Kitabı oku: «Beim nächsten Mann bleib ich solo», sayfa 4

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Der Engel betrat die Abstellkammer, zog zielsicher Alberts Rollkoffer hervor und ließ Anzüge, Hemden, Unterhosen und Rasierzeug in den Koffer wandern.

»Stopp!«, rief ich, als der Engel den Deckel schließen wollte, riss die schwarzen Rosen aus dem Putzeimer, den ich in Alberts Schlafnische verpflanzt hatte, und schmiss sie oben drauf.

Um halb acht war ich wieder allein und kochte. Sein Gebrochensein hielt meinen künftigen Exmann offenbar nicht von blutjungen Schwesterschülerinnen ab!

Zehn Sekunden später war die SMS an Albert getippt und gesendet. »Wenn du mir die Adresse deines Schutzengels gibst, schick ich das restliche Zeug.«

»Mein Leben geht dich nichts mehr an«, kam es drei Sekunden später zurück.

Ich dachte darüber nach. Wenn Albert im Zuge seiner Wechseljahresbeschwerden oder seines Burn-outs oder seiner Suizidgefährdung unter Engelsfittichen Zuflucht nahm, konnte mir das nur recht sein. Lady Rauschegold würde ein Auge auf ihn haben und die Flügel ausbreiten. Und ich war ihn los.

Allerdings, dachte ich weiter, nur solange, bis sie die Lust am Schutzengeldasein verlor oder Albert wieder nach Hause ziehen wollte.

Mir kam eine Idee. Er sehne sich nach Verkleinerung, hatte Sieglinde gesagt. Nun, dabei konnte ich ihm behilflich sein!

12. Die Mauer

Montagabend war Dimitrios Konstantinos Parapopoulos fertig. Selbst Farbe angelegt hatte er schon. Achilles’ Papa arbeitete schnell, er hatte seit den Sechzigerjahren Erfahrung mit Umbauten. Wenn es etwas an der Wohnung zu werkeln gab, war er seit vielen Jahren unser Mann. Im Handumdrehen zog er in Trockenbauweise mitten im Flur eine Mauer an genau der Stelle hoch, wo die alte Trennwand gestanden hatte.

Ich versicherte ihm, wie sehr Albert sich über die tolle Wand freuen würde, wenn er heimkäme, steckte Dimitrios die vereinbarten Scheine zu und verabschiedete den treuen Helfer.

Zum Glück hatte ich nach einigem Suchen die Schlüssel für die Etagentür von nebenan wiedergefunden, die seit Ewigkeiten nicht mehr geöffnet worden war. Die beiden Zugänge, hübsch mit Bleiglaseinsätzen im Jugendstil, lagen Seite an Seite im Treppenhaus. Für Dekaden hatte die eine ihre Funktion verloren, ab heute führte sie wieder in die Wohnung links.

Sorgfältig setzte ich Alberts Namen aus Nudelsuppenbuchstaben zusammen und pappte sie auf ein Papptellerchen. Die Nudelpackung war abgelaufen, er konnte also froh sein, dass ich den Inhalt noch verwertete. Großzügig klebte ich ihm sogar noch seinen Titel davor. PROF. DR. ALBERT AUERBACH. Ohne Wechselburger.

Dann bastelte ich mir ein neues Namensschild aus einem lustigen bunten Weingummi-Alphabet. CONSTANZE WECHSELBURGER. Ohne Auerbach. Beide Namensschilder pinnte ich draußen an die jeweilige Eingangstür.

Ich nestelte Alberts Türschlüssel an den Anhänger mit dem Plüschherz, den Albert für mich auf der Dippemess beim Blechdosenwerfen gewonnen hatte (die Wurfgebühr hatte ich bezahlt!), steckte den Schlüssel in einen Briefumschlag, schrieb »A.A.« drauf und klebte ihn mit Tesafilm außen an den Holzrahmen von Alberts Wohnungstür. Den Ersatzschlüssel behielt ich.

Bis abends um elf hatte ich alle Kuckucksuhren bei mir abund drüben bei Albert hingehängt und sogar das abgegangene Hirschgeweih wieder angeleimt. Um halb zwölf hing mein Flur beidseitig voll mit Gemälden. Alberts Morgenmantel trug ich freundlicherweise auch noch hinüber und schmiss ihn auf sein Bett im Frankfurter Bad.

