Kitabı oku: «In Your Arms», sayfa 3

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»Werde ich. Schlaf gut.«

»Du auch.«

Ich legte auf – und rief sodann Jan an.



Kapitel 33 – Ein alter Anzug


Die schräg einfallenden Strahlen der untergehenden Sonne ließen die Berggipfel erglühen.

Sie erinnerten Jan an Lizas errötende Wangen, an ihre Lippen, an ihre Körperwärme …

Der durch die sanfte Schwüle bedeutend intensiver duftende würzige Geruch der nah und fern wachsenden Gartenkräuter vermischt mit dem süßen Aroma des Waldes, der Wiesen und der Felder, brachte der liebliche Wind von seiner Reise über die Berge und das Land mit. Er umwehte das Hotel, spielte mit Jans Haaren und sauste dann weiter Richtung Hauptbahnhof. Letzte Bienen und Hummeln machten sich brummend und summend auf den Weg nach Hause. Vereinzelte Schmetterlinge suchten sich ein Quartier für die Nacht.

Jan liebte es, nach getaner Arbeit im Hotelgarten auf der verwitterten rauen Holzbank zu sitzen, dem Abendkonzert der Waldvögel zu lauschen und den Tag damit gebührend ausklingen zu lassen.

Sein Blick glitt über die unzähligen blühenden Heilkräuter, die sich nebeneinander aufreihten und ihre schlanken, buschigen und stacheligen Ranken, Blätter und Zweige eifrig gen Himmel streckten – als versuchten sie, die Schäfchenwolken oder Sterne zu berühren.

Der auf der Hinterseite liegende Garten bestach weder durch Größe noch durch Ordnung. Doch genau darin lag sein unverwechselbarer Charme. Jan und Christof jäteten zwar ab und zu, zerdrückten Läuse oder schnitten zu wild wuchernde Pflanzen zurück – im Großen und Ganzen ließen sie der Natur jedoch freien Lauf. Dies wiederum dankten ihnen nicht bloß die üppig gedeihenden Pflanzen, sondern ebenso deren Mitbewohner.

Marienkäfer, Bienen, Schmetterlinge, Vögel, Würmer, Spinnen – sie alle genossen den duftenden Kräutergarten und hielten Schädlinge weitestgehend in Schach – einzig Ameisen und Läuse schienen allzeit einen Weg zu finden, um sich rasend schnell zu vermehren und die prachtvollen Rosen zu belagern.

Der Gesang der auf der Suche nach einem letzten Abendmahl in der angrenzenden Wiese herumspringenden Amseln zauberte Jan ein Lächeln ins Gesicht.

Wenn es das Paradies tatsächlich gab, dann musste es ein Kräutergarten sein …

»Jan!« Tinas fröhlicher Ausruf seines unbedeutenden Namens zerschnitt die abendliche Ruhe. »Hast du ein bisschen Zeit?«

Er blickte zu ihr hoch.

Ein bezauberndes Lächeln ließ die Braut erstrahlen.

»Aber gewiss doch.« Sachte tätschelte er die Holzbank, oder besser gesagt: den freien Platz neben ihm. »Geselle dich zu mir.«

Ein ihm Gänsehaut auslösender Schelm blitzte in Tinas Augen auf. »Du redest nicht mehr wie ein alter Opa … du redest wie irgendjemand aus Zeiten der industriellen Revolution.« Ihr Blick intensivierte sich sekündlich. »Liegt das etwa an Liza?«

Er schluckte.

War es wahrhaftig derart offensichtlich?

»Ja … ich vermute schon.«

Seitdem er und Liza sich ihre Liebe gestanden hatten, fielen all diese wunderbaren Ausdrücke ihm förmlich aus dem Mund. All die Begriffe, welche er in seinem Roman verwendet hatte – Begriffe, welche er zeit seines Lebens hatte aussprechen wollen, in der Vergangenheit allerdings stets unpässlich erschienen waren, wodurch er sie nicht einmal mit Gewalt über die Lippen hatten bringen können.

