Kitabı oku: «Das Holly Summer Lesebuch», sayfa 12
»Am Wochenende«, sage ich emotionslos.
»Warum noch herauszögern, Joyce?«
Weil sich am Samstag mein Leben ändern wird.
Jonathan hat vor drei Stunden die Wohnung verlassen und sich mit einem flüchtigen Kuss von mir verabschiedet, wie er es in letzter Zeit häufig tut. Er war aufgeregt, so habe ich ihn lange nicht mehr erlebt, als würde er sich auf ein großes Ereignis freuen. Ich soll mir zwei schöne Tage machen, hat er gesagt, da er erst Sonntag am späten Nachmittag wieder hier sei. Dass ich unsere Beziehung beenden werde, weiß er noch nicht.
Zuerst war ich enttäuscht von der Aussicht, den Großteil des Wochenendes allein in Boston zu verbringen. James ist voll und ganz damit beschäftigt, seine Wohnung zu renovieren, und Victoria jettet durch die Welt; sie ist Stewardess. Mit ihr habe ich mich daher direkt vor dem Club verabredet.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich mich langsam fertig machen sollte. Ich bin aufgeregt, was für mich völlig untypisch ist. Victoria hat mich gestern am Telefon sogar überredet, mir neue Dessous zu kaufen, als ob sie jemand sehen würde. Ich habe ganz bestimmt nicht vor, mich im Club auszuziehen, und doch war es aufregend, mir vorzustellen, wie ein Mann mir die zarte Wäsche vom Körper streift. Hin- und hergerissen zwischen schlechtem Gewissen und einer erwartungsvollen Neugier schaue ich auf die neuen Sachen, die ich mir bei Agent Provocateur auf der Newbury Street gekauft habe. Sie liegen ausgebreitet auf dem Bett, als würden sie nur darauf warten, vorgeführt zu werden.
Meine Freundin Susan war mit mir zusammen shoppen. Wir hatten einen riesigen Spaß, als ich die verführerischen Dessous anprobierte und sie ihr dann im Umkleidebereich des edlen Geschäfts vorführte. Die Verkäuferin hat uns zwar mit einem strafenden Blick bedacht, aber das war uns egal. Als ich später zwei Stringtangas, einen BH und die passenden Strumpfbänder auf die Theke gelegt und ihr meine Kreditkarte zugeschoben habe, hat sie mich freundlich angelächelt und die Sachen in dünnes rosa Seidenpapier eingewickelt. So viel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht für Unterwäsche ausgegeben. Susan meinte, Jonathan wird es mir verzeihen, wenn er die verführerischen Teile von meinem Körper reißt.
Von meinem Körper reißen, was für ein Hohn.
Jonathan ist nicht nur sparsam, er ist der geizigste Mensch, den ich kenne.
Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich beim Kauf der unanständigen Wäsche auch nicht an Jonathan gedacht, sondern an meinen imaginären dunklen Alphawolf. Jonathan hat sich nie viel aus Dessous gemacht, geschweige denn, dass ihm jemals der Gedanke gekommen wäre, sie mir vom Körper zu reißen. Für ihn ist das reinste Geldverschwendung. Er ist und bleibt eben ein nüchterner Marketingmanager. Was würde ich dafür geben, wenn es einmal ein Mann tun würde. Ein Bad Boy, einer von der Sorte, der einen nur ansehen muss, und man verliert den Boden unter den Füßen. Himmel, wenn Susan nur ahnen könnte, für welchen Anlass ich mir diese verflucht sexy Teile gekauft habe, sie würde mich in eine Zwangsjacke stecken lassen.
Aber im Grunde weiß ich doch, dass mein Wunsch, von einem Mann beherrscht zu werden, nur in meiner Fantasie besteht.
