Kitabı oku: «Das Holly Summer Lesebuch», sayfa 19

Es ist 08:00 Uhr, als mich das penetrante Klingeln meines Weckers aus dem Schlaf reißt. Aus meiner Lieblingsschlafstellung – mit dem Kissen in meinen Armen auf dem Bauch liegend – drehe ich mich langsam auf den Rücken und werde wach. Schlaftrunken öffne ich die Augen und blinzle in das helle Sonnenlicht, das in meine großen Fenster scheint. Verdammt, ich habe vergessen, die Jalousie zu schließen. Ich trete die Bettdecke von meinem Körper und schlagartig ist der gestrige Abend wieder präsent, als ich den leichten Schmerz in meinem Knöchel spüre.
Verfluchter Jayden Hunt! Aber im Grunde sollte ich froh sein, dass er in meinem Wagen saß. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass der Keilriemen gerissen ist. Und auch nicht, dass der Akku meines Handys leer war. Und doch habe ich ihm die Schuld an allem gegeben. Ich habe mich aufgeführt wie eine verwöhnte Zicke. Dabei bin ich doch jemand, der in jeder Situation ruhig und logisch vorgeht. Hysterisches Herumgezicke gehört nicht zu meinem Wesen.
Ich muss schmunzeln, als ich an die Nacht denke, die nie ein Ende nehmen wollte. Zuerst habe ich ihn gehasst, ihn verflucht und ans Ende der Welt gewünscht. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie fürsorglich er sich verhalten hat, sollte ich dankbar sein, dass er da war. Okay, er hat auch oft genug den Macho raushängen lassen, aber kann ich ihm das verübeln? Ich habe mich schließlich aufgeführt wie eine Furie. Als ich das letzte Stück der Strecke keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte, hat er mich kurzerhand doch auf seine Arme genommen und zu der Tankstelle getragen. Zuerst war es mir unangenehm, ihm so nah zu sein, aber irgendwie auch wieder nicht.
Ich fand es regelrecht albern, dass er das getan hat. Ich bin schließlich kein unerfahrener Teenager mehr und am Ende mussten wir beide einfach nur noch lachen. Ich spüre jetzt noch seine Arme unter meinen Beinen und erinnere mich an seinen Geruch, der mich schon auf der Ausstellung gefangen genommen hat. Sein Hemd klebte nass auf seiner Haut und doch war sein Körper angenehm warm, so angenehm, dass ich einen kurzen Moment meinen Kopf an seine Schulter gelehnt habe. Das hätte ich mal lieber nicht getan, natürlich ist mir sein Grinsen nicht entgangen.
Aber wenn er glaubte, ich wäre eins von den Girls, die ihm nachlaufen, dann hat er sich gründlich getäuscht. Ich war einfach nur erschöpft und schrecklich müde und mehr war da nicht. Nach einer halben Stunde Fußmarsch hatten wir endlich die Tankstelle erreicht, sodass wir einen Abschleppwagen anrufen konnten und für uns beide ein Taxi, das erst mich und dann ihn nach Hause brachte. Den Blick des Taxifahrers werde ich nie vergessen, als er auf meine nackten Füße geschaut hat, ganz zu schweigen von unseren nassen Klamotten, die ihm sicher die Rücksitze ruiniert haben. Doch Jayden hat ihm einen Schein in die Hand gedrückt, der ihn wieder zum Strahlen brachte.
Ich spüre noch die Wärme und seine Arme, als Jayden mich im Wagen an sich gezogen hat, um das Klappern meiner Zähne zu unterdrücken. Die Kälte und die nasse Kleidung haben einen regelrechten Kälteschock in mir verursacht. Liebevoll hat er mir praktisch befohlen, zu Hause eine heiße Dusche zu nehmen, bevor ich mich ins Bett lege. Da ich einfach nur müde und völlig ausgelaugt war, habe ich es zugelassen und meinen Kopf noch einmal an seine Schulter gelehnt. Heute Morgen könnte ich mich dafür ohrfeigen, diese Schwäche gezeigt zu haben.
