Kitabı oku: «Jette», sayfa 6
Gibt es einen schwarzen Mann?
An einem Tag holte Doris sie nicht für den Schulweg ab, und so musste Jette alleine zur Schule gehen. Ob sie wohl krank war? Da wollte sie gleich am Nachmittag einmal nachfragen gehen. Papa war schon lange weg, und so machte sie sich allein auf den Weg zur Schule. Es war ein bisschen nebelig, was sie gar nicht so gerne hatte. Das waren eigentlich die schlimmsten Tage im ersten Schuljahr für Jettes Asthma, weil sie dann kaum Luft bekam. Heute war es ein wenig so, aber sie hatte es ihrer Mutti nicht gezeigt, sonst hätte sie sie gar nicht zur Schule gehen lassen. Sie ging auf dem Bürgersteig rechts an den Nachbarhäusern vorbei Richtung Neuenrader Straße. Der Bürgersteig hörte nach den Häusern auf, und sie wollte gerade auf die gegenüberliegende Seite gehen, wo es einen Bürgersteig gab, als eine dunkle Gestalt aus dem Wald sprang. Sie drehte sich um, weil sie ganz fürchterliche Angst hatte, dass der Mann, der „schwarze Mann“, sie bestimmt gleich einholte. So lief sie schreiend bis zu ihrem Haus zurück. Viele Nachbarn kamen auf die Straße gelaufen, und sie war froh, dass sie sich unten an der Treppe in Muttis Arme werfen konnte. Sie weinte und schrie immer wieder und erzählte der Mutti, dass da am Wald jemand auf sie gelauert hatte. Ihre Mutti tröstete sie, dass sie sich bestimmt vertan hätte. „Du, mein liebes Kind, hast, glaube ich, ein wenig geträumt! Ich gehe jetzt mit dir dort vorbei bis zur Neuenrader Straße, und Du wirst schon sehen, dass dort niemand war und ist.“
Sie putzte ihre Tränen weg, sprach ein paar Worte mit den Nachbarn und begleitete sie dann den Bausenberg am Wald entlang. Jette zeigte ihr auch die Stelle in der Kurve, wo die dunkle Gestalt herausgesprungen kam. Sie blieben stehen, Jette wollte gar nicht weitergehen. Aber ihre Mutti schaute in den Wald hoch, beschwichtigte sie noch einmal, ging auch auf die gegenüberliegende Seite und schaute dort hinunter. „Siehst Du, mein Jettchen, da war niemand und ist nichts. Du hast wirklich nur geträumt.“ Bis zur Neuenrader Straße nahm sie ihre Tochter an die Hand, dann ließ sie sie allein weitergehen. Jette war immer noch ganz außer Atem und musste ganz schön hart die Luft einziehen, damit sie überhaupt Luft bekam. Gott sei Dank hatte Mutti das nicht bemerkt.
Bis zur Schule ging sie im flotten Schritt und kam ganz außer Atem dort an. Sie ging wirklich schnell, obwohl sie das gar nicht so richtig konnte; denn sie hatte immer noch Angst! Erst als sie Ingeborg, die auf sie wartete, die Geschichte erzählte, ging es ihr etwas besser. Komisch, auch die meinte: „Deine Mutti hatte bestimmt recht; Du hast geträumt.“ Und so wurde sie ein bisschen ruhiger und dachte: „Vielleicht hast Du dir das doch eingebildet und nur geträumt!“
Von da an hatte Jette immer mehr Schwierigkeiten mit dem Atmen. Ihre Mutti nahm sie oft zum Arzt, zu Dr. Schaab. Plötzlich hatte sie auch nicht viel Spaß an der Schule und in der Schule. Sie konnte die Spiele nicht mitmachen, sogar beim Kästchenhüpfen musste sie nach 5 Minuten aufhören. Warum konnten Doris und Ingeborg und Hannelore so wild herumlaufen, und sie nicht? Am liebsten stand sie in einer Ecke und schaute einfach zu, wie die anderen sich vergnügten. Sie musste auch wieder ein paar Male in der komischen Klimakammer sitzen. Da das aber nicht half, sagten ihre Mutti und auch ihr Papa ihr eines Tages, dass sie eine große Luftveränderung brauchte und an die Nordsee auf eine Insel geschickt würde. „Nach Langeoog, so heißt die Insel, kommen auch viele andere Kinder, aus vielen anderen Städten. Da bist Du nicht alleine! Und dort ist ein schönes Kinderheim, wo sich Ärzte und Krankenschwestern um Dich und die anderen kranken Kinder kümmern werden.“
Jette war sprachlos, aber wenn sie dann wieder zurückkäme und gesund wäre und alles machen könnte, was Ingeborg und Doris auch machten, dann wäre es bestimmt ganz prima für sie! Nun konnte Jette es kaum erwarten, bis es losging. Je früher sie fahren würde, desto schneller wäre sie bestimmt gesund!