Dann zog ich mich in meine Wohnung zurück, öffnete eine Flasche Champagner und begann mein neues Leben.

Der lange Jammer hatte ein Ende!

13. Fraueninsel

»Ich werde jetzt lesbisch«, verkündete Mira am Sonntag drauf und lehnte sich in ihre Couchkissen zurück. Irgendetwas mit Henri musste schiefgegangen sein.

»War was mit Henri?«, fragte ich.

Sie sah mich an, als hätte ich nach dem Weihnachtsmann gefragt.

»Mit Henri? Nichts war mit Henri. Was soll schon mit Henri gewesen sein?«

Nun. Mir war eine Nacht in Erinnerung, die Mira kürzlich nicht im eigenen Bett verbracht hatte. Seither war sie kein einziges Mal ans Telefon gegangen, schickte mir aber alberne Filmchen von turtelnden Tierchen. Daraus ließ sich schließen, dass zwischen ihr und Sahneschnitte etwas lief.

»Ich dachte, du hättest bei ihm geschlafen.«

Ein Blick traf mich, der nicht anders als finster zu bezeichnen war. »Weder bei noch mit, Constanze.« Mira hob den Oberkörper vom Kissen. »Der Kerl hat voll was an der Mütze!«

Ich wollte fragen, was, aber da klingelte es an der Tür, Mira sprang auf und lief los mit den Worten: »Das ist die Sina, meine neue Nachbarin!«

Sina war hübsch und schlank, trug eine stippige schwarze Frisur und war ungefähr im gleichen Alter wie wir. Mira hatte mir schon von ihr erzählt. Sie wohnte seit drei Monaten in der Wohnung, wo vor kurzem die alte Frau Maier gestorben war. Eventuell wusste Sina das aber nicht. Ist auch egal, weil in fast jeder Altbauwohnung irgendwann schon mal jemand gestorben ist, man macht sich das nur nicht klar.

Umstandslos steuerte Sina auf den Eiersessel zu, in dem sonst nur Mira saß, sank hinein und schlug anmutig die Beine unter. Es schien, als habe sie dort schon häufiger gesessen.

»Hi! Du bist also die Conny!« Ihr Lächeln legte eine blitzweiße Zahnperlenkette frei. Sieglinde Mein-Gatte-ist-Zahnarzt-Schadler und ihr Traummann hätten eine wahre Freude daran gehabt.

»Hi. Und du bist die Sina.« Hatten wir das auch geklärt. Falls dieser pfiffige Neuzugang sich Hoffnungen auf meinen Freundinnenkosmos machte, musste er schon noch eine Schippe drauflegen.

»Und du bist frisch getrennt. Stimmt’s?«, freute sie sich. Ihre Stimme klang für meine Ohren leicht schrill.

»Steht mir das auf der Stirn geschrieben?« Ich erwog, mich allmählich auf den Heimweg zu machen.

»Ich hab’s ihr gesagt«, gestand Mira. »Ist ja wohl kein Staatsgeheimnis, oder?«

»Nein. Sondern ein Akt der Befreiung!«, kicherte Sina kess. »Willkommen auf der Fraueninsel! Du wirst sehen, es lebt sich da super entspannt. Eine Freundin von mir war mit einem Frauenarzt zusammen, echt gruselig! Der wollte laufend Abstriche machen, um sicherzugehen, dass sie gesund ist.«

»Völlig überbesorgt!«, konstatierte Mira.

»Voll der Kontrollfreak!«, kommentierte ich.

Sina schüttelte den Kopf. »Nein. Er meinte, es sei total rufschädigend für einen Gynäkologen, wenn seine Frau irgendeine Frauenkrankheit kriegt.«

Wir stöhnten alle drei. Dann tranken wir Kaffee, aßen Miras selbstgemachten Apfelkuchen und klatschten ordentlich Sahne drauf.

»Und was für ein Arzt ist deiner?«, wollte Sina wissen.

»Krankenhaus«, brummte ich indifferent.

Mira grinste wissend. Um von Albert abzulenken, erkundigte ich mich schnell noch, was Henri denn an der Mütze hatte.