Noch etwas müde rekle ich mich im Bett und zwinge mich dann, aufzustehen. Dabei fällt mein Blick auf die Kommode, auf der meine abgebrochenen Absätze liegen. Der Muskelkater in meinen Beinen und meine leicht lädierten Füße sind der Beweis für die Realität der letzten Nacht. Aber Jake erwartet mich in seinem Büro, wir haben heute ein Team-Meeting und später einen Außentermin bei einem Klienten. Ich schnappe mir die Fernbedienung, drücke auf Play und schon erklingt Avicii und drängt mich in den Tag. Auf dem Weg ins Badezimmer summe ich die Melodie des Songs mit und freue mich unglaublich auf eine warme Dusche.
Als ich in den Spiegel schaue, weiche ich erschrocken zurück. Da ich gestern Nacht darauf verzichtet habe, mein Make-up zu entfernen und einfach nur noch unter die warme Decke schlüpfen wollte, schauen mich jetzt zwei dunkle Augen, die von schwarzer Mascara umrandet sind, unter von grauen Lidschattenresten verschmierten Lidern an. Meine dunklen langen Haare sind zerzaust und benötigen dringend eine Wellnessbehandlung, ganz zu schweigen von dem Rest meines Körpers. Ich stelle die Dusche an und genieße den warmen Wasserstrahl, der wie eine Erlösung auf mich herabregnet. Nach fünf Minuten unter der Brause zwinge ich mich, das Wasser abzustellen, mich in meinen kuschligen Bademantel zu wickeln und erst mal zu frühstücken. Ich schlurfe Richtung Küche und nehme mein Handy von der Ladestation. Zum Glück habe ich gestern Nacht noch daran gedacht, es an den Strom zu hängen. Als ich die Küche betrete, zeigt es zwei neue Nachrichten. Die erste ist von Jake, der fragt, ob ich gut nach Hause gekommen bin, und sich noch einmal dafür entschuldigt, dass er mir unseren Auftraggeber auf den Hals gehetzt hat. Dabei muss ich grinsen. Wenn der wüsste, wie ich die gestrige Nacht verbracht habe!
Die zweite kommt von einem mir unbekannten Teilnehmer. Als ich sie allerdings öffne, weiß ich sofort, von wem sie stammt. Jayden! Woher hat er meine private Telefonnummer? Als ich die Uhrzeit sehe, ist mir klar, von wem. Jake muss sie ihm gegeben haben. Scheinbar hatte er heute bereits ein Gespräch mit ihm. Ich scrolle runter und lese den Text:
»Gut geschlafen? Und keine Angst, ich hätte dich auch noch bis nach Hause tragen können. Und nein, ich nehme Frauen in der Regel nicht auf den Arm. Ich hoffe, du hast meinen Ratschlag befolgt und eine heiße Dusche genommen.«
Typisch, dass er auf meine Bemerkung, ob er alle Frauen auf den Arm nimmt, noch einmal eingehen würde. Und was heißt Ratschlag, es war ein Befehl, den ich allerdings ignoriert habe. Nachdem ich ihm gestern Nacht näher gekommen bin, als mir guttut, haben wir uns auf das Du geeinigt.
Ich stelle eine Tasse unter den Kaffeeautomaten, gieße Milch in den dafür vorgesehenen Behälter und drücke die Taste für einen Latte Macchiato. Morgens einen Milchkaffee und eine Schüssel Müsli und der Tag ist gerettet. Während ich gerade ein Taxi für mich bestelle, höre ich Whitney aus ihrem Schlafzimmer schlurfen. Gähnend erscheint sie mit unserer Hauskatze, die eigentlich keinen Namen hat und von uns nur »Katze« gerufen wird, in der Küchentür.
»Guten Morgen«, begrüßt sie mich verschlafen, lässt die Katze von ihrem Arm herunter und nimmt sich ebenfalls einen Kaffee, bevor sie sich auf die Arbeitsplatte setzt und die Füße baumeln lässt. Whitney ist meine Cousine und außerdem meine Mitbewohnerin, die hier in Boston studiert. Da meine Wohnung viel zu groß für mich alleine ist, habe ich ihr kurzerhand angeboten, während des Studiums hier einzuziehen. Außerdem kümmert sie sich um die Katze, wenn ich beruflich unterwegs bin.
»Guten Morgen, Schlafmütze. Ist es gestern wieder spät geworden?«
»Nicht so spät wie bei dir«, hält sie mir grinsend vor.
»Was meinst du?«, frage ich irritiert.