Langeoog 1948, Kinderkurheim „Haus Bodelschwingh“
Frau Jülich begann plötzlich, ihrer Tochter noch etwas mehr Schreiben bzw. Lesen beizubringen, und zwar zwei ganze Sätze: „Es gefällt mir gut“, und „Es gefällt mir überhaupt nicht.“ Solche langen Sätze hatte sie ja in der Schule noch gar nicht gelernt! Sie ging doch erst seit drei Wochen dorthin! Diese beiden Sätze schrieb Frau Jülich getrennt auf zwei Zettel, die sie ganz oben in Jettes Koffer legte mit einem frankierten adressierten Briefumschlag. Nun erklärte sie ihr, dass sie einen von diesen zwei Zetteln nach einer Woche Langeoog abschicken dürfte. Das Wort „gut“ erkannte sie sofort und „nicht“ auch. Da brauchte sie gar nicht viel zu lernen. „Du musst dir aber ein wenig Zeit lassen, mein Kind, und dich eingewöhnen. Nicht gleich nach drei Tagen weinen! Und wenn es Dir mit dem Asthma besser gehen soll, musst Du eigentlich schon die acht Wochen bleiben, das wäre das Beste.“ Das nahm sie sich zu Herzen. Mutti und Papa wussten sowieso immer alles besser. Sie verließ sich auf sie und traute ihnen unendlich.
Ihr kleines Köfferchen war schnell gepackt. Ob sie wohl wirklich einmal in der Nordsee schwimmen würde? Aber es war draußen noch so kalt, dass das wohl nicht passieren würde. Es war fast wie vor ihrem ersten Schultag! In der Nacht vor der Abreise konnte sie vor Aufregung überhaupt nicht schlafen. Mutti hatte ihr ein paar „Bütterchen“ geschmiert, die sie ihr in den kleinen Henkelmann für die Bahnreise legte. Und dann ging es zu Fuß eine halbe Stunde hinunter zum Bahnhof Werdohl. Es standen noch ein paar Familien mit Kindern auf dem Bahnsteig. Es waren etwa vier kleinere Kinder und ein älteres Mädchen. Mutti ging mit Jette zu ihr und machte sich mit ihnen bekannt. Das war also Doris Weber, die etwa 14 Jahre alt war und von der Jettes Mutti schon gesagt hatte, dass sie auch nach Langeoog ins Kinderheim fahre. „Bitte, bitte, Doris, pass gut auf meine ‚kleine Große‘ auf! Ihr werdet euch sicherlich bestens verstehen.“ - „Hast Du denn auch Asthma, Doris?“, fragte sie. Aber sie verneinte. „Ich bin einfach zu dünn!“, sagte sie dann. „Du könntest ein paar von meinen Hasenbroten bekommen. Die schmecken am besten, wenn sie schon ein oder zwei Stunden mit dem Zug gefahren sind. Wenn ich zu meinem Opa nach Sattenhausen fahre, esse ich auch immer erst nach 2 Stunden das erste.“ Aber sie schmunzelte nur.
