Kitabı oku: «DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband», sayfa 5
»Natürlich, Liebster.«
»Nun, ich kann es kaum erwarten, Geliebte.« Und mit einem galanten Kratzfuß verabschiedete Durenald sich von seiner Gemahlin.

Zwei Tage später war Zordan Fuxfell fast völlig wiederhergestellt. Das immer noch ein wenig geschwollene und verfärbte Auge verbarg er unter einem bunten Seidentuch, was ihm nach Damillas Ansicht ein ungeheuer verwegenes, fast freibeuterhaftes Aussehen verlieh und seine männlichen Reize noch erhöhte. Die junge Magd war sehr beeindruckt von dem Gast des Hauses, und ein Funke glomm in ihrem Herzen auf, obwohl sie ihn seit seiner Ankunft in Brelak erst dreimal gesehen hatte – das erste Mal, als man ihn, blaß und leidend zwar, doch wunderschön und elegant, vor zwei Tagen in der offenen Kutsche zum Gutshaus gebracht hatte, das zweite Mal gestern, als sie seine Kammer ausfegen mußte, und das dritte Mal am heutigen Morgen, als es ihr vergönnt war, ihm das Frühstück aufs Zimmer zu bringen.
»Halt dich fern von dem jungen Herrn«, ermahnte Hilgert sie, als sie ihm mit geröteten Wangen von dem seelenvollen Ausdruck des einen sichtbaren Auges, von der vornehmen Bildung der männlich-schlanken Hände, dem warmen Klang der Stimme und der über alle Maßen zierlichen Ausdrucksweise des neuen Gastes berichtete.
»Warum?« fragte das Mädchen überrascht. Der düstere Blick des Stallmeisters bohrte sich so tief in die braunen Augen der Magd, daß es ihr nach einer kurzen Weile schien, als schaue er sie nicht an, sondern durch sie hindurch, und ein Gefühl von Beklommenheit bemächtigte sich ihrer und vertrieb ihre Freude und gute Laune. »Warum?« wiederholte sie, trotzig diesmal.
»Er wird Kummer und Unglück über dich bringen, wenn du ihm zu nahe kommst.«
»Immer redet Ihr so, alter Mann.« Damilla senkte den Blick und wand gedankenverloren das Ende ihres dicken braunen Zopfes um den Finger. »So daß man ernst wird, wenn man vorher lustig war, und traurig, wenn man vorher froh war. Gönnt Ihr denn keinem eine Freude, oder könnt Ihr in die Zukunft schauen und seht dort nur Schlimmes und Böses?« Der letzte Satz war wohl nicht als Frage gemeint, denn schon plapperte sie weiter, das Zopfende immer verbissener zwirbelnd. »Als das junge Fräulein zur Welt gekommen ist, da habt Ihr auch von schlechten Vorzeichen geredet, aber das Kind ist ganz gesund und schön und hat alle Finger und Zehen, und die Frau hat sich schon nach drei Tagen vom Wochenbett erhoben, und die Saat ist gut aufgegangen, und der Herr und die Herrin leben in traviagefälliger Eintracht. Und jetzt … und nun, da ich Euch nur erzählt habe, welch vornehmer und freundlicher Mann der Halbbruder unserer Herrin ist und wie wohlgesetzt er zu reden versteht, da sagt Ihr, daß er mich ins Unglück stürzen wird. Warum? Wollt Ihr mich ärgern? Ich habe doch nichts Schlechtes gesagt oder getan.«
»Ich will dich nicht ärgern, Kind«, erwiderte Hilgert sanft, schaute das Mädchen jedoch so ernst, ja fast grimmig an, daß sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich, »und ich kann auch nicht in die Zukunft blicken, aber oft fühle ich es, wenn ein Unglück sich naht – das muß nicht morgen oder übermorgen sein oder in einem Mond …«
»In einem Mond ist der Herr Fuxfell längst abgereist; ich hab’s mit eigenen Ohren gehört, wie er gesagt hat, daß ihn dringende Geschäfte nach Kabash rufen.« Damilla nestelte weiter an ihrem Zopf und schob trotzig die Unterlippe vor.
