterschied.

„Sie können mit dem Lachs mindestens zwei Personen meinen.“

Auch er flüsterte jetzt. Eine lange Weile dauerte das Geflüster der beiden. Dann trennten sich ihre Köpfe, der Herzog trat zurück, steif und erhaben wie zu Anfang. Die alte Königin erhob sich schwer, er reichte ihr die Fingerspitzen und führte sie zur Tür, er stelzte, sie watschelte.

Als beide schon längst fort waren, blieb es im Saal noch immer lautlos still. Draußen zog hörbar die Wache ab. Da erst bëwegten sich die grünen Zweige in der großen Öffnung des Kamins, und heraus stieg eine kleine Gestalt. Sie machte die Runde um den Sessel, in dem es geschehen war. Sie sah die beiden Bösen, als ob sie noch dagewesen wären. Sie vernahm alles nochmals, was jene einander anzuvertrauen gehabt hatten, auch das Unhörbare samt den beiden Namen, die gefallen sein mußten. Nachträglich erkannte Henri sie, den Namen des Admirals Coligny, und das Blut schoß ihm zum Herzen, den Namen seiner Mutter, der Königin Jeanne.

Er ballte die Fäuste, die Augen gingen ihm über vor Zorn. Plötzlich schwang er sich auf einem Fuß herum, lachte hell und stieß einen munteren Fluch aus. Den hatte er von den Alten seiner Heimat, von seinem Großvater d’Albret, heilige Worte, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Er rief, daß es hallte.

Moralité

Ainsi le jeune Henri connut, avant l’heure, la méchanceté des hommes. Il s’en était un peu douté, après tant d’impressions troubles reçues en son bas âge, qui n’est qu’une suite d’imprévus obscurs. Mais en s’écriant allègrement VentreSaint-Gris au moment même où lui fut révélé tout le danger effroyable de la vie, il fit connaître au destin qu’il relevait le défi et qu’il gardait pour toujours et son courage premier et sa gaîté native.

C’est ce jour là qu’il sortit de l’enfance.

II
JEANNE

Die Festung am Ozean

„Ich habe es deutlich gesehen und gehört“, sagte Henri zu seiner lieben Mutter, als sie das erstemal ungestört sprechen konnten. Das war erst in Paris, obwohl Jeanne schon auf der Rückreise des Hofes sich ihm angeschlossen hatte.

„Weißt du, Mama, was ich glaube? Alba hat mich bemerkt. Das Laub im Kamin war nicht dicht genug, und ich stieß an die Zweige, sie bewegten sich.“

„Er kann angenommen haben, es sei der Wind. Würde er dich sonst nicht hervorgeholt haben?“

„Ein anderer hätte es getan, nicht dieser Spanier. Ich sah sein Gesicht, das war kein Mensch; und wäre es ihm der Mühe wert erschienen, dann hätte er einfach seine Klinge durch das grüne Zeug gestoßen, ohne erst zu fragen, wer dahinter stak. Aber dafür war er zu hochmütig, und außerdem war er sicher, nicht verstanden zu werden, so leise wie sie sprachen. Nein!“ rief er, da Jeanne etwas einwenden wollte. „Nicht für mich zu leise. Ich bin dein Sohn, daher begriff ich, was sie mit dir vorhatten.“

Jeanne nahm seinen Kopf und legte seine Wange an ihre. Geradeaus ins Leere sagte sie:

„Die Menschen prahlen gern fälschlich, auch mit Schandtaten.“

„Die Menschen, aber nicht die Ungeheuer!“ erwiderte er schnell und feurig. Plötzlich machte er sich von ihr los. „Komisch waren die beiden!“ – und um es ihr zu zeigen, stelzte er zuerst wie der Herzog und watschelte dann wie Madame Catherine. Er war voll Begabung für die Posse, das sah seine Mutter; trotzdem lachte sie kaum. Daraus entnahm ihr Sohn, daß seine Erzählung ihr in Wahrheit zu denken gab.

Sie richtete es dann auch ein, daß sie mit ihm den Hof verlassen und das Weite suchen konnte. Sie handelte so vorsichtig, daß selbst Henri nichts vermutete; es begann mit einem Besuch eines ihrer Güter, von dem sie ganz harmlos zurückkehrte. Erst die zweite Reise, die Jeanne mit Henri unternahm auf seine Besitzungen in mehreren Provinzen, endete mit der Flucht nach Süden. Es war Februar, als sie in Pau anlangten, und der Prinz von Navarra war im vierzehnten Jahre seines Lebens, da bekam er seine ersten Unterweisungen im. Regieren und im Kriegführen, was aber beides dasselbe war.

Jeanne behandelte ihre eigenen Untertanen wie Feinde, weil sie in der Abwesenheit der Königin sich gegen die Religion erhoben hatten. Die zarte Jeanne wurde für einige Zeit eine grausame Herrscherin. Ihren Sohn schickte sie mit einem großen Stab von Edelleuten samt Kanonen, um einen der Ihren zu rächen, und den Aufständischen erging es schlecht.

