Kitabı oku: «Food Code», sayfa 5
Künstliche kulinarische Intelligenz
Es ist eine riesige Zahl: 6,1 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr aus deutschen Küchen im Mülleimer. Pro Kopf sind es rund 75 Kilogramm, fanden die Forscher am Thünen-Institut Ende 2019 im Auftrag des Bundesernährungsministeriums heraus.
Mit einer groß angelegten Kampagne »Zu gut für die Tonne« versucht Ernährungsministerin Julia Klöckner daher, die Bürger zu »leckeren Restegerichten« aus übrig gebliebenen Lebensmitteln zu inspirieren, unter anderem mit einer »Beste Reste-App« fürs Smart-phone, die mit Klassikern wie »Arme Ritter« und »neuen Kreationen und pfiffigen Beilagen aus wenigen Zutaten« aufwartet. 661 Rezepte finden sich in der App, unter anderem von prominenten Kochpaten wie Sarah Wiener, Johann Lafer oder dem Schauspieler Daniel Brühl.
Doch was tun mit einem halben Brokkoli und einer Pastinake, die noch im dunklen Kühlschrank vor sich hin dämmern? Die Reste-App der Ministerin bietet für dieses Problem genau 0 Rezeptvorschläge. Bei der Eingabe von übrig gebliebenen Bohnen gelangt man immerhin zu einem Rezept von Sternekoch Harald Wohlfahrt. Eine »Gemüseterrine mit Ziegenquark und Pesto« schlägt er vor. Dazu benötigt man neben den 150 g Bohnen 15 weitere Zutaten, darunter »5 EL Creme Double«, Mangoldblätter und »150 g Spargel«. Das ist keine Lösung der akuten Restelage in der Küche.
Für die lernenden Algorithmen, die ein junges Team rund um den dänischen Gründer Michael Haase in Kopenhagen entwickelt, wäre diese Situation dagegen ein gefundenes Fressen. Haase und sein Team haben mit ihrer App Plantjammer das Prinzip eines Kochbuchs quasi auf den Kopf gestellt. Nach der Eingabe übrig gebliebener Zutaten schlägt die App zunächst mehrere Basisrezepte vor. Die künstliche kulinarische Intelligenz aus Dänemark macht anschließend Vorschläge, wie man die vorhandene Gemüsekombination interessanter machen kann. Soll es knuspriger, würziger oder süßer werden? Erst nachdem die Vorlieben und Wünsche eingegeben sind, generiert der Algorithmus das passende Rezept aus der individuellen Kombination, inklusive aller nötigen Zutaten, der passenden Kochanleitung und einer Einkaufsliste. Alles jederzeit frei modulier- und anpassbar. Wer mit der finalen Einkaufsliste in den Supermarkt geht, um noch ergänzende Zutaten zu kaufen, bekommt von der App Sonderangebote von bald ablaufenden Lebensmitteln angezeigt. Um all das zu können, wurden die Algorithmen mit zahllosen Aromaprofilen von Zutaten, Rezepten und passenden Geschmackskombinationen trainiert. Das Ziel von Haase ist es, zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu inspirieren. Dass dabei Ressourcen gespart und Lebensmittelabfälle reduziert werden, sind erfreuliche Mitnahmeeffekte. Seit 2018 ist der deutsche Küchenhersteller Miele an diesem Startup beteiligt.
Von künstlicher Intelligenz generierte Rezeptvorschläge aus bereits vorhandenen Zutaten macht auch die App Wellio. Als Basis dienen ihr dabei nicht nur Vorlieben und Gesundheitsziele der Nutzer, sondern gleich die gesamte Vorratskammer, die von der App digital mit Check-ins und Check-outs von gekauften oder gegessenen Lebensmitteln geführt wird. Wellio ist darüber hinaus direkt an einen Lieferservice angeschlossen, der – wenn etwas fehlen sollte – in zwei Stunden die entsprechenden Zutaten liefert. Wer danach Hilfe beim Zubereiten der Speisen braucht, findet in der App ein Assistenzsystem, das mit nützlichen Tipps und Videos weiterhilft. »Unsere Mission ist die Decodierung, wie Mahlzeiten zu Hause zubereitet und genossen werden«, heißt es auf der Webseite des Startups von Gründer Tjarko Leifer, der vor der Gründung von Wellio die globale Strategie der Monsanto-Tochter »The Climate Cooperation« verantwortete. 2018 schluckte der drittgrößte Lebensmittelhersteller der USA Kraft Heinz die Wellio-App und integrierte das Team anschließend in den eigenen Digital Hub in San Francisco.
