Kitabı oku: «Der große Aschinger», sayfa 5

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Dornbusch blieb vor Staunen der Mund offen.

»Aber ich kann doch sonst nichts«, sagte Sebastian eingeschüchtert.

»Du hast Ideen, so einen kann ich gebrauchen. Du wirst, wenn du tüchtig bist, das Verbindungsglied zwischen mir und Direktor Teichmann und den anderen Direktoren. Ich verlange nur schnelle Auffassungsgabe, Arbeitseifer, Ehrlichkeit und vor allem unbedingte Loyalität. Du bist mir direkt unterstellt und wirst nur von mir Anweisungen entgegennehmen. Wie heißt du? Johnny? Bist du Ausländer?«

»Nein, so nennen mich hier nur alle«, stotterte Sebastian.

»Er heißt Sebastian Lorenz. Aber wir nennen ihn alle Johnny«, warf Dornbusch ein, der nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte, hatte er doch eben einen guten Mann verloren. Andererseits gönnte er dem Johnny diesen Aufstieg. Der Junge, so seine jetzige Einschätzung, war etwas Besonderes.

»Also, Johnny«, sagte Aschinger vergnügt, »kannst du auch Englisch?«

»Ein wenig, aber nicht sehr gut«, gestand Sebastian kleinlaut. Ihm schwirrte der Kopf. Es passierte tatsächlich: Seine Träume wurden wahr.

»Beleg einen Abendschulkurs!«, befahl Aschinger. »Die Kosten übernehmen wir. Nimm Betriebswirtschaft und Englisch! Ich verlange, dass du perfekt Englisch sprichst, denn wir können in der Gastronomie viel von den Engländern lernen. In einem halben Jahr musst du englische Bücher lesen können. Beleg auch Stenographie- und Schreibmaschinenkurse, auch das gehört zu den Dingen, die ein tüchtiger Sekretär beherrschen muss. Ich sehe dich morgen um zehn Uhr bei mir am Kurfürstendamm. Wir fahren dann gemeinsam ins Büro. Ach ja, hast du einen ordentlichen Anzug?«

»Ja, einen grauen Flanellanzug.«

»Na schön, das mag gehen. Über dein Gehalt reden wir nach der Probezeit. Natürlich bekommst du ein Aufgeld für deine Kleidung. Zeig mal deine Hände!«

Sebastian streckte sie vor, und Aschinger schüttelte den Kopf. »Rot und rissige Nägel. Schon mal bei der Maniküre gewesen?«

Sebastian riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.

»Zum Friseur kannst du auch mal wieder. Also, morgen früh bei mir!« Er schickte Sebastian mit einem wohlwollenden Kopfnicken hinaus. Als Sebastian wieder im Lokal war, sahen ihn die Kloppke und Panke mitleidig an.

»Junge, du bist ja weiß wie eine Wand!«, sorgte sich Kapinske.

Im Büro war Fritz Aschinger noch nicht fertig, sondern lobte nun auch seinen Geschäftsführer. »Es gehört zum Erfolg, nicht nur eine Idee zu haben, sondern man muss ihre Tragweite auch erkennen und sie mutig umsetzen. Sie sind von nun an Hauptgeschäftsführer für alle Bierquellen rund um den Alexanderplatz bis zur Friedrichstraße. Machen Sie weiter so! Für den Johnny schicke ich Ihnen einen neuen Mann.« Er rauschte hinaus, nicht ohne sich an dem Büfett ein Fischbrötchen geben zu lassen. Wie jeder Gast bezahlte er seine 25 Pfennig und verzehrte es mit Bedacht, während er dabei die hereinkommenden Gäste und den Eifer beobachtete, mit dem sich Sebastian an den Zapfhähnen zeigte. Mit einem Schmunzeln verließ er die Bierquelle. Sofort versammelte sich das Personal um Sebastian.

»Schwidiwatzki, so etwas hat es noch nie gegeben! Der Johnny wird ein ganz Großer, und mir hat der Junge auch Glück gebracht«, sagte Dornbusch. »Stellt euch das mal vor, er hat Aussicht, Sekretär des Generaldirektors zu werden! Herr Aschinger holt den Teufelskerl ins Chefbüro. Johnny ist erst ein paar Monate bei uns und fällt schon die Leiter bis zur Spitze hinauf.«

»Ick wusste, det was in ihm steckt«, sagte die Kloppke stolz. »Ick hab es immer jewusst!«, wiederholte sie kopfnickend und drückte Sebastians Kopf an ihren beachtlichen Busen.

