Kitabı oku: «Beim nächsten Mann bleib ich solo», sayfa 5
16. Ein Schock
Nigerias Hauptstadt ist nach einem portugiesischen Küstenstädtchen benannt, wo von 1444 bis 1820 mit afrikanischen Sklaven gehandelt wurde. An der Algarve blieb im Hafen von Lagos noch die historische Sklavenhalle erhalten, ein Denkmal steht davor. Ich besah andächtig das Denkmal und ließ die Geschichte auf mich wirken. Überall auf der Welt musste erst die Barbarei zerschlagen und die Freiheit erobert werden! Zuletzt die Freiheit der Frauen! Woman is the n… of the world, sang John Lennon in mir. Das brachte es auf den Punkt.
Ein Punkt in Sachen Freiheit ging klar an mich: Ich war am Flughafen aus dem Autoverleih gerannt, obwohl dort ein Gottfried Schachtschnabel am Boden lag und jeansblau in den Tag blinzelte! Mochte sich das junge Ding um ihn kümmern. Von mir aus auch er sich um sie. Das Allerletzte, was eine unabhängige Frau brauchen konnte, waren die Kellerleichen ihrer Vergangenheit! Erst begegnete mir der kurzsichtige Henri, dann der rastlose Björn, nun fiel mir noch Gottfried vor die Füße! Die Welt war voller Untoter – ich aber würde ihnen entkommen.
Eine Viertelstunde später hatte ich noch einen Punkt, genauer: einen Punto ein paar Verleihe weiter bei CarTakeAway gemietet und war mit der fröhlich singenden Suada von Faro über die Küstenstraße nach Lagos gefahren.
Unser Hotel erwies sich als nagelneu, aber auf Kolonialzeit getrimmt. Der Bau sah mindestens hundert Jahre älter aus, als seine Fertigplatten je würden. Ventilatoren im Außenbereich ließen Rückschlüsse auf die Lärmbelästigung in der Hochsaison zu. Jetzt dagegen war es angenehm ruhig und leer. Unser Appartement besaß zwei Schlafzimmer, ein gemeinsames Wohnstudio, ein Bad und eine kleine Küche.
Wir tranken an der Hotelbar einen Kaffee und einen Prosecco auf unsere Ankunft, dann zog sich Suada gähnend in ihre Kammer zurück, um etwas Nachtschlaf nachzuholen. Ich hing herum und stöberte im Reiseführer, bis es neun Uhr war und die Stadt erwachte. Dann brach ich auf zu einem vormittäglichen Erkundungsgang; die imposante Kathedrale und Museen versprachen spannende Besichtigungen.
Als ich Stunden später mit Einkäufen bepackt wieder zurückkam, war es im Appartement noch immer still. Aus Suadas Kammer drang ein regelmäßiges Pfeifen. Erschöpft warf ich die Tüten in den Sessel und mich selbst auf die Couch. Mir qualmten die Füße. Es ist jedes Mal schrecklich anstrengend, sich in einer fremden Stadt einen Überblick zu verschaffen! Man muss ja in nahezu jeden Laden zumindest einen Blick werfen. Die meisten haben Billigzeug aus China oder Chichi, trotzdem findet man was hier, was da. Je länger man herumrennt, desto mehr Zeug muss man schleppen. Die Kirche hatte ich mir für heute geschenkt, die stand auch morgen noch. Irgendwann kämen die Museen dran. Fürs Erste war ich platt und hatte Hunger.
»Suada?« Ich steckte meinen Kopf in ihr Zimmer. »Hey, du Schlafmütze! Es ist längst Mittag. Gehst du mit mir essen?«
Ein Brummen, die Konturen unter der Bettdecke begannen sich zu regen. Als sie zurückgeschlagen wurde, fielen Bücher zu Boden. Ein wirrer Schopf tauchte auf, Augen blinzelten müde ins Licht.
»Putz Grill!«, fluchte Suada netterweise auf Deutsch. Das war einer ihrer Lieblingsflüche. Ich stelle mir dabei immer vor, dass jemand einen völlig verkohlten Rost schrubben soll.