Genau zu wissen, was in den Schränken der Kunden lagert – ob gekühlt oder nicht –, wird besonders für Küchengerätehersteller immer interessanter. Das gilt insbesondere, wenn sich diese private Lagerhaltung mit dem Online-Lebensmittelhandel und den Geräten zur Zubereitung verknüpfen lässt. Chefling ist ein weiterer digitaler Küchenassistent aus dem Silicon Valley, der Lebensmittelvorräte verwaltet und personalisierte Rezeptvorschläge liefert und seit 2019 zu einem Drittel der Bosch-Tochter BSH-Hausgeräte gehört.
Die Kühlschränke der Zukunft sind auf diese neue Welt und entsprechende Datenströme bereits bestens vorbereitet. Der Hersteller Whirlpool meldete schon 2018 ein Patent für ein »System zur Erkennung und Analyse von Interaktionen« in Kühlschränken an. Auf den zum Antrag gehörenden Skizzen sind Kameras zu sehen, die automatisch erkennen, welche Lebensmittel in den Kühlschrank gelegt oder entnommen werden. Auf der Elektronikmesse CES 2020 in Las Vegas präsentierte Samsung die neueste Generation ihres Family Hubs: einen Kühlschrank, ausgestattet mit großem Touchscreen und Kameras im Inneren, die mithilfe von KI Lebensmittel erkennen und »verbesserte, durchdachtere Essensplanung und Rezeptvorschläge« machen sollen, »die auf persönliche Vorlieben zugeschnitten sind«. Dabei soll die gesamte Planung der Mahlzeiten vom Supermarkt bis zur häuslichen Küche dank Samsung rationalisiert werden. Um die Lieferungen zu koordinieren und Mahlzeiten zu planen, bieten Samsung-Kühlschränke eine Anbindung an Googles Kalenderfunktion. 2015 gelang es den Cybersecurity-Experten Pen Test Partners, einen Vorgänger des Family Hubs, den RF28HMELBSR Smart Fridge, zu hacken und so an die Log-in-Daten der Google-Konten zu kommen. Samsung musste zähneknirschend bei der Datensicherheit nach bessern.
Um aus seinen Kühlschränken Einkaufszentren in der Küche zu machen, sucht Samsung den Austausch mit etablierten Firmen, aber auch mit Startups. 2016 verkündete der Konzern eine Partnerschaft mit Nestlé. 2019 kaufte man das Startup Whisk des 32-jährigen Gründers Nick Holzherr aus Birmingham. Seine App Whisk kann aus Rezepten praktisch jeder beliebigen Webseite automatisch Einkaufslisten generieren und diese inklusive der passenden Kochanleitungen speichern. Der Algorithmus von Whisk kennt Zutaten, ihre Verfalls daten und auch die Verbindung zum passenden Händler, der die Zutaten liefern könnte. Mit Kooperationspartnern wie Mondelez, Kellog’s, Uni lever, AmazonFresh, Tesco und Walmart sieht sich Whisk inzwischen als Knotenpunkt der größten Player im Lebensmittelökosystem. »Wir arbeiten mit den weltweit führenden Marken, Lebensmitteleinzelhändlern, Verlagen, Gesundheitsunternehmen und Geräteherstellern zusammen, um alle Berührungspunkte der Reise entlang der Leben smittelkette zu verbinden und so Erlebnisse zu schaffen, die für alle ansprechender, einfacher und besser sind«, verkündet man inter essierten Businesskunden. Partner der App profitieren von angeblich 500 Millionen »Food-Interactions« pro Monat, 16 Millionen am Tag.
Das kann die digitale Küche in Zukunft:
Smarte Küchengeräte verfügen über immer mehr Rechenpower, Speicher und Sensoren. Sie können so präziser, individueller und mit größerem Rezeptwissen als digitalisierte Helfer in der Küche agieren.
Produktionsmethoden, die vorher großen Industrieanlagen, dem Lebensmittelhandwerk oder professionellen Gärtnereien vorbehalten waren, ziehen durch digitale Präzisionssteuerung in die Haushaltsküche ein.
