Kitabı oku: «Balancieren statt ausschließen», sayfa 4

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Der Wunsch von Frauen nach einem eigenen Ausdruck ihrer Spiritualität und Religiosität ist nicht neu. Diese Sehnsucht ist so alt wie die Kirche. Dies zeigen die Ordensgemeinschaften von Frauen in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit, aber z. B. auch die weibliche Mystik. Auf diesem langen Weg standen und stehen Frauen immer wieder vor der Frage, wie sie das Eigene entwickeln, ins Wort bringen können und wie sie sich zugleich auf den Ort beziehen, der ihre Herkunft markiert – die katholische Kirche. Allerdings gibt es einen auffälligen Unterschied zwischen den vorausgegangenen Bestrebungen von Frauen nach weiblicher Spiritualität und Religiosität und den heutigen Formen; denn diese sind nur noch punktuell an kirchliche Kontexte gebunden. Ordensgemeinschaften von Frauen sind ein Ort weiblicher Spiritualität, aber es gibt viele weitere Orte, die für sich Autorität beanspruchen. Dies ist eine Konsequenz der bereits beschriebenen gesellschaftlichen und religiösen Pluralisierung. So ist es nicht verwunderlich, dass z. B. Einführungen in die Meditation sowohl in kirchlichen Kontexten angeboten werden wie auch in Frauenbildungshäusern, die sich im feministischen Spektrum beheimaten. Die teilnehmenden Frauen wählen unter den verschiedenen Angeboten aus und das Kriterium für die Wahl ist das, was passt, was momentan anspricht.

Frauen feiern Liturgien, begehen Rituale, weil sie erkannt haben, dass diese in ihren Nöten und Sorgen, ihren Freuden und Hoffnungen ein Segen sind. In diesen Situationen greifen Rituale. Sie helfen den Menschen, die durch sie hindurchgehen, wieder mit sich und der Umwelt in eine Balance zu kommen. In ihren Liturgien und Ritualen erschließen sich Frauen einen Raum, in dem sie ihre Anliegen zum Ausdruck bringen können. Damit überschreiten sie die bestehende Ordnung institutionalisierter Religion und sie wagen viel, weil sie Unerhörtes zum Ausdruck bringen. Sie gehen das Risiko ein, ausgegrenzt, ausgeschlossen und diszipliniert zu werden. Oder aber ihr Tun und Handeln wird abgetan, nicht ernst genommen. Und damit stehen sie in der Spannung von Macht und Ohnmacht (vgl. Sander 2001). Die Macht kommt in ihren Erfahrungen zum Ausdruck, die als befreiend erlebt werden. Die Ohnmacht wird in ihrer Position der Institution gegenüber greifbar.

In dieser Arbeit sollen unterschiedliche Orte und Positionen von Frauen in den Blick genommen und analysiert werden. Zugleich soll ein Ausweg, ein kreativer Umgang mit der Macht und Ohnmacht vorgeschlagen werden. Konstitutiv für den Vorschlag ist es, die Bedeutung der randständigen Orte der Frauenliturgien aufzudecken und zugleich das Verhältnis von Rand und Mitte, Innen und Außen nicht über den gegenseitigen Ausschluss zu bestimmen, sondern diese in eine jeweils neu herzustellende Balance zu bringen. Die Balancen sind dann möglich, wenn die Stärken ausbalanciert werden. Eine Konzentration auf die Schwächen führt ins Ungleichgewicht. Das Ressentiment, die schielende Seele, wie Nietzsche es genannt hat, kann keine Basis für eine Balance sein (Nietzsche 1999, 270 ff.). Ein vom Ressentiment geprägtes Handeln schielt auf die Schwächen der anderen, um die eigenen Stärken zu finden. Ein solches Handeln bohrt kundig nach den Schwächen bei den anderen, um sich selbst groß und vor allem besser zu fühlen (vgl. Sander 2003, 14). Ein solches Handeln definiert sich über Fremddenunziation (vgl. Bucher 2004b, 21).