»Er taugt was«, stimmte Kapinske zu, »er taugt wirklich etwas!« Als sich Sebastian abends von der Belegschaft verabschiedete, sagte die Kloppke: »Vergiss uns nicht, Johnny, ooch wenn de jetzt zu den da oben jehörst!«

»Werd bloß nicht so ’n feiner Pinkel, so ’n Wichtigtuer!«, setzte Kapinske hinzu.

»Ich werde euch oft besuchen«, versprach Sebastian. »Ihr wart alle so nett zu mir und habt mir geholfen. Ich konnte doch gar nichts.«

»Na, jedenfalls weißte jetzt, wie man een richtiges Bier zapft, wa?«, brummte Kapinske gerührt.

»Mach weiter so, aber pass auf dich auf!«, gab ihm Dornbusch mit auf den Weg. »Da oben ist die Luft verdammt dünn, da werden eine Menge Leute neidisch auf dich sein. Aber du hast ja een Köpfchen, und det ist nicht nur dazu da, den Mädchen den Kopf zu verdrehen. Pass uff dich uff, Johnny! Würde mir leidtun, wenn de abstürzt. Hast mir ne Menge Glück gebracht.«

Mit vielen Ratschlägen verließ er die Bierquelle am Alexanderplatz. Wie im Traum ging er zur S-Bahn. Er sah nicht die Menschen um sich herum und spürte nicht einmal die obligatorischen Rippenstöße im Gedränge, hörte nicht das Rauschen der U-Bahn. Er bedauerte nur, dass er erst am Samstag Uschi Venske wiedersehen würde. Zu gern hätte er ihr erzählt, was passiert war. Fritz Aschinger, den man den König von Berlin nannte, hatte ihn in sein Gefolge aufgenommen. Er schritt schneller aus. Der Onkel musste die gute Nachricht erfahren. Hoffentlich hat mein Glück Bestand, dachte Sebastian.

Kapitel 5

Es war ein weißes Haus, das mit einer prächtigen grünen Kuppel gekrönt war. Die Simse an den Fenstern zeigten Heroen und Feen, und neben dem Eingang hielten Herkules und Atlas Wache. Es war alles romantischer Kitsch, aber so großartig, dass es fast wieder schön war. Doch so sahen viele hochherrschaftliche Häuser auf dem Kurfürstendamm aus. Ein auftrumpfender Nachklang aus der Zeit, als ein deutscher Kaiser sein Volk zu herrlichen Zeiten führen wollte, sich dabei aber verirrte und durch Dummheit und Größenwahn sein Reich verlor und sein Volk ruinierte.

Jawohl, es war der Palast eines Königs. Als Sebastian von einem Diener in Aschingers Haus gebeten wurde und die große Halle mit der Wendeltreppe und den Bildern sah, die Stauferkönige beim Einzug in Palermo und die badenden Rheintöchter zeigten, bekam er einen ersten Eindruck vom Reichtum der Aschingers, denen bereits 25 Bierquellen und Konditoreien, Bäckereien sowie etliche Nobelhotels gehörten und die in der Saarbrücker Straße am Prenzlauer Berg täglich fünfzigtausend Schrippen und zwanzigtausend Bierwürste herstellten.

Der livrierte Diener hieß ihn warten. Er setzte sich in der Halle in einen Sessel, wie er prächtiger auch nicht in Sanssouci stehen mochte. Dann kam Fritz Aschinger die Treppe herunter, dunkel gekleidet, mit einer Melone auf dem Kopf, und nickte ihm zu. Unter dem Arm hielt er eine Aktentasche aus feinem Leder, die er Sebastian gab.

»Nervös?«, fragte Aschinger und lächelte aufmunternd.

»Ein wenig«, gab Sebastian zu. Der Mund war ihm trocken. So lebten also die Reichen. Es überstieg alles, was er sich je vorgestellt hatte, und übertraf selbst seine Tagträume vom Reichtum des Monte Christo. Wie benommen starrte er auf die kristallenen Lüster, die roten Vorhänge, die reichverzierten Möbel und den spiegelnden Marmorboden.