»Ihr zwei passt echt fabelhaft zusammen.« Unvermittelt erfasste sie seine Hände. »Aber jetzt zu etwas anderes. Wir müssen unbedingt einkaufen gehen.«

Er zog eine Augenbraue nach unten. »Einkaufen? Was und wozu denn einkaufen?«

Ein exorbitantes Grinsen ihrerseits brachte sein Herz geringfügig aus dem Takt. »Na, für meine Hochzeit. Ich brauche ein Outfit.« Ihr Blick nahm abermals an Vehemenz zu. »Und du brauchst einen schicken Anzug, mein feiner Herr.«

Was?!

»Wie … wo … Aber wäre es nicht besser, wenn du diesen Einkauf mit einer guten Freundin erledigst? Ich vermute, ich werde keine besonders große Hilfe darstellen. Zumal ich über die neuesten Trends in Sachen Hochzeitskleider nicht wirklich Bescheid weiß.«

Mit Trends und Mode kannte er sich ebenso wenig aus wie mit Automobilen, Handwerk und Technik.

Schreibarbeit lag ihm da viel eher – und kochen, oder im Garten arbeiten, spazieren gehen und sich mit Liza vereinigen.

Ihr in Flammen stehendes Gesicht, wenn er sie zwischen den Beinen berührte …

»Jan.« Tinas perlusorisch empört klingende Stimme verscheuchte jegliche auftretenden Erinnerungen und schickte ihm stattdessen eine unangenehme Hitze ins Gesicht.

»An was für unanständige Dinge hast du jetzt schon wieder gedacht?« Das darauffolgende schadenfrohe Kichern bezeugte einmal mehr, wie sehr sein beschämter Umstand sie erbaute. »Ich will ja gar nicht wissen, was ihr alles angestellt habt.«

Akkurat. Das wollte sie sicherlich nicht.

Ein durch die Luft tanzender Zitronenfalter zog Jans gesamte Aufmerksamkeit auf sich.

Wie ein Blütenblatt im Wind flatterte dieses zerbrechliche Geschöpf durch die schwere Abendluft. Nach einigem Hin und Her ließ dieser sich auf eine sich schließende Ringelblume nieder und naschte ein letztes Mal für den heutigen Tag von ihrem köstlichen Nektar.

»Es wird Zeit für frische Ringelblumensalben«, murmelte Jan, einerseits an den wachsähnlichen Geruch von aufkochender Vaseline denkend, andererseits die klebrigen orangefarbenen und gelben Blumen anblickend, welche sich wie ein überdimensionales Kissen neben dem dunkelrot blühenden Rosenstrauch ausgebreitet hatten. »Die Regenschauer müssen bloß einmal längere Zeit ausfallen, dann könnte ich fünf oder sechs Tiegel Salbe machen.«

»Zuerst gehen wir aber einkaufen.«

Sein Blick schweifte zu seiner besten Freundin zurück. »Mit solchen Dingen kenne ich mich wirklich kein bisschen aus.«

Darüber hinaus besaß er einen ihm wie angegossen passenden eleganten Anzug.

Seine rothaarige Kollegin klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Das muss es auch nicht. Dafür kenne ich mich ja aus. Und deswegen wirst du mit mir einen Anzug kaufen gehen. Weiß der Teufel, was du dir andrehen lässt, wenn ich nicht dabei bin.«

Was sollte denn diese Anspielung …?

»Bisher vermochte ich es stets, mein Gewand alleine auszusuchen.« Er konnte sich nicht erinnern, jemals irgendetwas Unpässliches erstanden zu haben. »Du hast meinen Anzug doch gesehen.«

»Dein Arbeitsgewand?«

»Nein … mein schwarzer Anzug.«

Sie überlegte fieberhaft. Dies war gut an ihrem hochwandernden Blick wie den schürzenden Lippen zu erkennen.

»Ah!« Sie streckte den Zeigefinger in die Höhe. »Du meinst den alten Fetzen aus den Neunzigerjahren?«

Himmelherrgottsakrament!

»Solchermaßen alt ist er nicht!«

Sie warf ihm einen Bist-du-dir-wirklich-ganz-ganz-sicher-Blick zu. »Der Schnitt ist alt, der Stoff ist alt, alles ist alt.«

»Jetzt hör mir aber auf! Diesen habe ich mir in meiner Zeit als Schriftsteller gekauft.«

Und seiner Mutter hatte dieser ausgesprochen gut gefallen. Selbst Janina war hin und weg gewesen – und das mochte etwas heißen!