Ein Blick in das Neue Testament zeigt, dass auch Jesus um die Versuchungen des Ressentiments weiß. Er benennt die schielende Seele in einem Gleichnis (vgl. Sander 2003, 14): „Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: ‚Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal die Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.‘ (Lk 18,10–12) Hier zeigt sich, dass die Stärke des einen von der Schwäche des anderen abhängt. Die Schwächen der anderen gibt es tatsächlich, aber eine schielende Seele macht deutlich, dass sie selber über keine wirklichen Stärken verfügt. Wächst der andere über seine Schwächen hinaus, dann zeigt sich die eigene Schwäche erst richtig. Der Zöllner betet im Gleichnis: ‚Gott, sei mir armem Sünder gnädig!‘ (Lk 18,13) und wächst damit über sich hinaus. Wenn die Kirche oder die Frauen auf den jeweils anderen schielen, dann blüht ihnen das, womit Jesus sein Gleichnis beschließt: ‚Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wir erhöht werden.‘ (Lk 18,14)“

Auch in der Beziehung zwischen Kirche und Frauen lockt das Ressentiment. Frauen nähren es dadurch, dass sie vielfach ihre Verbindung mit dem Ursprung ihres Glaubens und der Tradition verloren haben. Sie sind nicht mehr in der Lage oder bereit, sich in produktiver Art und Weise auf diesen Ort zu beziehen. In Bezug auf die Kirche ist festzustellen, dass sie ihre Sprachfähigkeit in der Gegenwart mehr und mehr zu verlieren scheint, und manchmal hat es den Anschein, dass sie gar nicht versteht, was die Bedürfnisse der Frauen sind. Sowohl von den Frauen wie auch von der Kirche her lässt sich deutlich das Problem der Zweiheit und der Differenz identifizieren. Dieses Problem zeigt sich gerade auch in der Lösungsstrategie, die für Frauen und die Kirche in der Regel darin besteht, den jeweils anderen Pol mit seinen Schwächen, aber ohne seine Stärken zu sehen, wie auch in dem Mechanismus, ihn auszuschließen (vgl. Sander 2005c, 6).

In der vorliegenden Arbeit kommen Frauen zu Wort, die an unterschiedlichen Orten an Frauenliturgien und Frauenritualgruppen teilnehmen. Ihre Aussagen werden gerade auch darauf hin untersucht, von welchen Zweiheiten sie sprechen und wie sie mit diesen umgehen, ob sie das jeweils Andere ausschließen oder die beiden Aspekte ausbalancieren und wie ihnen das gelingt. Für die Frauen wie für die Kirche geht es dabei um die Anerkennung der Differenz und damit letztlich auch um die jeweilige Pluralitätstauglichkeit, die in einer fortwährenden Bewegung der Balance zu finden ist und damit erst tragfähige Schritte in die Zukunft möglich macht.

1.1.4 Geschichte der Frauenliturgiebewegung.
Überblick über Entstehung und zentrale Inhalte

Mit der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich die katholische Kirche eine Basis gegeben, um mit den Pluralitäten in ihrem Innern wie der Gesellschaft umzugehen. Dies wird nicht zuletzt im neuen Pastoralbegriff dieses Konzils zum Ausdruck gebracht. „Pastoral ist auf dem II. Vatikanum ein Gesamtbegriff für das evangeliumsgemäße Handeln der Kirche in der Gegenwart“ (Bucher 2004b, 35 f.). Es handelt sich dabei „um pastorale Solidarität, die der Glauben in den Problemen und Visionen der Menschen von heute einnehmen kann und in der er eine Autorität unter ihnen gewinnt“ (Sander 2005b, 610). Dazu bedarf es einer deutlichen Ortsbestimmung. Die Kirche soll „sich in den Zeichen der Zeit und damit unter den Menschen, oder genauer: in Liebe und Achtung der Menschen und deshalb mitten in ihren Nöten und Erwartungen, positionieren. Das ist der Vorgang der Pastoral. Sie hebt die Kirche nicht ab von der Zeit, sondern gibt ihr inmitten der Probleme und Entwicklungen der Zeit einen Ort“ (ebd., 701).