»Komm! Steh auf! Mir ist nach Fisch! Wir sind in Portugal!«, frohlockte ich und bereute den geografischen Hinweis sofort. Sicher sprach sie gleich wieder mit fremden Zungen.
Im Hafenbecken funkelte das Sonnenlicht. Alle Last fiel von mir ab, während ich an meinem Aperitif nippte. Ich war im Urlaub! Ich war ohne Mann! Ich saß in einem hübschen Bistro mit Blick auf Meeresglitzern – allein, aber nicht einsam. Suada wollte erst noch in Ruhe duschen und dann nachkommen.
Um halb drei war mir schummerig vom Aperitif und mein Magen knurrte. Ich rief Suada an. Sie lag noch immer im Bett. Das Buch sei so spannend! Mit dem Essen halte sie es noch gut aus bis zum Abend, dank der Barra de Chocolate vom Voo.
»Der wie, was, wo?«
»Die Schoko von Flug«, übersetzte sie bereitwillig. »Chiao!«
Und so etwas nannte sich beste Freundin! Eine Frau, die Bett, Buch und Schokolade meiner Gegenwart vorzog! Beleidigt legte ich auf und ließ mir die Speisekarte bringen.
Einen Stockfisch-Bacalhau mit Bratkartoffeln und einen Vinho Verde später war mit dem Hunger auch das Gefühl des Verlassenseins weg. Sollte Suada doch auf ihrer Matratze Wurzeln schlagen! Ich kam allein zurecht. Per Whatsapp wünschte ich meiner Flugbegleiterin weiterhin eine angenehme Lektüre. Dann winkte ich dem Kellner und zahlte. Als ich das Rückgeld einsteckte, sah ich, dass meine Barschaft stark geschmolzen war. Hatte ich heute etwa schon vierhundert Euro ausgegeben? Verdammt! Mein Weg in die Zukunft war offenbar teuer erkauft. Andererseits beginnt man nicht jeden Tag ein neues Leben.
Gemütlich schlenderte ich durchs Labyrinth der kachelgeschmückten Altstadt. Am Eckhaus zur Seitengasse, in der das Sklavereimuseum liegt, leuchtete im Schaufenster einer Boutique ein wunderschönes rotes Kleid. Ob ich es einfach mal anprobieren sollte? Bestimmt konnte man da auch mit Karte zahlen.
Bargeld brauchte ich aber trotzdem. Suchend glitt mein Blick durch die Fußgängerzone. Gleich an der nächsten Ecke hing ein Geldautomat. Drei, vier Leute standen davor, ruckzuck war ich an der Reihe. Ich schob die Karte hinein, wählte die Ziffern. Es piepte, irgendeine Anzeige poppte auf. Anscheinend hatte ich mich vertippt. Ich brach den Vorgang ab und gab alles neu ein. Hinter mir scharrten Füße. Wieder piepte es, dieselbe Anzeige. Bloqueio de cartão. Der Automat spuckte meine Karte aus, aber kein Geld – verdammt! Hinter meinem Rücken hüstelte man und räusperte sich. Bestimmt deutsche Touristen, die hatten es immer eilig. Was war los mit dem blöden Kasten? Lag es an der Karte? War der Magnetstreifen kaputt? Leute tuschelten, jemand stöhnte leise. Auf keinen Fall würde ich mich jetzt nervös machen lassen! Ich starrte auf den grauen Monitor. Wieso bekam ich kein Geld?
Mir wurde heiß und kalt, als ich begriff. Es lag nicht am Automaten, es lag nicht am Magnetstreifen. Es lag an Albert. Der Hund hatte meinen Kontozugang gesperrt!
Ich zog meine Karte aus dem hämisch giftgrün blinkenden Schlitz, steckte sie weg und wandte mich zum Gehen. Hinter mir hatte sich eine lange Schlange gebildet. Ihr Frontmann im Sommeranzug und mit Mafioso-Hut war so dicht aufgerückt, dass ich seine Bartstoppeln hätte zählen können. Wo blieb da die Intimzone?! Offenbar hielt man in Portugal nichts von Diskretion. Der Kerl hatte mir die ganze Zeit mühelos über die Schulter schauen können! So viel zum Thema Bankgeheimnis … Ich linste an ihm hoch bis unter die Hutkrempe und blinzelte in die grelle Sonne, die sein Gesicht im Schatten ließ und seinem Kopf einen Strahlenkranz aufsetzte. Geblendet machte ich mich aus dem Staub.