»Und warum ist er nicht von Methumis gleich dorthin gereist? Es liegt ja fast am Wege.«
»Ich weiß nicht, wo Methumis und Kabash liegen, aber wahrscheinlich wollte er zuerst sein neues Nichtchen besuchen. Seht Ihr, das ist es, was ich meine: Immer seid Ihr mißtrauisch und macht ein Firunsgesicht, so lang und finster, daß man selbst eins kriegt …« Damilla hielt verlegen inne, aber der Alte schien ihre Worte nicht gehört zu haben.
»Ich bin nicht froh über diese Gabe, die eher eine Strafe ist«, sagte er, »da ich weder weiß, was die Zukunft bringen wird, noch, wie ich das Unglück verhüten soll, das ich erahne. Auch du wirst meinen Rat nicht befolgen, dich fernzuhalten von dem jungen Herrn …«
»Er beachtet mich ja gar nicht«, fiel Damilla ihm ins Wort. »Er kennt bestimmt die feinsten Damen von Methumis und Kabash, wie soll ihm da eine wie ich gefallen? Ich bin ihm sicher zu dick und zu dumm …«
»Du bist frisch und jung, du gefällst ihm«, sagte Hilgert bestimmt, »doch nun muß ich mich wieder meiner Arbeit zuwenden, und auch du wirst gewiß schon im Haus oder in der Küche vermißt.« Brüsk wandte der Alte sich um und stapfte mit großen Schritten zum Stall.

»Und wann darf ich endlich das kleine Prinzeßchen sehen?« fragte Fuxfell und hob erwartungsvoll Braue und Lid des unverhüllten Auges. Er hatte sich soeben mit Durenald und Kusmine zur Mittagstafel begeben, der ersten gemeinsamen Mahlzeit.
»Sehen dürfen?« lachte Kusmine und schnitt sich ein großes Stück des saftigen Wildschweinbratens ab – ein Meisterwerk Titinas mit einer Sauce aus frischen Frühlingskräutern, tulamidischen Spezereien und getrockneten Waldpilzen. »Keiner hat sie dir bisher vorenthalten, und es ist das erste Mal, daß du nach ihr fragst. Aber ich freue mich ja, daß du es tust, und auch daß es dir ganz offensichtlich besser zu gehen scheint.« Sie legte eine Pause ein, um den Bissen in den Mund zu stecken, ihn mit Behagen zu kauen und zu schlucken. »Nun«, sagte sie mit einem kurzen Blick unter leicht gerunzelten Brauen zu dem fahlen Blauton, den die Arivorer Butzenscheiben vom Himmel übrigließen, »es dürfte jetzt etwa eine Stunde nach Mittag sein. Wenn es sich mit deinen Plänen deckt, dann werden die beiden Kriegerinnen dich um die dritte Stunde in der Kinderstube erwarten.«
Zordan Fuxfell deutete eine Verbeugung in Richtung seiner Halbschwester an. »Es wird mir ein Vergnügen und eine Ehre sein, den schönen Damen des Hauses meine Aufwartung zu machen.« Dann wandte er sich an Durenald, dem er, den suchenden Blick des Gastgebers bemerkend, mit verbindlichem Lächeln eine Schüssel voll duftender Hirseklöße reichte. »Aber wollt Ihr den Damen nicht auch die Ehre geben, teurer Schwager? Ein Familienidyll in der Kinderstube.« Das Lächeln wurde breiter. »Und wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann habe ich nicht nur für die liebreizenden Kriegerinnen Präsente in meinen Satteltaschen, sondern auch eine Kleinigkeit für Euch.«
Als Zordan Fuxfell zwei Stunden später die Kinderstube betrat, bot sich ihm ein Bild, wie es traviagefälliger nicht sein konnte: Kusmine thronte auf einem rotgepolsterten Sessel, das gutgelaunte Wickelkind auf dem Schoß. Ihr zur Seite saß ihr Gatte auf einem niedrigen Schemel und versuchte erfolgreich, durch das Ausstoßen seltsamer Laute, bei deren Erzeugung sich seine Züge aufs absonderlichste verzerrten, das Kind zum Lachen zu bringen. Kusmine beobachtete Durenalds Treiben mit lächelndem Kopfschütteln, konnte sich aber der allgemeinen Heiterkeit nicht entziehen; sie warf den Kopf in den Nacken und lachte hell auf, als es an der Tür klopfte.