Betrachtet man jedoch die Realität, dann muss festgestellt werden, dass es an deren Umsetzung in der Praxis vielerorts mangelt bzw. die Realisierung nur unzureichend versucht wurde. In der Regel waren es Versuche und Unternehmungen der gemeindlichen Reform (vgl. Wess 1996). „Die gemeindetheologische Modernisierung der Nachkonzilszeit wollte freigeben (‚mündiger Christ‘) und gleichzeitig wieder in der ‚Pfarrfamilie‘ eingemeinden. Sie wollte Priester und Laien in ein neues gleichstufiges Verhältnis bringen – bei undiskutierbarem Leitungsmonopol des priesterlichen Gemeindeleiters. Sie wollte eine Freiwilligengemeinschaft sein, die aber auf ein spezifisches Territorium bezogen sein sollte, sie wollte für alle da sein, war es aber doch für immer weniger […]. Die Gemeindetheologie 1970 formulierte ein spezifisches innerkirchliches sozialtechnologisches Projekt. Sie versprach Vergemeinschaftung jenseits der Repression einer unverlassbaren Schicksalsgemeinschaft und doch diesseits der unheimlichen und ungebändigten Freiheit des Einzelnen“ (Bucher 2010, 314–316). Aber auch diese Versuche haben nicht verhindern können, dass kirchliche Sozialformen wie die Pfarrgemeinde unter Druck geraten sind und die Kirche ihr Monopol als „Anbieterin“ von geistlicher Begleitung und Ritual verloren hat. Ein nüchterner und analytischer Blick zeigt, dass sich die Kirche heute mehr denn je in die Konkurrenz mit anderen Religionen, mit Sufi-Meister/-innen, Göttinnenreligionen und weisheitlichen Lehren gestellt sieht.8

Die Pluralität der Mitglieder des Volkes Gottes anzuerkennen und sie als Orte der Theologie zu begreifen, ist noch immer ungewöhnlich und fällt schwer. Denn das bedeutet für das pastorale Handeln: „Wir müssen permanent versuchen, Sinn und Bedeutung des Evangeliums auch aus der Perspektive der anderen zu entdecken. Es genügt nicht, die alten Formeln des Glaubens nur zu wiederholen, selbst wenn sie für uns tatsächlich etwas bedeuten – was allerdings weder selbstverständlich noch ein für alle Mal gesichert ist. Ohne diese Fähigkeit zum Perspektivenwechsel ist in Zukunft und auch heute schon keine Pastoral mehr möglich. […] Der Kontrast zwischen diesen vielen Welten und unserer (durchaus vielleicht gerne bewohnten) kirchlichen Welt braucht nicht versteckt zu werden: Es gilt, ihn vielmehr kreativ werden zu lassen. […] Das aber ist die Aufgabe der Kirche und aller Pastoral: Kirche wird das Volk Gottes, wenn sie in Wort und Tat das Evangelium vom Leben der Menschen her eröffnet und das Leben vom Evangelium her begreift“ (Bucher 2004b, 40).

Für die Kirche in ihrem Verhältnis zu Frauen würde eine Umsetzung dieses zentralen Gedankens bedeuten, dass die, die sich im Innen der Kirche engagieren, nicht mehr wie ein Außen behandelt werden können. Sie stellen ein Potenzial einer veränderten Kirche dar, die mit der Zeit mithalten könnte. Aber sie sind es nicht, weil sie z. B. im rituellen Kernbereich unterrepräsentiert sind. Sie kommen am wenigsten vor: Die Sprache, die Bilder und der Erfahrungsrahmen der meisten kirchlichen Vollzüge sind männlich geprägt. Frauen sind vielfach Unerhörte in der Kirche (vgl. Wustmans 2001). Dies zu erleben schmerzt Frauen. Sie erfahren dies in besonderer Weise auch in der rituellen Praxis der Kirche. Denn diese scheint weitgehend den Status quo zu stabilisieren und ihr Potenzial der Veränderung, der Überschreitung, der Heilung mehr und mehr einzubüßen. Dabei sollten religiöse Rituale immer eine doppelte Funktion haben: einerseits den Menschen helfen, in die Ordnung der Gemeinschaft hineinzuwachsen und sich in ihr sicher zu fühlen. Sie bieten einen Ort und eine Möglichkeit, Erfahrungen im Leben von Menschen zu deuten und Sinn zu vermitteln. Diese Seite von Ritualen bildet die Ordnung der Dinge in der Kirche ab und sie stabilisiert die Machtverhältnisse in der Kirche. Andererseits helfen Rituale, Ordnungen zu überschreiten, heilvollere Zustände vorwegzunehmen, gegen Missstände zu protestieren, Hoffnungen lebendig zu halten, zu trösten und aufzurichten. Rituale dienen demnach auch dazu, soziale Übergänge und die Not mit diesen Übergängen zur Sprache zu bringen. Für ihre stabilisierende Form brauchen Rituale Wiederholungen, eine feste Ordnung, feststehende Rollen und vertraute Worte.