»In ein paar Wochen wird alles für dich selbstverständlich sein«, versuchte Aschinger ihm seine Befangenheit zu nehmen. »Das hier ist nichts. Was wirklich zählt, ist unser Zentralbetrieb in der Saarbrücker Straße. Doch nun komm!«

Die Tür wurde ihnen aufgehalten. Draußen stand ein großer schwarzer Mercedes, und der Chauffeur wartete mit der Mütze in der Hand vor dem offenen Wagenschlag. Sie fuhren mit heruntergeschlagenem Verdeck zur Friedrichstraße, und das prächtige Wetter passte dazu. Die Sonne knallte bereits am frühen Morgen vom Himmel. In der Friedrichstraße fuhr der Wagen in einen Hof, und auch hier eilten Angestellte herbei und öffneten ihnen den Wagenschlag. An einem grüßenden Pförtner vorbei ging es in das Verwaltungsgebäude und durch lange Flure, wo emsig telephoniert und auf große Adler-Schreibmaschinen eingehämmert wurde. Sie kamen in eine große holzgetäfelte Büroflucht und dann in Aschingers riesiges Chefbüro, das mit üppigen Ledersesseln und mit einem mächtigen, mit silbernen Ornamenten verzierten Schreibtisch eingerichtet war, hinter dem an der Wand große Ölbilder von August und Carl Aschinger hingen, den Gründervätern, die einst aus Derdingen in Schwaben mit 1,50 Reichsmark nach Berlin gekommen waren und innerhalb weniger Jahre, nach Augusts vorteilhafter Heirat, eine Kette von Bierquellen gründeten und durch geschicktes Taktieren und die Idee der kostenlosen Schrippe den Grundstein des Imperiums legten.

Fritz Aschinger öffnete eine Tür in seinem Chefbüro und wies in ein kleines Zimmer, das schmucklos und nur mit einem kleineren, abgenutzt aussehenden Schreibtisch, zwei Bürostühlen und einem leeren Aktenschrank ausgestattet war. Doch auf Sebastian machte auch dieses Büro einen überwältigenden Eindruck.

»Das ist dein Reich. Ursprünglich, zur Zeit meines Vaters, war es mal mein Arbeitszimmer. Ich denke, hier wirst du dich wohl fühlen.« Fast ehrfürchtig betrat Sebastian den Raum und setzte sich hinter den Schreibtisch, von Fritz Aschinger schmunzelnd beobachtet. »Es ist alles wie ein Traum!«, sagte Sebastian.

Fritz Aschinger wies auf eine Seitentür. »Dies hier ist das Büro von Herrn Teichmann, meinem Vorstandskollegen, Prokurist und Direktor für Finanzen. Teichmann und ich führen das Unternehmen. Du wirst ihn nachher kennenlernen. Die andere Tür führt zu meinem Büro. Du sitzt also in der Mitte der Schaltstelle des Unternehmens und bist somit für die Terminpläne und Koordination zwischen uns zuständig. Du wirst an den Vorstandssitzungen teilnehmen und die Protokolle der Stenotypistin überwachen. Du wirst mit mir jeden Morgen den Terminplan und die Akten durchsprechen und meine Anweisungen übermitteln. Wir haben nachher eine Sitzung mit den Hauptgeschäftsführern, da wirst du alle wichtigen Leute kennenlernen. Noch irgendwelche Fragen?«

Sebastian hätte tausend Fragen stellen können – aber womit sollte er anfangen? Er brachte kein einziges Wort heraus und schüttelte den Kopf.

»Na gut. Wenn ich dich brauche, hörst du ein kurzes Klingelzeichen, und an deinem Telephon leuchtet ein kleines Lämpchen auf.« Fritz Aschinger hob leutselig winkend die Hand und ging hinaus.

Sebastian saß eine Weile wie betäubt hinter dem Schreibtisch, und seine Hand fuhr über die spiegelnde Schreibtischplatte. Was für ein Unterschied zum verstaubten Kontor der Anwaltskanzlei Stöckler!

Er öffnete die Schreibtischschubladen, aber außer einem Stapel Papier mit der Aufschrift Aschingers Aktiengesellschaft und dem Hinweis auf Weinhaus Rheingold, Hotel Fürstenhof sowie Grandhotel und Palasthotel befand sich nichts in den Fächern. Er rätselte, was auf ihn zukommen würde. Warum hatte Fritz Aschinger gerade ihn dafür ausgewählt? Gut, er hatte eine Idee gehabt, die sich für den Konzern vorteilhaft auswirkte, dennoch blieb es ein Wunder, das ihn in das Allerheiligste des Aschinger-Konzerns katapultiert hatte. Dabei war er noch vor wenigen Monaten nur der zweite und mittellose Sohn des fast bankrotten Bauern Lorenz in Schönberg gewesen, ein verkrachter Gymnasiast, ein entlassener Anwalts- und Notargehilfe mit einer trostlosen Zukunft. Millionen von Menschen lebten in Berlin, und viele davon waren besser ausgebildet und klüger als er und standen doch in endlosen Ketten vor den Arbeitsämtern. Er aber hatte ohne große Mühe, ohne sich bewähren zu müssen, eine Stelle am Hof des Gastronomiekönigs bekommen. Weil Fritz Aschinger es so wollte, weil auch er scheinbar Bücher liebte und Stendhal und Balzac schätzte. Wenn er dies nach Hause meldete, würden sie es wieder für eine seiner Phantastereien halten.