Vor mich hinschmunzelnd steige ich unter die Dusche und seife meinen Körper mit meinem Lieblingsduschgel ein, das himmlisch nach Kokosnuss und Vanille duftet. Dabei lasse ich meine Hand verheißungsvoll zwischen meine Beine gleiten und streichle leicht über meine Schamlippen, die sofort mit dem verräterischen Pochen darauf reagieren. Meine Atmung wird schneller, ich schließe die Augen, lasse meinen Kopf nach hinten sinken und spüre das warme Wasser, das wie ein weicher Regenschauer aus der Brause auf mein Gesicht prasselt. Ich weiß genau, wohin das führen wird. Und warum auch nicht, ich bin in der Stimmung, mein Kopfkino übernimmt die Regie.
Jetzt kann ich nicht mehr aufhören und streichle mich immer intensiver, lasse meine Finger zwischen meine Schamlippen gleiten und massiere meine Klit. In meinen Gedanken erscheint die imaginäre Person, die ich nicht greifen kann und die doch da ist. Der Mann, der mich zum Schreien bringt, dem ich mich voller Sehnsucht hingeben kann. Es sind nicht meine Hände, die immer wieder über meine Klit streifen, es sind die Hände dieses Mannes, der mich besitzergreifend in seinen Bann zieht.
Ich stehe unendlich lange unter der heißen Dusche, bis das Badezimmer in einem Nebel von Wasserdampf versinkt, aber ich liebe es, das Gefühl des Wassers auf meiner Haut und das Wissen, dass ich gleich den Gipfel der Lust erklimmen werde, wenn ich es zulasse. Aber ich will den Höhepunkt hinauszögern, das Gefühl der Lust so lange wie möglich genießen, darum lasse ich immer wieder von mir ab. Streichle stattdessen über meine Brüste und kneife mir ganz sanft in die Nippel, bis diese steil emporragen.
Meine Hand gleitet wieder über meinen Venushügel zu meinen Schamlippen. Dieses Mal werde ich es zu Ende bringen. Das Klingeln des Telefons beendet allerdings meine Wunschvorstellungen und reißt mich aus meinem Kokon. Ach verdammt, ich war so kurz davor. Doch dem Anrufer scheint das egal zu sein und plötzlich überkommt mich die Furcht, mit meinem Vater könnte etwas nicht stimmen. Ich stelle schnell die Brause ab, schnappe mir ein großes Badehandtuch und laufe eilig ins Wohnzimmer. Eine Spur von Wassertropfen verfolgt mich. Aber das ist mir egal. Jonathan hasst es, wenn auf dem Parkettboden Wassertropfen verteilt sind, aber er ist nicht da. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass das hier meine Wohnung ist und ich machen kann, was ich will.
»Hallo«, melde ich mich atemlos.
»Joyce, ich bin es, Jonathan. Was ist denn los? Du hörst dich so abgehetzt an.«
»Du hast mich gerade aus der Dusche geholt«, antworte ich ihm jetzt wieder relaxed.
»Ach so. Ich wollte dir nur sagen, dass ich gut angekommen bin, und dass es morgen doch etwas später werden kann. Das Meeting wurde verschoben, und wir werden danach noch mit einigen Geschäftspartnern essen gehen. Also warte nicht auf mich, es wird sicher spät.«
»Okay. Ach, Jonathan?«, sage ich stockend. Ich fühle mich irgendwie schlecht, als hätte ich ihn betrogen. Jetzt, wo ich seine Stimme höre, fällt es mir gar nicht mehr so leicht, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich hätte doch schon heute mit ihm reden und das unangenehme Gespräch nicht bis Sonntag hinausschieben sollen.
Die Hintergrundgeräusche lassen darauf schließen, dass er nicht allein ist.
»Bist du in deinem Hotelzimmer?«, frage ich misstrauisch.
Das Gelächter einer Frau vermischt sich mit dem tiefen Timbre einiger Männerstimmen, dazu gedämpfte Musik, die an mein Ohr dringt.