Im Rahmen der kirchlichen Ordnung der Dinge gibt es davon viel. Aus der Sicht von Frauen betrachtet fällt dabei jedoch auf, dass diese selten den Schatz ihrer Erfahrungen und die Nöte ihres Lebens zum Gegenstand haben. Ihre spezifischen Nöte und Sorgen, Freuden und Hoffnungen finden kaum einen adäquaten Ausdruck. Die allgemeinen rituellen Formen der Kirche und ihre Sprache verlangen von den Frauen vielmehr eine dauernde Übersetzungsarbeit in ihren Kontext. Dieses Erleben ist vielfach der erste Schritt, nach Wegen und Formen zu suchen, wie Frauen ihren Glauben ausdrücken und feiern können. Die Erfahrung, die Frauen in der Kirche als Unerhörte machen, führt nicht zwangsläufig in die Depression oder in den Auszug aus der Institution, sondern sie kann auch Kreativität und Energien freisetzen (vgl. Federmann 2000, 149–155). So haben Frauen an unterschiedlichen Orten angefangen, nach Worten, Liedern und Tänzen zu suchen, die ihren Glauben zum Ausdruck bringen. Frauen begeben sich auf den Weg, in selbst gestalteten Liturgien/Ritualen die „Wunden ihres Lebens zu heilen und Feste der Befreiung zu feiern“ (vgl. Ruether 1988). Sie erobern Räume, suchen Orte auf, an denen sie ihre Spiritualität leben, neu entdecken und feiern.

Liturgie ist ein wesentlicher locus theologicus des Glaubens (vgl. Klinger 1978; Sander 1998; Körner 1994). An diesem Ort zeigt sich, woran die Gemeinschaft glaubt und worauf sie hofft. Es wird erfahrbar, wie sie ihren Glauben deutet und ihm Ausdruck verleiht. Lex orandi und lex credendi sind ummittelbar aufeinander bezogen. „Wie geglaubt wird, so wird gebetet, und die Forme(l)n des Gebets prägen den Glauben“ (Prüller-Jagenteufel 1999, 78). An den unterschiedlichen Orten in der Welt werden glaubende, suchende Menschen herausgefordert, die Sprache ihres Glaubens zu finden. Diese Herausforderung ist nicht neu, auffallend ist aber seit den 80er Jahren, dass immer mehr Frauen sich aufgemacht haben, nach einer Sprache für ihren Glauben zu suchen und diesen auch in von ihnen entwickelten Liturgien zu feiern. Insofern kann man „die Frauenliturgiebewegung als eine liturgische Erneuerungsbewegung“ verstehen (vgl. Enzner-Probst 2008, 41; Müller 2000, 343 f.). Diese Bewegung ist weltweit aktiv und weist „einerseits charakteristische Merkmale ihrer liturgischen Praxis auf, andererseits aufgrund ihrer kontextuellen Bezogenheit so viele Unterschiede, dass es nicht leicht fällt, sich einen Überblick zu verschaffen“ (Enzner-Probst 2008, 71). Es ist problematisch, diese Bewegung und die Inhalte genau festzulegen, weil Frauen sich in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und Settings zusammenfinden. In der Definition des Begriffs „Frauenliturgie“ folge ich Enzner-Probst, die mit Frauenliturgie ebenfalls rituelle Formen von Frauen innerhalb der christlichen Tradition bezeichnet: „Als Bezeichnung für die innerhalb christlicher Tradition angesiedelten liturgischen Gestaltungen wähle ich im Folgenden den Terminus ‚Frauenliturgie‘“ (Enzner-Probst 2008, 64). Mit ritueller Praxis werden jene Ausdrucksformen bezeichnet, die in postchristlichen Kontexten entwickelt und gefeiert werden (vgl. ebd.). Diese Unterscheidung ist angebracht, auch wenn die Übergänge vielfach fließend sind (vgl. Enzner-Probst 2001, 79–135). Neben notwendigen Unterscheidungen und fließenden Übergängen ist aber noch auf etwas zu verweisen, was die verschiedenen Stränge eint: Sie alle suchen nach Ausdrucksformen von Spiritualität. Und was die christlichen Gruppierungen betrifft, lässt sich sagen, dass sie „auf der Suche nach Wegen [sind], wie die christliche Botschaft gelebt werden kann. Die dabei beschrittenen Wege sind nicht immer die gewohnten, aber deswegen noch lange nicht per se schrecklich, abschreckend oder glaubensfeindlich“ (Jeggle-Merz 2000, 356).