Susa öffnete und ließ mit einem flüchtigen Knicks den Neuankömmling ins Zimmer treten. »Braucht Ihr mich noch, Euer Edelgeboren?« fragte sie.
»Nein, geh nur, Susa«, erwiderte die Angesprochene, »und laß dir von Titina eine Erfrischung bereiten. Und sag Damilla, sie soll Tee und Gebäck bringen.«
Fuxfell verharrte beim Anblick der Familie kurz in gespielter Anbetung und preßte die Linke an die Brust. »Welch ergreifendes Bild, man sollte es malen«, hauchte er. Dann näherte er sich mit federnden Schritten seiner Nichte und verneigte sich tief. »Schönstes Fräulein, nehmt mein Herz, das ich Euch zu Füßen lege.«
Das Kind hatte, als Fuxfell das Zimmer betrat, ihrem Vater, der, als es klopfte, rasch seine Züge geordnet und ihnen einen verbindlichen Ausdruck verliehen hatte, keinerlei Aufmerksamkeit mehr geschenkt, sondern beobachtete vielmehr jede Bewegung des Gastes mit großen wachsamen Augen. Nun richtete Fuxfell sich auf und lächelte seine Nichte an.
Thalionmel erwiderte den Blick des einen schwarzen Auges ernst und unerschrocken. »Fürwahr, ein schönes Kind, liebe Schwester«, wandte sich Fuxfell an Kusmine. »Wie heißt sie noch gleich?«
»Thalionmel.«
»Ein ungewöhnlicher Name, aber man wird sich daran gewöhnen – man wird sich daran gewöhnen müssen, nicht wahr, kleine Thalionmel? Denn in ein paar Jahren wirst du nicht nur sämtliche Männerherzen brechen, du wirst auch deine Widersacher das Fürchten lehren, so grimmig, wie du schaust. Ja, eine glänzende Karriere liegt vor dir, meine Teure, um die ich dich beneiden könnte, wäre ich nicht dein Onkel und getreuer Beschützer. Darf ich dir nun zum Zeichen meiner onkelhaften Zuneigung einen Kuß auf die Stirn drücken?«
Als Fuxfell sich mit gespitzten Lippen dem kleinen Blondschopf näherte, wich das Kind zurück und versuchte den Kopf am Busen der Mutter zu verbergen.
»Oh, man ziert sich?« Fuxfell konnte einen winzigen Anflug von Ärger in Stimme und Miene nicht unterdrücken.
»Es wird die Augenbinde sein, die ihr Angst macht, lieber Schwager«, sagte Durenald lachend. »Einäugige sind ihr bisher noch nicht begegnet.«
»Nun, wenn ich ihr nicht gefalle, so finden doch vielleicht meine Gaben Gnade vor ihren Augen.« Fuxfell holte ein Bündel aus seiner Tasche, in dem es leise klapperte und das er nun behutsam öffnete. Es enthielt buntbemalte Holzfigürchen – Pferde, Reiter und Soldaten.
Thalionmel hatte beim Klappern der Holzpüppchen den Kopf gewandt und beobachtete gebannt, wie Fuxfell eine winzige Soldatin (nach dem verschwenderischen Gebrauch von Silber- und Goldlack auf Helm und Panzer zu urteilen, wohl eine Rittfrau oder Obristin) aus dem Bündel klaubte und ihr zögernd reichte. Mit hellem Jauchzen griff sie danach. Fest schlossen sich die kleinen Finger um das blinkende Ding, und dann begann sie wie wild zu fuchteln und zu hopsen.
»Ja, das ist ein Spielzeug nach deinem Geschmack, kleine Kriegerin!« lachte Kusmine. »Und wenn du erst etwas größer bist, wirst du auch richtig damit spielen können. Danke, Zordan«, wandte sie sich an ihren Bruder, »du siehst ja selbst, welche Freude du ihr gemacht hast.« Wie, um die mütterlichen Worte zu bekräftigen, streckte der Säugling fordernd die leere Linke aus, und die Fingerchen griffen und streckten sich nach etwas Unsichtbarem.