Die Tür hinter ihm ging auf, und ein schmal gewachsener Mann mit einem asketischen Gesicht, einer hohen Stirn, einer spiegelnden Glatze und mit einem Kneifer auf der Nase trat ein und musterte ihn unwillig. »Was suchen Sie denn hier?«, herrschte er ihn an.

»Ich bin der neue Assistent von Herrn Aschinger«, stotterte Sebastian, sprang auf und legte die Hände an die Hosennaht, wie ein Rekrut, der vor einem Offizier oder General strammzustehen hatte.

»Assistent? Hm, wieder mal was Neues. Und was ist Ihre Aufgabe, Herr Assistent?«

»Ich soll die Termine von Herrn Aschinger mit denen von Herrn Direktor Teichmann koordinieren und ansonsten Herrn Aschinger zur Hand gehen.«

»Na, gratuliere! Dann haben Sie ja ein riesiges Aufgabengebiet vor sich«, erwiderte sein Gegenüber mit einem schmalen Lächeln, scharf wie eine Rasierklinge. Er ging durch Sebastians Zimmer und in Aschingers Büro. Nach kurzer Zeit ertönte ein Klingelzeichen, und Sebastian stürzte in das anliegende Zimmer. Aschinger und der Mann mit dem strengen Gesicht standen vor dem riesigen Schreibtisch und blickten ihm entgegen.

»Das ist der junge Mann mit den Aktionsideen. Bei uns in der Spitze brauchen wir junge, unverbrauchte Leute mit Einfällen. Er ist mir direkt unterstellt, Herr Teichmann. Er wird auch für meine persönlichen Angelegenheiten zuständig sein.«

Das also war Teichmann, der zweite Mann bei Aschinger, der – so hatte es ihm Dornbusch erzählt – noch mächtiger war als der Inhaber. Ein Mann, der nur Zahlen gelten ließ. Er ist gefährlicher als ein hungriger Hai, hatte Dornbusch geraunt. Wehe dem, der ihm in die Quere komme! Und nun, da Sebastian ihn kennenlernte, glaubte er dies gern. Dieses kalte Gesicht mit Augen wie Gletscher, die schmalen Lippen und die schneidende Stimme ließen auch ihm eine Gänsehaut über den Rücken laufen.

»Ach ja, er hat dafür gesorgt, dass die Bierquelle am Alexanderplatz so gut dasteht? Gut gemacht! Wollen wir hoffen, dass diese Idee keine Eintagsfliege war.«

Mit dem Lob war also gleichzeitig eine Drohung verbunden. Aschinger winkte Sebastian zu. Sie gingen in einen angrenzenden Konferenzraum, an dessen langem Tisch bereits acht dunkel gekleidete Herren saßen, die nun eilig aufsprangen und ängstliche Gesichter machten. Der Raum war bis auf ein paar Blumen am Fenster schmucklos, wurde aber ebenfalls von den Bildern der Gründerväter dominiert. Aschinger und Teichmann setzten sich jeweils an die Stirnseiten des Tisches in die gepolsterten Sessel.

»Nun, meine Herren«, sagte Teichmann und reckte das Kinn, »dann können wir wohl anfangen.«

Sebastian stand etwas verlegen hinter Fritz Aschinger, weil er keinen Platz gefunden hatte. Aschinger bemerkte dies und drückte auf einen Knopf unter dem Tisch, worauf eine ältliche Sekretärin hereinstürzte.

»Holen Sie einen Stuhl für Herrn Lorenz! Bei dieser Gelegenheit, meine Herren, möchte ich Ihnen Herrn Lorenz vorstellen, er ist mein zukünftiger Assistent. Sie werden es mit ihm in Zukunft öfter zu tun bekommen. Übrigens, er ist der Junge mit der Idee der Aktionswochen. Nachdem wir seit zwei Jahren mit zurückgehenden Kundenzahlen zu tun haben, hat er am Alexanderplatz durch Initiative und eine frische Idee die Zahlen ins Positive verkehrt. Das, meine Herren, ist es, was wir brauchen: Ideen und Initiative.«

Die Sekretärin brachte zwei Stühle herein und schob ihm freundlich lächelnd einen Stuhl zu. Sie nahm in der Ecke Platz, schlug den Stenoblock auf und konzentrierte sich auf die Gespräche.