»Ähm, ich bin in der Bar des Hotels und warte auf die Geschäftspartner. Was ist denn? Du Joyce, ich muss gleich los … Ah, da sehe ich Mr. Jensen, also, mach dir ein schönes Wochenende, bis Sonntagabend«, versucht er, die Geräusche zu übertönen. Dann legt er auf. Ich flüstere noch in den Hörer: »Ach, nichts«, und lege auf.
Pünktlich um einundzwanzig Uhr hält das Taxi am Straßenrand. Ich wollte nicht mit meinem eigenen Wagen fahren. Die alte Kiste hat mich allein im letzten Monat dreimal im Regen stehen lassen, aber dennoch liebe ich meinen in die Jahre gekommenen Mustang. Ich schlüpfe schnell aus dem Haus und springe förmlich in den Fond des Taxis, sodass ich fast mit meinen High Heels am Türrahmen hängen geblieben wäre. Der Fahrer wirft mir einen missbilligenden Blick im Rückspiegel zu. Aber ich ignoriere ihn selbstbewusst.
Das figurbetonte Kleid liegt sexy auf meiner Haut und ich fühle mich heute einfach nur begehrenswert. Nachdem Jonathan das Haus verlassen hat, habe ich mir unendlich viel Zeit genommen, mir meine Beine und Achseln zu enthaaren. Als ich vor dem Spiegel stand und mich das dunkelblonde Dreieck zwischen meinen Beinen wieder an mein Vorhaben erinnerte, habe ich in einer Anwandlung von Trotz kurzerhand zum Rasierer gegriffen und auch hier alle Haare entfernt. Die Haut meines Venushügels fühlte sich danach zart, empfindlich aber auch hochsensibel an. Allein schon bei dem Gedanken daran, auf der nackten Haut meiner Intimzone von einem Mann berührt zu werden, hat sich dieses elektrisierende Gefühl von Lust in meiner Scham ausgebreitet.
Jonathan würde ausflippen, wenn er wüsste, dass ich seinen Rasierer dafür missbraucht habe. Absichtlich habe ich einige lange Schamhaare darin zurückgelassen, bevor ich ihn wieder an seinen Platz gestellt habe. Seitdem Jonathan einen Bart trägt, benutzt er ihn nicht mehr täglich. Warum ich dieses kindische Verhalten an den Tag gelegt habe, kann ich mir selbst nicht erklären. Was ich mir damit beweisen wollte, weiß ich im Grunde auch nicht. Seit seinem Anruf vor einigen Stunden beschleicht mich wieder das Gefühl, dass Jonathan mich betrügt. Mindestens fünf Mal habe ich seine Telefonnummer gewählt, um mich davon zu überzeugen, dass ich mir das alles nur einrede, aber vor dem ersten Klingeln habe ich immer wieder aufgelegt. Ich möchte nicht, dass er den Eindruck gewinnt, ich würde ihm nachspionieren.
Ich teile dem Fahrer mein Ziel mit und lehne mich zurück. Sein Blick trifft mich im Rückspiegel.
»Sie wollen zu dem alten Herrenhaus?«, fragt er mich unsicher, dabei fixiert er mich misstrauisch. Er sieht nett und vertrauensselig aus. Wie ein freundlicher Onkel, der es gut mit einem meint. Erwecke ich den Eindruck, als hätte ich Hilfe nötig? Ich bin eine erwachsene Frau und weiß ganz genau, was ich tue. Ich nicke und trotzdem oder vielleicht genau aus diesem Grund fühle ich, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Verdammt, wieso muss er das so betonen? Natürlich weiß er, was für ein Haus das ist. Ich rutsche etwas tiefer in den Sitz und schaue nach draußen, ganz in meine Welt versunken.