Während Mira sich augenrollend ins Sofakissen zurücksinken ließ, erklärte Sina es mir, offenbar stand sie jetzt im Rang der Alleswisserin. Der Henri habe Mira nach Hause begleiten wollen. Sie wollte aber lieber zu ihm. Da rückte er damit raus, dass dort schon seine Ehefrau lag.

Das überraschte mich nicht wirklich.

Henri hatte ihr daraufhin als Kompromiss seinen SUV angetragen, mit Standheizung. Das fand Mira Banane. Daraufhin hatte Henri ein Treffen andermal vorgeschlagen und ihr versichert, für ihn zähle ohnehin mehr die zwischenmenschliche Ebene, denn es sei ein Irrtum, dass Männer und Frauen nicht befreundet sein könnten.

»Wegen mir hättest du ihn ruhig mitbringen können, ich lag doch drüben im Gästezimmer«, wandte ich mich an Mira.

Sie riss die Augen auf. »Kommt gar nicht in die Tüte! Ich nehme nie einen Mann mit nach Hause!«

»Das hast du aber auch schon mal anders gesehen«, erinnerte ich sie.

»Eben drum! Nein danke! Immer diese Flecken auf der Matratze!« Sie rappelte sich aus den Kissen hoch und stellte die Beine auf den Boden. »Der letzte hat mir mit seinem Massageöl das ganze Bett versaut! Hab ich nie wieder rausbekommen. Und gestunken hat es, monatelang! Nach einer Kreuzung von Räucherstäbchen und Gummibärchen!«

»Wie wäre es mit einem Hotelzimmer gewesen?«

»Das war dem Henri zu billig!«

Darauf tranken wir einen Prosecco.

Während ich an meinem Glas nippte, kam mir noch eine Frage in den Sinn.

»Wo hast du dann eigentlich die Nacht verbracht?«

»Na, bei mir! Sie ist mir im Treppenhaus zugelaufen«, lachte Sina und die beiden kicherten wie verrückt.

14. Wind um die Wohnung

Anderntags saß ich in meiner Küche, trank Nerventee und zog Bilanz. Seit elf Tagen war ich nun schon getrennt und eine allein lebende Frau. Ein Riesenfortschritt! Der Buchladen hatte sich noch nicht gemeldet, aber dafür nahm meine Zukunft als Bestsellerautorin Gestalt an: Mein Buch wuchs Seite um Seite.

Meine Einsamkeit leider auch.

Letzte Nacht war ich im Traum durch den langen Jammer gerannt, immer auf und ab, während ununterbrochen die Uhren schlugen. Aus jedem Häuschen sprang ein riesiger Vogel heraus und jeder hatte den Kopf von Albert …

Ich kochte mir noch einen Nerventee.

Dabei dachte ich an Björn. Was er wohl mit sich und seiner Zeit anfing? Er segelte, schön und gut, aber glücklich hatte er nicht gewirkt. Bestimmt lebte er allein. Welche Frau wollte schon auf einem Boot festsitzen! Gut, ich vielleicht, für eine gewisse Zeit. Ich war nicht so konventionell wie andere, für die ohne den wöchentlichen Termin bei immer derselben Kosmetikerin und immer demselben Frisör die Welt unterging. Wie er wohl das Geld seiner Eltern anlegen wollte? Ob er inzwischen bindungswilliger war als damals in Berlin? Wieso hatte ich ihn nicht nach seinem Beziehungsstatus gefragt?

Während ich beim Nerventee über Björn meditierte, fand ich zu mir zurück: Es ging nicht um den nächsten Mann, es ging um gar keinen! Es ging um niemand anderen als mich selbst!

Wie viele Jahre meines Lebens hatte es mich gekostet, zu dieser Einsicht zu kommen! Endlich war ich frei davon, mich über Männer zu definieren! Das durfte ich nicht durch einen Rückfall vermasseln. Björn war mein Lover gewesen – vor dreißig Jahren. Heute war Björn ein alter Mann!

Schlechtgelaunt hockte ich mich vor den Computer, rief das Romanmanuskript auf und tippte Buchstabensalat. Ich googelte, dass die Hauspreise in Kronstein bei zirka dreitausend Euro pro Quadratmeter liegen. Da sank meine Laune in den Keller.