Küchengeräte werden zu neuen Datenzentren im Haushalt, die jede Zutat, jedes Rezept, jeden Zubereitungs- oder Kochvorgang registrieren, verarbeiten und abspeichern.
Zur Steuerung, Vernetzung und Kontrolle von Geräten und Speisekammer entstehen neue Betriebssysteme.
Küchengeräte werden durch die umfassende Vernetzung zu neuen Einflugschneisen des Lebensmittelhandels direkt in die Küche.
Wenn man den Referenten und Teilnehmern der Podiumsdiskussionen auf Konferenzen wie der Seed & Chips in Mailand lauscht, gehört die Zukunft der Küche eindeutig den digitalen Geräten, die sich mit einem Lieferdienst verbinden. Wer es schafft, die Unterstützung bei der Arbeit in der Küche mit der Unterstützung beim Einkaufen und der Lieferung zu verbinden, wird der Gewinner in diesem neuen digitalen Markt sein. Dies mag für Lebensmitteleinzelhändler und Marken verlockend klingen, da sie über Millionen neuer, vernetzter Geräte einen direkten Zugang in die Küchen ihrer Kunden bekommen.
Die Frage ist allerdings, ob die neuen Betriebssysteme für die Küche den Supermarkt von nebenan, den regionalen Joghurt-Hersteller oder bäuerlichen Direktvermarkter noch mitspielen lassen. Die Marktmacht, die bereits existierende Betriebssysteme wie Windows oder Apple mit seinem App-Store ausüben, wird von den Kartellbehörden immer wieder beklagt und auf eine Klage hin geprüft. Händlern wie Amazon wird inzwischen vorgeworfen, neben Produkten, die auf ihrer Plattform angeboten werden, in dem Moment, in dem eine erhöhte Nachfrage besteht, ein vergleichbares Produkt der Eigenmarke AmazonBasics anzubieten und so den ursprünglichen Anbieter zu verdrängen.
Die Küche der Zukunft könnte der nächste Ort sein, in der ungeahnte Oligopole oder gar Monopole entstehen. »Küchen werden in Zukunft mehr über uns wissen als unser Partner oder wir selbst«, ließ Zalmi Duchman, der Gründer des Sous-vide-Garers CookMellow, die Zuhörer auf der Seed & Chips wissen. Die Frage ist, ob wir das wollen und was diese Entwicklung für unsere Freiheit in der Küche bedeutet.
Wer meint, dass diese Zukunft noch in weiter Ferne liegt, sollte einen Blick auf die Gefriertüten von Toppits werfen. Seit 2018 finden sich dort kleine Smartphone-Piktogramme und daneben ein indivi dueller Code für jede Tüte. Noch werden diese nicht automatisch in die zugehörige Foodsaver-App des Folienherstellers eingepflegt, das muss jeder Kunde noch händisch tun. Mit dem Smartphone kann man so sein Gefrierfach verwalten und kontrollieren. Auf Wunsch erinnert einen die App daran, Eingefrorenes zu genießen, bevor es schlecht wird. Die Informationen über eingefrorene und registrierte Erbsen, Kuchenstücke oder Würste lagern höchstwahrscheinlich in Datenzentren in Frankfurt oder London. So genau weiß das keiner. Der verantwortliche Anbieter gilt als nicht besonders gesprächig, was diese Details angeht. Wer es dennoch genau wissen will, müsste in Mountain View in Kalifornien vorstellig werden. Die App der zur Melitta-Gruppe gehörenden Firma Toppits aus Minden basiert auf der Google-Technologieplattform Firebase.
KAPITEL 3
AUF DEM ACKER
# Mit Terminator auf Schneckenjagd # Acker-Tipps aus dem Weltall # Autonome Ernte: Wenn Roboter besser pflücken können # Das Fitness-Halsband für die Kuh # Ein Mehltau aus Daten
Mit Terminator auf Schneckenjagd
»Nacktschnecken sind Kannibalen«, sagt Christian Höing. Der Student steht auf einem Acker in der Nähe des Instituts für Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen, etwa 15 Kilometer östlich der Documenta-Stadt. Er lehnt sich an ein Gefährt, das aussieht wie ein Aufsitzrasenmäher ohne Sitz. Doch das Fahrzeug, dem die Studenten den unscheinbaren Namen MSR-bot gegeben haben, ist ein moderner Roboter, der die Landwirtschaft verändern könnte. Denn das Gerät sucht, findet und eliminiert selbstständig den größten Feind von knackigem Salat auf dem Acker: Schnecken – und das nachts. Dazu fährt der Killer-Bot autonom durch die Pflanzreihen, drei Kameras tasten den Boden ab, unterstützt von einem Schein werfer.