Der Ursprung für die Frauenliturgiebewegung liegt bei jenen Frauen, die innerhalb der Frauenbewegung ihr politisches Engagement und die religiöse Begründung miteinander verbinden wollten (vgl. Enzner-Probst 2003, 203 f.). Sie haben nach Formen und spirituellem Ausdruck für ihr (frauen)politisches Engagement gesucht. In der Realisierung dieses Wunsches sind sich viele Frauen in einem ersten Schritt der Bemächtigung durch die androzentrisch-christliche Tradition bewusst geworden. Im Kreis christlicher Frauen führte dies zu einer verstärkten Suche und Auseinandersetzung mit Frauen in der eigenen Tradition. Frauen in der Bibel und in der Kirchengeschichte sind und waren ein wichtiges Thema. Ein Teil dieser Frauen ist (nach wie vor) in bestehende Gemeinde- und Liturgiepraxen eingebunden und ist bestrebt, diese zu reformieren. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Bemühen, auch im Rahmen von Gottesdienst und Verkündigung eine inklusive Sprache zu sprechen. Seit den 80er Jahren ist eine vermehrte Kritik von Frauen an der Sprach- und Bilderwelt in der Liturgie zu verzeichnen. Frauen fühlen sich oftmals ausgeschlossen. Sie sind nicht sichtbar und nicht hörbar. In den Liedern und Texten ist von den „Brüdern“ und den „Söhnen“ die Rede. Und auch die Gottesanrede ist an den „Herrn“ adressiert. Diese Sprach- und Bilderwelt verstärkt das Gefühl des Ausgeschlossenseins bei Frauen. „Das ist besonders schmerzlich, da Liturgie ein heiliges Spiel ist, das an die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen erinnert und die Heilsaussage Gottes feiert“ (Rieger-Goertz 2003, 315). Inzwischen wird in vielen Predigten darauf geachtet, dass Frauen nicht nur mitgemeint, sondern auch angesprochen und erwähnt werden. Für die evangelische Kirche ist zu sagen, dass in besonderer Weise die Homeletik die Frauenfrage in den Blick genommen hat. Predigthilfen und Perikopenbücher für frauengerechte Predigten sind entstanden (vgl. Korenhof 1996; Korenhof/Stuhlmann 1998, 1999). In diesen Vorschlägen für Predigten werden die unterschiedlichen Lebenserfahrungen von Männern und Frauen thematisiert und die Glaubenserfahrungen von Frauen zur Sprache gebracht. Ein besonderes Projekt in diesem Kontext ist auch der jährlich stattfindende ökumenische Weltgebetstag der Frauen. Er wird jeweils von Frauen in einem Land der Welt vorbereitet und in den Materialien zu diesem Tag werden die Situation der Frauen, ihre Perspektiven und Hoffnungen thematisiert und in der Liturgie mit der Rede von Gott verknüpft (vgl. Bechmann 2002).

Mit zunehmender Annäherung von Frauen aus den christlichen Kirchen an die Frauenbewegung wurden auch die Impulse feministischer Spiritualität aufgegriffen und weiterentwickelt (vgl. Berger 1999a, 109–149). In den USA waren in diesem Zusammenhang die Aktivitäten der Gruppe WATER (Women’s Alliance for Theology Ethics and Ritual) wegweisend, die sich insbesondere um einen liturgischen Ausdruck befreiungstheologischer Aspekte bemüh(t)en. „Eine frauenspezifische Form des ‚lex orandi – lex credendi‘ wurde gesucht und in unterschiedlichen Gruppen umgesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Liturgiegruppe WATER, die, in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet, bis heute kontinuierlich Liturgien gestaltet, feiert und dokumentiert“ (Enzner-Probst 2008, 80).

In dem Konzept von Women-Church sollen Glaube, Ethik und Liturgie aus der Sicht von Frauen gestaltet werden9 (vgl. Neu 1982; Hunt 1990).