»Das war vor ungefähr zehn Jahren«, nörgelte seine beste Freundin. »Also schon vor einer halben Ewigkeit.«

»Nein«, korrigierte er. »Acht.«

»Na siehst du!« Tina machte eine ausladende Geste. »Dann wird es allerhöchste Zeit! Du musst für Liza doch hübsch aussehen.«

»Dafür reicht mein normaler Anzug.«

Weshalb neues Gewand kaufen, wenn das alte noch so gut wie neu aussah?

»Willst du mich etwa absichtlich beschämen?«

Ihr gekränkter Gesichtsausdruck schmerzte ihm in der Seele.

Grundgütiger!

Was hatte er nur wieder angestellt?!

»Nein … selbstverständlich nicht.« Kälte glitt ihm in die Extremitäten. »Ich … ich wollte lediglich –«

Ein mildes Lächeln ihrerseits brachte seinem aufgebrachten Herzen sanfte Erleichterung. »Ich will dir doch bloß etwas Gutes tun. Jack hat gerne eingewilligt, dir einen Anzug zu kaufen. Du brauchst also kein schlechtes Gewissen haben … sollte es darum gehen.«

Sie hatte ihn auf frischer Tat ertappt.

»Aber ein Anzug ist teuer«, protestierte er leise. »Meinetwegen brauchst du dich nicht in Unkosten zu stürzen.«

»Unkosten!« Kopfschüttelnd machte sie eine wegwerfende Handbewegung. »Jan, das sind doch keine Unkosten. Wir sind Freunde. Außerdem verdient Jack genug, um einen weiteren Anzug zu kaufen.«

»Das ist mir dennoch peinlich.«

»Braucht es aber nicht.« Mit ihrem Finger stupste sie ihm liebevoll auf die Nasenspitze. »Du bekommst einen superklasse Anzug. So wie James Bond … oder Jack Reacher.«

Jetzt wurde es wunderlich.

»Jack Reacher? Der besitzt lediglich ein Hemd, eine Hose und eine zusammenklappbare Zahnbürste.«

Sie grinste. »Na, passt doch umso besser zu dir – du Purist.«

Herrgott!

»Das stimmt gar nicht.«

»Teilweise schon.«

Teilweise?

»Was willst du damit andeuten?«

»Seitdem ich dich kenne, habe ich dich immer nur in deinem Arbeitsoutfit gesehen. Besitzt du überhaupt etwas anderes, als die Kellnerkluft und deinen uralten Beerdigungsanzug?«

»Himmelherrgott!« Er erhob sich. »Was willst du eigentlich? Mich necken oder mit mir reden?«

Manchmal war Tina unmöglich.

Etwas Ähnliches wie Reue huschte kurzzeitig über ihr strahlendes Gesicht. »Es tut mir leid.« Sie stand ebenfalls auf und trat zu ihm. »Ich wollte dich bloß ein wenig ärgern.«

»Dachte ich mir.« Seufzend drehte er sich zum duftenden Garten. »Natürlich besitze ich mehrere Kleidungsstücke. Aber wann hätte ich sie anziehen sollen? Die meiste Zeit arbeite ich – und eine Beziehung hatte ich in all den Jahren nicht. Wozu also ein Freizeitoutfit überstreifen, wenn ich nirgendwo hingehe?«

»Aber nun hast du Liza. Und es ist meine Hochzeit. Da will ich dich tipptop angezogen an meiner Seite haben. Wie ein Model.«

Was hatte alle Welt seit Neuestem damit, ihn als Model zu titulieren?

Bis vor einer Woche hatte er ein einsames Dasein gefristet. Von Theo und den Hotelbediensteten einmal abgesehen, hatten Personen ihn durchgehend ignoriert – Frauen im Besonderen, Männer und Kinder im Allgemeinen.

»Ich sehe nie wie ein Model aus.« Für das nette – dennoch nicht korrekte – Kompliment ihr ein dankbares Lächeln zuwerfend rieb er sich die Augen. »Aber wenn es dir eine solche Freude bereitet, bin ich gerne gewillt, mit dir einkaufen zu gehen. Schließlich sind wir beste Freunde.«

Sie nahm ihn in eine innigliche Umarmung. »Ganz genau. Und darum lass dich von mir einladen.«

Dankbarkeit und zage Verunsicherung bescherten ihm warme Wangen. »Danke dir.«

»Und wie geht es Liza eigentlich in der Arbeit?« Tina machte einen Schritt zurück. »Läuft es noch immer gut?«

Er hatte Tina ein wenig über Lizas Mobbingprobleme berichtet. Nicht sämtliche Geschichten, vor allem nicht diejenigen aus ihrer weit zurückliegenden Vergangenheit, dafür einige Geschehnisse der letzten Monate.