Auf dem Weg zu meinem Ziel werde ich nicht zum ersten Mal von Zweifeln befallen. Der Gedanke, Jonathan zu betrügen, schleicht sich einmal mehr aus der hintersten Ecke meines Gehirns in mein Bewusstsein. Auch, wenn ich ihn Sonntag verlassen werde, noch sind wir ein Paar, und ich werde meine Sehnsüchte im Zaum halten. Nein, verdammt, ich will und werde Jonathan nicht betrügen. Ich gehe lediglich mit einer Freundin in eine Bar und mehr nicht. Endlich kommt die lange Auffahrt zu einem Privatgrundstück in Sicht und wieder streift mich der Blick des Taxifahrers im Rückspiegel.
»Das ist die Adresse, die Sie mir genannt haben«, weist er mich erneut auf mein Vorhaben hin. Ich lächle ihn gekünstelt an und nicke. Das große schmiedeeiserne Tor ist weit geöffnet und kleine Lampen säumen den Weg bis zum Herrenhaus, das auf einer Anhöhe sichtbar wird. Rund herum ist ein großer Park angelegt. Das Haus steht gut versteckt, um die Blicke ungebetener Gäste abzuhalten. Draußen ist es ruhig, nur das leise Schnurren des Motors und das Knirschen des Kieses unter den Reifen ist zu hören. Einige teure Autos stehen bereits auf dem Parkplatz.
Der Taxifahrer hält vor der steinernen Treppe, die zu einer großen doppelten Eichentür führt. Links und rechts sind zwei Löwen aus Stein postiert, die erhaben am Eingang lauern und mich auszulachen scheinen, oder mir vielleicht zeigen wollen, wie unerfahren ich in diesen Dingen doch bin. Das ist der Eingang in eine andere Welt. Eine Welt der Lust und Ekstase, der Schmerzen und der Begierde, der ich mich heute entgegenstellen werde. Ich muss über meine lebhafte Fantasie schmunzeln.
Der Taxifahrer wendet seinen Kopf und wirft mir noch einen fragenden Blick zu. »Sind Sie sicher, dass Sie hierher wollten?«
Ich krame in meiner Tasche, ziehe einen Zwanzigdollarschein heraus und reiche ihm das Geld nach vorne. »Der Rest ist für Sie«, murmele ich schnell. Dann springe ich aus dem Wagen. Ich schaue mich suchend auf dem Parkplatz um, kann Victorias kleinen roten Flitzer aber nirgends entdecken. Scheinbar ist sie noch nicht da. Mist, jetzt muss ich hier auf sie warten.
An der Auffahrt neben mir parkt ein schwarzer Aston Martin. Ein wunderschöner Wagen. Ich streiche vorsichtig mit den Fingerspitzen über den teuren Lack und überlege noch, wer wohl der Besitzer dieses traumhaften Schlittens sein mag. Dabei schleicht sich das Gesicht eines dunklen, großen, dominanten Mannes in meine Gedanken, der genauso dynamisch ist wie sein Fahrzeug. Schnell schüttle ich diese idiotischen Überlegungen ab, ziehe mein iPhone aus der Tasche, lasse dabei meinen Blick über die parkenden Autos gleiten, und dann sehe ich ihn.
Ich kneife die Augen zusammen, und gehe einige Schritte näher zu dem Wagen, der mir bestens bekannt ist. Es ist Jonathans kanariengelbes Cabrio mit dem schwarzen Verdeck, das unter einem Baum geparkt steht. Ich brauche gar nicht auf das Nummernschild zu schauen, da ich bis jetzt noch keinen Wagen hier in der Gegend gesehen habe, der diese auffälligen Farben miteinander kombiniert. Der Anruf bei Victoria ist vergessen und wie in Zeitlupe läuft ein Film in meinem Kopf ab. Ich blicke mich gehetzt um, aber von Jonathan ist weit und breit nichts zu sehen. Ich muss mich kurz an einer der teuren Karossen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mein Atem kommt stoßweise. Ich habe das Gefühl, als würde mir jemand die Hand um die Kehle legen und mir die Luft abdrücken. Gleichzeitig spüre ich förmlich, wie mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Kälte kriecht in mir hoch und mein Herzschlag beschleunigt sich.
