Kitabı oku: «Der große Aschinger», sayfa 7

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»Natürlich«, echote Sebastian.

Der Majordomus öffnete eine Tür und hieß Sebastian eintreten. Der erstarrte fast über die Großzügigkeit des Raumes. Die Wände hatten Spiegel im Art-déco-Stil, Sofa und Stühle waren mit Intarsien verziert. In der Mitte stand ein riesiger Mahagonitisch mit einer Vase, in dem ein großes Blumenbouquet die Blicke auf sich zog. »Hier soll ich wohnen?«, fragte Sebastian atemlos. »Solche Räume und Möbel gibt es nur in einem Schloss.« Ihre Schritte wurden von einem türkisfarbenen Teppich gedämpft.

»Das ist Ihr Wohnzimmer«, bestätigte Viktor ungerührt und führte ihn in den angrenzenden Raum mit einem Himmelbett. »Ihr Schlafzimmer«, kommentierte er überflüssigerweise. »Und hier ist Ihr Bad.«

Es war ein Wunder von einem Bad, mit Marmor ausgekleidet, mit einer riesigen Badewanne und Dusche. Über dem Waschbecken saßen vergoldete Wasserhähne mit stilisierten Schwanenköpfen.

»Natürlich haben Sie zu jeder Tageszeit warmes Wasser. Kommen Sie, auf der anderen Seite ist Ihr Arbeitszimmer.« Viktor führte ihn durchs Wohnzimmer in einen holzgetäfelten Raum mit leeren Bücherregalen, Chesterfield-Sesseln und einem großen Schreibtisch vor dem Kamin. »Der Schreibtisch stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert. Englische Arbeit. Herr Aschinger hat ihn persönlich ausgesucht.«

»Hier soll ich wohnen?«, wiederholte Sebastian fassungslos. Was war das für ein Unterschied zu seiner Mansarde oder gar zu Schönberg!

»So hat es Herr Aschinger angeordnet«, erwiderte Viktor mit einem Gesicht, das verriet, dass er Sebastian kaum für würdig hielt, in so einer Umgebung zu wohnen.

Wenn das Mutter sehen könnte, wenn das Vater noch erlebt hätte!, dachte Sebastian. Er musste Mutter sofort schreiben, in letzter Zeit war er darin sowieso sehr nachlässig geworden. Zu viel war auf ihn eingestürmt. Die Mutter hatte ihn bereits vorwurfsvoll gemahnt:

Junge, lass doch von Dir hören, ich mache mir solche Sorgen! Stimmt denn das alles, was Du aus Berlin schreibst? Bist Du tatsächlich ein so großer Herr geworden? Wilfried sagt dauernd, dass Du Dich wieder Hirngespinsten hingibst und bestimmt nur die Hälfte davon wahr ist. Wir haben dieses Mal eine gute Ernte eingeholt. Wenn Wilfried so weiterwirtschaftet, sind wir bald schuldenfrei, und er kann Dir Dein Erbteil auszahlen. Sonst ist alles beim Alten. Die Stute Hella, die Du so liebst, hat gefohlt, und unsere Schweine haben diesmal prächtig geworfen. Wenn Du nur hier wärst! Ich vermisse Dich sehr.

Das hatte sie geschrieben. Und er hatte ihr nicht geantwortet, obwohl er doch versprochen hatte, jede Woche zu schreiben. Er nahm sich vor, sie bald einmal nach Berlin einzuladen. Aber als er unten in der Halle zurück war, hatte er dies bereits vergessen. Viktor führte ihn, da Fritz Aschinger immer noch auf sich warten ließ, in die Bibliothek zurück.

»Sind Sie denn mit Ihrem Logis zufrieden?«, fragte er mit ironischem Lächeln.

»Ich glaube, es gibt nichts daran auszusetzen«, erwiderte Sebastian, so blasiert er konnte.

»Das dachte ich mir. Sie brauchen also nur Ihre Kleider mitzubringen, so dass kein unnötiger Lärm entstehen wird. Darf ich Ihnen noch einen Rat geben?« Viktor sah ihn mit einem Gesicht an, als wäre Sebastian ein verarmter Anverwandter.

»Man soll einen gutgemeinten Rat nicht abschlagen«, gab Sebastian genauso kühl zurück.

»Wenn Sie mit Herrn Aschinger ausgehen, sollten Sie einen Frack anziehen. Heute mag vielleicht Ihr Anzug noch angehen, aber er ist doch sehr unpassend.«

»Ich werde mir Ihren Rat überlegen. Vielen Dank.«

Viktor verbeugte sich und ging hinaus. Sebastian holte einen weiteren Hemingway aus dem Regal und vertiefte sich in den wunderbaren Anfang von In einem anderen Land.