»Nun, dann laß mich einmal schauen, was ich für das andere Händchen habe«, sagte Fuxfell, während er in dem linnenen Beutel kramte. »Wie wäre es mit diesem verwegenen Söldner?« Er reichte Thalionmel das bunte Figürchen. Gierig griff sie danach, doch plötzlich schleuderte sie mit einer gleichzeitigen heftigen Bewegung beider Arme Obristin und Söldner weit von sich, wobei sie ihren Onkel nur um Spannbreite verfehlte. »Wie kann man nur so ungezogen und undankbar sein?« fragte Fuxfell leise. Einen Wimpernschlag lang funkelte Zorn in seinem Auge. Dann bückte er sich, um die Figürchen aufzuheben. »Für heute ist es wohl genug«, meinte er, während er sie zurück in den Beutel legte.
»Ach, Schwager, nehmt es ihr nicht krumm, sie weiß doch gar nicht, was sie tut.« Durenald lächelte freundlich. »Aber zeigt mir einmal die Püppchen – sie scheinen ja ganz allerliebst zu sein.« Vorsichtig leerte er den Beutel auf den Wickeltisch und stellte den Inhalt auf. Er enthielt eine winzige Streitmacht, bestehend aus Rittern und Rittfrauen samt ihren Streitrössern, Knappen, Pikenieren und Bogenschützen. Aber auch die Gegenspieler der tapferen Soldaten kamen nun zum Vorschein: ein Oger, zwei Trolle, eine Handvoll Orks und eine Schar abenteuerlich bewaffneter Räuber, zu denen auch der Söldner gehörte.
»Wirklich ganz reizend«, sagte Kusmine, die ihren Gatten bei seinem Tun beobachtete. »Das wird bestimmt ihr liebstes Spielzeug werden, wenn sie alt genug dafür ist. Und bis dahin werde ich es gut verwahren – und vielleicht hin und wieder selbst damit spielen«, fügte sie lachend hinzu. »Da fällt mir ein«, sagte sie, als ihr Blick auf die hölzerne Räuberbande fiel, »daß ich dir« – sie schaute ihren Halbbruder an – »noch gar nicht erzählt habe, daß ich gestern mit meinen besten Leuten das Waldstück durchkämmt habe, wo du überfallen worden bist. Denn, so sagte ich mir: Wo zwei sind, kann auch leicht ein Nest sein. Aber wir haben keine Spuren eines Lagers entdeckt. Wahrscheinlich waren es wirklich nur die beiden, und sie haben so schnell wie möglich das Weite gesucht. Ich vermute, daß sie dir schon seit der Reichsstraße gefolgt sind. Du bist doch sicherlich …« Plötzlich hielt sie inne. »Wo ist dein Ring?« fragte sie überrascht. »Du trägst den Ring deiner Mutter nicht mehr?«
»Mein Ring, oh …« Fuxfell war bei Kusmines Worten fast unmerklich zusammengezuckt. Nun betrachtete er seine Hand und knetete den ringlosen Finger. »Der Ring meiner Mutter …«
»Waren das etwa auch die Räuber?« unterbrach ihn Kusmine.
»Ja, gewiß, die Räuber«, antwortete Fuxfell erleichtert. Dann straffte er sich und legte so viel gerechten Zorn und heilige Empörung in Blick und Stimme, wie ihm möglich war und angemessen erschien. »Da du selbst das Gespräch auf den Verlust meines Ringes bringst, liebe Schwester«, begann er, »so muß ich dir leider sagen, und auch Euch, Schwager, daß ich in euren Wäldern nicht nur der teuersten Erinnerung an meine geliebte verstorbene Mutter beraubt wurde, sondern daß eure Räuber mir auch mein gesamtes Vermögen genommen haben, welches ich am Gürtel trug, so daß ich nun gleichsam als Nackter vor euch stehe.« Er seufzte tief.
»Euer ganzes Geld?!« entfuhr es Durenald.