»Als ich nach Hause kam, warst du noch nicht da.«
»Ich hatte einen Termin mit Jake zu einer Vernissage. Sie fand in dem Penthaus statt, das ich gerade eingerichtet habe. Später hatte ich noch einen Motorschaden. Ich musste die halbe Strecke zu Fuß nach Boston laufen.«
»Warum hast du nicht angerufen?«
»Weil mein Handy ... ach, ist auch egal. Ich muss mich fertigmachen. Sehen wir uns heute Abend?«
»Kommt darauf an, um acht muss ich weg.«
»Bis dahin bin ich wieder zu Hause«, verspreche ich ihr und verschwinde in mein Schlafzimmer.
Unschlüssig stehe ich vor meinem großen Kleiderschrank und kann mich nicht entscheiden, wie so oft. Das ist nun mal das Schicksal, wenn man in einem Elternhaus aufgewachsen ist, in dem einem jeder Wunsch erfüllt wurde. Geld spielte bei uns nie eine Rolle. Trotzdem bin ich nicht abgehoben und bestreite meinen Lebensunterhalt ausnahmslos selbst. Heute steht noch ein Termin mit Mrs. Garden an und ein Meeting, zu dem allerdings nur die Mitarbeiter gebeten werden, also entscheide ich mich für ein eher legeres Outfit bestehend aus einer engen, hellen Jeans, einer Seidenbluse und meinem Lieblingsblazer. Auf High Heels verzichte ich ganz bewusst und krame meine weißen Lackschnürer hervor.
Die Katze schmiegt sich um meine Beine, als ich wieder die Küche betrete, meine Schlüssel von der Konsole nehme und mir noch einen Smoothie in die Tasche packe.
»Whitney, kannst du meinen Wagen abholen? Die Telefonnummer von der Werkstatt liegt auf der Theke«, dabei deute ich auf den Stapel Zeitschriften, die noch ungelesen darauf liegen.
»Ja klar, mache ich gerne. Wann ist er denn fertig?«
»Ruf einfach am Nachmittag an, und bitte füttere die Katze«, rufe ich meiner Cousine noch zu, bevor ich das Haus verlasse und zu dem wartenden Taxi laufe. Ich nenne dem Fahrer mein Ziel, steige in den Fond des Wagens und wieder erscheint das Gesicht von Jayden in meinen Gedanken, als ich den Geruch des Wagens einatme.
Mein Gott, es ist doch überhaupt nichts passiert und trotzdem drängt sich Jayden immer wieder in mein Bewusstsein. Fast erschrecke ich. Wieso ist nichts weiter passiert? Bin ich so uninteressant für ihn? Mein Ego fühlt sich angekratzt bei dem Gedanken. Ich bin es gewohnt, dass die Typen mir hinterherlaufen, wenn ich es zulasse, nicht umgekehrt. Aber bei Jayden scheine ich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Hoffentlich denkt er nicht, ich wäre eine eingebildete Zicke. Den ganzen Abend über hatte ich das Gefühl, dass er mehr von mir will, als nur Smalltalk führen und mich in peinliche Situationen bringen. Aber scheinbar hat er schnell das Interesse an mir verloren. Ich bin keins von den verwöhnten Partygirls, die ihm hinterherlaufen, wenn er nur mit dem Finger schnippt. Das Taxi schiebt sich durch den Vormittagsverkehr und hält an der Kreuzung, an der ich vor zwei Wochen den Fastzusammenstoß mit Jayden hatte. Nachdenklich lasse ich meinen Blick in die Straße schweifen, aber dort nimmt einfach nur das Leben seinen Lauf. Eine Frau mit einem Kinderwagen überquert gerade die leere Straße und kommt sicher auf der anderen Seite an.
»Wir sind da, Miss«, wendet sich der Taxifahrer kurze Zeit später an mich. Ich erwache aus meinen Gedanken und merke erst jetzt, dass wir bereits vor dem Bürokomplex stehen, in dem sich Jakes Geschäftsräume befinden. Ich schiebe ihm einen Zehn-Dollar-Schein nach vorne und winke ab, als er mir das Wechselgeld zurückgeben will.