»Ja, sie setzte sich das erste Mal gegen ihre Kollegin durch. Und diese besagte Kollegin meidet Liza nun.«

»Das klingt ja großartig!«

Gemeinsam ließen sie sich wieder auf die von der bereits untergegangenen Abendsonne erwärmte Holzbank nieder.

»Hoffentlich wird die Situation sich noch weiter verbessern.«

Liza sollte jeden Tag mit einem guten Gefühl in die Arbeit fahren dürfen.

Ein jeder Mensch sollte dies.

»Ganz bestimmt!« In typisch fröhlicher Tina-Manier warf sie ihm ein schier explodierendes Grinsen zu – umrahmt von roten Lippen und zwei niedlichen Grübchen. »Weil Glück in der Luft liegt.«

Er lächelte zurück. »Da hast du zweifelsohne recht.«

»Natürlich habe ich das«, erwiderte sie frech. »Schließlich werde ich bald heiraten. Ich. Die abgedrehte Tina, die Männern höchstens auf die Nerven geht.«

»Dermaßen schlimm bist du wirklich nicht«, gab er kichernd zurück. »Manchmal ein wenig ungestüm, aber sicherlich nicht nervig.«

Es folgte ein weiterer Bist-du-dir-wirklich-ganz-ganz-sicher-Blick. »Manchmal strapaziere ich eure Nerven schon gewaltig.« Ihrem darauffolgenden erheiterten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien sie sich an diesem Umstand nicht wirklich zu stören. »Aber ohne mich wär’s auch ziemlich langweilig.«

Er wusste nicht, ob oder wie er auf diese Äußerungen reagieren sollte. Immerhin wollte er sie weder beleidigen noch verletzen. Aus diesem Grunde schwenkte er ganz ungeniert in eine andere Richtung. »Wie sieht es überhaupt mit dem Hochzeitsessen aus? Habt ihr euch entschieden?«

Laut Tinas Angaben standen Lammfleisch in Sauerrahmsoße, gebackener oder gebratener Hecht, Geflügelrollbraten, Grillspieße mit Scampi sowie Rindsbraten zur Auswahl.

»Wir haben uns darauf geeinigt, alle Speisen anzubieten. Gerade weil es heutzutage viele Allergiker gibt, dachten wir, dass eine große Auswahl da besser ist.«

»Tolle Idee.« Er strich sich einige von einer Windböe ins Gesicht gewehten Haarsträhnen zurück. »Aber dann fehlt euch ein vegetarisches Menü.«

»Ich wäre ja nicht Tina, wenn ich nicht auch daran gedacht hätte, oder?«

Kichernd schüttelte er den Kopf. »Wo denke ich nur hin?«

»Für eventuelle Veganer«, erklärte sie mit Stolz geschwelter Brust. »Gibt es einen Gemüseauflauf – ohne Milch aber dafür mit Soja und Tofu.« Sie krauste die Stirn. »Was so viel wie das Gleiche ist … Wie kann man so etwas nur hinunterwürgen?«

Er lachte.

Ja, das fragte er sich manchmal ebenfalls. Gesunde Ernährung schön und gut, doch ab und an einmal etwas Fleisch, Fisch und Eier gehörten genauso zu einer ausgewogenen Mahlzeit, wie Gemüse, Obst und Dinkelbrot.

»Und was habt ihr euch als Nachspeise ausgedacht?«

»Pudding, Eis, verschiedenste Torten und Fruchtschalen garniert mit Schokosoße.«

Solch köstliche Speisen!

»Jetzt werde ich hungrig.«

Glucksend rieb Tina sich den Bauch. »Das wird ein einziges großes Fressen!«

Jans klingelndes Handy unterbrach die vergnügliche Unterhaltung.

Liza, schoss es ihm sofort in den Kopf. Das muss Liza sein.