Kurz darauf erschien Fritz Aschinger. Sebastian stand auf, und Aschinger brummte: »Mach keine Umstände! Was liest du da? Hemingway? Ach ja, ein guter Schriftsteller. Er schreibt in einer Sprache, die sich echt anhört. Kein Gequase. Wenn es auch nur eine Übersetzung ist, aber Annemarie Horschitz-Horst ist eine gute Übersetzerin. Ich weiß gar nicht, warum die Kritiker auf ihr herumtrampeln. Ich habe es auch in Englisch gelesen und finde, dass sie genau den Rhythmus seiner Sprache getroffen hat. Du musst einmal die Short Stories von Hemingway lesen.«

» Short Stories

»Kurzgeschichten. Du solltest endlich mit dem Englischunterricht anfangen! Spätestens, wenn wir nach London gehen, solltest du einigermaßen Englisch sprechen.«

»Ich habe so wenig Zeit dafür.« Er hat gut reden!, dachte Sebastian verärgert. Jeden Abend nahm ihn Aschinger in Beschlag. Wie sollte er dann noch die Zeit finden, Betriebswirtschaft, Maschinenschreiben und Englisch zu lernen?

»Wir engagieren einen Englischlehrer, der soll jeden Tag in die Friedrichstraße kommen und dir was beibringen. Außerdem soll dir die Proske einen Betriebswirtschaftler besorgen, der jeden Tag mit dir paukt. Wir haben genug Leerlauf, den man zum Lernen nutzen kann. Sieh zu, dass du jeden Tag ein wenig klüger wirst, old boy !« Er schlug Sebastian lachend auf die Schulter. »Übrigens, wie gefallen dir deine Zimmer?«

»Überwältigend!«, stotterte Sebastian. »Ich habe so etwas …«

»Ja, um die Möbel habe ich mich gekümmert. Dann wollen wir uns mal ins Vergnügen stürzen. Wir fahren zuerst zum Fürstenhof und holen eine Dame ab. Warte, du solltest auch eine Blume im Knopfloch tragen.« Fritz Aschinger hatte eine rote Nelke im Knopfloch seines Revers. Trotz der Eleganz seines Smokings machte er nicht den Eindruck eines Salonlöwen, dazu war er zu dicklich und sein Kopf zu groß, und die Brillengläser, die seine Augen leicht vergrößerten, ließen ihn wie einen Frosch aussehen. Aber sicher war er der reichste Frosch in Berlin und für jede Frau, die er küsste, ein Prinz.

Der Chauffeur wartete bereits mit dem Mercedes vor dem Haus, lüftete die Mütze und öffnete eilig die Wagentür.

»Wir holen erst einmal Fräulein Sieglinde von Weinberg ab. Ihr Vater hat mich darum gebeten, mich ein wenig um sie zu kümmern. Die Weinbergs sind alter Geldadel, Bankiers in Frankfurt am Main, und eine großartige Familie. Seit langem gehört das Geldinstitut zu unseren Hausbanken. Ihr Geld sichert das Blut für unser Unternehmen, deshalb konnte ich mich dem Wunsch des alten Weinberg nicht entziehen. Ich weiß nicht, worüber man mit einer so mondänen Dame redet. Es liegt mir einfach nicht. Du, Johnny, kannst mir helfen, das Gespräch ein wenig in Gang zu halten.«

Als sie am Potsdamer Platz eintrafen, trieb ein heftiger Sturm Regenschleier durch die Straßen.

»Kein vielversprechender Anfang für diesen Abend«, murrte Aschinger.

Sie sollten bald erfahren, wie recht er damit hatte.

Kapitel 7

»Willkommen im Fürstenhof!«, stotterte der Geschäftsführer aufgeregt.

Kaum hatten sie das Hotel betreten, war er ihnen von der Rezeption kommend mit wehenden Rockschößen entgegengeeilt. Ungewöhnlich war nicht, dass Aschinger den Fürstenhof besuchte, ungewöhnlich war der Zeitpunkt. Am Abend konnten alle Aschinger-Hotels eigentlich sicher sein, dass ihr Inhaber nicht einen seiner gefürchteten Inspektionsbesuche durchführte.

»Kann ich irgendetwas für Sie tun? Möchten Sie sich von der Auslastung überzeugen? Soll ich Ihnen das Gästebuch zeigen?«

Teichmann hat ihm wohl ganz schön Druck gemacht, dachte Sebastian.