Und so stand Jette, zusammen mit fünf anderen Kindern aus Werdohl, auf dem Bahnsteig und wartete auf den Zug. Zugfahren konnte sie ganz prima, weil sie schon zu Opa und Oma nach Sattenhausen allein gefahren war. Auf das Schiff, das sie nach Langeoog bringen würde, war sie gespannt. Zum Abschied am Bahnhof konnte sie gar nicht weinen, denn beim Weinen wurde ihr Asthma immer noch schlimmer, genauso ging es ihr beim lauten Lachen. Deshalb war sie in letzter Zeit wohl eher ein gleichbleibend ruhiges, stilles Kind geworden.
Nach einer Tagesfahrt mit dem Zug stiegen sie am frühen Abend auf ein Schiff um, das sie nach Langeoog brachte. Die Schifffahrt war aufregender als alles andere, was sie je erlebt hatte! Sie war noch nie mit einem Schiff gefahren. Eigentlich sah es im „Bauch“, in dem sie alle saßen, so aus wie in einem Zugabteil. Dort standen lange Holzbänke mit Tischen davor. Nur die Fenster waren klein und rund, jedenfalls nicht so wie im Zug. Ob sie wohl alle gut in Langeoog ankommen werden? Jette hatte ein bisschen Angst, als das Schiff anfing zu schaukeln. Aber Doris hielt ihre Hand fest und beschwichtigte sie, dass ein Schiff immer schaukeln und auf den Wellen tanzen würde. „Ich tanze in Gedanken und auch mit meinem Bauch immer mit“, sagte Doris ihr und bewegte sich nach links und nach rechts. Und da machte sie mit und schaukelte dagegen, und schon ging es ihr viel besser. Sie saßen alle auf den langen Bänken und schauten aus den runden Fenstern. Sie sah nur Wasser und Wellen. Und das Wasser leuchtete so grün! Ob sie dann auch so grün aussieht, wenn sie darin schwimmt? Hoffentlich nicht!
Als die Kleinen in Langeoog ankamen, dauerte es eine Weile, bis sie aussteigen durften. Sie gingen über viele schräggestellte Holzplatten. Sie mussten ganz schön aufpassen, dass sie nicht stolperten. Und endlich hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen. Das war auch plötzlich wieder ein ganz komisches Gefühl! Eigentlich wollte sie noch immer schaukeln, aber das ging nun gar nicht mehr. Vom Hafen machten sie alle noch eine kleine Wanderung bis zum Kinderheim. Hier blies der Wind ganz doll, aber auf den Straßen und Bürgersteigen war außer den 20 Kindern niemand zu sehen. Es war ja auch schon spät! Um ihre Köfferchen brauchten sie sich nicht zu kümmern. Die überholten die kleine Fußgängergruppe auf einem Pferdewagen. Die Kinder hatten beim Aussteigen aus dem Schiff gesehen, wie sie abgeladen und auf den Pferdewagen gestellt wurden.
Endlich standen sie vor dem großen Kinderheim. Oben am Haus stand in weißer Schrift: „Haus Bodelschwingh“. Eigentlich hatten Jettes Mutti und Papa immer von einem „Haus Seeruhe“ gesprochen. Aber da, wo die Doris hinging, da sollte bestimmt auch sie hin. Jette ließ sie gar nicht aus den Augen. Zuerst mussten sie sich alle in einem großen Tagesraum versammeln. Dort begrüßte sie ein Pfarrer und ganz viele Kinderschwestern, bestimmt fünf oder sechs. Schwester Hermine war Jettes Kinderschwester. Sie rief vier Kinder auf, unter denen auch sie war, und sagte ihnen, dass sie ihr folgen sollten. „Es geht nämlich jetzt zu den Schlafsälen und anschließend, wenn wir uns eingerichtet haben, gibt es noch etwas zu essen. Dann treffen wir uns genau wieder hier in diesem Tagesraum.“
Jette lief ganz schnell zu Doris, denn sie wollte unbedingt, dass sie in ihrem Schlafzimmer schlief. Die anderen Mädchen kannte sie alle nicht. Sie bat Doris, ob sie Schwester Hermine nicht fragen könnte, ob sie bei ihr schlafen dürfe. Das tat sie und kam mit einem strahlenden Lächeln zurück. Sie durfte es! Für ein paar Tage! Nun half sie Jette oben, ihr kleines Köfferchen auszupacken und die Sachen in den Kleiderschrank zu legen. Und dann half sie ihr auch und reichte ihr die Sachen aus ihrem Koffer. Sie war doch ziemlich glücklich, dass sie die Doris hatte! Danach ging es wieder runter in den Tagesraum, wo sie nur noch eine Tasse „roten“ Tees und ein Butterbrot bekamen. Dann ging es ins Bett, aber vorher noch ins Badezimmer.