In der Küche begann Pink zu singen. Erfreut sprang ich auf und rannte zum Handy. Mein Töchterlein rief mich an!

»Hallo Mama, wie geht’s?«, hörte ich Rosas Stimme. Noch ehe mir einfiel, womit ich Zuversicht ausstrahlen konnte, redete sie weiter. »Wollen wir uns in der Stadt treffen?«

Mein treues Kind dachte an seine arme, einsame Mutter! Ich hatte alles richtig gemacht bei der Erziehung.

»Ich wollte mich zwar gerade an die Steuererklärung setzen, aber wenn du unbedingt willst«, zeigte ich mich zugänglich.

»Fein! Dann um vier im Tschicki

Der Laden war nicht mein Ding, egal – alles besser als zu Hause Löcher in die Luft zu starren.

Als ich auf dem Weg zum Fahrradkeller in den Briefkasten sah, lag zwischen der Werbung ein Brief mit handgeschriebener Adresse. Ich erkannte die Schrift sofort. Noch im Treppenhaus riss ich den Umschlag auf. Er enthielt den Ausdruck eines formellen Schreibens, unter das Albert seine Unterschrift gesetzt hatte. Alberts Unterschrift ist unverwechselbar, sie sieht aus wie ein Strich mit Hasenohren.

Er bot mir seine Wohnung zum Kauf an. Sehr witzig! Seine Wohnung! Hatte der noch alle gestreiften Murmeln im Sack?! Für 1,5 Millionen!!! Ha, lächerlich!

»Raffzahn! Gierhammel! Blutekel!«, hämmerte ich ins Smartphone. Natürlich tat ich Albert nicht den Gefallen, die Nachricht abzuschicken, sondern löschte sie wieder und schrieb: »Frag Sieglinde. Die verfügt über Geld.«

Dann schwang ich mich aufs Rad und strampelte in die Stadt. An der ersten Ampel fasste ich den Entschluss, zur Anwältin zu gehen. So konnte Albert mir nicht kommen! Es war unsere Wohnung! Ich bekäme jeden Cent, der mir zustand! Ich würde ihn in Grund und Boden klagen!

Tratschnass kam ich beim Tschicki an. Ich war viel zu früh, weil ich vor lauter Wut viel zu schnell gefahren war. So hatte ich immerhin noch genug Zeit, eine Beruhigungsrunde zu drehen.

Als ich eine Viertelstunde später wieder um die Ecke bog, leuchtete im Schaufenster des Tschicki Rosas pinker Schopf. Der weißgekachelte Laden aus den Sechzigern war pickepacke voll mit Studierenden aller Art. Dreadlocks, Bärte, Tattoos eng an eng, über allem schwebte der Geruch veganer Ernährungsmöglichkeiten. Nur der Name des Lokals spielte noch auf die Hühnerleichen an, die einst hier feilgeboten worden waren, heute ging es in der alten Metzgerei, von den Gästen abgesehen, fleischlos zu.

Ich bestellte mir einen ayurvedischen Smoothie, Rosa stilles Wasser und Buchweizengrütze. Never ever! Ihr schmeckte sie. Eingangs erzählte sie ein paar lustige Neuigkeiten aus der Uni. Plötzlich wurde sie sehr ernst und betrachtete mich forschend.

»Ich mach mir Sorgen, Mama.«

»Lieb von dir, Kind, aber das brauchst du nicht. Mir geht’s super!« Ich lächelte gechillt.

Sie hörte auf, in ihrem Veggiebrei zu rühren.

»Du, ich rede von Papa. Dem geht’s gar nicht gut.«

»Papa? Wer behauptet das? Albert? Hast du ihn angerufen?«

Sie rührte weiter.

»Sag nicht, er hat dich angerufen!« Seit wann vertraute sich Albert seinem Nachwuchs an?

Rosa schüttelte den Kopf, dass die Magentafransen wackelten. Dann brachte sie einen Augenaufschlag wie früher als Kind, wenn sie um ein großes Eis bettelte.