„‚Frauenkirche‘ bedeutet kirchenpolitisch und liturgiepraktisch die Erkenntnis, dass Frauen nicht zusätzlich etwas zu einer an sich bestehenden Kirche beitragen, sondern selbst ‚Kirche sind‘. Dies kann als ‚feministischer Wendepunkt‘ im Bewusstsein vieler Frauen bezeichnet werden, die sich innerhalb der Kirchen engagierten. Diese Frauen verstanden sich als kritisch-innovative Erneuerungsbewegung innerhalb der traditionellen Kirche (‚Ekklesia der Frauen‘, Schüssler Fiorenza) oder als Exodusgemeinschaft innerhalb und an den Rändern der Kirchen (Ruether). ‚Frauenkirche‘ wandte sich kritisch gegen eine ‚herr‘schende ‚Männerkirche‘, die Frauen aus liturgischer Leitung und theologischer Diskussion ausschloss. Die in Women-Church engagierten Frauen wollten Kirche anders leben und feiern, eine Kirche bauen, in der Frauen ihrem Subjektsein und in ihrer spirituellen und liturgischtheologischen Verantwortung ernst genommen wurden“ (Enzner-Probst 2008, 79).

Vor diesem Hintergrund definiert Teresa Berger die Frauenbewegung in der Kirche u. a. auch als eine liturgische Bewegung, deren Ziel die „Inkulturation“ der Liturgie in die Lebenswirklichkeit von Frauen ist (vgl. Berger 1990, 55–64).

Neben der Women-Church sind auch jene Gruppen zu erwähnen, die unter der Bezeichnung „Women-Spirit“ firmieren (vgl. Enzner-Probst 2008, 86). Letztere sind nicht an einer Reform der Institution interessiert, sondern darum bemüht, „ihre Spiritualität als Frauen authentisch“ auszudrücken (ebd.).

Besondere Impulse gingen in Nordamerika von Starhawk10 und Naomi Goldenberg11 aus, die Psychoanalyse und feministische Rituale zu verbinden suchen. Sie und andere haben den Grundstein für eine kritische rituell-feministische Bewegung gelegt (vgl. Goldenberg 1979; dies. 1988, 165–189; dies. 1986, 39–49; Hunter Roberts 1998, 33–49; Winter 1994; Cady/Ronan/Taussig 1986; Schulenburg 1993). In dieser Bewegung wurde auch die Bindung an eine Göttin stark und kontrovers diskutiert (vgl. Starhawk 1986; dies. 51991, Stone 1976; Adler 1979). Daneben wurden und werden Rituale im Jahreslauf oder entlang des weiblichen Lebenslaufes entwickelt. Darüber hinaus waren und sind die Frauen bestrebt, politisches Engagement und rituelle Praxis miteinander zu verbinden, was sich u. a. im Engagement gegen Atomkraft und Umweltzerstörung und der Friedensbewegung zeigte und zeigt (vgl. Starhawk 2003).

Andere Frauen hingegen suchten und suchen in der matriarchalen Kultur eine Möglichkeit der Verankerung. Aber es können auch spirituelle Formen und Traditionen, wie etwa aus der indianischen Kultur, aus anderen Religionen, wie dem Buddhismus, der neopaganen Szene, eine Rolle spielen. Mit einer großen Selbstverständlichkeit werden heute Elemente aus ganz unterschiedlichen historischen und geografischen Bereichen verbunden, wobei für die Auswahl die eigene Neigung und die persönlichen Bedürfnisse eine große Rolle spielen (vgl. Pahnke 2000, 225).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die aufgezeigten Gruppen sich im Grunde in zwei Strömungen formieren. „Auf der einen Seite gibt es spirituell und rituell arbeitende Frauengruppen, die trotz aller Defiziterfahrungen an christlich-kirchlicher Tradition festhalten wollen. Sie definieren sich über ein alternatives ekklesiologisches Konzept, sind in der Anfangsphase stark von kirchenreformerischen und befreiungstheologischen Impulsen geprägt und verstehen sich als Women-Church, als Erneuerungsbewegung in der Kirche. Hier liegt die Wurzel der Frauen-Liturgie-Bewegung im engeren Sinn. Frauen, die sich Women-Spirit anschließen, haben dagegen Kirche als einer unreformierbar androzentrischen Institution den Rücken zugekehrt. […] Die Beziehung zur Natur, zum eigenen Körper, zum Symbol ‚Göttin‘ als Ausdruck selbstbestimmter Spiritualität treten an die Stelle ekklesiologischer Verortung. Diese Gruppen können als Teil einer postchristlichen Frauen-Ritual-Bewegung bezeichnet werden. Allerdings sind die Berührungspunkte zwischen beiden vielfältig, die Grenzen fließend. So spielt etwa der Körper in beiden Ausrichtungen von Spiritualität eine zentrale Rolle“ (Enzner-Probst 2008, 87 f.).