Das war riesig groß: So etwas hatte Jette noch nie gesehen! Ein Badezimmer mit acht Waschbecken in der Mitte und acht Toiletten an einer Wand entlang und zwei Badewannen auf den sich gegenüberliegenden schmalen Wänden. So sah also ein Badezimmer in einem Kinderheim aus! Lustig! Dann mussten sie alle noch nach Anweisung der Kinderschwester Hermine eine Katzenwäsche machen und die Zähne putzen. Jette musste lachen und frage ganz laut: „Was ist denn eine Katzenwäsche?“
„Katzenwäsche heißt eigentlich nur, schnell das Gesicht waschen und nicht mehr“, bekam sie zur Antwort. „Und merkt euch auch, wo ihr euer Handtuch hinhängt, denn da muss es immer wieder abgeholt und nach dem Waschen aufgehängt werden. Und den Zahnbecher mit der Zahnbürste und der Zahnpaste stellt ihr bitte auch immer wieder in das gleiche Fach.“
So ging es in den Schlafsaal zu dem Bett, das Jette sich ausgesucht hatte und vor dem ein kleiner Hocker stand. Sie zog sich aus, legte ihre Anziehsachen darauf und schlüpfte in ihr Nachthemd, das sie nach dem Kofferauspacken schon auf ihr Bett gelegt hatte. Es war ein schmiedeeisernes weißes Kinderbett, in das sie über diesen Hocker hineinklettern musste. Die Seiten waren offen, und sie konnte, Gott sei Dank, Doris sehen. Durch die geschwungenen Bögen winkte sie ihr zu, dann faltete sie ihre Hände und betete wie zu Hause das Abendgebet: „Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Augen zu. Vater, lass die Augen Dein über meinem Bettchen sein! Amen.“ Dann zog sie die Bettdecke fast bis über ihren Mund, weil es so kalt war. „Frierst Du auch so, Doris?“, fragte sie sie. Und diese nickte und flüsterte: „Das wird sich bestimmt gleich ändern.“ Damit stieg sie aus ihrem Bett und legte ihr ihr Kopfkissen auf den Bauch. Sie war fast so lieb wie Jettes Mutti. Dann streichelte sie ihr noch die Wange durch die schmiedeeisernen Rosetten und ging wieder zurück in ihr Bett. Ob Jettes Mutti, Papa, Marisa, Heinz-Jürgen, Tante Anneliese und Oma sie wohl vermissen? Und dann schlief sie auch bald ein.
In der Nacht wurde Jette einmal wach und wusste gar nicht so recht, wo sie war. Aber irgendwo schien ein Licht ins Zimmer, und sie sah die vielen Betten um sich herum. Und da wusste sie plötzlich, dass sie im Kinderheim auf Langeoog war. Irgendwo im Schlafsaal hörte sie ein leises Weinen. Sicherlich war sie deshalb aufgewacht. Sie merkte, wie eine Schwester an ihrem Bett vorbeihuschte und in die Ecke lief, woher das leichte Weinen kam. Und dann hörte Jette, wie sie dem Mädchen beruhigende Worte zuflüsterte. Nach kurzer Zeit hörte das leise Weinen auf, und noch eine kleine Weile später huschte die Kinderschwester wieder an ihrem Bett vorbei. Bald darauf war die Kleine auch wieder eingeschlafen.