Gleich darauf versuchte ihr Verwandter Condé nicht mehr und nicht weniger als einen Überfall auf den König von Frankreich und seinen Hof. Die Königinmutter war der Meinung, das Zeichen für die neuen Unruhen im Norden wie im Süden habe die Flucht ihrer guten Freundin Jeanne gegeben; und wie immer, wenn es für sie nicht gut stand, wollte sie verhandeln. Sie schickte einen glatten Herrn mit einem schönen Namen; aber was er auch redete, Jeanne wußte, sie sollte nur wieder in die Gewalt des Hofes gelockt werden.

Daher forderte sie einfach für ihren Sohn die tatsächliche Statthalterschaft über die ganze Guyenne, die große Provinz mit der Hauptstadt Bordeaux; bisher hatte er nur den Titel. Da Katharina ihm mehr auch jetzt nicht zugestehen wollte, war alles klar. Sofort nahmen Coligny und Condé gemeinsam ihren Feldzug wieder auf. Jeanne ihrerseits hatte den Eindruck, jetzt werde man dazu übergehen, sich gewaltsam der Person des Prinzen Henri zu versichern. Den Kardinal von Lothringen besonders hielt sie für fähig zu allem. Er war gefährlicher als das Königshaus, das die Macht schon hatte. Der Guise begehrte sie erst, und Jeanne d’Albret wußte aus sich selbst, was das heißt.

Sie entschloß sich daher, aufzubrechen nach der Gegend der festesten protestantischen Stellungen, Saintonge genannt, nördlich von Bordeaux längs des Ozeans. Henri war in freudiger Erregung, anders als seine Mutter, die ihre Zweifel hatte.

„Warum weinst du, Mama?“

„Weil ich nicht weiß, was Recht und was Unrecht ist. Immer stellt Satan sich dem Guten entgegen, und wie ich auch handele, ich muß fürchten, daß er es ist, der mich antreibt.“

„Nein. Mir sagt Beauvois, daß ich groß genug bin, in den Krieg zu ziehen und zu kämpfen.“

„Und wer ist dein Beauvois? Hat Satan noch nie durch ihn gesprochen?“

„Diesmal bedient er sich des Mundes des Herrn de la Mothe-Fénelon.“ Das war der Abgesandte Katharinas. „Ich erkenne die Stimme des Bösen genau!“ rief Henri.

Darauf schwieg Jeanne. Sie war zu glücklich, daß wenigstens der Vierzehnjährige noch wußte, was recht ist. Blickte sie in sein kleines entschlossenes Gesicht, dann verachtete sie die Herren ihrer Umgebung, die ihr abrieten, mit dem Hof zu brechen, weil sie selbst nur Weltleute oder schwache Herzen waren. Dann fürchtete sie auch die Zuflüsterungen Satans nicht, und im eigenen Innern trug sie den Sieg davon. Ihr Sohn stand im Alter, die Waffen zu führen, das entschied!

Sie fragte nur noch, damit kein Zweifel übrigbliebe:

„Wofür, mein Sohn, wirst du streiten?“

„Wofür?“ wiederholte er erstaunt, denn er hatte es ganz vergessen im Eifer und der Freude, sich endlich zu schlagen.

Jeanne ließ es gut sein, sie dachte: ,Es wird ihm wieder einfallen. Die Tücke der Feinde, besonders aber die des Schicksals wird es ihn lehren. Er wird sich jedesmal daran aufrichten, daß er für die wahre Religion kämpft. Wohl wird auch sein Blut sprechen; denn er ist seinem Onkel Condé näher verwandt als jedem katholischen Fürsten. Außerdem verlangt das Königreich, befriedet zu werden durch unseren Sieg‘ – setzte Jeanne um der Ehre willen hinzu. ,Aber die Hauptsache‘, dachte sie sofort wieder, ,bleibt der Dienst Gottes. Das ganze Leben meines lieben Sohnes wird aus einem Stück sein, und der Glaube fügt es zusammen.‘

So sehr irrte sich die Königin Jeanne über ihren lustigen Kampfhahn. Sie wollte nichts wissen von den Beinen der Prinzessin Margot, mit denen sie ihn doch selbst beschäftigt gesehen hatte, als ihre gute Freundin Katharina es ihr am Fenster zeigte. Sie vergaß auch, daß er in der Klosterschule doch endlich seinen Glauben abgeschworen hatte und zur Messe gegangen war. Gewiß hatte er eine Zeitlang tapfer widerstanden, aber was kann ein Kind, dem alle hart zusetzen? Was vermag dagegen sogar ein Erwachsener, der Freunde haben, das Leben genießen und kein Märtyrer sein will. Die Königin Jeanne gehörte zu denen, die inmitten aller Prüfungen und des heftigsten Umtriebes doch immer ahnungslos und unerfahren bleiben. Dafür können sie selbst alternd noch lieben und noch glauben.