»Dem Papa geht’s echt voll schlecht …!«

Das war der Hammer. Meine Tochter sorgte sich nicht etwa um die Frau, die sie neun Monate unter dem Herzen getragen, auf die Welt gebracht, am eigenen Busen genährt, von Vollschisswindeln befreit, frisch gepampert, geschaukelt, gepäppelt, getröstet und tausende von Malen zur Schule und zum Rugby-training gefahren hatte, sondern um den Spermaspender!

»Rosa. Wenn dein Vater ein erwachsener, fairer Mann wäre, dann besäße er die Reife, mir das selbst zu sagen, und würde nicht die eigene Tochter vorschicken. Als ob man mit mir nicht vernünftig reden könnte! Mensch, Mensch, Mensch!«

»Mama!«

»Aber nein, dein Vater flüchtet ja lieber vor mir! Wo versteckt er sich überhaupt?«, erkundigte ich mich, obwohl ich es gar nicht wissen wollte.

»Ben sagt, Papa heult die ganze Zeit rum, dass er nicht kapiert, weshalb du ihm das angetan hast.«

»Ben? Erzähl mir nicht, Albert hätte sich bei ihm verkrochen!« Ben bewohnt in seiner WG nur eine Art Besenkammer, weil er sich auf ein Auslandssemester in Frankreich vorbereitet.

»Papa hat sich ein paar Tage freigenommen. Sie sind wandern gefahren. Ich wäre auch gern mit, aber ich brauch noch CPs in Statistik. Schau, Mama«, Rosa fixierte mich mit dem ganzen Ernst einer Siebenundzwanzigjährigen. »Ben und ich haben gar nichts dagegen, dass ihr euch trennt. Die patriarchale Zweierbeziehung ist sowieso am Ende, ob mit oder ohne Trauschein. Wir finden’s voll gut, dass du endlich auf die Beine kommst und nicht länger von Papa abhängig sein willst!«

In ihrer Stimme lag ein gewisser Stolz. So muss ich geklungen haben, als sie das erste Mal ohne Stützräder gefahren war.

»Aber?«, bohrte ich nach und überging, dass meine eigene Tochter in mir offenbar eine Art Junkie sah. Abhängig! Das war ja wohl der Gipfel. Als hätte sie nichts davon mitbekommen, wie ich mir all die Jahre meine intellektuelle Unabhängigkeit bewahrt hatte! Kreativ gewesen war! Mich zweimal pro Woche bei AnnaConda reingehängt hatte! Politisch engagiert war bei Femmes sans terre! Aber nein, für Rosa zählte nur, was Geld einbringt – einfach entsetzlich, dieser blanke Materialismus!

»Ganz im Ernst: Was du da abziehst, ist oberpeinlich! Ich meine – Papa einen Scheidungsantrag machen? Hallooo?!« Sie zog die letzten zwei o in die Höhe und unterlegte sie mit einem Ausrufezeichen der Empörung.

In meiner Tasche krähte es. Ich überflog die Nachricht: »Du kannst sie auch mieten.«

Ich erklärte Rosa, dass ich noch ein paar wichtige Steuerfragen zu klären hätte, zahlte für uns beide und machte mich davon, bevor ich in aller Öffentlichkeit einem Schreianfall erlag.

Dieser Mistkerl! Das sah ihm ähnlich! Also das ging gar nicht, allein schon juristisch! Die Wohnung gehörte uns beiden! Falls nicht, hatte ich einen Teilanspruch! Das hatte Albert sich ja fein überlegt: Die eigene Frau schröpfen, voll die Mietpreissteigerung ausschöpfen und dann noch den Wertzuwachs der Immobilie absahnen wollen! Es war einfach grotesk. Aber nicht mit mir! Ich würde dem feinen Herrn Professor Oberarsch einen fetten Skandal bescheren! Ich würde ihn wegen Gentrifizierung anzeigen und Fernsehteams vor unser Haus bestellen, damit sie filmen konnten, wie ich damit drohte, aus dem Fenster zu springen. Vorher wäre ich noch Femen beigetreten und hätte mir »Nieder mit dem kapitalistischen Aldi-Patriarchat!« auf dem blanken Busen geschrieben. Na gut, ich würde es kürzer formulieren müssen, mein Busen ist klein. Möglicherweise flögen auch ein paar Kuckucke aus dem Fenster, um die Brisanz meiner Aussage zu unterstreichen.