Der erste Tag im Kinderheim
Geweckt wurde Jette am folgenden Morgen von einem schönen Flötenspiel. Zuerst dachte sie, dass sie träumte! Aber da stand tatsächlich ihre Schwester Hermine mit der Flöte an der Tür und spielte: „Wachet auf, wachet auf, es kräht schon der Hahn.“ Schnell stiegen sie aus ihren Betten, zogen die Hausschuhe an und wollten alle gleichzeitig ins Badezimmer laufen. Aber da kam die Anweisung von Schwester Hermine: „Ihr passt doch nicht alle gleichzeitig ins Badezimmer!“
Sie teilte ihre Schützlinge schnell ein, wer wann ins Badezimmer gehen durfte. Danach kam die große Entscheidung für Jette, was sie denn wohl anziehen sollte. Die Mutti hatte ihr doch immer am Abend vorher ihr Kleid hingelegt! Sollte sie einfach das von gestern anziehen? Und das tat sie einfach und war damit auch zufrieden. Schwester Hermine allerdings nicht! „Na, Jette, da wollen wir mal an deinen Kleiderschrank gehen. Heute Vormittag turnst Du ein wenig und danach steigst Du nach dem Inhalieren in eine Badewanne mit Salzwasser. Deshalb solltest Du lieber den Trainingsanzug anziehen, wenn Du einen mitgebracht hast.“ Sie war ganz stolz, schlüpfte in den dunkelblauen Anzug und stellte sich dann angezogen an ihr Bett. Es dauerte nicht lange, und alle Kleinen gingen über die Treppe nach unten in ihren Tagesraum, wo sie nach dem Morgengebet frühstückten. Es gab zwei Teller dicke Haferflockensuppe mit Milch, und wer mochte, konnte auch noch ein Brot essen.
Flugs ging es zum Turnen in einen kleinen Saal. Na, turnen konnte Jette ja nicht viel, weil sie dann immer ganz außer Atem war, aber sie machten Übungen zum Atmen. Dazu legten sie sich auf den Rücken, legten die Hände auf den Bauch und atmeten ganz doll ein und aus. Das Wichtigste war, dass sie beim Einatmen den Bauch hinausstrecken musste, weil ja Luft in ihren Körper kam. Und sie hatte das immer genau anders herum gemacht. Die Turnlehrerin kam zu Jette und übte mit ihr. Ob sie deswegen Asthma hatte? Sie lächelte, als sie sie fragte, und meinte: „Das kann schon sein. Da musst du von jetzt ab fein aufpassen und auch im Bettchen ein wenig üben, wenn du daran denkst.“
Und ob Jette daran dachte! Immer wieder atmete sie bewusst ein und aus, damit sie das schnell richtig machen konnte.
Hier der Schriftverkehr zwischen Langeoog und Werdohl. Jettes Papa hatte schon die Postkarten vorbereitet und adressiert, damit sie erstens schnell geschrieben werden konnten und zweitens die Kosten für Papier und Porto nicht ans Kinderheim fielen. Jette diktierte ihre Briefe nach Hause entweder der Kinderschwester oder der „großen“ Doris. Jettes Mutti hatte all diese in ihrem kleinen Tagebuch aufbewahrt. Für sie?
Ich bin in Langeoog gut angekommen. Doris war immer bei mir. Jetzt schläft sie bei den großen Mädchen, und ich bin mit elf kleinen Mädchen bei Schwester Hermine. In ihrem Zimmer schlafen noch vier Mädchen. Es gefällt mir hier gut. Heute waren wir spazieren gegangen. Da haben wir viele schwarze und weiße Schäfchen gesehen. Gestern haben wir im Warmbad gebadet. Da habe ich mich ganz allein gewaschen. Die Mädchen waren so lieb. Wir haben auch schon schön gespielt. Viele Grüße von eurer Jette.