»Nun lesen Sie mal vor, wie es in diesem Monat aussieht, Braschke!«, bellte Teichmann.

Dieser ratterte die Zahlen herunter und lehnte sich dann mit Schweiß auf der Stirn zurück.

Teichmann schnaufte theatralisch. »Also, bis auf den Alexanderplatz haben alle Bierquellen rückläufige Zahlen. Meine Herren, die Situation wird langsam besorgniserregend. Ich weiß nicht, ob die Banken noch lange mitspielen werden, Herr Aschinger.«

»Sie verlieren zu viel Geld, wenn sie uns fallenlassen«, wehrte Fritz Aschinger scheinbar gelassen ab.

»Banken geben bei Sonnenschein gern einen Regenschirm, bei Regenwetter verlangen sie ihn zurück. Bankiers sind feige Hyänen. Irgendwann werden sie sagen, dass wir ein Fass ohne Boden sind«, widersprach Teichmann. »Wir müssen etwas tun – und zwar bald! Entweder wir …«

»Ja, Direktor Teichmann, wenn es an der Zeit ist, werden wir etwas tun. Wie sieht es bei den Hotels aus, Herr Messner?«, unterbrach Aschinger die Kassandrarufe seines Direktors.

»Leider auch nicht gerade rosig. Der Fürstenhof wirft zwar immer noch einen kleinen Gewinn ab, doch der Kaiserhof macht mir Sorgen. Seit Hitler den Kaiserhof zu seinem Hauptquartier in Berlin erkoren hat und die Nationalsozialisten und die Vaterländischen sowie der Stahlhelm dort einkehren, haben wir die jüdische Kundschaft verloren. Der Kaiserhof gilt als deutschnational.«

»Warum müssen wir auch die Naziflagge vom Dach wehen lassen, wenn Hitler sich dort aufhält!«, kritisierte Aschinger und klopfte mit dem Füllfederhalter ärgerlich auf die Tischplatte.

»Ach, das kann uns noch einmal viel Geld in die Kasse spülen«, warf Teichmann ein. »Spätestens im nächsten Jahr sind die Nazis an der Macht. Ich habe vorgestern mit Rolf Singer vom Singer–Konzern gesprochen. Die Großindustrie wird Hitler unterstützen, so dass dieser die größte Wahlkampagne starten kann, die Deutschland je gesehen hat. Auch Singer ist der Meinung, dass nur noch Hitler Deutschland retten kann.«

»Das hilft uns im Moment nicht weiter. Ich werde zu Studienzwecken nach England gehen und hoffe, mir in London Anregungen zu holen, wie wir unsere Hotels noch attraktiver machen können.«

Dann wurden Produktionszahlen und Aufwendungen diskutiert, und es wurde einstimmig festgestellt, dass die Kosten zu hoch seien.

»Irgendwelche Vorschläge?«, fragte Aschinger.

Ein peinliches Schweigen war die Antwort. Bis auf Teichmann und Aschinger hatten alle Schweißperlen auf der Stirn.

»Meine Herren, Sie bekommen alle eine Menge Geld und kommen zur Großen Lage, ohne Vorschläge zu haben, wie man die Situation verbessern kann?«, höhnte Teichmann. »Ich fürchte, Sie haben nicht bedacht, dass wir bald Entlassungen vornehmen müssen, wenn wir die Situation nicht in den Griff bekommen. Selbstverständlich wird dann auch die Zahl der Direktoren erheblich verkleinert.« Drohend blickte er hinter seinem Kneifer in die Runde.

»Keine Anregungen? Keine Ideen?«, fragte Aschinger enttäuscht, lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

Sebastian fiel ein, wie oft die Aschinger-Wagen die Bierquellen am Tag anfuhren. Die einen brachten die Brötchen, die anderen das Bier, die dritten die warmen Speisen und so weiter. Es müsste doch möglich sein, die Anfahrten zu reduzieren. Sebastian beugte sich zu Aschinger und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich hätte da eine Idee.«

»Meine Herren, unser Herr Lorenz hat einen Vorschlag zu machen.«

Alles sah hoch. Auf Teichmanns Gesicht zeigte sich ein ironisches Lächeln. Auch die anderen Gesichter verhehlten ihre Skepsis nicht. Was sollte dieser Grünschnabel schon für eine Idee haben, hatten sie sich doch schon seit Wochen den Kopf darüber zerbrochen, wie die Kosten zu senken waren! Es war immer darauf hinausgelaufen, dass nur durch eine Qualitätssenkung bei Fleisch und Mehl wesentliche Kosten einzusparen waren, aber damit brauchten sie erst gar nicht kommen. Denn Qualität war das Vermächtnis der Gründerväter, und daran ließ Fritz Aschinger nicht rütteln.