Mit prickelnden Wangen griff er nach dem neben sich liegenden Telefon.

»Ist das dein Herzblatt?«, vermutete Tina richtig.

Er nickte ihr entschuldigend zu. »Ja, kann ich –« Er deutete auf das Handy.

»Natürlich, natürlich …« Beschwingt und breit lächelnd hüpfte Tina von der Bank. »Richte ihr einen Gruß aus – und redet nicht zu viel unanständiges Zeugs.« Ein letztes Zuzwinkern folgte, dann war sie verschwunden.

Unanständiges Zeugs …

Dies taten sie ohnehin nicht durchs Telefon – bestenfalls wenn sie sich in den Armen hielten.

Andererseits … die Gespräche über ihre gemeinsame Zeit und den langen Stunden im Bett waren auch nicht eben unschuldig ausgefallen …

Kitzelnde Schmetterlingsschwärme im Bauch spürend hob er ab – und Lizas liebliche Stimme erklang. »Hallo, meine Seelenhälfte. Wie geht es dir?«

Wie jedes Mal fühlte er sich schlagartig um unzählige Tonnen Geröll erleichtert.

»Ich vermisse dich gar so sehr«, gestand er seufzend. »Eine jede vermaledeite Sekunde.«

Noch nie zuvor in seinem Leben hatte seine Sehnsucht derart schmerzhafte Ausmaße angenommen, wie es bei Liza der Fall war. Jeder Atemzug, jeder Schlag seines Herzens war gefüllt mit Erinnerungen an diese wundervollen Tage des baren Glückes. Sobald er die Lider schloss, fühlte er ihre Lippen auf seinen, spürte die Hitze ihres Körpers, sah ihre ihn demütig musternden Augen, hörte ihre verhaltenen Seufzer …

»Nur noch eine Nacht schlafen«, erwiderte seine Traumfrau erheitert. »Dann sehen wir uns.«

»Gott sei Dank!«

Seine vor Melodramatik triefende Äußerung entlockte ihr ein herzhaftes Lachen. »Ich habe meinen Eltern Bescheid gegeben, dass wir um die Mittagszeit ankommen. Das passt, oder?«

Frisches Glück rauschte ihm durch die Adern.

Und wie dies passte!

Dann durften er und Liza sich für die Autofahrt genügend Zeit lassen, was bedeutete: kurze Stopps für lange Küsse, und womöglich sogar mehr …

Sein Herz machte einen Sprung – seine Männlichkeit regte sich unwillkürlich.

»Fabelhaft, meine Teure.« Sein Blick glitt über den dämmernden dunkelroten Abendhimmel. »Ich kann es kaum erwarten.«

Das Zusammentreffen mit ihren Eltern ebenso wenig wie eine neue gemeinsame Nacht gefüllt mit leidenschaftlichen Liebesspielen, intimen Gesprächen, zärtlichen Küssen …

Konnte sein Leben noch besser werden?



Kapitel 34 – Schwiegersohn in spe


Was sollte ich anziehen? Was würde Jan mehr gefallen?

Das kurze schwarze Cocktailkleid oder das bunte Glockenkleid?

Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für das Bunte. Erstens fühlte ich mich durch die kräftigen Farben gleich doppelt fröhlich. Zweitens liebte ich den weichen Stoff. Und drittens besaß ich farblich dazu passende flache Schuhe, welche sich für einen möglichen Spaziergang im Walde weitaus besser eigneten als Highheels.

Flott zog ich mich an, fasste nach meiner großen cremefarbenen Handtasche, in welcher ich frische Unterwäsche, Duschgel und eine Zahnbürste gesteckt hatte, und eilte hinunter zum Parkplatz.

Die frühe Sonne lachte von einem stahlblauen Himmel. Sperlinge schimpften gut versteckt in Büschen und Bäumen. Der meine Nerven seit jeher schnell überstrapazierende Lärm tobender Kinder hallte vom gegenüberliegenden Spielplatz herüber zu mir – und entlockte mir ein Lächeln.

Seufzend ließ ich mich auf den Fahrersitz nieder.

Das erste Mal fühlte ich mich glücklich wie ein Kind – sorglos, leicht und frei.

Vorfreude.

Dergestalt heftig wie heute hatte ich sie jahrelang nicht mehr empfunden.