Wie kommt sein Wagen hierher? Doch im Grunde sollte ich mich fragen: Was macht Jonathan hier? Und plötzlich fügt sich das Puzzle Stück für Stück zusammen. Kein Wunder, dass er es am Telefon so eilig hatte. Wie oft hat er diesen Club bereits besucht? Und vor allen Dingen mit wem? Verdammter Mistkerl!
Ich schlucke, drehe mich um und gehe wie in Trance auf das Gebäude zu, das hell erleuchtet daliegt, aber die undurchsichtigen weißen Vorhänge halten geheim, was hinter diesen Mauern geschieht. Der Eingang sowie der Parkplatz vor dem Haus sind mit großen Fackeln geschmückt. An der Tür, die sich hinter der großen Treppe öffnet, steht ein Diener in Livree, der die Gäste herzlich begrüßt. Seine Aufmachung kann nicht darüber hinwegtäuschen, um welche Art von Etablissement es sich hier handelt. Auch wenn der Eindruck entstehen soll, ich würde die Stufen zu einem Opernhaus emporsteigen. Es wirkt geradezu kitschig und aufgesetzt, wenn ich daran denke, um was es in diesem Club eigentlich geht. Sex!
Der Kies knirscht unter meinen hohen Schuhen und ein Gefühl von Enttäuschung und Verrat legt sich über meine Seele. Jonathan betrügt mich. Diese drei Worte bohren sich wie eine spitze Klinge in mein Inneres und reißen eine klaffende Wunde auf. Wo bleibt Victoria nur? Ich ziehe mein iPhone wieder aus der Tasche und versuche sie zu erreichen. Nach einigen Sekunden meldet sie sich.
»Joyce?«
»Ja, ich bin’s. Wo bleibst du denn? Ich stehe schon hier vor dem Club.«
»Tut mir so leid, Süße. Unsere Maschine hatte Verspätung, und jetzt stehe ich im Stau. Vor mir hat es einen Unfall gegeben. Aber geh nur schon rein und setz dich einfach an die Bar. Ich bin in spätestens zwanzig Minuten da«, verspricht sie mir.
»Spinnst du? Ich kann doch da nicht alleine reingehen. Außerdem hatten wir klar ausgemacht, dass ich nur auf einen Drink mit dir dahin gehe und mehr nicht«, betone ich noch einmal.
Ich höre sie fluchen, da die Straße vor ihr verstopft ist, und sie lässt die Hand auf das Lenkrad klatschen. »Bist du mit deinem Wagen da? Dann warte dort auf mich«, schlägt sie mir vor. »Vollidiot, du bist nicht der Einzige, der es eilig hat«, höre ich sie fluchen.
»Nein, ich bin mit einem Taxi gekommen. Stell dir vor, Jonathans Wagen steht hier auf dem Parkplatz.«
Ich höre sie scharf die Luft einziehen, bevor sie antwortet. »Dann stimmt es also doch, was ich gehört habe.«
Ich bin im ersten Moment sprachlos, eine lähmende Kälte macht sich in mir breit. Ich fühle eine negative Energie in mir aufsteigen. »Was hast du gehört, Victoria?«
»Nichts Konkretes. Lass uns gleich darüber reden, okay?«, versucht sie, mich zu beruhigen. Ein schrecklicher Verdacht nimmt in mir Gestalt an.
»Victoria, wenn du etwas weißt, das ich wissen sollte, dann sag es jetzt.« Meine Stimme wird immer lauter. Dabei lächle ich einem Herrn in einem teuren Smoking gekünstelt zu, der gerade an mir vorbeigeht und die Treppe betritt. Sein Blick gleitet über meinen Körper und ich fühle mich nackt.
»Ich habe es aufgeschnappt, als ein Bekannter Andeutungen gemacht hat, dass Jonathan ein Verhältnis mit der Tochter seines Chefs haben soll. Aber es war nur ein Gerücht, Joyce. Zieh keine falschen Schlüsse. Rede erst mal mit ihm, okay?« Ihre Stimme wirkt gehetzt.