Die Nacktschnecken erkennt MSR-bot mit einer Spektralanalyse. Dabei wird die Wellenlänge des Lichts gemessen, das die Haut der Tiere im Nah-Infrarotbereich reflektiert. Der Roboter erkennt auch, ob die Schnecke ein Gehäuse trägt, und kann so die unschädlichen und geschützten Gehäuseschnecken von den anderen unterscheiden.
Hat der Roboter ein Tier gefunden, tötet er es mit einer Art um gedrehtem Nagelbrett. Die darauf angebrachten acht Zentimeter langen Metallspieße rasen blitzschnell auf das Tier herunter. Im Gegensatz zu den auch bei Heimgärtnern beliebten Gift- oder Schneckenfallen, bei denen das Tier erst nach Tagen qualvoll verendet, stirbt es hier sofort. MSR-bot merkt sich den Standort und fährt weiter. Nach einem Tag fährt der Roboter selbstständig erneut zu dieser Stelle, weil ein Schneckenkadaver andere Schnecken anzieht, die MSR-bot nun ebenfalls erledigt.
MSR-bot merkt sich nicht nur, wo seine Jagd erfolgreich war. Er prägt sich auch Problemzonen auf dem Feld ein: Äcker mit tiefer liegenden Bereichen, die feuchter sind, oder höher liegenden, die dem Wind stärker ausgesetzt sind, und Äcker mit für Schädlinge und Unkräuter anfälligen Bodenstrukturen. »Hotspots« nennt das Höing. Und die fährt der rund drei Zentner schwere Prototyp regelmäßig an. Außerdem legt er eine Karte der Hotspots an. Das steigert die Effektivität, wenn MSR-bot dann später einmal große Flächen bearbeiten soll und sozusagen Prioritäten setzen muss.
Der Roboter navigiert mit GPS, acht Stunden kann er seiner Arbeit am Stück nachgehen, dann muss sein Akku geladen werden. Entwickelt wurde der Prototyp von drei Partnern: Das Fahrgestell stammt von einer serienmäßig hergestellten Mähraupe der Firma KommTek. Die Schneckenerkennung kommt von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, die Kartierung wurde in der Hochschule in Koblenz entwickelt.
Auch an den Unis in Hannover, Stuttgart-Hohenheim und in Weihenstephan bei München wird zum Thema neue autonome und digitale Lösungen für die Landwirtschaft geforscht. An der Technischen Fakultät für autonome intelligente Systeme der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg gibt es eine eigene Maschinenhalle für Roboter-Prototypen. In Deutschland existieren im Augenblick mehrere Dutzend solcher Projekte. Sie sind überwiegend europaweit vernetzt und teilweise mit EU-Geldern finanziert. An dem europäischen Projekt »EIT Food Accelerator Network« sind beispielsweise über zwei Dutzend landwirtschaftliche Betriebe beteiligt, darunter Höfe in Portugal, Italien, Frankreich, Holland, Skandinavien und Deutschland, die zusammen mit Hochschulen an innovativen Entwicklungen und prototypischen Umgebungen arbeiten. Die German-AgriFood-Society, eine eher informelle Organisation aus progressiven Landwirten, die gegenüber den Chancen der neuen Technologie sehr aufgeschlossen sind, und Agrar-Start-ups, stellt sich gerade europaweit auf.
»Der BoniRob ist dazu gedacht, sowohl einzelne Pflanzen zu beobachten als auch Dünger auszubringen und Unkräuter zu vernichten«, erklärt Alexander Schaefer. Er ist Projektleiter für den Agrarroboter an der Technischen Fakultät für autonome intelligente Systeme der Uni Freiburg. Es geht um Zuckerrüben. »Das Roboter-System fährt regelmäßig über das Feld, schaut sich einzelne Pflanzen an, zeichnet für jede einzelne Pflanze den Wachstumszustand auf, misst den Mineralstoffgehalt in den Blättern. Der Prototyp ermittelt eigenständig, ob die Pflanze Dünger braucht oder ob sie von Unkräutern überwachsen ist, und führt dann automatisch die nötigen Aktionen aus.« Dazu trägt das über eine Tonne schwere Gerät eine Drohne auf dem Rücken. Bei Bedarf startet die Maschine ihr Fluggerät und lässt den Acker von oben vermessen und analysieren. Entdeckt die Drohne einen Unkrautbefall, schickt sie die Koordinaten per eigenem WLAN an das Bodengerät, das die befallene Stelle dann anfährt.