Henri kannte Jeanne besser, als sie ihn; deshalb bat er sie selten um Geld. Er spielte gern, tafelte viel und verschaffte sich die Mittel, indem er den Leuten unerbetene Schuldscheine ins Haus schickte. Entweder kehrte der Schein zurück oder das Geld kam; davon durfte seine Mutter nichts wissen. Nur der Krieg konnte seine Schulden bezahlen, wie der junge Mann erkannte. Er hatte nicht allein erhabene oder selbstlose Gründe, den Bürgerkrieg zu ersehnen. Er war damals wie andere hungrige Hugenotten. Das war auch gut für die Sache, der er diente, denn um so eifriger und überzeugter sprach und handelte er.

Jeanne brach mit ihm auf; aber als sie noch unterwegs waren nach der protestantischen Festung La Rochelle, ließen sie sich wieder einmal aufhalten von demselben Abgesandten des Königs von Frankreich. Er fragte den Prinzen von Navarra, warum er durchaus zu seinem Onkel Condé nach La Rochelle wollte. „Um Kleiderstoff zu sparen“, antwortete Henri sofort. „Wir Prinzen vom Geblüt sollen alle auf einmal sterben, dann braucht keiner in Trauer zu gehen wegen des anderen.“

Derselbe Herr hielt Henri für dumm, sonst hätte er nicht versucht, ihn gegen seine Mutter einzunehmen. Ohne daß er sie nannte, sprach er von Brandstiftern. „Ein Eimer Wasser!“ rief Henri sofort, „und der Brand ist aus.“

„Wieso?“

„Der Kardinal von Lothringen soll ihn aussaufen, daß er, platzt!“ Wenn der Herr dies nicht begriff, war er langsamer als der Fünfzehnjährige. Wer seine guten Antworten sich merkte, war Jeanne. Aus Freude über ihren Jungen ließ sie sich zu viel Zeit und wäre beinahe gefangen worden von Montluc, der ihr schon wieder auf die Fersen gesetzt war. Aber die beiden erreichten glücklich die feste Stadt am Ozean, und es war eine große, herrliche Freude, endlich nur Freunde um sich zu sehen. Davon glänzten ihnen die Augen, ob sie lachten, ob sie weinten. Coligny, Condé und alle, die schon dort waren und um sie Sorge gehabt hatten, feierten das Wiedersehen mit nicht weniger bewegten Herzen.

Das ist viel, eine Stadt des Wohlwollens und der Sicherheit, wenn hinter uns ein ganzes Land des Hasses und der Verfolgungen liegt! Auf einmal fällt das Mißtrauen, die Vorsicht wird abgelegt, und dem entronnenen Menschen genügt fürs erste schon das allein, daß er frei ist und atmet. Alles sagen dürfen, was dich gequält und erbittert hatte, und andere sehen dich an und sprechen aus derselben Brust. Beisammen sein und nur Wesen um sich haben, die man nicht verachten muß. Erlöse uns von dem Übel! Führ durch alle Gefahren die herbei, die ich liebe! Und jetzt sind sie da.

Er stand am Rande des Meeres. Sogar im Dunkel der Nacht konnte er unbesorgt vor Überfällen zum Hafen und auf das Bollwerk gehen. Die Wellen rollten mit Macht, prallten an, schlugen über, und ihr Gebrüll war die Stimme einer Weite, die ihn nicht kannte, im Wind aber schmeckte er eine andere Welt. Seine liebe Mutter hätte gemeint, wenn ihr Herz zu hoch schlug, es sei Gott. Ihr Sohn Henri berauschte sich an dem Gedanken, daß dieses große Wasser nicht aufhörte zu rollen und zu brüllen, bis es drüben an die unbekannte Küste des neuen Weltteils Amerika schlug. Sie sollte wüst, einsam und frei sein: er meinte, frei vom Bösen, vom Haß, vom Zwang, dies oder jenes zu glauben und, je nachdem, dafür leiden zu müssen oder die Macht zu haben. Ja, in der Nacht, umgeben vom Meer und auf den Steinen, die troffen vom Gischt, wurde der junge Sohn ganz wie seine liebe Mutter, und was er Amerika nannte, war eigentlich das Reich Gottes. – Die Sterne funkelten für Augenblicke hervor aus den jagenden, unerkennbaren Wolken, und so läßt auch die wolkenhafte Seele eines Fünfzehnjährigen für Augenblicke ein Licht durch. Später wird sie es nicht mehr können; die Erde unter seinen Füßen wird immer wirklicher und dichter werden, an ihr wird er haften mit seinen Sinnen und seinen Gedanken.

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
14 temmuz 2025
Hacim:
790 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9788726482874
Yayıncı:
Telif hakkı:
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