Das rote Kleid lächelte mich traurig aus dem Schaufenster an. Im Spiegel der Glasscheibe stand es mir ausnehmend gut. Es war so wunderwunderschön! Tausendmal schöner noch als vor wenigen Minuten! Inzwischen war ich blitzartig verarmt. Mittellos. Des Geldes beraubt vom eigenen Mann!
Nie hätte ich Albert so viel Fiesheit zugetraut. Sonst wäre auch ich längst Inhaberin eines eigenen Kontos! Eine Frau braucht ihr eigenes Konto, klar. Nur, was hätte ich darauf einzahlen sollen? Unser Konto lief auf Alberts Namen, was ich sogar ziemlich lustig fand. Auf die Weise zahlte alles, was ich ausgab, Albert Auerbach, ha ha.
Das Kleid verschwamm vor meinen Augen zu einem Klecks. Ich sah nur noch Rot. In mir stieg die Wut wie der Strich im Fieberthermometer. Wie konnte er mir das antun! Wie konnte er mich so behandeln! Das sollte er bereuen! Dreißig schwarze Rosen hatte ich ihm geschenkt … jetzt würde er einen veritablen Rosenkrieg kriegen!
»Nicht weinen.«
Ich fuhr herum. Der Mafioso vom Bankautomat reichte mir ein Taschentuch. Das war freundlich. Wieso sprach er Deutsch? Okay, das halbe Ruhrgebiet war fest in Händen von Cosa Nostra und ’Ndrangheta; jetzt machten sie sich also an der Algarve breit. Wortlos nahm ich das Tuch und schnäuzte mir die Nase.
»Dein Bankgeheimnis ist bei mir so sicher wie in Abrahams Schoß, liebe Constanze.«
Mir wurde flau. Erstens, was war schon sicher im Schoß eines Mannes?! Und zweitens, woher kannte die Mafia meinen Namen?! Außerdem kam mir die Stimme ziemlich bekannt vor. Noch ehe der Mafioso seine Sonnenbrille abnahm, wusste ich, welche Augenfarbe mich erwartete.
»Hallo Gottfried. Danke.«
»Warum bist du beim Autoverleih in Faro so schnell weggelaufen? Ich hätte so gern mit dir auf unser überraschendes Wiedersehen angestoßen! Wer hätte das gedacht! Nach so vielen Jahren! Dreißig, oder? Na, dann machen wir das eben jetzt. Keine Angst, du bist natürlich eingeladen!« Er zwinkerte verschwörerisch, lupfte seinen Hut und fuhr sich durch die dichte graue Mähne.
So kam es, dass ich an meinem ersten Single-Urlaubstag in einem portugiesischen Straßencafé saß und mich von meinem ehemaligen Dozenten Schachtschnabel aushalten ließ.
Als Gottfried erfuhr, dass ich meinen Abschlussfilm an der Berliner Filmhochschule nie eingereicht hatte, fand er das unheimlich schade. Er hatte das gar nicht mitbekommen, weil er da schon weggezogen war.
»Wieso bist du weg?«, fragte ich ihn.
»Berlin hatte mir nichts Aussichtsreiches zu bieten.«
Ich schüttelte den Kopf. Was für eine bescheuerte Stadt! Was für eine bescheuerte Akademie, die einen so brillanten Kopf wie Schachtschnabel ziehen ließ!
»Und wo bist du dann hin?«
»München, Mailand, Manhatten …«
Ich staunte. »Und hast da überall an den Unis gelehrt?«
»Nein. Ich habe mich umorientiert. Die Alma Mater hab ich geschmissen.«
»Dabei fand ich immer, du seiest der geborene Prof«, kicherte ich.