»Nein, Feininger, heute bin ich privat hier. Wir wollen nur jemanden abholen.«

»Möchten Sie noch einen kleinen Imbiss nehmen?«

Fritz Aschinger schüttelte gereizt den Kopf, und der Geschäftsführer war intelligent genug, dies zu bemerken, und schwirrte nach einer tiefen Verbeugung ab.

»Na, wie gefällt dir unser Aushängeschild?«, fragte Aschinger und sah mit selbstgefälligem Lächeln in die Runde, als sähe er es selbst zum ersten Mal.

Es war in der Tat ein beeindruckender Anblick. Auch wenn der Fürstenhof nicht mit dem Ruf des Adlon mithalten konnte, so ließ seine Prachtentfaltung an Neuschwanstein und Linderhof denken. Nirgendwo in Berlin wurden Reichtum und Exklusivität so unverhüllt gezeigt. Die Möbel waren Kopien aus französischen Schlössern, von den besten Werkstätten Frankreichs. Es gab Säulen wie in einem korinthischen Tempel, und die obligatorische Wendeltreppe wies ein vergoldetes Geländer auf. Die Blumenarrangements hätten selbst in jedem Harem mehr als üppig ausgesehen und verbreiteten einen verführerischen Duft. Das Personal war liebenswürdig und gutaussehend.

»Die Menschen haben nun einmal lieber gutaussehende Apollos und Aphroditen um sich als Alberichs und Macbeths Hexen«, erwiderte Aschinger auf Sebastians Beobachtung. »Es hat leider nur den Nachteil, dass die Heiratsrate besonders hoch ist und wir durch Schwangerschaft viel Personal verlieren. Aber nun wollen wir doch der Baroness von Weinberg unsere Aufwartung machen. Lass dich von dem Adelstitel nicht beeindrucken! So etwas kauft man sich heute.«

Sie gingen zur Rezeption. Der Empfangschef wandte sich ihnen, ängstlich beobachtet vom Geschäftsführer, sofort zu.

»Was kann ich für Sie tun, Herr Aschinger?«

»Melden Sie der Baroness von Weinberg, dass wir hier sind.«

»Sehr wohl. Selbstverständlich.« Mit einer servilen Verbeugung griff er zum Telephon und stotterte in den Hörer, dass Herr Generaldirektor Aschinger eingetroffen sei. Mit betroffener Miene legte er den Hörer auf und sagte verlegen: »Die Baroness bittet Sie, doch hoch in ihre Suite zu kommen. Sie wäre in ein paar Minuten so weit.«

»Welches Zimmer?«, fragte Sebastian erstaunt, der es auch noch nicht erlebt hatte, dass man einen Aschinger warten ließ.

»Die Präsidentensuite im dritten Stock.«

»Zieh nicht so ein Gesicht, Johnny!«, sagte Aschinger gelassen. »Es ist das Vorrecht der Frauen, uns warten zu lassen.«

Sie fuhren mit dem Fahrstuhl hoch. Sebastian bemerkte, dass die Hände des Liftboys zitterten. Mit schreckensgroßen Augen starrte der Aschinger an.

Der Salon der Suite war ein halber Tanzsaal und im Stil der französischen Ludwige eingerichtet. An der Tafel hätte eine Abordnung des Völkerbundes Platz gehabt.

»Die Baroness ist gleich so weit«, sagte die Zofe, die ihnen geöffnet hatte, und huschte dann in ein angrenzendes Zimmer.

»Das richtige Ambiente für den Geldadel, nicht wahr, Sebastian?«, sagte Aschinger schmunzelnd. »Geht alles auf Kosten des Hauses. Ich muss mir schließlich die Frankfurter gewogen halten.«

Dann rauschte sie herein. In einem rosafarbenen Kleid nach neuestem Pariser Chic, mit ondulierten Haaren und einer Miene, wie man sie bei Königinnen sah, wenn sie ihr Volk empfingen. Hochmütige graue Augen unter geschwungenen, sorgsam nachgezogenen Augenbrauen sahen sie herablassend an.

»Ich freue mich, Herr Aschinger!«, wandte sich Sieglinde von Weinberg an Sebastian und reichte ihm die Hand zum Handkuss. Dieser riss erschrocken die Augen auf und schüttelte den Kopf. Die Baroness lächelte entschuldigend und wandte sich Aschinger zu. »Es tut mir leid, Herr Aschinger. Wir haben uns noch nie gesehen, oder?« Aschinger deutete formvollendet einen Handkuss an. Sebastian konnte sich nicht dazu entschließen, murmelte seinen Namen und schüttelte ihr die Hand. Sie musterte ihn kurz und kam zu dem Entschluss, dass er einstweilen ihrer Beachtung nicht wert war. Sebastian war überzeugt, dass sie die anfängliche Verwechslung inszeniert hatte. Schließlich war er viel zu jung, um ein Fritz Aschinger zu sein.