Damit die Roboter wissen, was Unkraut ist, das mit einem Laserstrahl oder dem Schlag eines Bolzens unschädlich gemacht werden muss, trainieren die Studenten die Maschinen. Bei Systemen, die auf Bilderkennung setzen, muss dem Rechner im Herz der Maschine beigebracht werden, was eine Zuckerrübenpflanze von einem Unkraut unterscheidet. Und zwar in allen Wachstumsstadien. Das ist gar nicht so einfach, selbst den meisten Menschen dürfte es schwerfallen, die kleinen grünen Pflänzchen nach dem ersten Sprießen von Unkraut zu unterscheiden. Besonders die frühen Stadien sind wichtig für den späteren Ernteertrag. »Drei Wochen lang habe ich auf den Bildern, die BoniRob von unserem Acker gemacht hat, zugeordnet, was jeweils die süße Rübe und was garstiges Unkraut ist«, erklärt Projektleiter Alexander Schaefer.
»Unser Roboter Oz kann bis zu einen Hektar pro Tag selbstständig jäten«, freut sich Caroline Vergne von Naïo-Technologies. Oz war einer der ersten serienreifen, selbstständig arbeitenden Jätroboter auf dem Markt. Die kleine Maschine besteht aus einem rund 150 Kilogramm leichten Geräteträger und einer Einheit, die Unkraut erkennt und vernichtet. Ein Laser ermöglicht die Steuerung. Bereits im Jahr 2017 seien fünfzig dieser Geräte im praktischen Einsatz gewesen, sagt der Hersteller. Das Problem sei gewesen: Übersteigen die Nutzpflanzen eine bestimmte Größe, kann man den kleinen Oz nicht mehr ein setzen. Dafür wurde jetzt ein großer Bruder namens »naïo dino« entwickelt: Der funktioniert wie eine fahrende Brücke über mehrere Pflanzreihen und kann daher im Beetanbau für Gemüse und Salat verwendet werden. Vier bis acht Hektar schafft das Gerät am Tag. Das sind zwischen fünfeinhalb und elf Fußballfelder. Anders gesagt: Er schafft es, 20 bis 40 Kilometer aneinandergereihter Salatköpfe von unliebsamen Gewächsen zu befreien.
Bereits drei autonome Landwirtschaftsroboter hat Naïo entwickelt. Dino und Oz lassen sich im Gartenbau einsetzen, das System Ted im Weinbau. Auch diese elektrischen Landarbeiter müssen wie der heimische Rasenmähroboter nach acht oder zehn Stunden an die Steckdose. Schon über hundert Exemplare jäten im Echtbetrieb Eichblattsalat oder hacken Radieschen. Während Dino und Ted auf Großbetrieben von mindestens 40 Hektar eingesetzt würden, lohne sich ein Oz bereits für kleine Gärtnereien bis zu 10 Hektar, verspricht der Hersteller.
Für Getreide wie Weizen oder Gerste existieren ebenfalls erste Roboter: Die Firma Small Robot Company im südwestenglischen Flecken West Dean südlich von Salisbury bietet ein System aus den drei Robotern Tom, Wilma und Dick. Tom scannt die Felder von bis zu 20 Hektar großen Betrieben, Wilma übernimmt die Daten von Tom, verarbeitet sie und übergibt an Dick die Standorte, an denen er mit einem Laserstrahl das Unkraut vernichtet. An der Harper Adams University in Edgmond arbeiten Studenten daran, dass Weizen automatisch geerntet wird. Mit ihrem Handsfree Hectare Project zeigen sie, wie autonome Mähdrescher selbstständig das Getreide einfahren.