»Der Rest ist für Sie, danke.«
Pünktlich um 10:00 Uhr betrete ich Jake’s Creative Interiors. Jenny, unsere Praktikantin, steht am Drucker, während Dorothee und Andy sich über den Zeichentisch beugen und wieder mal in eine heftige Diskussion verstrickt sind. Die beiden werden sich nie über das Thema einig, ob es ratsamer ist, in großen Räumen dunkle oder helle Farben zu verwenden.
»Guten Morgen«, begrüße ich die beiden gut gelaunt, gehe weiter zu meinem Büro und werfe meine Tasche auf meinen Schreibtisch. »Ihr könnt es auch nicht lassen, was?«, rufe ich durch die offene Tür. Die beiden folgen mir.
»Guten Morgen, Liz. Wieso müssen Männer immer das letzte Wort haben?«, verteidigt sich Dorothee. Ich zucke mit den Achseln und halte mich bewusst aus ihren Sticheleien heraus, da ich weiß, dass Andy nur mit ihr streitet, um ihr näherzukommen.
»Guten Morgen, Liz. Befrei mich von Dorothee oder es passiert heute noch ein Mord. Sie will einfach nicht einsehen, das ...«
»Hey, könnt ihr beide mal für einen Moment die Luft anhalten? Wo ist Jake? Ich muss dringend mit ihm reden.«
»Er war heute Morgen schon hier, ist aber gleich wieder gegangen. Er bekam einen Anruf von einem Kunden und meinte, er müsse gleich weg«, antwortet Andy.
Ich lasse mich in meinen Schreibtischstuhl sinken und schalte meinen Computer ein. Okay, dann werde ich zuerst meine Termine checken und später zu Mrs. Garden rausfahren.
»Einen Kaffee, Liz?«, fragt Jenny und steckt den Kopf zur Tür herein.
»Gerne, aber du musst das nicht tun. Du bist hier, um etwas zu lernen, und nicht, um uns zu bedienen.«
»Das weiß ich doch, aber ich tue es gern.«
»Also gut, einen Kaffee könnte ich wirklich gebrauchen. Ich habe später noch einen Außentermin bei Mrs. Garden«, dabei rolle ich genervt die Augen. »Wenn du willst, nehm ich dich mit. Da lernst du dann, bei nervigen Kunden die Ruhe zu bewahren. Mrs. Garden ist eine Frau in den Fünfzigern, die glaubt, wenn sie ihr Haus aufmöbelt, bekommt sie noch einen Traummann ab.«
Ich muss bei der Vorstellung grinsen, wie Mrs. Garden sich einen Typen wie Jayden zu angeln versucht. Und schon ist er wieder in meinen Gedanken. Ich schiebe sie einfach weg, als die Tür aufgeht und Jake das Büro betritt.
»Guten Morgen, Liz, kannst du gleich zu mir rüberkommen?«, wendet er sich geschäftig an mich, bevor er auch nur die Jacke auf den Garderobenständer gehängt hat. Muss wohl dringend sein. Ich möchte wissen, mit wem er sich in aller Frühe getroffen hat. Er ist genau wie ich ein Mensch, der nicht vor neun in die Gänge kommt und erst am Nachmittag zu Hochtouren aufläuft.
»Ja, klar. Ich habe auch noch etwas mit dir zu besprechen, wegen Mrs. Garden ...«
Er unterbricht mich. »Das hat Zeit. Was ich mit dir zu bereden habe, hat höchste Priorität.« Damit ist er auch schon in seinem Büro verschwunden. Ich muss schmunzeln, weil er seine Projekte immer in Prios einteilt. Typisch Jake. Ich folge ihm und schließe die Tür hinter mir.
»Was gibt es denn so Wichtiges, dass du schon vor dem Frühstück Termine wahrnimmst?«, frage ich ihn lächelnd und stütze mich auf der Lehne des Stuhls vor seinem Schreibtisch auf.
»Setz dich doch. Liz, ich habe mich gerade mit Jayden Hunt getroffen. Ich hatte dir doch gestern erzählt, dass er ein heruntergekommenes Herrenhaus in England gekauft hat und dieses grundsanieren und zu einem exklusiven Hotel machen will.«
Ich nicke und ahne Böses. »Ja, und?«
»Was soll ich sagen, wir haben den Auftrag«, erklärt er, lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, die Fingerspitzen gegeneinandergedrückt und grinst mich mit einem erhabenen Lächeln an, das nichts anderes aussagt als: Habe ich es dir nicht gestern schon prophezeit?