Ich kann es nicht glauben, meine beste Freundin weiß, dass Jonathan mich betrügt, und hält es nicht für nötig, es mir mitzuteilen. Was ist denn verdammt nochmal hier los? Ich beiße mir auf die Lippen und versuche die Tränen, die mir vor Zorn und Enttäuschung in die Augen schießen, zu unterdrücken. Meine Finger halten verkrampft das Smartphone in der Hand, das ich am liebsten im hohen Bogen gegen Jonathans Wagen geschleudert hätte.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, Victoria«, flüstere ich mit zitternder Stimme.
»Joyce, es tut mir leid. Aber ich …«
»Weißt du was, Victoria, ich scheiß auf eine Freundin wie dich. Du hättest es mir sagen müssen«, meine Stimme wird immer brüchiger. Verzweiflung macht sich in mir breit. Ich nehme die Worte, die sie stammelt, gar nicht mehr wahr. Ich will nichts mehr hören, ich will nur noch den Schmerz, der mich zu zerreißen droht, im Alkohol ertränken.
Abrupt beende ich das Gespräch, werfe voller Wut das Handy in meine Handtasche und blinzle die Tränen weg. Was für eine Ironie. Ich habe Gewissensbisse, weil ich mit meiner Freundin in eine Bar gehe und mein Freund vergnügt sich ganz freizügig genau dort mit seiner Geliebten. Aber jetzt ist Schluss damit.
»Bitte nach Ihnen«, dringt die markante Stimme eines Mannes an mein Ohr. Ich drehe mich erschrocken um und versuche, eine unverfängliche Miene aufzusetzen. Es ist der Mann, der mir vor einigen Minuten schon diese anzüglichen Blicke zugeworfen hat. Er lässt mir keine Wahl und schiebt mich praktisch Richtung Treppe zum Eingang. Jetzt steht mein Entschluss fest. Jetzt werde ich Jonathan betrügen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, denn er tut es bereits und das sicher nicht erst seit heute.
Vor mir betritt ein Pärchen das Haus. Der Mann in einem teuren Abendanzug, die Frau geht mit leicht gesenktem Kopf hinter ihm her. Ihr Kleid ist aus schwarzem Leder und sehr kurz, aber es wirkt auf seine Art edel. Es verdeckt praktisch nichts. Das Oberteil ist eine Art Korsage, die über dem Bauch und der Brust mit Schnüren zusammengehalten wird und den Ansatz von zwei perfekten Brüsten zum Vorschein kommen lässt. Der Rock schmiegt sich enganliegend und kurz um ihre Hüften. Und ich könnte schwören, dass sie kein Höschen darunter trägt. Ich höre das Lachen des Mannes, dessen Finger besitzergreifend auf dem Schulterblatt seiner Partnerin liegen, während seine Begleitung ihm einen liebevollen Blick zuwirft. Er nimmt daraufhin ihre Hand und verteilt kleine Küsse darauf, während seine Finger immer tiefer zu ihrem Po wandern. Er schiebt ihren Rock gerade so weit nach oben, dass der Ansatz ihrer Pobacken zu sehen ist.
Verdammt, ich hatte Recht. Sie ist darunter nackt. Aber das scheint den beiden überhaupt nichts auszumachen.
Irgendwie wünschte ich, ich wäre die Frau an seiner Seite. Dieser Mann würde seine Partnerin sicher nicht betrügen, er würde sie beschützen.
Als ich das Haus betrete, habe ich das Gefühl, in einer anderen Zeit gelandet zu sein. Der Boden ist mit weißem Marmor bedeckt, die Beleuchtung besteht aus einem überdimensionalen Kronleuchter, der mitten im Raum hängt und der Atmosphäre eine geheimnisvolle Note verleiht.