»So ist es, Schwager. Die Strauchdiebe in Euren Wäldern haben mich ausgeraubt bis auf den letzten Heller.«
»Gemach, Bruder!« Kusmine hob die Brauen, und ein leichter Anflug von Röte färbte ihre Wangen. »Du redest gerade so, als ob wir Schuld an deinem Unglück hätten, fast so, als wären wir verantwortlich für jeden Strolch, der die hiesigen Wälder unsicher macht. Doch hör mir zu: Erstens ist der Wald, in dem du überfallen worden bist, nicht der unsere. Er gehört dem Grafen, aber Durenald ist es gegen ein Entgelt an seinen Lehnsherrn gestattet, dort firungefällig zu jagen. Zweitens« – ihre Stimme wurde ein wenig schärfer – »halte ich mit meiner Bürgerwehr seit nunmehr fast zehn Jahren Durenalds Lehen weitgehend frei von Gesindel und Räuberpack, und drittens kann ich kaum glauben, daß sich in dem Beutel an deinem Gürtel dein gesamtes Vermögen befunden haben soll. Ich hab ihn ja gesehen – mehr als fünfzig Dukaten paßten gewiß nicht hinein.«
»Vierunddreißig Dukaten, zwei Silbertaler und fünf Heller«, korrigierte Fuxfell finster, »dazu …«
»So wenig?« rief Kusmine empört. »Was hast du mit dem Geld unseres Vaters angestellt?«
»Unterbrich mich nicht, Schwester!« Auch Fuxfell hob nun die Stimme, »… das Geld also und dazu drei Schuldscheine über dreißig, neunzig und hundert Dukaten, so daß mein Vermögen, das die Räuber eurer Gegend mir genommen haben, sich auf insgesamt zweihundertvierundvierzig Dukaten, zwei Silberstücke und fünf Heller beläuft und ich somit das Geld unseres Vaters um mehr als vierzig Goldstücke vermehrt habe.«
»Schuldscheine?« fragte Durenald. »Wie kommt Ihr an Schuldscheine in dieser Höhe? Verleiht Ihr Geld gegen Zinsen?«
»Das nicht, werter Schwager, aber vielleicht wißt Ihr, daß ich gern und gut Boltan spiele, und das ist nun einmal ein Spiel, bei dem man nicht nur ein Vermögen verlieren, sondern auch gewinnen kann.«
»Spielen …«, brummte Durenald, aber Kusmine ergriff wieder das Wort.
»Zordan, Bruder«, sagte sie ernst, »du willst mir doch nicht erzählen, daß du dein gesamtes Vermögen in Höhe von zweihundertvierzig Dukaten offen am Gürtel getragen hast. Sag, daß es ein Scherz ist.«
»Es ist kein Scherz, schöne Schwester, nein, leider ist es die traurige Wahrheit.« Bekümmert wiegte Fuxfell den Kopf. »Doch schelte mich nicht – ich bin gestraft genug. Gerade dort am Gürtel, offen und für alle sichtbar, wähnte ich mein Geld besonders sicher verborgen. Denn wer erwartet Gold an dieser Stelle? Nun, ich habe mich geirrt in der Wahl meines Versteckes, grausam geirrt, wie ich jetzt erkenne.« Er schwieg eine Zeitlang, die Stirn in kummervolle Falten gelegt. »Und überdies«, fuhr er fort, »rechnete ich auch nicht im entferntesten damit, in euren Wäldern von Diebsgesindel geschunden und beraubt zu werden.«
»Fangt Ihr schon wieder von unseren Wäldern an?« Eine Zornesfalte bildete sich zwischen Durenalds Brauen, und er schlug mit der Rechten auf den Wickeltisch, so daß die Holzfigürchen durcheinanderpurzelten. »Es sind nicht unsere Wälder – es sind die Wälder des Grafen! Statt den Göttern und Eurer Schwester dankbar zu sein, daß sie Euch so schnell zu Hilfe geeilt ist und Euch womöglich vor größerem Schaden bewahrt hat, faselt Ihr wirr und unverschämt daher, daß man glauben könnte, Ihr erwartetet, daß wir Euch das Gold ersetzen sollten. Ach, Schwager«, fuhr er nun versöhnlicher fort, »denkt nicht, daß mich Euer Verlust nicht dauert. Zweihundertundvierzig Dukaten durch die eigene Torheit verlieren, das ist hart, und ich fühle mit Euch. Doch worauf wollt Ihr eigentlich hinaus?«
»Du brauchst Geld, gewiß«, mischte Kusmine sich ein, »nun, ich denke« – sie suchte den Blick ihres Gatten, und Durenald nickte –, »da wird sich etwas machen lassen. Sei also unverzagt.«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und Damilla brachte die bestellte Erfrischung. Während sie den Tee in drei kleine irdene Becher goß, betrachtete Fuxfell sie ausgiebig und mit Wohlgefallen. Obwohl ihre Brüste gut entwickelt waren und auch das Hinterteil recht groß und fraulich rund zu sein schien, glaubte er nicht, daß sie mehr als fünfzehn Götterläufe zählte, denn ihre Züge waren von kindlicher Weichheit, und der Blick ihrer großen braunen Augen war scheu und auf bezaubernde Weise einfältig.