Sebastian schilderte erst stockend, wie oft die Aschinger-Wagen vor der Bierquelle eintrafen und wie dies das Personal immer wieder aufhielt und dass die Wagen oft nur halb beladen waren. »Es müsste doch möglich sein, die Anfahrten in der Zentrale so zu organisieren, dass man mit einer Anfahrt, allenfalls zwei Anfahrten auskommt. Auch könnte das Pschorr-Bräu gemeinsam mit dem Berliner Kindl angefahren werden.«

»Das ist doch Theorie! Wir haben das immer so gehandhabt … Das würde in der Zentrale einen riesigen Aufwand verursachen«, wollte Braschke den Vorschlag vom Tisch wischen.

»Nein, ich halte den Vorschlag durchaus für interessant!«, sagte Teichmann, lehnte sich zurück und drehte den Bleistift nachdenklich in der Hand. »Wir werden das durchrechnen. Wir könnten sogar den Fuhrpark verkleinern und … Ja, ich finde den Vorschlag sehr interessant.«

»Meine Herren, Sie haben es gehört, arbeiten Sie bis in zwei Tagen einen Plan aus, wie wir das bewerkstelligen können«, sagte Aschinger bestimmt. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem jungen Mann! Wie oft waren Sie in den letzten Monaten in den Bierquellen? Der Vorschlag meines Assistenten kommt aus der Praxis. Also hinaus mit Ihnen in die Bierquellen! Sehen Sie sich um, was man rationalisieren und verbessern kann! Ich erwarte bis Ende des Monats von jedem einen Bericht über seine Erkenntnisse und Vorschläge, was zu tun ist.«

»Ein sehr guter Vorschlag!«, lobte Teichmann. »Und Sie, Fischer, sehen sich noch einmal die Lieferanten an! Ich erwarte von Ihnen, dass wir uns auf wenige Anbieter konzentrieren und dann mit diesen neue Verträge und Preise aushandeln. Ein Einkaufschef muss unbeliebt sein. Aschinger hat bei den Lieferanten den Ruf eines Goldesels, doch diese Zeiten sind endgültig vorbei. Über den Einkauf und die Organisation wird der Gewinn gemacht.«

Aschinger drehte sich zu Sebastian um und kniff ein Auge zu. »Sehen Sie, meine Herren, man muss unbefangen an die Dinge herangehen«, wandte er sich noch einmal an die Runde. »Nichts ist unmöglich. Stellen Sie alles in Frage und krempeln Sie den Laden um, wenn es sein muss! Heben Sie jeden Stein auf und schauen Sie darunter, ob dort nicht eine Einsparung liegt!«

»Die Kosten sind um wenigstens zwanzig Prozent zu senken, das ist unser Ziel«, konkretisierte Teichmann mit bösem Lächeln.

Aschinger stand auf. Die Sitzung war beendet. Die Blicke, die man nun Sebastian zuwarf, waren noch unfreundlicher als bei der Vorstellung. Allen schwante nun, dass hier eine neue Kraft hinter Fritz Aschinger war, die man zukünftig zu berücksichtigen hatte. Aschinger legte Sebastian, als sie hinausgingen, die fleischige Hand in den Nacken. »Das war doch schon einmal ein guter Einstieg, Johnny!«, brummte er zufrieden.

Ein junger Mann mit einer ungebärdigen Haartolle hielt Fritz Aschinger eine Mappe hin. »Darf ich Ihnen noch unsere neuesten Werbevorschläge vorstellen?«

»Nee, dafür habe ich jetzt keine Zeit. Besprechen Sie das zukünftig mit meinem Assistenten, Herrn Lorenz. Er ist nun für die Genehmigung der Werbung zuständig.«

»Aber Sie haben doch bisher immer selbst …«

»Ja, bisher. Besprechen Sie das mit Johnny!« Er ging weiter und hakte sich bei Teichmann ein.

Sebastian nickte dem jungen Mann zu, der ihm mit seinen wilden roten Haaren und den Sommersprossen sofort sympathisch war.

»Gehen wir in mein Zimmer!« Er ging ihm voran in sein Büro.