Als ich radelnd in unsere Straße einbog, hatte ich mich wieder so weit eingekriegt, dass ich zu des Pudels Kern vorstieß. Albert hatte sich eine Auszeit vom Krankenhaus genommen und fuhr wandern?!!! Das brachte mich darauf, dass auch ich wieder einmal Urlaub machen wollte.

15. Den Abflug machen

Sonntagnacht um zehn vor drei klingelte Suada Sturm. Wegen mir hätte sie nicht zu klingeln brauchen, ich war längst abfahrbereit und saß auf dem gepackten Koffer. Schließlich hatten wir abgemacht, dass sie mich um halb drei abholen kam. Ihr Geklingel riss leider nicht wenigstens mal Albert aus dem Schlaf. Selbst wenn er hier gewesen wäre. Er schlief mit Wachs in den Ohren. Schon deshalb brachte er eine erhöhte Toleranz gegen Kuckucksuhrenrufe auf. Jahrelang riet er auch mir zu Ohrstöpseln. Wo ich doch so schrecklich geräuschempfindlich sei …

Wie bei den meisten Dingen waren Albert und ich auch bei Stöpseln verschiedener Meinung. Für mich sind sie Körperverletzung. Gezielte Behinderung eines zentralen Sinnesorgans. Sicherheitsgefährdung. Wie soll ich zugepfropft Brandmelder hören? Sirenenalarm? Hilferufe? Das Miauen der Katze? (Gut, wir haben keine, aber das nimmt dem Argument nichts.) Ohren verstöpseln rangiert gleichauf mit Knebelung.

Ich schnappte Rollkoffer und Tasche und zerrte sie die Stufen hinab. Gleich flog ich in Urlaub! Die Freude, dass ich diesem Elend für eine Woche entkommen konnte, machte mich ganz flatterig. Sieben Tage, in denen ich in der Frühjahrssonne liegen und mich neu erfinden würde, um Albert für immer zu entrinnen!

Dass er nun den Spieß umdrehte und vor Sieglinde meine Trennung zu seiner Trennung machte, war wieder typisch. Albert war immer schon reaktiv und einfallslos. Neu war nur, dass er sich obendrein bei seinem Nachwuchs ausheulte und plötzlich sogar Urlaub nehmen konnte. Beides zeigte, dass er immer noch nichts kapiert hatte und ein feiger Hund war. Wann hatte er je mit mir Urlaub gemacht? Wann hatte er sich je mit mir ausgesprochen und sich mir offenbart?

Am Hauseingang wartete eine Wichtelfrau in einem Wollmäntelchen und unförmigen Wildlederboots auf mich, eine fellbesetzte Kapuze auf dem Kopf.

»Olà, chicca«, rief die Zwergin und schmatzte mir zwei Wangenküsse auf die Ohren, dass sie klingelten. »Zeit du kommst, die Taximann wartet!«

Suada ist Brasilianerin, Zumba-Trainerin und meine beste Freundin. Sie hatte vor vier Tagen spontan zugesagt, mich auf meiner Eheflucht zu begleiten. Wir würden es krachen lassen, durch die Clubs ziehen und abtanzen!

Vor dem Haus sprang ein dunkelhaariger Cabdriver aus seinem Auto, warf mein Gepäck in den Kofferraum und schmiss den Deckel zu. Eilig schlüpften wir alle drei in den Wagen. Wir waren spät und vom Himmel stürzte eine wahre Regenfront.

Mit quietschenden Scheibenwischern schob sich das Taxi durch die Stadt, in der die Nässe hing wie schwere graue Tücher. Über der menschenleeren Autobahn klärte der Himmel sich auf. Unser Fahrer setzte seinen Benz auf die äußerste linke Spur und gab Gas. Röhrend rauschte der Wagen durch die Nacht.

»Ist Glück wir fliege Sonntag, da gibt keine LKW!«, lachte Suada den Taximann im Rückspiegel an. Er lachte zurück.

»Vonne wo bist du? Turke?«, fragte Suada.

Das war ihr Lieblingsspiel. Wenn sie jemand Neuen kennenlernte, begann ein munteres Rätselraten.

Ein ratloses Gesicht drehte sich zu ihr.