»Verzeiht, liebe Schwester und lieber Schwager, daß ich euch verärgert habe, und auch das Prinzeßchen scheint böse zu sein, denn unverwandt verfolgt es mich mit ernsten blauen Augen und will mir gar kein Lächeln gönnen. Was kann ich nur tun, um euch zu erheitern …« Er legte eine bedeutsame Pause ein, in der er sich vergewisserte, daß Damilla seiner Rede folgte, dann fuhr er fort: »Wie wär’s mir einem kleinen Kunststück, das ich jüngst eingeübt habe?« Er blickte fragend in die Runde.
Durenald und Kusmine wechselten erstaunte Blicke, wobei der erstere die Brauen hob und letztere Achseln und Hände. »Ein Kunststück? Nun, wenn du meinst«, sagte Kusmine, »dann laß sehen, wir sind gespannt.«
Zordan Fuxfell stellte sich in der Mitte des Zimmers auf und schaute eindringlich von einem zum anderen, wobei er den Blick ein wenig länger auf Damilla ruhen ließ, die ihre Arme erwartungsvoll und fast andächtig unter dem Busen verschränkt hatte. Dann legte er die Handflächen aneinander und schloß die Augen. Lange stand er so, in Konzentration versunken. Unvermittelt riß er die Augen auf, murmelte etwas wie ›Selemsalamander – Mutaborineinander – Hylailomäander‹ und streckte die Rechte vor, die Handfläche nach oben. Kaum hatte er die Formel gesprochen, da erschien auf seiner Hand ein grünliches Flämmchen. Fast unbeweglich stand es dort, nur ganz leicht gewiegt vom Atem der Anwesenden oder dem Luftzug, der durch die Ritzen des Fensters ins Zimmer drang. Doch nun hob Fuxfell die Linke und beschwor mit seinen schlanken Fingern das Flämmchen, wobei er weitere unverständliche Formeln murmelte. Die Flamme veränderte allmählich ihre Farbe, wurde erst blau, dann violett, um schließlich einen leuchtenden Purpurton anzunehmen. Dabei bog und wand sie sich auf der Hand, zitterte und wuchs ein wenig, um schließlich, als Fuxfell die Rechte spreizte, von einem Finger zum anderen zu hüpfen. Offenbar war dies der Höhepunkt der Darbietung, denn plötzlich verblaßte das Purpurlicht, die Flamme schrumpfte, und Fuxfell schloß mit einer ruckartigen Bewegung die Rechte zur Faust. Sein Atem ging heftig, und feine glänzende Rinnsale bildeten sich auf Stirn und Wangen.
»Du kannst zaubern!« entfuhr es Kusmine. »Das habe ich gar nicht gewußt.« Aber Fuxfell antwortete nicht, sondern klaubte mit unsicheren Fingern ein seidenes Tüchlein aus der Tasche, mit dem er sich die Stirn betupfte.
Durenald beobachtete seinen Schwager mit fragend oder forschend zur Seite geneigtem Kopfe, und Damilla hatte die Arme fallen lassen und stand unbewegt im Zimmer, den Mund geöffnet und die großen braunen Augen unverwandt auf Fuxfell gerichtet. Einzig Thalionmel war uneingeschränkt begeistert von der Vorführung und den bis zum heutigen Tage unbekannten Talenten des Oheims: Sie quiekte und prustete, und das heftige Zappeln und Fuchteln der kleinen Arme schien sagen zu wollen, daß sie eine weitere Probe seiner Kunstfertigkeit zu sehen wünschte.
»Ja, Schwester, ich verstehe mich ein wenig darauf«, sagte Fuxfell schließlich, »eine Gabe, die ich von meiner Mutter ererbt habe.«
»Aber Zordan, um Hesinde willen, warum bist du denn nicht zur Akademie gegangen?« fragte Kusmine.