»Mein Vater hat mir so viel von Ihnen erzählt, Herr Aschinger, und er hat mir ans Herz gelegt, mir von Ihnen unbedingt die Stadt zeigen zu lassen. Außerdem soll ich Sie ganz herzlich von ihm grüßen.«

»Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen die Wunder Berlins zu zeigen!«, erwiderte Aschinger mit einer Verbeugung. Er war sichtlich beeindruckt von der hessischen Baroness.

Die Zofe kam mit einem Tablett herein und reichte Champagner.

»Auf einen schönen Abend!«, sagte Aschinger und wiederholte linkisch seine Verbeugung.

Wenn Sebastian auch noch keine Weltläufigkeit eigen war, so merkte er doch, dass sein Chef kräftig Feuer gefangen hatte und sich deswegen ein wenig unbeholfen benahm. Dies war nicht der König von Berlin, sondern nur ein dicklicher, nicht sehr attraktiver Mann, der lediglich von der Weinberg empfangen wurde, weil er reich und – mehr noch – eine der besten Partien Deutschlands war. Ein Goldfisch, der noch nicht angebissen hatte und längst als überfällig galt.

»Auf einen schönen Abend!«, stimmte die Baroness zu und musterte nun Sebastian.

Sie war eine der Frauen, denen man schon in der Kindheit dauernd gesagt hatte, wie unvergleichlich schön sie seien, und die es als selbstverständlich ansahen, dass ihnen die Herzen zuflogen. Sie mochte kaum älter als zwanzig sein und hatte sich die Frische und den Schmelz bewahrt, die auf Jungfräulichkeit schließen ließen. Aber ihre Augen verrieten anderes. Sie war sprunghaft und gab sich einen Augenblick kindlich und im anderen wie eine Gesellschaftslöwin. Nach dem ersten Eindruck war Sebastian von ihr nicht gerade angetan, entschloss sich aber, mit seinem Urteil abzuwarten, da seine Erfahrungen mit Frauen doch sehr begrenzt waren.

»Und wer ist der junge Mann hier, der so ernst dreinblickt?«, fragte die Baroness und trank ihr Glas leer.

»Herr Lorenz ist mein Sekretär. Wenn er Sie stört, schicke ich ihn …« Aschinger brach ab und blickte verlegen zu Sebastian hinüber.

Der bekam einen roten Kopf und wäre am liebsten vor Scham im Erdboden versunken. So hatte ihn Fritz Aschinger noch nie behandelt. Bisher kannte er ihn nur als wohlmeinenden Mentor, der ihn förderte und in alle Geheimnisse seines Konzerns einweihte. Jetzt war er also nur ein Sekretär, ein Niemand, den man wegschicken konnte. Es war demütigend, so behandelt zu werden.

»Aber nein, lassen Sie nur!«, erwiderte die Baroness hell lachend.

»Herr Lorenz ist ein hübscher Kerl, und vielleicht ist er, wenn er den Mund aufbekommt, doch noch ganz amüsant.«

Aschinger warf Sebastian einen ärgerlichen Blick zu und bereute sichtlich, seinen Sekretär mitgenommen zu haben. »Ich dachte, wir gehen in den Wintergarten. Es ist Berlins bestes Varieté, das wird Ihnen gefallen. Dort treten nur internationale Künstler auf.«

»Ich dachte schon, dass Sie mich zu irgendeiner langweiligen Oper ausführen. Den meisten Männern fällt ja doch nichts anderes ein. Ich habe vom Wintergarten gehört. Waren Sie schon einmal dort?«, wandte sie sich an Sebastian.

»Nein«, sagte Sebastian gepresst. Sie sah ihn weiter herausfordernd an, aber er schwieg.

»Er ist noch nicht lange in Berlin«, erklärte Aschinger. »Bevor er bei mir anfing, war er ein Bauernjunge im Neuruppiner Land.« Er lachte, als hätte er einen Witz gemacht.

»Interessant! Und doch haben Sie ihn zu Ihrem Sekretär gemacht. Dann muss er ja bemerkenswert sein.«

»Er macht sich ganz gut«, sagte Aschinger kurz.