Eine einladende Treppe führt in den ersten Stock, sie ist mit einem dicken roten Teppich bedeckt und verschluckt sämtliche Geräusche von klackernden Schuhen. Vom Foyer zweigen jeweils rechts und links von mir große Flügeltüren in die angrenzenden Räume ab, in denen bequeme Clubsofas stehen. Der Club wirkt mondän und exklusiv. Selbst die Wände sind mit exquisiten Seidentapeten bezogen und überall stehen kleine Lampen verteilt, die dem Ambiente noch den letzten Touch geben. Aber all das interessiert mich nicht. Ich bin voller Erwartungen auf diesen Abend hierhergekommen, wollte ein wenig Spaß mit meiner Freundin haben und jetzt fühle ich nur noch Leere und Verrat. Ich will nur eins: mich sinnlos betrinken.
»Guten Abend«, werde ich von einem Angestellten begrüßt, der hinter einem antiken Schreibtisch sitzt. Er ist passend zu dem ganzen Ambiente hier mit einem Abendanzug bekleidet. Nichts lässt auf den ersten Blick darauf schließen, wo ich mich hier befinde.
Der Computer vor ihm steht im totalen Gegensatz zu der Einrichtung, die eher an das 18. Jahrhundert erinnert.
»Guten Abend, mein Name ist Joyce Hamilton.«
»Guten Abend und herzlich willkommen, ich bin Al. Ich habe Sie hier noch nie gesehen, sind Sie Mitglied?«, will er wissen.
»Nein, ich begleite eine Freundin. Sie ist allerdings noch nicht da. Ich habe mich telefonisch angemeldet.«
Er nickt, tippt meinen Namen ein und lächelt mich an.
»Ah, ja, Sie haben mit dem Chef persönlich gesprochen.« Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage. »Sie sind noch nicht mit unserer Hausordnung vertraut, nehme ich an?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich bin zum ersten Mal hier.« Aber vielleicht nicht zum letzten Mal.
Er nickt. »Wenn Sie eine Frage haben, können Sie mich jederzeit ansprechen.« Dann schiebt er mir ein Stück Papier über den Schreibtisch zu. Ich greife nach dem Stück Papier, falte es einmal zusammen und lasse es in meiner Tasche verschwinden. »Das sind die Regeln hier in unserem Haus. Wenn Sie etwas nicht möchten oder Ihnen etwas unangenehm ist, sagen Sie einfach nein. Dieses Wort hat hier jeder zu akzeptieren, alles klar?«, dabei zwinkert er mir freundschaftlich zu.
»Alles klar.«
»Dann wünsche ich viel Spaß. In diesem Raum rechts ist eine Bar, auf der anderen Seite wird heute Abend getanzt«, teilt er mir noch mit, während er mir meine Jacke abnimmt.
Leise, gedämpfte Musik dringt an mein Ohr.
»Wo sind die Toiletten?«
»Gleich hier vorne.« Er deutet auf zwei Türen in der Nähe des Eingangs. Ich drehe mich um und gehe auf den Raum zu. Als die Tür hinter mir zufällt, bin ich alleine. Ich schließe kurz die Augen und atme tief durch. Mein Leben liegt in einem Scherbenhaufen vor mir. Mein Freund betrügt mich, meine beste Freundin entpuppt sich als falsche Schlange, der ich nicht mehr vertrauen kann, und ich stehe hier im Waschraum eines exklusiven Nachtclubs. Die Situation wäre fast zum Lachen, wenn ich mich nicht so elend fühlen würde.
Verdammt, wie konnte mein Leben nur innerhalb von Minuten so aus den Fugen geraten? Oder tue ich Jonathan unrecht, interpretiere ich zu viel in irgendetwas hinein, das gar nicht so ist, wie es scheint? Ich sollte mir ein Taxi rufen, nach Hause fahren, Jonathan später anrufen und ihn zur Rede stellen. Am liebsten würde ich ihm direkt hier eine Szene machen, aber diese Blöße werde ich mir nicht geben.