»Istanbul?«, half ich schnell, damit der Taximann sich wieder nach vorn umwandte.

»Kabul! Ist Afghanistan.« Jetzt strahlte er mich an.

»Würden Sie bitte auf die Straße gucken?« Ich wies mit Zeige- und Mittelfinger Richtung Fahrbahn, als säßen Glubschaugen auf den Kuppen.

»Ah, okay! Gleich da!« Er deutete mein Zeichen auf seine Weise, packte das Lenkrad fester und ließ den Motor aufjaulen. Wir schossen dahin wie der Blitz.

»Du schon lange in Deutschland?«, krähte es von hinten.

»Lenk ihn nicht ab, Suada!«, zischte ich über die Sitzlehne.

»Deutscheland!«, echote es fröhlich vom Steuer her. »Gute Land! Gute Straß!«

»Warum fahren Sie ganz links? Rechts ist alles frei.«

»Links schneller«, erklärte der Taximann. »Fahr ich immer da. Mache alle. Nur Opis und Brummis anner Seit.«

»Aber auf der Autobahn gilt rechts fahren. Wenn man überholen will, wechselt man die Spur. Nach Abschluss des Überholvorgangs wechselt man wieder zurück.« Vielleicht sollte ich über eine Zukunft als Fahrschullehrerin nachdenken.

»Du lass arme Algerier in Ruh mit deine deutsche Scheißspießerei und euer Hitler-Autobahn!«, trompetete es aus dem Fond.

»Afghaner«, kam von links.

Ich gab auf. Die Flughafen-Abfahrt kam in Sicht, doch unser Mann machte keine Anstalten, sie zu nehmen.

»Hier müssen wir raus«, sagte ich. »Da!«

»Da?«, fragte er zurück.

»Ja! Sehen Sie nicht das Schild mit dem Flugzeug?«

»Ah! Ich noch nix fahr Flugzeug.« Immerhin wechselte er nun auf die Abbiegespur. »Ich nur immer fahr Frankfurt. Erst zwei Monat Deutscheland.«

Schnittig röhrten wir in die Kurve. Kurze Zeit später betraten Suada und ich mit unseren Trolleys und Taschen die Abflughalle. Suada blieb bei der Glastür kurz stehen und winkte dem davonfahrenden Taxi nach.

»Nette Afrikaner, oda?«

Das winzigkleine Flugzeug auf dem Monitor zog seit Stunden seine Bahn über dem großen grünen Kontinent. Allmählich schob sich von links her das Meer ins Bild. Eigentlich sah alles aus wie auf einer Kinderzeichnung. Nur war es leider Echtzeit und ich saß mittendrin. Fest. Ohne gehen zu dürfen. Ich verfolgte unseren Flug live auf dem Bildschirm über meinem Sitz, den Fensterplatz hatte ich bereitwillig Suada überlassen.

»Schade, du nix siehe die Pyrenee. Schau da unten!«

»Sehr schön, Suada.«

»Kommte gleich Portugal!« Suadas Finger schlossen sich aufgeregt um mein Handgelenk.

Das war mir bekannt. Schließlich hatte ich unser Reiseziel bestimmt. Möglicherweise hatten Björns Schwärmereien für die Algarve mich dazu inspiriert. Im Moment war mir allerdings völlig egal, in welchem Land ich zerschellen würde. Wie konnte man ein Flugzeug überhaupt Boeing nennen! Boing! stand früher im Comic in der Sprechblase, wenn es Beulen setzte. Ein e mehr machte da auch nichts besser. Nun gut, es gab Parfüms, die hießen Blutrache, und trotzdem besprühten sich Menschen damit.

»Oi! Eauosch ao portugesch eao!«, sprudelte Suada hervor.

»Du weißt schon, dass ich kein Portugiesisch spreche?«

»Machte nix. Sind über die Grenz! Guck da!«

Das waren die vorerst letzten annähernd deutschen Worte, die meine Fluchtbegleiterin an mich richten sollte.