»Wie schön für Sie!«, erwiderte die Baroness und ließ sich von ihrer Zofe die Stola geben. »Stürzen wir uns ins Vergnügen!«

Ehe Fritz Aschinger ihr die Tür öffnen konnte, war sie bereits auf dem Flur. Als sie im Mercedes saßen, griff Aschinger hinter sich und reichte ihr ein kleines Päckchen. »Ein Willkommensgruß in Berlin«, sagte er mit belegter Stimme.

Er ist verknallt, dachte Sebastian. Er hatte sich ohnehin gewundert, dass Aschinger noch nicht verheiratet war, und bisher auch nicht bemerkt, dass sein Chef sich für Frauen interessierte. Aber die Weinberg schien es ihm angetan zu haben.

Die Baroness wickelte das Geschenk aus und klappte eine kleine blaue Schatulle auf, in der ein Ring funkelte, der gut so viel wert sein mochte wie der Mercedes, in dem sie fuhren. »Wie aufmerksam!«, sagte die Weinberg. »Ein Diamantring. Wunderschön.« Sie zog die Handschuhe aus, steckte ihn an den Finger und hielt ihnen den Ring vor das Gesicht.

»Er passt sogar! Sie sind ein großzügiger Mensch, Herr Aschinger. Eigentlich kann ich so ein Geschenk nicht annehmen. Aber bei einem so guten Geschäftsfreund meines Vaters darf ich wohl nicht nein sagen …«

Elly Proske, die Leiterin des Sekretariats, hatte Sebastian bereits erzählt, dass Fritz Aschinger als freigiebig galt und fast jeden, dem er sich verpflichtet fühlte oder dem er seine Wertschätzung ausdrücken wollte, mit Geschenken überhäufte. Aber der Wert dieses kostbaren Geschenkes dürfte vor allem mit dem geschäftlichen Hintergrund zu tun haben.

Der Chauffeur hielt vor der Ecke Friedrichstraße, Dorotheenstraße. Sie stiegen aus und nahmen die Baroness in die Mitte, und sie hakte sich bei den beiden Männern ein. Der Portier riss die Tür auf, als er Aschinger sah, und sie gingen an der Kasse mit der Menschenschlange vorbei durch einen langen Flur mit Bildern der Künstler, die hier auftraten. Der Kartenabreißer erstarrte und riss mit einer Verbeugung die zweite Tür auf.

»Bezahlen brauchen Sie in diesem Laden nicht?«, fragte die Baroness.

»Nein, mir gehört der … Laden«, sagte Fritz Aschinger etwas pikiert.

Der Geschäftsführer, durch irgendwelche Signale alarmiert, tauchte auf und schlug, als wäre er über den Besuch höchst erfreut, die Hände zusammen. »Sie hier im Wintergarten, Herr Aschinger? Wie lange habe ich mir das schon gewünscht! Es ist uns eine große Ehre.«

»Sind wir gut besucht?«

»Wir sind bis auf den letzten Platz ausverkauft. Aber natürlich werde ich dafür sorgen, dass Sie den besten Platz gleich an der Bühne bekommen.«

»Aber bitte keinen Platz, wo uns gleich die ganze Mischpoke von Pressefritzen sieht. Sonst sehen wir uns morgen alle in den Berliner Tageszeitungen wieder.«

»Wir haben gleich neben der Bühne eine kleine Grotte, die schwer einzusehen ist, von der man aber einen guten Blick auf die Bühne hat. Wir nennen sie unsere Kaiserloge.«

»Sehr schön. Wie ist das Programm?«

»Exzellent! Wir haben einen Entfesslungskünstler der allerersten Kategorie und den berühmten Clown Grock, eine weltbekannte Trapeznummer, die Diseuse Claire Waldoff und eine berühmte Chansonsängerin aus Paris, die so großartig wie die Mistinguette ist. Sie werden zufrieden sein. Unser Haus ist seit Monaten ausverkauft.«

»Na schön, dann zeigen Sie uns mal die Grotte in unserem Moulin Rouge!« Aschinger lachte künstlich.

Mit vielen Bücklingen und großen Gesten führte sie der Geschäftsführer in eine Ecke, die mit glitzernden Steinen, die an Eiskristalle erinnerten, ausgeschmückt war. Zwei Ober eilten herbei und reichten die Karten. Aschinger bestellte Jahrgangschampagner und nach kurzer Verständigung mit der Baroness als Hauptgericht Hummer. Sebastian wurde nicht gefragt. Ihm war das nur recht so, er fühlte sich ohnehin wie das fünfte Rad am Wagen.