Die Tür öffnet sich und zwei leichtbekleidete Frauen betreten den Raum. Beide tragen Lederkorsagen und kurze Hotpants, dazu kniehohe enge Lederstiefel. Sie lächeln mich freundlich an, sodass ich nicht anders kann als zurückzulächeln. Ihren Gesprächsfetzen kann ich entnehmen, dass sie sich über die »Herren«, wie sie ihre Partner nennen, austauschen, dabei wirken sie absolut glücklich und zufrieden.
»Schau dir den an«, dabei hält die dunkelhaarige Schönheit ihre Hand provozierend in die Höhe und wedelt mit einem fetten Diamantring am Finger vor dem Gesicht der anderen herum.
»Wow, ist der von John?«
»Hm, habe ich heute bekommen. Ist er nicht süß?« Dabei verzieht sie verträumt die Mundwinkel nach oben.
»Süß? Dafür wird er dich bezahlen lassen. Ich kenne doch John. Er wird sich sicher schon eine Möglichkeit ausgedacht haben, wie er dich später oben vor Lust erniedrigen kann.«
»Das will ich hoffen«, dabei dreht sie sich zu mir um und lächelt wieder, diesmal peinlich berührt, bevor die beiden den Waschraum verlassen. Ist es das, was ich will? Mich erniedrigen lassen und dafür teure Geschenke bekommen? Ganz sicher nicht.
Wieder etwas beherrschter öffne ich die Tür und höre das mir sehr bekannte Lachen von Jonathan, der gerade im Begriff ist, mit einer bildhübschen jungen Frau im Arm die Treppe nach oben zu erklimmen. Seine Hand liegt besitzergreifend auf ihrem Po und sein Mund flüstert ihr etwas ins Ohr, das ich nicht verstehen kann. Ihr Lachen versetzt mir einen Stich, sodass ich für einige Sekunden die Augen schließe. Verrat und ein beklemmendes Gefühl, nicht mehr zu ihm zu gehören, einfach vor der geschlossenen Tür zu stehen, während sie mit ihm dahinter ist, breitet sich in mir aus. War ich es nicht, die mit ihm Schluss machen wollte? Und trotzdem tut es verdammt weh, ihn hier mit einer Fremden im Arm zu sehen. Ich bleibe wie angewurzelt in der Tür stehen, sodass er mich nicht sehen kann, und blicke dem Mann hinterher, dem ich zwei Jahre meines Lebens geschenkt habe, dem ich vertraut habe, mit dem ich mein Leben verbringen wollte.
Jetzt ist es klar, Jonathan hat ein Verhältnis und das sicher schon eine ganze Weile. An was muss er gedacht haben, wenn er auf mir gelegen, seinen Schwanz in mich gebohrt hat? Kein Wunder, dass er keine Lust mehr auf Sex hatte. Für den Spaß hat eine Andere gesorgt. Die vielen späten Meetings nach Feierabend, seine Geschäftsreisen, die immer häufiger wurden. Ich hätte es merken müssen.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, dringt die Stimme von Al an mein Ohr. Er kommt auf mich zu. Wie aus einer Trance erwacht, wende ich den Kopf zu ihm.
»Nein, nein, alles in Ordnung«, winke ich ab. »Ich habe nur gerade erkannt, was ich im Leben wirklich will.«
Jonathan gehört der Vergangenheit an. Al unterbricht mein Schweigen. »Hier bleiben keine Wünsche offen. Ich würde Ihnen vorschlagen, erstmal einen Drink an der Bar zu nehmen. Sie sehen etwas blass aus«, dabei nickt er zu dem angrenzenden Raum, aus dem die samtige Stimme von Barry White dezent aus den Lautsprechern dringt.
Jetzt wieder gefasst, lächle ich ihn an, drehe mich um und betrete die Bar, mit dem einen Wunsch, mich meinen Bedürfnissen und Wünschen ohne schlechtes Gewissen hingeben zu können, und wenn es nur für diese eine Nacht ist.