Eine halbe Stunde später zeigte der Bildschirm unseren Landeanflug auf Faro. Dazu flog die Boing! weit über die Stadt hinaus aufs offene Meer. Ich sah es mit gemischten Gefühlen. War ersaufen nicht schlimmer als zerschellen? Wieso kriege ich dann im Flugzeug Beklemmungen, während ich auf einem Schiff völlig cool bleibe, obwohl ich nicht schwimmen kann? Derweil ich nach Antwort suchte, kehrte unser Vogel im weiten Bogen zur Küste zurück und nahm Kurs auf die Piste.

Die Landung war so butterweich wie meine Knie.

Suada saß unter Palmen auf ihrem Trolly. Sie hatte Fellkapuze und Cape abgelegt und blinzelte wie eine träge Katze in die morgendliche Frühjahrssonne, während ich den erstbesten Autoverleih direkt neben der Flughafenhalle betrat. Auf Suadas dolmetscherische Unterstützung hatte ich verzichtet. Bei AllYouCanDrive sprach man ja wohl Englisch, einen Mietwagen zu kriegen war also kein Problem.

Gelassen ging ich zum Schalter. Vor mir stand nur ein einziger Kunde, ein hipper Typ in coolen Klamotten. Schlüssel und Papiere seines Wagens lagen schon auf der Tischplatte. Die junge Frau hinter dem Tresen bearbeitete Unterlagen. Ich hörte sie fröhlich lachen, während sie ein Formular ausfüllte. Der Kunde lachte auch und fuhr sich mit allen zehn Fingern durchs Stoppelhaar. Worte flogen hin und her, er lehnte sich auf den Tresen zu der Frau hinüber, wisperte und schenkte ihr Blicke, die ich nicht sah, mir aber genau vorstellen konnte. Sie kicherte haltlos. Das hier entwickelte sich klar in Richtung Flirt.

Ich reckte mich, damit das junge Ding Notiz von mir nahm, und gab ihr ein Zeichen mit dem Kinn. Das Kichern verstummte, die Übergabe wurde nun offenbar vorangetrieben.

Dazu verschwanden die zwei nach draußen. Es dauerte ewig, bis sie zurückkamen. Wieder wurde herumgekritzelt und herumgekichert. Genervt warf ich einen Blick durchs Schaufenster hinaus auf den Parkplatz, wo Suada weiter die Sonne anbetete.

Neben dem Eingang hingen Werbeflyer. Ich blätterte gerade in einer Hotelanlage an der Algarve und studierte die Fotos vom Pool, als eine hohe, helle Männergestalt hereinstürmte und über meinen Trolley fiel. Koffer und Mann kamen ins Straucheln. Den Koffer konnte ich noch auffangen. Der Mann ruderte heldenhaft mit den Armen, musste sich aber der Schwerkraft beugen und ging hart zu Boden. Sein Panamahut rollte davon und gab dichtes graues Haar frei. Zusammen mit der jungen Frau, die vom Tresen herübergesprintet kam, sank ich auf die Knie.

»Everything’s okay?«, stammelte die Frau und zupfte am Leinenanzug des Klienten.

»Ist alles in Ordnung?«, echote ich.

Der Mann, der vor uns auf dem Noppenboden lag, tastete nach seiner Sonnenbrille, die ihm schief im Gesicht saß, und nahm sie ab. Seine Lider zuckten, dann schlug er die Augen auf.

Sie waren jeansblau.

Wie die von Gottfried Schachtschnabel!

Sein Blick irrte über das Gesicht der jungen Frau. Zum ersten Mal in meinem Leben hoffte ich neben der Jugend zu verblassen, mich in Luft aufzulösen. Ich fühlte mich wie ertappt und der Vorsätzlichkeit überführt. Als sei ich aus einem einzigen Grund an diesem Ort. Wegen Gottfried Schachtschnabel!

Dabei hatte ich bis eben gar keine Ahnung, dass er auch hier war! Ich hatte einfach nach Portugal gewollt. Nur so! Höchstens auf ein Käffchen mit Björn. Aber selbst das bloß vielleicht, darum wusste selbst Björn nichts von meiner Reise. Ich war schließlich nicht wegen eines alten Bettkumpels hier und um dem einzigen Mann über den Weg zu laufen, den ich in Portugal kannte …

Nun aber kniete ich vor Gottfried Schachtschnabel!

Diese Algarve hatte schon beim Landeanflug verdammt klein ausgesehen.

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