Fräulein Weinberg erzählte Aschinger von Paris und London und dass dies die einzigen Städte seien, in denen man leben könne – nicht besonders taktvoll gegenüber jemandem, der im Volksmund »Der König von Berlin« genannt wurde. Fritz Aschinger schien dies aber nichts auszumachen, er starrte sie an, als wäre sie die Inkarnation aller Frauen, als habe er endlich, nach langem Suchen, eine Frau entdeckt, die seinen hohen Ansprüchen genügen konnte – eine Königin: teuer, kapriziös, schön und aus gutem Hause. Doch ob sie für Aschinger die richtige Frau war, da hatte Sebastian doch große Zweifel. Sie sprang von einem Thema zum anderen und erzählte vom Segeln vor Kiel, von Strandwanderungen auf Sylt, vom Osterfest in Rom und von Mondscheinfahrten vor Capri. Das Leben schien für sie ein einziges Fest zu sein. Mit ihrem hohen, melodischen Tonfall erinnerte sie Sebastian an einen Singvogel, der munter flötete und sein Gefieder spreizte, um das Männchen anzulocken – und Fritz Aschinger tat ihr den Gefallen zu reagieren.

»Nun erzählen Sie doch einmal, was Sie das ganze Jahr so anstellen!

In Berlin ist doch sicher auch eine Menge los«, sagte sie nach ihrem Redefluss über das aufregende Leben der oberen Zehntausend.

Fritz Aschinger warf Sebastian einen hilflosen Blick zu. »Ich arbeite.«

»Sie können doch nicht jeden Tag arbeiten!«

»Nein … doch, ich habe eben so viel zu tun.«

»Machen Sie keinen Urlaub? Sagen Sie bloß, Sie waren noch nicht in Monte Carlo oder in Nizza oder Cannes!«

»Nein, das war ich nicht«, stammelte er.

»Herr Aschinger hat ja nicht nur ein Hotel, sondern viele, außerdem Konditoreien und Bäckereien sowie fast dreißig Bierquellen. Das verlangt seine ständige Anwesenheit«, kam Sebastian ihm zu Hilfe.

»So? Dafür gibt es doch Leute wie … Sie! Jawohl, habe ich nicht recht, Herr Aschinger? Dafür hat man doch seine Leute! Sie müssen doch auch mal ausspannen. Und gute Hotels gibt es auch an der Côte d’Azur. Das Negresco in Nizza ist ein Traum von einem Hotel! Der Fürstenhof ist ja ganz nett, aber gegen das Negresco fehlt doch dieser französische Esprit, wenn Sie wissen, was ich meine. Nichts für ungut! Ah, jetzt kommt der Entfesslungskünstler!«

Der Artist wurde in Ketten gelegt und obendrein in einen Käfig gesperrt, der danach mit einem Tuch verhüllt wurde. Es gab einen Tusch, und Rauchwolken stiegen auf und verdeckten den Käfig. Nun stand der Mann ohne Ketten neben dem Käfig. Sebastian langweilte die Nummer, aber die Baroness schien sich köstlich zu amüsieren. Danach kam der Clown Grock auf die Bühne, ein Höhepunkt des Abends. Auch Fritz Aschinger ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken, und bald warfen er und die Baroness sich übermütig Papierschlangen zu. Sebastian sah immer wieder auf die Uhr und fluchte innerlich, dass die Zeit so langsam verging.

»Und was machen Sie den lieben langen Tag?«, wandte sich Sieglinde von Weinberg in einer Pause an Sebastian.

Der Hummer war serviert worden. Sebastian wusste nicht, wie man mit dem Besteck die Schale knackte, und war gerade dabei, sich von Aschinger abzugucken, wie man dem Hummer das Fleisch entlockte. »Ich … arbeite.«

»Und was machen Sie in den Ferien?«, fragte sie unzufrieden.

»Keine Ahnung, ich hatte noch nie welche.«

»Er ist gar nicht lustig, Herr Aschinger!«

»Er ist frisch aus der Provinz«, sagte Aschinger gönnerhaft, »aber er lernt schnell. Er wird, wenn er in dem bisherigen Tempo weitermacht, schon bald auch wissen, wie man sich amüsiert.«

Sebastian hätte am liebsten geantwortet: Als ob du das wüsstest, großer Chef! Aber natürlich verkniff er sich die Bemerkung.

»Er hat ganz ernste Augen«, sagte sie nachdenklich, aber so distanziert, als spräche sie von einem Pferd oder Hund. »Ich mag ernste Menschen – manchmal jedenfalls. Oh, jetzt kommt die Französin!« Sie klatschte in die Hände.