Gottfried zuckte mit den Achseln und grinste. »Und mir ist schleierhaft, wie ausgerechnet meine begabteste Studentin kein Diplom machen konnte!«
»Warum hast du dich umorientiert?«, bohrte ich nach, während mein Ego in Schachtschnabels Kompliment badete. »Du hattest deinen Doktor doch längst in der Tasche!«
»Quasi. Aber dann dachte ich, warum damit noch Zeit verplempern und nicht mal wissen, ob man eine Stelle kriegt.«
»Dir wäre auf jeden Fall eine sicher gewesen!«
Gottfried zog mit dem Daumennagel Rillen über den Tisch.
»Ich war Mitte dreißig. Da gehen an der Uni die Karrierelichter aus. Außerdem wollte ich Geld verdienen.«
Dass er damals schon so alt war, hatte ich gar nicht mitbekommen. Ich rechnete kurz nach. Dann war Gottfried heute ja … Mitte sechzig! Er sah allerdings gesund und fit aus, einfach blendend, auch wenn er so viele Jahre älter war als ich.
»Und auf was hast du dich umorientiert?«
Gottfried schlug die Augen auf. Eine Welle in Jeansblau wogte über mich hinweg.
»Auf Film.«
»Du hast Filme gemacht?!« Vor mir flanierten Julia Roberts, Richard Gere, Brad Pitt und Angelina Jolie.
»Ich habe Filmgeschäfte gemacht. Interessante neue Regisseure und so.«
Zu Roberts, Gere, Brangelina & Co. gesellten sich Pedro Almodóvar, Sofia Coppola, Wes Anderson, Jodie Foster und die Coen Brothers. »Und damit hast du dann also Geld verdient?«
»Kann man so sagen«, lachte Gottfried laut. »Hast du eigentlich schon das Sklavenmuseum besucht?«
»Dazu bin ich leider noch nicht gekommen«, bedauerte ich. »Soll sehr spannend sein! Ich muss da unbedingt noch hin.«
»Na, dann lass es uns zusammen anschauen und vor den Ausbeutern und Menschenhändlern die Faust recken!«, strahlte Gottfried, ganz der alte Revoluzzer.
Die nächsten Stunden verbrachten wir im Bann der Historie. Ich finde es immer wieder ergreifend, anhand von Originalzeugnissen in den Lauf der Zeit einzutauchen. Wie im Film! Die ganze Dramatik der Menschheitsgeschichte rückt auf diese Weise ergreifend ins Bewusstsein, der endlose Kampf um eine bessere Welt, um Rechte und Freiheit. Als Gottfried und ich wieder auf der Straße standen, waren wir beide zutiefst beeindruckt.
»Lass mich das tragen«, sagte er und nahm mir galant die Tüte mit den Büchern ab, die er für mich im Museumsshop erstanden hatte. Ich will nach dem Besuch eines Museums immer alles genau nachlesen, um es in ganzer Tiefe durchdringen zu können. Die Ebene der Anschauung verlangt nach Theorie. Daher hatte ich sie gern griffbereit im Regal stehen. Zum Glück führte der Shop sogar deutschsprachige Geschichtsbücher.
»So. Wenn die Restaurants öffnen, wollen wir eine Kleinigkeit essen!«
Dagegen hatte ich nicht das Geringste einzuwenden. Ich schrieb Suada, dass ich heute ohne sie zum Abendessen ginge, und wünschte ihr eine gute Nacht.
Über die Fratzen von Kolonialismus und Kapitalismus plaudernd, schlenderten wir durch die Museumsgasse zurück zur Fußgängerzone. Vor dem Laden mit dem roten Kleid blieb Gottfried stehen und sagte: »Aber zuvor gehen wir shoppen.«
Dagegen hatte ich noch weniger einzuwenden.
Das Kleid behielt ich gleich an.
Mein Handy surrte. Ich warf einen Blick darauf. Suada hatte eine Nachricht mit Foto von sich im Bett geschickt. Eine Kreuzung aus Pipi Langstrumpf und der kleinen Hexe.