Freundl. Grüße Schwester Hermine
Liebe Mutti und lieber Papa! Liebe Marisa! Mir geht es gut, dasselbe ich auch von euch hoffe. Ihr Lieben, ich esse jeden Tag vier Teller leer und noch zwei Butterbrote dazu. Herr und Frau Jülich: Jette hat kein Heimweh, sie war immer munter und fröhlich.
Viele Grüße, Jette und Doris
Morgen hat Jette Geburtstag. Sie freut sich schon sehr und hofft, dass sie morgen Post hat.
Freundliche Grüße, Schwester Hermine
Auch diese Postkarte, wie alle anderen, war von Herrn Jülich vorbereitet. Die obige = Nr. 2 hat wohl Doris für Jette geschrieben: Kinderschrift! Und dieses Mädchen schien wohl sehr gewissenhaft zu sein, denn auf dem Absender hat sie „Haus Seeruhe“ berichtigt! Sie wohnte also im Haus Bodelschwingh! Poststempel: 11.5.1948, 6 Tage nach Jettes 7. Geburtstag
Liebe Mutti u. lieber Papa! Liebe Marisa!
Jette hat sich gut eingelebt und auch schon tüchtig erholt. Mit den Kindern versteht sie sich gut, Heimweh hat sie bis jetzt noch nicht gehabt. Jetzt ist das Wetter herrlich, sie gehen jeden Tag an den Strand und bauen Burgen! Sie ist am liebsten in der Nähe des Wassers. An ihrem Geburtstag hat sie ein kleines grünes Schippchen gefunden; darüber hat sie sich sehr gefreut. Sie trug es mir auf, Ihnen davon zu schreiben. Ihr Päckchen hat sie bekommen und hat sich besonders über die Stundenlutscher und die Bilder in dem Album, die sie erst einen Tag später fand, gefreut. Daraufhin nahm sie ihr inzwischen leer gegessenes Päckchen vor und untersuchte es, in der Hoffnung, noch verborgene Herrlichkeiten zu finden. Sie war aber enttäuscht. Die Karten und den Brief hat sie auch erhalten. Von uns bekam sie auch einige Karten, so dass sie nun schon 8 hat, die sie alle in ihr Album kleben will. Sie steht neben mir und lässt sagen, dass sie dicke Backen hat und gern zum Strand geht. Sie dürfen noch nicht ins Wasser, aber große Jungens sprangen mitten ins Wasser und konnten nicht wieder zurück. Im Sand sackt man ein, man kann aber gut bauen. Schönes Wetter war hier, gestern hatten wir Kuchen. Viele Grüße Jette
Viele Grüße an Marisa, Heinz Jürgen und Tante Elli
Freundliche Grüße Schwester Hermine
Poststempel: 25.5.48
Liebe Mutti, lieber Papa. Wir gehen immer zum Strand und suchen schöne Muscheln. Sonntag waren wir zum Westende, da haben wir Baltrum gesehen. Das Wetter ist hier schön, wir laufen im Sand barfuß. Wir spielen immer schön und bauen Burgen. Baden dürfen wir noch nicht. Ich habe schon im Strandkorb gesessen. Gestern haben wir zur Taufe gesungen. Der Junge vom Pastor wurde getauft, er heißt Heiner. Hoffentlich habe ich heute Post von Mutti. Freut sich Marisa über die schöne Karte? Denkt sie auch an mich? Sie wollte auch immer an das Wasser kommen.
Liebe Grüße von Eurer Jette (selbst gedruckt), Schwester Hermine.
Langeoog, den 31. Mai, 1948
Liebe Mutti, lieber Papa! Mir geht es noch gut. Ich habe schon zugenommen und schon dicke Backen. Hier war es schön. Heute scheint die Sonne wieder.