»Du könntest heute eine angesehene Spektabilität sein, doch nun ist es vermutlich zu spät, um noch mit dem Studieren zu beginnen.«
»Aber liebe Schwester, woher wohl hätte meine arme Mutter das Geld für eine kostspielige und langwierige Ausbildung nehmen sollen? Ich bin doch nur ein kleiner Bastard, wie du weißt.«
»Zordan!« Kusmines Stimme wurde ein wenig lauter, und wieder rötete ein winziger Anflug von Zorn ihre Wangen. »Du weißt so gut wie ich, daß unser Vater alles in seiner Macht Stehende getan hat, um dich und deine Mutter zu unterstützen. Er wollte dich ja sogar nach Vinsalt schicken, nur daß deine Neigungen eben nicht in diese Richtung gingen. Gewiß wäre er stolz gewesen, einen Magus in der Familie zu haben, und hätte dir die beste Ausbildung in Kuslik oder wo auch immer finanziert. Warum nur hast du deine Gabe immer geheimgehalten?«
»Ja, hätte, wäre, würde … es ist zu spät, wie du richtig erkannt hast, liebe Kusmine, und wir wollen nicht weiter spekulieren, was gewesen wäre, wenn … Es genügt mir, daß ich hin und wieder liebe Freunde oder Verwandte mit einem magischen Kunststückchen erfreuen kann. Doch nun erlaubt, daß ich mich zurückziehe.« Er verneigte sich leicht vor Schwester und Schwager. »Meine Blessuren beginnen wieder zu schmerzen, und ich denke, es ist das beste, wenn ich mich ein wenig ausruhe.«
Auch Damilla wandte sich zum Gehen. Mit einem Knicks schlüpfte sie durch die Tür, und Fuxfell mußte ein paar große eilige Schritte machen, damit er sie auf dem Gang noch erreichte. »So warte doch, schönes Kind«, flüsterte er und zog sie leicht am Zopf. Damilla erstarrte. »Hat dir meine Darbietung gefallen?« fragte er leise. Das Mädchen nickte, ohne sich umzudrehen. »Nun, wenn du noch weitere Kostproben meiner Kunstfertigkeit kennenlernen möchtest, dann komm heut abend auf meine Kammer.« Wieder nickte Damilla, dann eilte sie davon.

»Was hältst du von alldem?« wandte sich Durenald an seine Gemahlin, nachdem Damilla und Fuxfell die Kinderstube verlassen hatten. Er fuhr sich nachdenklich mit der Hand durch die Locken.
»Meinst du die Geschichte mit dem Ring und dem Geld oder seine bis heute verborgenen magischen Talente?« fragte Kusmine.
»Alles, liebes Herz, beides«, erwiderte Durenald, »die Geschichte mit dem Ring und dem Geld und seine bis heute verborgenen magischen Talente.« Er machte eine kleine Pause, dann fuhr er fort: »Wenn du mich fragst, was ich von all dem halte, dann könnte ich dir nun meine Theorien entwickeln, aber …«
»Laß hören, lieber Mann!«
»Ach nein, lieber nicht, sonst heißt es wieder, daß ich deinen kleinen Bruder nicht leiden kann und noch nie leiden konnte.«
Kusmine lachte. »Aber nun hast du mich neugierig gemacht, und ich will wissen, zu welcher Theorie über meinen Bruder du aufgrund seines Verhaltens, seiner Andeutungen und Geschichten und seiner neuerdings entdeckten Gabe gelangt bist. Außerdem hilft deine Ansicht mir gewiß bei der Bildung meiner eigenen.« Sie blickte Durenald erwartungsvoll lächelnd an. »Nun los!« sie knuffte ihn gegen die Schulter. »Du willst es doch loswerden und wirst es mir ohnehin heute noch erzählen. Warum sollen wir bis zum Abend warten?«