Es wurde noch ein sehr schöner Abend. Wir verstanden uns so gut, als läge unser Vorleben höchstens dreißig Monate, nicht dreißig Jahre zurück. Gottfried erzählte mir, seine Jolle ankere hier im Hafen. Wenn ich Lust hätte, könnte ich ihn an Bord begleiten. Auf welche Art von Begleiten das hinauslief, war mir natürlich sonnenklar. Früher, da wäre ich diesem Mann bis auf den Mond gefolgt. Bis ich begriff, dass Gottfried von seiner Frau Inge zwar getrennt, aber nicht geschieden war. Obendrein hatte er frisch mit meiner Freundin Julia angebandelt. Ha! Der alte Schlawiner würde von mir nicht gleich am ersten Tag unseres Wiedersehens beglitten werden, rotes Kleid hin oder her.
Am Ende begleitete Gottfried mich zum Hotel. Aber nur bis zum Eingang. Aufs Zimmer ging ich allein. Leicht schwankend bestand ich darauf, dass er sich am schmiedeeisernen Zufahrtstor verabschiedete. Mit zwei Wangenküsschen entließ ich ihn in die Nacht.
Wir würden uns auf jeden Fall wiedersehen, morgen oder übermorgen. Als unabhängige Frau darf man bei Männern nichts überstürzen. Erst recht nicht im Urlaub. Ehe man sich’s versieht, hat man den nächsten am Hals. Auch wenn es in diesem Fall zumindest kein Geizhals war.
Vom Fenster unseres Appartements sah ich zum Himmel hinauf und zählte die Sterne. Ein jeder leuchtete für sich. So wie ich. Zwischen ihnen schwebte ein blasser Mond. Obwohl er die Farbe von Sperma besaß, machte er die Nacht gleich viel heller.
17. Fragen über Fragen
»Mach keine Gesicht wie Trauerklotz. Ich leih dir Geld!«, versprach Suada, als ich ihr alles erzählt hatte, und ließ sich das Frühstück schmecken. Ich sah zu, wie sie allerlei frisches Obst verzehrte und anschließend herzhaft in ein Käsebrötchen biss.
Mir war nicht nach Essen. Ich hatte eine schlimme Nacht hinter mir, in der ich Albert auf verschiedenerlei Arten und Weisen umgebracht hatte, von denen eine grausamer war als die andere. Wie konnte dieser Titiseebanause es wagen, mir das Konto zu sperren?! Wer hatte denn seine Kinder aufgezogen und die Au-pairs betreut?! Wer ihm den Haushalt geführt und die Putzfrau von den bescheuerten Kuckucksuhren ferngehalten? Wer hatte den Herrn Professor Doktor die Karriereleiter hinaufeskortiert? Dafür behandelte dieser emotionale Betablocker mich nun wie eine moderne Sklavin! In den Augen meines Ehemannes stand mir kein Geld zu? Pfffü! In welchem Jahrhundert lebten wir eigentlich? Wie war die Gesetzeslage? Wenn ich zurück war, würde ich sofort ein Konto eröffnen! Und wenn ich mir dafür extra Geld leihen musste!
Bei einer zweiten Tasse Kaffee breitete Suada ihre Pläne für unseren heutigen Tag vor mir aus. Es sollte die Küste entlang zu einer Landzunge mit Leuchtturm gehen, entnahm ich der Route ihres Fingers auf einer hübsch bebilderten Landkarte für touristische Ausflüge. »Você ir!«, schloss sie. »Auf zu die Farol!«
»Du, Suada, ich bleib heute lieber hier. Schau dir in Ruhe die Gegend an. Der Schlüssel vom Punto liegt im Flur.« Damit trollte ich mich aufs Zimmer, fiel ins Bett und ließ das Gewicht der Welt über mir zusammenkrachen.
Mittags piepste es. Rosa meldete sich per Whatsapp und schickte Küsse aus Berlin, dazu ein Foto. Es zeigte sie lachend in den Armen einer mir unbekannten Begleitperson. Die beiden lungerten auf der Kühlerhaube eines mir bekannten metallic-limonengrünen Cabrios.