Über den Brief habe ich mich sehr gefreut. Schreibt immer mit Bleistift, dann kann ich ausradieren und malen oder einen Brief schreiben. Die Grüße von der Klasse erwidere ich. Wenn ich zu Hause bin, kann Doris Burghardt zu mir kommen und mit Marisa spielen. Ich gebe ihr dann auch mein Seilchen zum Springen. Wenn ich wieder in der Schule bin, erzähle ich viel vom Strand, wo man immer so einsackt und die Schuhe voller Sand hat. Am liebsten laufe ich barfuß. Ich suche immer Muscheln, ich habe schon viele schöne. Ein paar bringe ich der Marisa mit. Gestern waren wir ein Stück zum Ostende raufgegangen und haben „Auslandsschalen“ = (Austernschalen) gefunden. Das Wasser machte so viel Schaum wie die Mutti zum Waschen braucht. Wenn der Wind kommt, spritzte es bis zu uns. Der Werner hat den Hedu da hineingeschubst, dass er ganz voll war.
Gestern Mittag gab es das siebte Ei und am Nachmittag schönen Kuchen. Viele Kinder hatten bei uns Durchfall und mussten im Bett bleiben. Ich aber nicht. Da habe ich mich gefreut. Als wir gestern im Kindergottesdienst waren, haben die Insulaner-Kinder ganz laut gelacht, gerade als der Herr Pastor gebetet hat. Das tue ich nicht. – Es war schön, dass Marisa Blumen pflückt. Findet sie auch Veilchen? Ich kann der Mutti keine mitbringen, sie werden welk.
Wir singen auch viel. Immer, wenn wir spazieren gehen, singen wir: „Es blies ein Jäger wohl in sein Horn.“ Auch am Morgen vor der Andacht singen wir ein Lied, am liebsten singe ich „Die güld’ne Sonne“ und „Wer recht in Freuden wandern will“.
Ich will auch keine Lockendreher mehr. Aber auch keine Stundenlutscher, wir sollen keine Päckchen geschickt bekommen. Zu Hause lutsche ich sie lieber. Dann hat Marisa auch einen und hier müssen die anderen zusehen, weil sie nichts bekommen. Ein Blatt mit Buchstaben schicke ich dem Papa schon mit. Sind sie schön geworden?
Viele liebe Grüße an Papa, Mutti, Oma, Marisa, Tante Anneliese, Tante Elli, Gisela, Heinz Jürgen und Christa
von Eurer Jette
Viele Grüße, Schwester Hermine Beer. Ich danke Ihnen für die lieben Zeilen, auch für die Briefumschläge.
Liebe Mutti und lieber Papa! Liebe Marisa!
Jette freut sich jedes Mal über Post. Sie meint, die Christa hat schlecht geschrieben. Sie hätte „gequackelt“. Das Geburtstagspäckchen hat sie erhalten und sich auch über die zahlreichen Karten gefreut. Auch der Brief aus der Klasse kam hier an. Als ich Jette den Brief zeigte und vorlas, erzählte sie mir von jedem Kind. Jette hat auch schon manches Bild gemalt. Leider besitze ich selbst kaum noch Briefumschläge und kann Ihnen die Zettel, auch einige mit Buchstaben beschrieben, nicht schicken.
Ob Marisa noch das schlimme Knie hat? – Hier war es wunderschön, gestern haben die Kinder das erste Mal nur Spielanzüge angehabt, aber nur für 10 Minuten. Barfuß laufen sie schon immer am Strand, was Jette besonderen Spaß macht. Jette isst gut, besonders wenn es ihr schmeckt. Mit dem Brot wird sie nicht so schnell fertig wie mit der Suppe. Dann bekommt sie es später am Strand. Jette möchte ein paar Lockendreher. Das ist nicht notwendig, ich habe es zu ihrer Beruhigung geschrieben.
Viele Grüße Schwester Hermine Grüße von Jette
Liebe Mutti, lieber Papa, liebe Marisa!
Viele Grüße von Eurer Jette. Bald komme ich nach Hause. Holt Mutti mich wieder von Hagen ab? Als sie immer neben dem Zug herlief, musste ich ganz doll lachen. – Das Päckchen habe ich bekommen. Am schönsten schmeckt der Stundenlutscher. Hat Marisa auch einen gehabt oder nur ich? Gestern hatten wir ein Pralinchen und Pflaumen und Kartoffeln. Den Käse mochte ich gestern nicht, er war schimmelig. (Camembert). Milchsuppe esse ich gern, wir hatten schon Datteln und Rosinen. – Viele Grüße und Küsse Eure Jette und Schwester Hermine
Doris Weber lässt herzlich grüßen.