»Mein Name ist Harry Damrow, und ich bin für die Werbung zuständig«, stellte sich der Rothaarige vor.

Sebastian wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und stellte sich kurz vor: »Meine Freunde in der Bierquelle haben mich Johnny getauft, und Herr Aschinger scheint diesen Namen auch vorzuziehen, also nennen Sie mich einfach Johnny. Auf gute Zusammenarbeit!«

Harry Damrow war nur wenig älter als er, nickte erfreut und legte die Mappe auf den Schreibtisch. »Als Werbeleiter habe ich bisher jede Woche mit Herrn Aschinger die Entwürfe und Schaltungen in den Zeitungen abgestimmt. Haben Sie denn Erfahrung in der Werbung?«

»Nicht die Bohne!«, erwiderte Sebastian lachend. »Sie werden mit mir leichtes Spiel haben, denn ich muss mich ganz auf Ihre Erfahrung verlassen.«

Damrow lächelte erfreut und zog die Entwürfe von Anzeigen und Plakaten aus der Mappe. »Das sind die Entwürfe für diese Woche.«

»Schön sehen sie aus. Stimmen die Preise für die Angebote?«

»Ja, sie wurden noch einmal von der Verkaufsabteilung gegengeprüft. Ich gebe nichts raus, was die nicht abgezeichnet haben. Sie müssen hier für die Gestaltung gegenzeichnen. Nur damit sind die Entwürfe für die Reinzeichnung freigegeben.«

Achselzuckend folgte Sebastian der Aufforderung und unterzeichnete. »Das wär’s?«

»Ja. Darf ich Ihnen einen Rat geben?«

»Natürlich!«

»Bitte nehmen Sie mir ihn nicht übel.«

»Aber nein!« Sebastian bemerkte, dass Damrow dieser neue Assistent nicht geheuer war und er nicht wusste, wie er mit ihm umgehen sollte. Deshalb sagte er: »Wollen wir uns nicht duzen? Wir sind fast im gleichen Alter.«

»Gern!«, erwiderte dieser erleichtert. »Ich heiße Harry.«

»Gut, Harry. Ich kann jeden Rat gebrauchen.«

»Hast du schon einmal von Hans Domizlaff gehört?«

»Nein. Sollte ich das?«

»Er ist so etwas wie der Papst der Markentechnik. Er hat die Grundlagen dafür erforscht, wie Marken funktionieren, und ein Regelwerk aufgestellt, wie man erfolgreiche Markenwerbung macht. Es ist eine Philosophie, die das Unternehmen auf eine Geisteshaltung und Idee einschwört. Er berät Siemens und auch viele Zigarettenhersteller. Er macht keine Reklame, sondern aus der Marke ein Siegel, dem die Käufer vertrauen können. Selbst Goebbels soll sein Buch Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens auf dem Schreibtisch liegen haben. Ich werde dir das Buch rüberschicken. Dann fällt es dir auch leichter, unsere Entwürfe zu beurteilen.«

»Danke, Harry, ich werde es lesen. Ich habe noch eine Menge zu lernen. Und im Übrigen, wenn du mal irgendwie Kummer hast, komm ruhig zu mir. Wir haben beide das gleiche Ziel: Wenn Aschinger erfolgreich ist, sind wir es auch!«

Sie lachten sich beide verschwörerisch zu. Als Harry Damrow das Zimmer verließ, hatte Sebastian den Eindruck, dass er einen Freund gewonnen hatte. Er konnte, nach den Gesichtern während der Konferenz, hier Freunde gebrauchen.

Es klingelte, und der rote Knopf leuchtete aufgeregt. Er ging hinüber zu Fritz Aschinger, und dieser deutete auf einen großen Stapel Post auf dem Schreibtisch.

»Das hier ist nur die Hälfte der Post, die bei uns jeden Tag eingeht. In der Poststelle wurde sie bereits vorsortiert. Alles, was Finanzen und Einkauf betrifft, geht gleich an Teichmann. Aber auch hier in meinem Stapel sind Dinge, die für ihn wichtig sind und die er kennen muss. Wir gehen jetzt den Stapel durch, und du wirst dir merken, wie ich die Post beurteile und was Herrn Teichmann zur Kenntnis gegeben wird. In spätestens zwei Monaten weißt du, wie der Hase läuft. Ich lege immer drei Akten an mit Priorität eins bis drei. Eins ist gleich zu erledigen, zwei in den nächsten vierzehn Tagen, und drei kann bis zu vier Wochen warten. Unwichtiges erhalten die Fachabteilungen. Diese Briefe gehen mit meinen persönlichen Anweisungen an die jeweiligen Direktoren mit einem Vermerk, bis wann ich eine Antwort oder Erledigung erwarte. Diese Termine werden von dir in dem roten Vorlagenbuch festgehalten. Nebenan ist das Sekretariat unter der Leitung von Elly Proske. Du hast sie vorhin während der Lage gesehen. Ich stelle sie dir nachher gleich vor.«