Die zierliche Frau mit einem grell geschminkten Mund sang Paris, je t’aime d’amour. Das Publikum raste vor Begeisterung.

»Ach, ich würde jetzt am liebsten gleich nach Paris fahren!«, rief sie enthusiastisch, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff wie ein Gassenjunge.

Fritz Aschinger schien sich über ihr exaltiertes Benehmen köstlich zu amüsieren. Mittlerweile war man bei der zweiten Flasche Champagner angelangt. Als die Baroness zum Nasepudern verschwunden war, fragte Aschinger seinen Sekretär: »Was hältst du von ihr?«

»Sie ist sehr … kapriziös, so nennt man das wohl. Ich habe aber keine Ahnung von Frauen.«

»Sie ist so erfrischend! So ganz anders als die Damen hier in Berlin. Sie lebt und reißt einen mit, nicht wahr, Johnny?«

»Na ja, wenn man sich mitreißen lassen will.«

»Sie gefällt dir nicht?«, fragte er enttäuscht.

»Sie ist schön, verwöhnt und sehr … anstrengend.«

»Sie ist eben nicht so schwerblütig wie die Norddeutschen. Sie ist so anregend wie Champagner.«

Es scheint ihn schwer erwischt zu haben, dachte Sebastian. Nun, ihre körperlichen Vorzüge waren unübersehbar. Aber passte diese mondäne Frankfurterin zu einem so schwerblütigen Menschen wie Aschinger?

Nun trat eine Musikgruppe mit schwarz angemalten Gesichtern auf und spielte einen Charleston. Die Baroness kam zurück und griff nach Aschingers Hand.

»Charleston, meine Lieblingsmusik! Ich möchte tanzen!« Aschinger folgte ihr zögernd wie ein Hammel auf dem Weg zur Schlachtbank. Während sie ekstatisch die Füße schmiss und dabei mit den Händen wedelte, tappte er wie ein Tanzbär linkisch um sie herum. Es war offensichtlich, dass Tanzen nicht zu seinen Stärken gehörte. Schließlich kamen sie an den Tisch zurück, Aschinger schweißnass und sich das Gesicht wischend. Erschöpft warf er sich auf den Stuhl. Die Kapelle spielte nun einen Tango.

Sieglinde von Weinberg sah Sebastian herausfordernd an. »Ich liebe Tango! Tanzen Sie mit mir, Johnny!«

»Ich kann nicht tanzen.«

»Ich zeige es Ihnen, es geht ganz leicht.«

»Los, tanze mit Baroness Weinberg!«, forderte ihn Aschinger auf.

»Ich kann nicht, Herr Aschinger, ich habe noch nie Tango getanzt.«

»Na los, man schlägt einer Dame nichts ab!«, sagte er mit böse blickenden Augen.

Sebastian seufzte. Sieglinde von Weinberg nahm ihn bei der Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. Was ist denn nur mit Fritz Aschinger los?, fragte er sich. So kannte er ihn gar nicht. Nun würde er sicher genauso dumm aussehen wie der Chef. Die Baroness ergriff seine Hand, drückte sich an ihn und schwenkte ihn mit ruckartigen Bewegungen herum. Nachdem er sich eine Zeitlang von ihr führen ließ und von den anderen Tänzern einiges abgeguckt hatte, klappte es ganz gut.

»Es geht doch!«, sagte sie triumphierend mit spöttisch funkelnden Augen.

»Na ja, gleich werden Ihnen die Füße weh tun.«

»Dann werden Sie sie mir massieren müssen.«

Er hatte Mühe, im Takt zu bleiben. Der Druck ihrer Schenkel auf sein Zentrum tat ein Übriges, ihn zu verwirren. Sie schien sich über seine Verlegenheit köstlich zu amüsieren.

»Wie alt sind Sie eigentlich, Herr Lorenz?«

»Ich werde 21.«

»Wann?«

»In zwei Tagen.«

»Dann werden Sie wohl mit Ihrer Freundin tüchtig feiern?«

»Ich habe keine Freundin.«

»So ein hübscher Junge und hat keine Freundin? Dann sind Sie wohl noch ein unbeschriebenes Blatt?«

Sebastian bekam einen roten Kopf. Er war froh, dass in diesem Moment die Kapelle aufhörte zu spielen. Sie gingen in die Grotte zurück. Die Baroness griff zum Champagnerglas und leerte es in einem einzigen Zug, streifte dann ihre Schuhe ab und legte die Füße in Aschingers Schoß.