Würde sie halten, was sie mir versprach?

Wenn ich Jan in die Arme schließen durfte, würde das Gefühl der Liebe sich gleich anfühlen, wie während unseres Abschieds, während unseres Wochenendes, während unserer mit berauschender Leidenschaft genährten Nächte?

Würde Jan mich mit denselben leuchtenden Augen anblicken? Würde er mir ein liebliches »meine Teure« zuraunen und mich inniglich küssen?

Nicht selten hatte ich die letzten Tage gezweifelt und gebangt.

Ein solch wunderschönes Wochenende … Konnte eine derartige Zeit sich überhaupt wiederholen?

Ich verdrängte sämtliches Misstrauen, startete durch und fuhr los.

Nach einer zweistündigen Fahrt, welche gefüllt war mit actionreicher Trailermusic, vielen Traktoren und ungleich mehreren Radfahrern erreichte ich das Hotel dennoch eine Stunde zu früh.

Im ersten Augenblick hätte ich es beinahe nicht mehr wiedererkannt, dergestalt anders sah es aus ohne Schnee und Weihnachtsbeleuchtung.

Dutzende die Parkplätze umsäumende Rosensträucher stellten ihre bunte Blütenpracht stattlich und frech zur Schau. Dichter dunkelgrüner Efeu bedeckte den gesamten Sockel sowie Teile der dunkelbraunen Holzfassade. Und Balkonpflanzen, welche von geschnitzten Blumenkästen unter einem jeden Fenster Richtung Boden wuchsen und opulente tellergroßen Blüten trugen, schenkten dem urigen Gebäude eine zusätzliche familiäre Note.

Mit wildem Herzen parkte ich den Wagen in die letzte freie Parklücke und stieg aus.

Was würden die Bediensteten von mir halten? Würden sie mich hassen? Würden sie mich ignorieren? Derart unverschämt, wie ich abgereist war, hätte ich es verstanden, wenn niemand mehr sich mit mir unterhalten wollte …

Meine Hand auf der Türklinke der schweren Holztüre ruhend atmete ich einmal tief ein und aus und ordnete meine Gedanken.

Was brachte es, mir den Kopf zu zerbrechen? Ich konnte ohnehin nur abwarten und auf das Beste hoffen. Zudem würde Jan bei mir sein. Somit durfte nicht viel schiefgehen, oder?

Andererseits gab es da noch Tina. Sie würde mich ganz gewiss nicht ungeschoren davonkommen lassen …

Ich atmete abermals durch, drückte die Klinke nach unten und trat ein.

Der Eingangsbereich mitsamt seinem Holz-Vanille-Duft hatte sich kein bisschen verändert. Und wie an jenem Abend im Januar stand Michi auch heute hinter der Rezeption. Doch im Gegensatz zu unserer ersten Begegnung erhellte seine Miene sich schlagartig, alsbald er sich meiner gewahr wurde.

»Liza!« Seine fröhliche Erwähnung meines Namens trat eine Flut an Gewissensbissen los, welche mir schmerzhaft den Magen zusammenkrampften. »Schön, dich zu sehen. Jan ist noch in seinem Zimmer. Aber bestimmt ist er bald fertig.«

Weder erkannte ich Anzeichen von Wut oder Verärgerung noch von Vorwürfen oder Argwohn – nicht einmal ein angedeuteter schiefer Blick entfuhr ihm.

Das hatte ich fürwahr nicht verdient!

Lächelnd trat der dunkelhaarige junge Mann zu mir und reichte mir die Hand, welche ich sodann ergriff.

»Wir haben schon vermutet, du würdest uns nie mehr besuchen.«

»Nun … ja …« Stotternd wie peinlich berührt ob der Richtigkeit seiner angedeuteten Vermutung, versuchte ich eine passende Antwort zu geben. »Ich hätte auch nicht gedacht, heute hier zu stehen.«

Etwas schönreden, herunterspielen oder eine Lüge aussprechen – dies machte keinen Sinn mehr.

Fakt war: Wäre ich mit Jan nicht zusammengekommen, hätte ich dem Hotel niemals mehr einen Besuch abgestattet – und dazu sollte ich stehen, wenn ich noch einen restlichen Funken Anstand in mir trug.