Am Ende des Tages war Sebastian so erschöpft, als hätte er in der Bierquelle den ganzen Tag Bierkästen geschleppt. Doch das Angenehme war, dass er bereits um sechs Uhr Feierabend hatte. Harry Damrow hatte ihm das Buch von Domizlaff geschickt, und er beschloss, Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens so bald wie möglich zu lesen. Er fuhr mit der U-Bahn zum Wittenbergplatz, in der Hoffnung, Uschi nach ihrem Dienst bei Wertheim abzupassen. Er wollte ihr die Veränderung mitteilen. Sie sollte stolz auf ihn sein.

Er wartete vor dem Kaufhaus beim Personaleingang und ging unruhig auf und ab. Da ihm die Zeit zu lang wurde, ging er auf die andere Straßenseite und kaufte sich die Vossische Zeitung , die als liberal galt. Sie berichtete mit der Schlagzeile Hitler über Deutschland vom Wahlkampf der Nazis und wie modern Hitlers Kampagne sei im Gegensatz zu seinen atavistischen Tiraden und dass ihm in zwölf Städten Tausende zujubelten. Als er die Zeitung sinken ließ, sah er zu seinem Erstaunen den jungen Mann, den Uschi im Dixieland begrüßt hatte, vor dem Personaleingang stehen. Der Gedanke daran, wie Uschi mit ihm gesprochen hatte, ließ ihn zögern, die Straßenseite zu wechseln. Nun sah er Uschi Venske herauskommen, und sein Herz schlug schneller. Seine Hände wurden feucht, als sein Mädchen diesen Kerl umarmte. Sie küssten sich und gingen untergehakt zur S-Bahn-Station. Dabei hatte sie, keine Woche war es her, ihm noch zugeflüstert, dass sie ihn liebe. Seine Hände zitterten. Wütend zerknüllte er die Zeitung. Das also war die große Liebe! Sicher hatte sie ihn die ganze Zeit betrogen. Tränen schossen ihm in die Augen. Konnte man »Ich liebe dich« einfach so dahinsagen? Sie hatte keine Ahnung, was sie an ihm verloren hatte. Er war Assistent des großen Aschinger, und sie wusste dies nicht und nahm jemanden, den sie als ihrer nicht würdig bezeichnet hatte. O ja, dies würde er ihr ins Gesicht sagen. Er würde ihr sagen, auf wen sie verzichtete, wen sie betrogen hatte. Er würde sich eine andere Freundin nehmen und mit ihr ins Dixieland gehen, und Uschi würde schon sehen, wie weh das tat. Mit wundem Herzen und düsteren Rachegedanken ging er zur U-Bahn-Station.

Als er die Treppe in den Untergrund hinabsteigen wollte, wurde er am Arm festgehalten.

»So in Gedanken, Johnny?«

Er sah sich überrascht um. Gisela Kloppke aus der Bierquelle strahlte ihn an. Ihr Lächeln verfiel, als sie die Tränenspuren in seinem Gesicht sah.

»Was ist denn los? Hast du Ärger in deiner neuen Stellung?«

»Nein, es ist etwas anderes. Etwas Persönliches.«

»Komm, wir gehen zum Ku’damm und trinken eine Tasse Kaffee.

Dann kannst du mir alles erzählen.« Sie hakte sich bei ihm unter, und sie gingen zum Kurfürstendamm hoch und ins Romanische Café an der Kaiser-Wilhelm-Kirche, wo sie sich auf die Terrasse setzten. Gisela Kloppke bestellte zwei Kaffee. »Also, Johnny, was ist los?«, fragte sie, nachdem der Kellner den Kaffee serviert hatte. Sie hatte die Mitte der Dreißiger bereits überschritten, war etwas untersetzt und mollig, aber nicht dick. Mit ihren fleischigen Armen, dem runden Gesicht mit Stupsnase und dem blondem Haar war sie die richtige Person am Büfett, da sie Gesundheit und Wärme ausstrahlte und mit ihrer beachtlichen Oberweite nicht unattraktiv wirkte.

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23 aralık 2023
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