»Massieren Sie bitte! Sie tun mir so weh.«

Aschinger war erst verblüfft und tat es dann mit beseeltem Blick. Er sah dabei aus wie ein alter Kater, der gerade eine Maus verschluckt hat. Wann nimmt dieser Abend endlich ein Ende?, dachte Sebastian. Er hasste sich und seine Rolle und Fritz Aschinger, der ihm diese aufbürdete.

»Ah, das tut gut!«, zwitscherte die Baroness, sich dabei gemütlich räkelnd. »Sie sollten Ihrem Sekretär ruhig mal ein bisschen Freizeit gönnen. Er hat noch nicht einmal eine kleine Freundin«, forderte sie Aschinger auf, der gutmütig grinste.

»Wenn er sich in alles richtig eingefuchst hat, wird er auch bald mehr Freizeit haben.«

»Das ist wichtig, man braucht das«, sagte sie ernsthaft, um dann wieder abzuschweifen. »Ah, was würde ich jetzt darum geben, durch die Rue Saint-Honoré zu schlendern, abends ins Moulin Rouge zu gehen und danach im Coupole zu tanzen! Wäre das nicht toll? Lasst uns doch alle nach Paris fahren!«

»Die Arbeit, die Arbeit …«, murmelte Aschinger, dabei bedauernd den Kopf schüttelnd.

»Ach, ihr Berliner seid langweilig! Die Arbeit kann auch mal warten, sonst verpasst man das Leben.« Sie rückte dicht an Aschinger heran, legte ihren Kopf an seine Schulter und spielte mit dem Finger an seiner Unterlippe. »Ist dieser Mund denn nur zum Befehlen da? Kann er nicht auch anderes?«

Sebastian gähnte.

Aschinger legte den Arm um die Baroness. »Ich sehe, Johnny, du bist müde. Morgen wartet ein anstrengender Tag auf uns. Wenn du willst, kannst du gehen. Der Chauffeur soll dich nach Hause fahren und dann wiederkommen.«

Sebastian stand erleichtert auf. »Dann wünsche ich noch einen schönen Abend.«

»Warte«, duzte ihn die Baroness, »so ein schöner Junge darf doch nicht ungeküsst nach Hause gehen!« Sie zog Sebastian an sich und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Nun kannst du gehen!«, sagte sie und lachte ausgelassen.

Fritz Aschinger stimmte ein. Wie ein begossener Pudel zog Sebastian ab. Als er vor dem Wintergarten stand, schüttelte er sich. Er war wie ein Lakai, ein Nichts behandelt worden, und Aschinger hatte mitgemacht. So sind die Reichen, dachte er verbittert. Frivol, gedankenlos und ohne Mitgefühl. Aber war er nicht ein Nichts? Hatte sie nicht recht, ihn wie ein Möbelstück zu behandeln? Er ging zu dem schwarzen Automobil, in dem der Chauffeur wartete.

»Kommt der Chef noch nicht?«, fragte Toni, der, wie Sebastian wusste, schon seit Jahren Fritz Aschinger chauffierte.

»Nein, Sie sollen mich nach Hause bringen und dann zum Wintergarten zurückfahren und auf ihn warten.«

»Donnerwetter! Ich habe noch nie erlebt, dass der Chef an solchen Lustbarkeiten Gefallen hat. Na ja, wird wohl eher die Baroness sein, die den Grund dafür liefert. Eine tolle Frau. Es ist ganz gut, dass der Chef sich mal amüsiert. Wie war denn das Programm?«

»Interessant, wenn man so etwas mag.«

»Und Sie mögen so etwas nicht, Johnny?«

»Für mich war das ein Arbeitsabend.«

»Verstehe.«

Toni ließ ihn an der Bleibtreustraße aussteigen. Als er die Treppe zu seinem Dachzimmer hochstieg und an der Tür des Onkels vorbeiging, hörte er aus dem Wohnzimmer das Klavier. Er klopfte, und bald kamen Schritte heran, und die Tür wurde aufgerissen.

»Ach, du bist es, Sebastian! Wo kommst du denn so spät noch her?

Ich habe dich ja seit Tagen nicht mehr gesehen.«

»Es ist so viel zu tun.« Er trat ein und berichtete seinem Onkel, wie er sich bei Aschinger eingelebt hatte und wo er zukünftig wohnen würde.

»Du wirst in dem Aschinger-Palais wohnen? Donnerwetter! Und mit deinen 21 Jahren bekommst du das Gehalt eines Direktors? Ich muss sagen, das nenne ich eine Blitzkarriere! Ich habe noch nie gehört, dass ein junger Mann so viel Geld verdient.«

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23 aralık 2023
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