In den letzten Jahren haben sich weltweit mehr als 500 Startups gegründet, welche die Landtechnik mit intelligenten und digital-vernetzten, autonomen Robotern auf ein neues Niveau heben wollen. Die Projekte umfassen dabei sämtliche Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette und Arbeitsbereiche. Sogar für empfindliche Gemüse wie Spargel: So hat das niederländische Startup Cerescon mit dem Sparter einen Spargelernte-Roboter entwickelt, dessen metallene Finger durch die oberste Erdschicht streichen. Mittels Sensoren erkennt das an einen Traktor angehängte Gerät dann den reifen Spargel. Wo vorher die Arbeit von unzähligen Erntearbeiter*innen erledigt wurde, erntet Sparter drei Reihen Spargel praktisch gleichzeitig. Allerdings: Die Felder müssen speziell für das Gerät präpariert werden, der Boden einen gewissen Sandgehalt haben. Und das Sandbett, in dem die Spargel wachsen, muss einen bestimmten elektrischen Leitwert aufweisen.
Auch die großen Landtechnik-Hersteller arbeiten fieberhaft an neuen Lösungen zur Feld- und Ackerbearbeitung. Auf einer der größten Landtechnikmessen der Welt, der Agritechnica, die alle zwei Jahre in der Hannoveraner Messe stattfindet und auf der es in der Vergangenheit überwiegend um PS-starke Traktoren ging, zeigten die großen Hersteller der Branche 2019 ihre Prototypen und Projekt studien. Die Botschaft: Die Landtechnik der Zukunft ist digital und autonom. Auch Unternehmen, die sich bislang gar nicht in der Agrartechnik engagierten, sind in die Entwicklung von Agrarrobotern eingestiegen: Der Bosch-Konzern, größter Automobilzulieferer der Welt, will mit dem neu gegründeten Tochterunternehmen Deep Field Robotics autonome Maschinen für die Landwirtschaft auf den Markt bringen. Und auch der Reifenhersteller Continental will mit dem vollautonomen Agrarroboter contadino in diesem Markt mitmischen.
Der Markt für Agrarroboter soll, laut einer im Februar 2020 veröffentlichten Studie von Markets and Markets, im Jahr 2025 etwas mehr als 20 Milliarden US-Dollar groß sein und sich mit einem Wachstum von jährlich rund 23 Prozent von 7,4 Milliarden US-Dollar 2020 bis zum Jahr 2025 praktisch knapp verdreifachen. Dazu kommt: Die Zukunft liegt aus Sicht der Hersteller nicht in Einzellösungen.
Firmen wie Bosch, der Chemiekonzern Bayer, Großhändler wie die BayWa und Raiffeisen oder Taktorenhersteller wie Fendt oder John Deere entwickeln gerade Produkte, die ganzheitlichen Zugang für den Landwirt versprechen – sogenannte Systemlösungen. Zur Hardware wie Robotern, Erntemaschinen oder Schleppern kommen dann digitale Analysewerkzeuge, eine Online-Wettervorhersage und ein Portal für das Management jedes einzelnen Ackers und – natürlich – eines zum Bestellen von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Futter. Das soll ähnlich funktionieren, wie bei Apple, wo zum Laptop das passende Handy und für beide dann das iTunes-Konto zum Musikhören etc. angeboten wird.
Für beinahe alle Arbeiten auf dem Acker oder auf der Plantage existieren im Augenblick Prototypen. Bei den meisten dieser neuen Maschinen werden vier Aspekte zusammengeführt:
1. Die Geräte sind autonom, können also selbstständig arbeiten und selbstständig navigieren.
2. Sie sind lernfähig und verfügen über ein gewisses Maß an künst licher Intelligenz. Die Geräte wissen etwa, wo sie gestern eine Tätigkeit ausgeführt haben, und fahren diese Stelle nicht noch einmal oder gerade wieder an – wie beim Roboter für Schneckenbekämpfung. Sie funktionieren außerdem mit Algorithmen, die lernfähig sind, fahren also nicht starr immer dasselbe Programm ab, sondern können erfasste Daten aus erfolgten Jät-Touren oder Ernten in zukünftige Aktivitäten integrieren und bei der Abfertigung berücksichtigen.
3. Sie sind digital vernetzt, können in Echtzeit die Daten anderer Geräte übernehmen, interpretieren und weiterverarbeiten. Oder sie sind ständig in Datennetzwerke eingebunden, von denen sie praktisch gesteuert werden.
4. Schließlich nutzen fast alle Agrarroboter kein Diesel oder Benzin, sondern Strom als Energiequelle, den sie meist direkt von den Solaranlagen auf den Scheunendächern des Bauernhofes beziehen.
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