»Gratuliere.« Mehr fällt mir dazu nicht ein.
»Das ist alles, was du zu sagen hast?« Wieder zucke ich mit den Achseln. »Liz, das ist unser größter Auftrag. Und du tust so, als ginge es hier um ein paar lausige Dollar. Dieser Job bringt richtig was ein. Auch die Konkurrenz hat schon ihre Fühler ausgestreckt. Jayden übernimmt alle Spesen.« Er beugt sich auf seinem Stuhl nach vorne und ich sehe schon, wie es in seinem Gehirn rattert und er die Zahlen überschlägt.
»Jayden will sich heute Abend mit dir treffen, um alle Details zu besprechen«, teilt er mir jetzt geschäftsmäßig mit, während er die Post überfliegt.
»Du wirst nicht dabei sein?«, frage ich überrascht.
Jake schaut auf. »Liz, Jayden will dich. Du hast ihn überzeugt. Ich würde ja mitkommen, wirklich, aber heute geht es nicht. Es ist unser fünfter Hochzeitstag. Ich hab’s letztes Jahr schon vermasselt. Dieses Jahr habe ich Karten für die Oper und du weißt, wie ich die Oper hasse«, dabei rollt er gequält die Augen. »Ich tue es nur Laura zuliebe. Glaub mir, ich würde viel lieber deinen Termin wahrnehmen. Außerdem habe ich einen Tisch im ›Limoncello‹ bestellt, nur wir beide, Laura und ich.«
Er schaut mich mit seinem bittenden Blick an und zieht die Unterlippe nach unten. Verdammt. Wie soll ich da noch widersprechen? Jake arbeitet wirklich viel zu viel, um den Laden in Schwung zu bringen, was ihm in dem letzten Jahr durchaus gelungen ist. Wir sind immer ausgebucht und genießen mittlerweile einen ausgesprochen angesehenen Ruf in der Branche. Außerdem wünscht Laura sich ein Kind und vielleicht ist heute der perfekte Abend dafür.
»Also gut, wann und wo?«, frage ich einsilbig. Aber irgendwie empfinde ich bei dem Gedanken, Jayden heute wiederzusehen, ein unruhiges Kribbeln in mir.
»Du bist ein Schatz. Er holt dich ab.« Dabei schaut Jake auf die Uhr. »Um 19:00 Uhr. Am besten rufst du ihn an, hier ist seine Karte«, dabei reicht er mir eine Visitenkarte über den Schreibtisch. »Dann kannst du ihm deine Adresse geben.«
»Das brauche ich nicht, er kennt sie bereits.« Jetzt ist es Jake, der überrascht aufschaut.
»Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«
Ich gebe mich ganz unbeteiligt, als ich antworte. »Nein, nichts Besonderes. Wir haben nur die letzte Nacht miteinander verbracht, das ist alles.«
Jake fällt vor Entsetzen die Kinnlade herunter.
»Ihr habt was? Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden. Elizabeth, ich habe ja nichts dagegen, wenn man ein freundschaftliches Verhältnis mit seinen Kunden eingeht, aber alles hat seine Grenzen.«
»Das finde ich auch. Es war doch deine Idee, dass ich ihn im Wagen mitnehmen soll. Du hast ihn mir mehr oder weniger aufgedrängt.«
»Liz, das war doch gar nicht so gemeint. Das weißt du auch.«
»Wovon sprichst du eigentlich?«
»Ich spreche davon, dass du mit unseren Klienten kein Verhältnis eingehen sollst. Du kennst meine Ansicht, Privates nicht mit Geschäftlichen zu vermischen.«
»Wie kommst du darauf, dass ich ein Verhältnis mit ihm habe?«
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass du die Nacht mit ihm verbracht hast.«
»Ja, auf der Landstraße, Jake. Der Keilriemen war gerissen, sodass wir gezwungen waren, die Hälfte der Strecke zu Fuß zu gehen, das war alles. Ich dachte, er hätte es dir heute Morgen erzählt.« Jetzt muss ich lachen.