»Umso schöner ist es, dich endlich wiederzusehen.«

Ich zuckte zusammen.

Eine beschleunigte Herzfrequenz, leichte Atemnot und ein abrupt beginnendes Rauschen in den Ohren wurden von meinen blank liegenden Nerven gleichermaßen ausgelöst wie ein unmöglich zu unterdrückendes Zittern der Knie.

Manfred.

Hatte er sich anprangernd angehört? Oder etwa angenervt? Brüskiert?

Ich konnte mich nicht mehr erinnern …

Mit beträchtlich härterem Herzklopfen drehte ich mich zum Hotelbesitzer um.

Fröhliche Augen, rosa Wangen, ein herzliches Lächeln – Manfreds rundliches Gesicht strahlte wie eine Sonne. Seine gute Laune schien geradezu greifbar.

Welch Glück für Jan, einen solchen wunderbaren Menschen als Chef haben zu dürfen!

»Ich bin mir aber sicher«, sprach Herr Weiß vergnügt weiter. »Du hättest nicht mehr bei uns vorbeigeschaut, wenn Jan nicht gewesen wäre, nicht?«

Er hatte wie immer recht.

Schuldgefühle versetzt mit Scham sekündlich in mir anwachsend schüttelte ich seine Hand. »Ja, höchstwahrscheinlich.«

Jäh wurden seine Züge strenger – und mein Magen verwandelte sich in ein Felstrumm sondergleichen.

»Wie geht es dir? Fühlst du dich besser?«

Wie?

Ich blinzelte.

Keine Schelte? Keine weiteren Anmerkungen? Keine Stichelei?

Eine leichte Gänsehaut jagte mir über den Rücken hinweg bis in den Haaransatz. »Ich … ja … warum?«

Hatte Jan ihm etwa von meinen Schwierigkeiten erzählt?

Und wenn er dies tatsächlich getan hatte … weshalb? Immerhin würde ich Jans vergangene Probleme ebenso wenig zur Sprache bringen wie seine Gewitterangst. Darüber hinaus –

»Gehen wir in mein Büro«, unterbrach der Hotelbesitzer meine rasenden Gedanken. »Dort können wir uns etwas ausführlich unterhalten.«

Bevor wir uns in Bewegung setzten, trug er Michi noch auf, Jan nachzuschicken, sobald dieser im Foyer auftauchte.

Von alldem nahm ich jedoch bloß am Rande Notiz.

Ich fühlte mich zu aufgekratzt, zu schuldig, zu verwirrt, zu … allmählich einem Nervenzusammenbruch nahe.

Was war hier los? Worauf spielte Manfred an?

Alsbald ich mich auf den weich gepolsterten mit dem eingeschnitzten Edelweiß auf der Rückenlehne prangenden Sessel niedergelassen hatte, beäugte Manfred mich eindringlich.

»Du denkst, Jan hätte mir brühwarm jegliche Dinge aus deinem Leben erzählt, nicht?«

Himmel!

Manchmal schien Manfred tatsächlich Gedanken lesen zu können.

»Nun –« Mich ertappt fühlend strich ich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »… ja.«

Seine Lippen formten ein sanftes Lächeln, welches meine Nervosität unseligerweise keinen Prozentsatz zu senken gelang. »Um bei der Wahrheit zu bleiben: Ja, er hat mir davon erzählt. Aber nur aus dem Grund, weil ich ihn darum gebeten habe.«

Was?!

Weshalb wollte Manfred über mein Wohlergehen Bescheid wissen? Er kannte mich nicht, wusste nichts über mich. Wir waren uns gänzlich fremd.

Was hatte dies zu bedeuten?

»Ich habe Erfahrung mit Depressionen.«

Seine unerwartete Äußerung war vergleichbar mit einem Schlag ins Gesicht.

Weshalb ich solchermaßen bestürzt empfand, verstand ich allerdings nicht.

»Ich kenne die Anzeichen. Bei dir habe ich sie schon gesehen, als du weggefahren bist … Es war sehr heftig damals, nicht?«

Ich hatte meine schwere Not damit, nicht sofort in Tränen auszubrechen. Zum einen lag dies an der hereinbrechenden Erkenntnis, doch nicht jedem gleichgültig zu sein, zum anderen an Manfreds bedeutungsschweren Worten selbst, welche sämtliche Seelenschmerzen der letzten Jahre mit einem einzigen unscheinbaren Satz Form verliehen.