Für die Frauenliturgiebewegung in Deutschland ist zu sagen, dass wichtige Impulse vom bereits erwähnten Weltgebetstag ausgingen. Ein weiterer Impuls war sicherlich auch das II. Vatikanum. Auf einmal war auch die aktive Beteiligung von Frauen in der Liturgie möglich. Jedoch zeigte sich schon bald, dass die in das Konzil gesetzten Hoffnungen sich nicht erfüllten. „Die Frauenliturgiebewegung speist sich deshalb zu einem großen Teil aus der Enttäuschung über nicht realisierte Versprechen, Visionen und Hoffnungen. Im Bewusstsein, selbst Kirche zu sein, begannen Frauen mit eigener liturgischer Praxis, ohne um die kirchliche Erlaubnis zu fragen“ (Enzner-Probst 2008, 113).

In Bezug auf die Frauenliturgiebewegung in Deutschland ist, im Unterschied zu der in den USA oder den Niederlanden, zu sagen, dass diese von Beginn an und nach wie vor eine basisnahe Bewegung ist. „Frauen, die in der Kirchlichen Frauenbewegung engagiert waren, begannen vielmehr, auf unterschiedliche Weise und an verschiedenen Orten diese neuen Ansätze in die liturgische Gestaltung einzubringen. […] Die lose Vernetzung über jährliche Tagungen (Bad Boll), persönliches Kennenlernen, der Austausch von liturgischen Büchern, Dokumentationen auf Frauenbörsen, der informelle Charakter also einer Bewegung, hat sich bis heute erhalten“ (Enzner-Probst 2008, 116).

Neben den Frauenverbänden und den Frauenreferaten in den Diözesen sind nicht zuletzt die Zusammenschlüsse von Studentinnen an Hochschulgemeinden ein Ort der liturgischen Praxis von Frauen (vgl. Hojenski/Hübner u. a. 1990; Baumann u. a. 1998). Eine wesentliche Motivation für den Zusammenschluss waren auch hier die Entfremdungserfahrungen der Frauen und so verwundert es nicht, dass nicht zuletzt die Befreiungstheologie wesentliche Impulse beisteuerte (vgl. Enzner-Probst 2008, 118). Daneben gibt es natürlich auch jene Zusammenschlüsse von Frauen, die sich in Liturgiegruppen vor Ort, in der Pfarrgemeinde oder auf regionaler Ebene treffen (vgl. ebd., 123).

Frauen, die sich für Frauenliturgien interessieren und in das Leben von Gemeinden integriert sind, ringen in ihren Feiern jeweils neu mit der Tradition. Sie sind bestrebt, deutlich zu machen, dass die jüdisch-christliche Tradition nicht auf ihre patriarchalen Aspekte zu verkürzen ist. Sie wollen jene Gesichtspunkte stark machen, die zeigen, dass die jüdischchristliche Tradition gerade auch aus der Verheißung eines Lebens in Fülle (Joh 10,10), in Gerechtigkeit und Erlösung besteht. „Diese Suche ist kein rein kognitives Geschehen, im Gegenteil, feministische Liturgien zeichnen sich durch Kreativität und Sinnenhaftigkeit aus“ (Rieger 1999, 103). Die Kreativität und der Prozesscharakter sind bei den Ritualen und Liturgien der Frauen zentral. „Wenn Frauen sich in der Absicht, Rituale zu feiern, zusammenschließen, geschieht dies aktiv und kreativ. Es ist ein aktives Prozessgeschehen. Rituale feiern bedeutet mehr, als einfach [zu] beobachten oder an einem festgeschriebenen überlieferten Ritual teilzunehmen“ (Northup 1998, 394). Rituale gestalten und feiern unterscheidet sich von dem „zur Messe gehen“, „das Wort hören“, es ist ein erfinderischer Prozess (vgl. Northup 1998, 395). Jedoch ist es schwierig, bisweilen problematisch, Frauenrituale zu definieren, „weil Frauen Rituale in vielen unterschiedlichen Kontexten und nach diversen Mustern durchführen. Frauen feiern Rituale innerhalb institutionalisierter Religionen oder ganz bewusst außerhalb dieser; allein oder in Gemeinschaft; zu Hause oder öffentlich; nach alten Formen oder innovativ. Dennoch, wo immer Frauen sich versammeln, um Rituale zu feiern, benutzen sie gemeinsame Quellen, Bilder und Praktiken, die charakteristisch sind“ (ebd., 391).