Endlich entspannen sich Jakes Gesichtszüge wieder und ein Grübchen erscheint auf seiner Wange, während er sich zurücklehnt. »Du hast mich ganz schön erschreckt. Nein, Jayden hat kein Wort darüber verloren. Er ist sehr diskret. Warum hast du mich nicht angerufen, oder einen Abschleppdienst?«
»Hätte ich ja getan, aber der Akku meines Handys war leer und Jayden hatte keins dabei. Also blieb uns nichts anderes übrig, als zu laufen.«
»Da bin ich ja froh, dass du nicht allein unterwegs warst. So, was wolltest du mit mir besprechen?«, kommt Jake jetzt auf mein Thema zurück.
»Mrs. Garden«, fange ich an. »Sie hat immer noch nicht die Anzahlung überwiesen. Ich habe heute einen Termin bei ihr. Du weißt, wie ich es hasse, meine Klienten auf offene Rechnungen hinzuweisen.«
»Sag den Termin ab. Kate soll ihr eine Mahnung schicken, und sobald sie gezahlt hat, machst du einen neuen Termin mit ihr aus.«
»Okay, aber was soll ich sagen, warum ich heute den Termin absagen muss?«, grüble ich.
»Lass das Kate machen. Ihr fällt schon was ein«, zwinkert er mir zu. Ich stehe auf, verlasse sein Büro und teile unserer Sekretärin Kate mit, dass sie den Termin mit Mrs. Garden absagen und gleich heute noch die Mahnung rausschicken soll. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und versuche, mich auf mein aktuelles Projekt zu konzentrieren, was mir nicht leicht fällt, da immer wieder Jaydens Gesicht in meinen Gedanken herumspukt.
Zwei Stunden später kommt die nächste Nachricht von Jayden:
19:00 Uhr bei dir zu Hause?
Jayden
Kein persönliches Wort, kein Hallo, wie geht’s. Was habe ich erwartet? Heute Abend geht es schließlich um einen geschäftlichen Termin und nichts weiter. Ich schnappe mein Handy und bestätige den Termin genauso einsilbig, bevor ich mich um einige Kalkulationen für ein neues Projekt kümmere, die den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen. Als die Sonne schon langsam untergeht, klopft Dorothee an meine offene Bürotür.
»Liz, hast du mal auf die Uhr geschaut?«
In Gedanken versunken schaue ich auf.
»Ich will dich ja nicht drängen, aber es schon fast 18:00 Uhr.« Dabei tippt sie auf ihre Armbanduhr.
»Verdammt, in einer Stunde will Jayden mich abholen.«
»Deshalb sage ich es dir ja. Ich nehme dich mit, wenn du magst«, bietet sie mir an.
Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als Dorothees Angebot anzunehmen, wenn ich pünktlich zum Termin fertig sein will.
»Danke, du bist meine Rettung.« Eilig schnappe ich mir meine Handtasche und verlasse mit meiner Kollegin das Büro.
Unschlüssig stehe ich vor meinem Kleiderschrank und überlege, was ich anziehen könnte, während ich mich gleichzeitig abtrockne. Wieso mache ich mir darüber überhaupt Gedanken? Es ist nur ein Geschäftsesse. Solche Termine hatte ich schon häufiger. Das ist nichts Ungewöhnliches für mich. In der Regel schnappe ich mir einen Hosenanzug oder ein businesstaugliches Kleid und konzentriere mich nur auf das Gespräch mit meinem Klienten. Meistens habe ich bereits konkrete Vorschläge vorbereitet, wie die Räume aussehen könnten, sofern ein Vorgespräch stattgefunden hat. Jayden Hunt ist ein Klient wie jeder andere auch. Und doch kreisen meine Gedanken nur um ihn als Mann und nicht um das Projekt, das er mir übertragen will.
Das rote Abendkleid mit dem tiefen Rückenausschnitt funkelt mir aus dem Schrank entgegen. Ich streiche mit der Hand über den zarten Stoff. Soll ich es wirklich anziehen? Entschlossen greife ich zu dem Bügel, ziehe das Kleid heraus und halte es vor meinen Körper. Verliebt schaue ich mich im Spiegel an. Das edle Stück habe ich auf der Hochzeit meines Bruders getragen. Es liegt verführerisch auf meiner Haut. Der tiefe Rückenausschnitt hat einigen Männern den Kopf verdreht. Ich muss jetzt noch schmunzeln, als ich an den stürmischen Verehrer denke, den mein Bruder in seine Schranken weisen musste, nachdem er seine Finger einfach nicht bei sich behalten konnte. Ob Jayden das Kleid auch gefallen wird? Whitneys Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
»Gehst du heute noch aus?«
Erschrocken drehe ich mich um und wäre fast über den Saum des Kleides gestolpert. Whitney steht im Türrahmen und löffelt Eis direkt aus der Packung. Dabei weiß sie ganz genau, wie sehr ich es hasse, wenn sie das tut, anstatt sich eine Portion in einer Schüssel zu nehmen.