»Wie kommt mein Saab nach Berlin?!«
»Vielleicht kann er fliegen?« Ein augenrollendes Smiley erschien. Als ich nicht gleich antwortete, kam die nächste Botschaft: »Mama?! Schon vergessen? Du hast gesagt, dass ich dein Auto haben kann, um mit Momo zum Queerbeet-Festival zu fahren!«
Hatte ich? Nicht dass ich wüsste. Litt ich etwa an dieser Krankheit? Ich verengte die Augen und besah mir Momo. Grellblonde Igelfrisur, bollerige Löcherjeans, Hoody. Zum ersten Mal leuchtete mir der Sinn von Unisexklos ein. Immerhin wusste ich nun, warum meine Tochter mich unlängst zur besten Mama der Welt erklärt hatte. Und noch eines wusste ich: Beim nächsten Gespräch, in dem Rosa mir wieder die Ohren zusülzte, würde ich sie weit aufsperren!
»Pass bloß gut auf den Wagen auf, Schatz«, tippte ich und ersetzte den Wagen schnell noch durch dich, ehe ich die Message losschickte.
Ich war gerade wieder eingeschlafen, als das Handy von neuem schnurrte. Wer störte jetzt wieder? Albert wenigstens bliebe mir erspart. Der würde sich hüten, mich im Ausland zu kontaktieren. Die Kosten fräßen dem armen Mann ja förmlich die letzten Haare vom Kopf.
Ich riskierte einen vorsichtigen Blick.
»Liebe Constanze. Bitte mach dir keine Sorgen ums Geld«, schrieb Gottfried. »Ich helfe dir gern und bin immer für dich da!«
Seltsamerweise gab mir das Anlass, mein Kopfkissen zu umarmen und nasszuheulen.
Am späten Nachmittag hatte ich mich wieder so weit eingekriegt, um einen großen Eisbecher am Hafen verdrücken zu können. Ich sandte Gottfried ein kurzes Dankeswort. Sehen mochte ich ihn heute nicht. Ich hatte meinen ersten Singleblues. Da musste ich erst einmal zu mir selbst finden.
Die Frage war doch: Wollte ich meinen geizigen Gatten etwa nur verlassen, um mich von einem großzügigen Gottfried abhängig zu machen? Stundenlang grübelte ich über diese Frage am Strand und ließ Sandkörner zwischen den Fingern durchrinnen. Als Wind aufkam und ich fröstelnd in die Kleider stieg, hatte ich noch immer keine Antwort gefunden, dafür eine zweite Frage: Was war eigentlich mit Inge? Ich schuf die Ausgangsbasis zur Klärung dieser Fragen, indem ich Gottfried anrief und mich für den morgigen Abend mit ihm verabredete. Er antwortete mit einem flatternden Herz und einer seltsamen Adresse: der Anlegestelle am Kai.
Offenbar plante er einen Sundowner auf seiner Jolle! Damit segelte er nahe am Kitsch, aber so war das eben mit der Romantik.
Suada kehrte von ihrer Fahrt zum Leuchtturm bestens gelaunt zurück. Sie hatte ein supernettes portugiesisches Paar kennengelernt, das nachher für uns kochen wollte! Ihre deutsche Freundin sei herzlich miteingeladen! Bestimmt waren die Leute sympathisch, aber ich wusste, wenn ich mit Suada und irgendwelchen Leuten aus Portugal oder Brasilien zusammensaß, wurde portugiesisch geredet, bis man sich wieder an mich erinnerte und zwei, drei englische Sätze abrang. Danach verstand ich erneut nur noch estação de caminho de ferro.
Ich wünschte Suada viel Spaß mit ihren neuen Bekannten, ließ mir Fish and Chips aus dem Hotelrestaurant kommen und verbrachte den Abend vor dem Fernseher mit einer Telenovela, der ich prima folgen konnte, weil eh klar war, wer wen kriegte. Darum hielt mich auch nichts davon ab, mitten im Film einzuschlafen. Ich brauchte Erholung, um Kräfte zu sammeln für mein Date mit Gottfried.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.