»Also gut«, begann Durenald, »wenn du darauf bestehst, so will ich dir jetzt meine Meinung über deinen Bruder und seine Geschichten unterbreiten. Nun, ich glaube, daß der gute Zordan sein Vermögen – oder vielmehr das eures Vaters – verpraßt oder verspielt hat. Weiterhin bin ich überzeugt, daß er bis zum Hals in Spielschulden steckt und uns nur deshalb seine Aufwartung macht, um ein paar Dukaten zu lockern, was ihm ja auch zu gelingen scheint. Und den Ring – ich kann mich nicht daran erinnern, aber es scheint sich ja um ein wertvolles Erbstück zu handeln – hat er entweder verpfändet oder verspielt. Was nun die Räuber betrifft, die ihn zweifellos überfallen und böse geschlagen haben, so konnte ihm nichts Besseres widerfahren, denn der Beutel an seinem Gürtel war bestimmt leer bis auf den letzten Kreuzer, und wäre ich nicht so ein gutgläubiger und vertrauensseliger Mensch, ich könnte glatt auf den Gedanken verfallen, der liebe Zordan habe die gar schrecklichen Räubern gedungen oder mache mit ihnen gemeinsame Sache. Nein, im Ernst, Kusmine, das glaube ich nicht. Allerdings vermute ich, daß es mit seiner Gabe nicht allzuweit her ist. Nicht, daß mich Zordans magische Darbietung nicht beeindruckt hätte – einen Zauberer beim Zaubern zu beobachten, ist ein seltenes und immer wieder faszinierendes Ereignis –, aber zur Spektabilität hat er wohl nicht das Zeug. Worüber ich mich allerdings wundere …«
»Du wunderst dich über etwas?« unterbrach Kusmine ihren Gatten ein wenig spitzer als beabsichtigt. »Dabei hatte ich gerade den Eindruck gewonnen, daß du schon alles über meinen Bruder weißt.«
»Siehst du, liebes Herz«, erwiderte Durenald traurig, »nun bist du böse. Ich hätte dir meine Gedanken über deinen Bruder nicht mitteilen sollen; dein Bruder ist nun einmal ein Thema, bei dem wir leicht in Streit geraten, und an nichts liegt mir mehr, als in Eintracht mit dir zu leben. Laß uns das Gespräch beenden.«
»Erst will ich wissen, worüber du dich wunderst«, beharrte Kusmine.
»Ich wundere mich«, sagte Durenald mit fester Stimme, »daß dein Bruder einen Apfelschimmel reitet, denn ich meine mich zu erinnern, daß dein Vater uns einmal von einem schwarzen Shadif geschrieben hat, das er für Zordan erworben habe …«
»Es gibt auf dieser Welt Menschen, die mehr als ein Pferd besitzen, du selbst bist ein gutes Beispiel dafür.« Kusmine versuchte vergeblich, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen. Sie öffnete den Mund, um weiterzusprechen, doch da gewahrte sie die bekümmerte Miene ihres Gatten und hielt inne. Ihre Züge verloren die Härte, und der kalte Glanz ihrer Augen wich einem Ausdruck von Innigkeit. »Ach, Durenald, lieber Mann«, sagte sie leise, »verzeih, daß ich so hitzig geworden bin. Du hast recht, wir sollten nicht weiter über Zordan streiten. Wahrscheinlich bist du um so viel zu streng mit ihm, wie ich zu nachsichtig bin, und die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Gewiß ist er leichtsinnig und spielt und hat Schulden, aber er …«
»Aber er ist kein schlechter Mensch, nicht wahr, das wolltest du doch sagen?«
Kusmine nickte lächelnd.
»Und er ist ein angenehmer Gast«, fuhr Durenald fort, »aufmerksam und galant … Hast du gesehen, wie er Damilla angestarrt hat?«
»Damilla? Die kleine Dicke?« Kusmine lachte. »Nein, das ist mir nicht aufgefallen.«

Am siebenundzwanzigsten Peraine, zehn Tage nach seiner Ankunft, verließ Zordan Fuxfell gutgelaunt, gesund und um fünfzig Dukaten reicher Gut Brelak. Damilla winkte ihm mit dem roten Seidentüchlein, das er ihr geschenkt hatte, so lange nach, bis ihr der Arm schmerzte. Erkennen konnte sie ihn schon nach wenigen Schritten nicht mehr, denn ihre Augen schwammen in Tränen. Und so sah sie auch nicht, daß er sich kein einziges Mal nach ihr umwandte.