»Whitney, du hast mich erschreckt. Außerdem mag ich es nicht, wenn du die Eiscreme direkt aus der Packung löffelst.« Verwundert runzelt sie die Stirn und isst unbeirrt weiter.
»Ist doch fast leer. Ich dachte, du hättest mich gehört. Obwohl du wie eine verliebte Kuh in den Spiegel geschaut hast. Wer ist er?« Jetzt kommt sie auf mich zu und ihr Gesicht grinst mich scheinheilig aus dem Spiegel an, während sie den leeren Becher auf dem Sessel abstellt, sich hinter mich stellt und ihre Arme über meine Schulter legt.
»Was meinst du?«
Sie deutet auf das sexy Kleid in meiner Hand. Als hätte sie mich auf frischer Tat bei etwas Verbotenem ertappt, hänge ich das edle Kleidungsstück wieder in den Schrank zurück und greife nach einem schlichteren Modell. »Es gibt keinen ›Er‹. Ich habe einen geschäftlichen Termin heute Abend.«
»Ach, und da zieht man so ein Kleid an.«
»Whitney, hör auf. Ich werde dir nichts mehr erzählen. Hast du übrigens meinen Wagen aus der Werkstatt geholt?«
»Ja, die Rechnung liegt in der Küche.«
»Danke, du bist ein Schatz.«
»Willst du mir nicht verraten, was du heute noch vorhast?«
»Habe ich doch gesagt. Ich habe einen geschäftlichen Termin.«
»Ach so. Und wie sieht er aus?« Ich weiß genau, dass sie mir das nicht abnimmt.
»So eine Mischung aus George Clooney und Sean Connery in ›Dr. No‹, nur eben jünger, wenn du es genau wissen willst.«
Meine Cousine pfeift beeindruckt durch die Zähne. »Dachte ich es mir doch. Genau der Typ, auf den du abfährst.«
Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und scheuche Whitney aus dem Schlafzimmer, ohne mich weiter von ihr ausfragen zu lassen.
»Du hältst mich auf. Ich sollte schon längst fertig sein. Ich bin spät dran.«
»Dann würde ich an deiner Stelle nicht wie ein Honigkuchenpferd vor dem Spiegel stehen und mich selbstverliebt anlächeln. Ich wünsche dir viel Spaß«, flötet sie mir noch zu und verschwindet kichernd in Richtung Küche.
»Das ist ein Geschäftsessen, Whitney, weiter nichts«, rufe ich ihr durch die offene Tür nach. Dabei weiß ich es besser. Es ist alles andere als ein Geschäftsessen. Zumindest für mich, auch wenn ich es mir nicht eingestehen will.
»Das kannst du unserer Großmutter erzählen«, höre ich sie noch undeutlich. Bevor ich ihr antworten kann, klingelt es bereits an der Tür. Na ja, pünktlich ist er.
»Kannst du bitte aufmachen, Whitney?« Kaum habe ich diesen Satz ausgesprochen, bereue ich es fast, dass ich viel zu viel Zeit vertrödelt habe. Verflucht. Whitney wird ihn sehen und sich ihren Reim darauf machen. Ich höre, wie sie die Tür öffnet und ihn begrüßt. Verdammt, sie bittet ihn tatsächlich in die Wohnung. Schnell angele ich meine Pumps aus dem Schrank und wäre beim Überstreifen der Schuhe beinahe gegen das Bett gestolpert. Mist, Mist, Mist. Was ist denn mit mir los? Ein kurzer Blick in den Spiegel, fertig. Ich straffe die Schultern, ziehe das Etuikleid, das mir unverschämt sexy am Körper liegt, in Form und betrete den großen Flur.