Die Rückseite hatte Jette mit Buchstaben vollgeschrieben. Rück- und Vorderseite waren ausradiert, sodass Jette Papier zum Üben, d. h. zum Schreiben hatte. Das Kinderheim litt unter Papiernot; Herr Jülich hatte Schwester Hermine einige Briefumschläge und Papier geschickt. Das hat Jette einem Brief entnommen, siehe oben. Darüber liest man schnell hinweg.
Werdohl, den 12.6.48
Liebes Jettchen!
Deinen letzten Brief mit den Bildern u. den schön geschriebenen Buchstaben haben wir erhalten. Noch 1 1/2 Wochen bist Du auf Langeoog. Jetzt habt Ihr sehr schönes Wetter und werdet sicherlich auch baden. Hoffentlich bleibt es noch recht lange so warm. Hast Du auch schon gemerkt, dass das Meerwasser salzig ist? Von Opa aus Sattenhausen bekamen wir einen langen Brief. Er schrieb, dass er von dir schon zweimal Post erhalten hat und sich darüber sehr gefreut hat. In den Sommerferien fahren wir ja alle nach Sattenhausen u. dann musst Du Omi und Opa viel von Langeoog erzählen. – Muttel holt Dich von Hagen oder Altena ab. Marisa und Gisela, auch Heinz-Jürgen lassen Dir sagen, dass Du die Muscheln und Austernschalen nicht vergessen möchtest. Nun grüße Schwester Hermine und auch Doris Weber herzlich von uns und sei Du gegrüßt und geküsst von Mutti + Papa + Marisa. Auch Oma, Tante Anneliese, Heinz-Jürgen, Tante Elli und Gisela lassen grüßen.
Wie sehr Jette darauf bedacht war, dass die anderen Kinder im Kinderheim nicht neidisch werden sollten: „Lockendreher“ waren gedrehte Bonbons, denen Marisa und Jette den wundersamen Namen gegeben hatten, und Stundenlutscher waren die großen Bonbons „am Stiel“. Deswegen hatte sie in einem der Briefe geschrieben, dass sie lieber keine solche Süßigkeiten von zu Hause geschickt haben wollte. Sie bekam dann ja nicht genug, um jedem Kind etwas zu geben.
Poststempel: 14.6. 1948
Dieses war die letzte Karte, die Schwester Hermine für Jette nach Hause geschrieben hat.
Liebe Mutti u. lieber Papa! Liebe Marisa!
Wir waren schon im Wasser. Das war schön. Bald komme ich nach Hause. Dann freue ich mich. Wir fahren erst mit dem Inselbähnchen, dann mit dem Schiff und dann mit der Eisenbahn bis zu Hause. Mir geht es gut. Die Marisa soll mal ruhig kommen, meine Butterbrote kann sie alle haben. – Wir lernen viele Lieder und Spiele. Einmal war ich ein Zwerglein und hab aus dem Haus heraus gesehen. Da kamen die großen Riesen aus dem Wald. – Stehen schon die großen Margeriten auf der Wiese? Wenn ich nach Hause komme, pflücke ich der Mutti einen großen Strauß. – Ich spiele gleich mit der Puppe und mit dem Ball von der Helga. Der kleine Werner spielt auch mit. Gleich schreibe ich dem Opa Trescher. Heute habe ich mein Spielhöschen an. Nach dem Mittagsschlaf gehen wir wieder an den Strand. Hat Tante Elli schon Obst gebracht? Wenn ich zu Hause bin, dann erzähle ich viel. Was macht die Marisa? Geht der Papa noch zur Schule? Haben die Kinder viel gelernt? Wir sind mit der Inselbahn gefahren.
Viele Grüße Eure Jette
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