Das Erarbeiten eines Rituals ist ein Akt ritueller Konstruktion, der selbstbewusst beschritten wird“ (vgl. Grimes 1993, 5). In den Gruppen von Frauen, die Rituale und Liturgien gestalten, gibt es eben auch jene, die bewusst und sehr entschieden neue und eigene Wege gehen wollen. Diese feministischen Liturgiegruppen finden sich in christlichen und postchristlichen Zusammenhängen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr vitales Interesse darin besteht, neue Rituale hervorzubringen. Sie suchen nicht (mehr) nach Möglichkeiten und Formen, in den „alten“ Ritualen ihren Platz zu finden.

Die Frauenliturgie- und ritualgruppen bewegen sich oftmals am Rand und an den Schwellen der Kirche. So verwundert es nicht, dass z. B. in Deutschland die ersten Frauenliturgiegruppen an Hochschulgemeinden einen Ort gefunden haben. Dieser Ort befindet sich jenseits der „normalen“ Pfarreistruktur und garantiert eine prinzipielle Offenheit für neue Formen und Themen. Andere Gruppen treffen sich in Frauenbildungshäusern und damit ebenfalls an Orten, die einen Schwellencharakter haben. Es handelt sich jeweils um Orte mit Freiraum und eigenen Mustern kirchlicher Repräsentanz (vgl. Grimes 1990, 10).

Die Erfahrung der Marginalisierung in Kirche und Gesellschaft kann für spirituell interessierte Frauen zum Ausgangspunkt werden, sich einer Frauenliturgie- oder ritualgruppe anzuschließen. Folgende Aspekte sind dabei für Frauenliturgiegruppen kennzeichnend:

• Es handelt sich um liturgische Feiern von Frauen für Frauen (vgl. Feldmann 1998, 27).

• Persönliches Angesprochensein ist den teilnehmenden Frauen wichtig und die Feier findet meist in einem kleinen und vertrauten Kreis statt (vgl. ebd., 23).

• Die Lebensgeschichten und Erfahrungen der Frauen sind zentral und werden zum Ausgangspunkt für die Liturgien (vgl. ebd., 23–25).

• Das eigene Leben wird in Beziehung zu den anderen Teilnehmerinnen und zu Gott gebracht. Entfremdungserfahrungen werden benannt (z. B. die Bedeutung und Wirkung männlicher Gottesanreden) und überwunden. Das Glaubenszeugnis von Frauen rückt in den Mittelpunkt (vgl. Baumann 1998, 58–66).

An diesen Punkten wird sichtbar, dass diese Orte in besonderer Weise von Intimität, Vertrautheit und dem direkten Bezug zur eigenen Erfahrungswirklichkeit der Frauen gekennzeichnet sind. Im meist kleinen und bekannten Kreis erfolgen die Begegnung und Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz und die Bezugnahme zum Glauben. „Frauenliturgien zu feiern bedeutet:

• aufbrechen,

• das (spirituelle) Leben selber in die Hand nehmen,

• auf eigenen Füßen stehen, tanzen und auf den Boden zu stampfen,

• neue Wege zu entdecken,

• kritisch sein,

• nicht nur mitspielen,

• mündig sein,

• etwas verändern,

• unsere Schätze ausgraben,

• auf mich selber achten,

• Alternativen schaffen,

• ehrlich sein zu mir selber,

• viel möglich machen,

• Angst verlieren und Mut gewinnen“ (Dommers 1998, 16).

In dieser Auflistung von Punkten, die die Beutung von Frauenliturgien für Teilnehmende herausstellt, wird gerade auch der persönliche Aspekt betont. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass die Frauenliturgien als ein Ort in den Blick kommen, an dem die einzelne Frau ihre Spiritualität entwickeln kann. Es handelt sich bei den Frauenliturgiegruppen um Orte, die eine Alternative zu dem darstellen, was viele Frauen in der Kirche kennen und erleben. Die Differenz zur gottesdienstlichen Praxis wird durch die folgenden Merkmale weiter unterstrichen, wie sie von Angelika Botz definiert werden:

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