Die Tür zum Wohnzimmer steht offen. Jayden sitzt entspannt auf der Lehne meines alten Ohrensessels und lacht ungeniert mit Whitney über eine Äußerung von ihr. Die entspannte, freundliche Stimmung der beiden versetzt mir einen kleinen Stich. Wieso gibt es zwischen ihm und Whitney sofort diese lockere Atmosphäre? Als ich ihn kennenlernte, hat er mir nur seine arrogante Seite gezeigt und mich behandelt, als wäre ich ein lästiges Insekt. Sie kennt ihn doch gar nicht.
Oder liegt es vielleicht genau daran, dass sie ihn nicht kennt? Ich sollte mir nichts vormachen, Whitney versteht sich mit allen Leuten auf Anhieb. Es ist ihre lockere, offene Art, auf die Menschen zuzugehen, die sie so sympathisch macht. Als ich in der Wohnzimmertür stehe, schaut Jayden auf und lächelt mich an. Dieses verflucht sexy Lächeln, das mich sofort einwickelt. Aber ich will nicht, dass er mich einwickelt. Von Typen, wie er einer ist, habe ich die Nase gestrichen voll.
Mein letzter Freund war eine Katastrophe und hat sich als mieser Mistkerl entpuppt, als ich ihn mit einer Freundin im Bett erwischt habe.
Mein Bedarf an sexy Badboys ist definitiv gedeckt und trotzdem lässt Jayden mein Herz schneller schlagen.
»Können wir gehen?«, frage ich reserviert.
Er erhebt sich von der Lehne. »Natürlich. Guten Abend, Elizabeth.« Dann beugt er sich zu Whitney, reicht ihr die Hand und verabschiedet sich von ihr. »Hat mich gefreut.«
Da ist sie, seine gute Kinderstube, er kann also auch anders, wenn er will. Wieso habe ich ihn nicht von dieser Seite kennengelernt? Aber wer weiß, vielleicht wäre ich ihm dann bereits mit Haut und Haaren verfallen, nur um spätestens am nächsten Morgen mit dem bitteren Wissen aufzuwachen, dass ich mich wieder in einen Playboy verliebt habe.
Jayden sieht verdammt sexy aus. Er trägt enge, dunkle Jeans, dazu ein weißes Hemd ohne Krawatte, der oberste Knopf steht offen und zeigt seine gebräunte Haut. Das Sakko hat er sich locker über die Schulter gehängt. Er sieht einfach fantastisch aus. Seine italienischen Schuhe vervollständigen das Bild eines einflussreichen Geschäftsmannes. Als ich an mir herunterschaue, bin ich heilfroh, mich für dieses Etuikleid entschieden zu haben.
Wir passen perfekt zusammen, wie ich erschrocken feststelle. Und heute habe ich absichtlich einige Tropfen mehr von meinem Lieblingsparfüm verwendet.
Als ich an ihm vorbeigehe, sehe ich, wie er für den Bruchteil einer Sekunde die Augen schließt und tief einatmet. »Tom Ford, Noir«, raunt er mir zu. »Perfekt. Du hast einen außerordentlichen Geschmack.«
»Du aber auch. Tom Ford, Tuscan Leather«, antworte ich genauso sicher wie er. Beeindruckt zieht er die Augenbrauen hoch, bevor er seine Hand an meine Schulter legt und mich aus der Wohnung schiebt.
»Ich habe einen Tisch im ›Davio’s‹ reservieren lassen«, teilt er mir mit. Natürlich, eines der schicksten Restaurants in Boston. Viele meiner Bekannten gehen dort zum Essen hin. Ich werde sicher den einen oder anderen treffen. Und gerade habe ich ein Déjà-vu; genauso hatte es mit meinem letzten Freund angefangen.
»Viel Spaß«, höre ich Whitney uns noch nachrufen. Dafür könnte ich sie erwürgen. Ich zögere kurz, drehe mich zu ihr um, will irgendetwas sagen, aber Jayden legt diskret den Arm um meine Taille, sodass jedes Gespräch im Keim erstickt wird und ich ihm nur stumm zu seinem Wagen folgen kann. Es ist der Sportwagen, mit dem ich fast kollidiert wäre. Verstohlen werfe ich einen Blick auf die Motorhaube, aber da ist nichts außer perfekt poliertem Lack zu sehen.