»Ja«, würgte ich nach einigen Momenten hervor. »Es war schlimm.«

Zu schlimm. Fürchterlich schlimm. Die Hölle auf Erden.

»Und wie geht es dir jetzt? Ist das Gefühl der Bedrückung noch immer präsent?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nahezu verschwunden.«

Manfreds Gesicht begann aufs Neue zu leuchten. »Das sind ja wunderbare Nachrichten!«

Und ich hoffte inständig, solche Seelenschmerzen niemals mehr empfinden zu müssen.

Meine Nerven sich zögerlich entspannend nickte ich ihm zu. »Doch das habe ich alles nur Jan zu verdanken … und dir –«

Ein Klopfen an der Tür veranlasste mich, innezuhalten und mich umzudrehen.

Alsbald Manfred ein »Herein« verkündet hatte, öffnete sich die Holztür mit bedächtiger Ruhe – und ein überglücklicher nach mir Ausschau haltender Jan betrat das Büro. Unbändige Freude und Neugier in seinen Augen wurde miteins von Liebe, Bewunderung und Erleichterung verdrängt. Seine Emotionen brauchten nicht lange, bis sie den Raum, meinen Körper und letztlich meine Seele und meinen Geist überschwemmten.

Was mich für die ersten Sekunden vollends lähmte, waren jedoch weniger Jans Emotionen denn vielmehr sein unglaublicher Anblick.

Ein cremefarbenes lockeres Hemd, darüber eine pechschwarze mit anthrazitfarbenen feinen Linien versehene verschlossene eng anliegende Weste, eine schwarze Hose mit denselbem Muster sowie glänzend schwarze Schuhe – daraus waren meine sinnlichsten Träume gemacht.

Die Haare trug er locker zurückgekämmt. Dennoch hatten ein paar goldbraune Strähnen sich gelöst, welche ihm nun frech verspielt über die Stirn hingen.

Nachdem ich mich halbwegs gefangen hatte, sprang ich ohne weiter darüber nachzudenken aus dem Stuhl hoch und fiel ihm in die Arme.

»Ich dachte eine jede einzelne Minute an dich«, hörte ich ihn raunen. »Wie geht es dir?«

Betäubt durch seine Gegenwart war es mir unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Daher tat ich das einzig Vernünftige und drückte mein Gesicht an seine Brust, sog den frischen Duft seines Aftershaves tief ein, ließ sämtliche seiner Emotionen meine Seele erhellen.

Ich war so dankbar.

Nichts hatte sich geändert.

Meine Ängste waren vollkommen unbegründet gewesen.

Nach wie vor liebte er mich auf diese wundervolle Weise.

»Einerseits ist die Zeit so schnell vergangen«, gelang es mir irgendwann atemlos zu wispern. »Andererseits kommen mir diese fünf Tage im Nachhinein wie eine Ewigkeit vor.«

»Mir erging es nicht anders.« Um mir in die Augen sehen zu können, zog er mich ein kleines Stück zurück.

Und was ich da erkannte, löste heißkalte mich zum Beben bringende Schauer aus – und den Wunsch, ihn zu küssen, zu liebkosen, mit ihm alleine zu sein, um all die sinnlichen Dinge zu tun, die wir letztes Wochenende getan hatten.

Zärtlichst glitten seine zierlichen Hände durch mein Haar – sie schenkten mir Adrenalin wie aus Erregung entstandene Müdigkeit, Liebe und Geborgenheit. »Umso glücklicher fühle ich mich, nun zu deinen Eltern zu fahren. Ich bin unheimlich gespannt, sie kennenzulernen.« Diese Worte gesprochen hauchte er mir einen kurzen Kuss auf meine ihn sehnlichst vermissenden Lippen.

»Ihr dürft euch ruhig richtig küssen«, vernahm ich Manfreds heitere Stimme in meinem Rücken.

Himmelherrgott!

Ich hatte den Hotelbesitzer komplett vergessen …

Mit brennenden Wangen und turbulentem Herzschlag drehte ich mich zu ihm um.

»Dürfen wir –« Ein ungewolltes Schlucken hinderte mich daran, fortzufahren.

»Natürlich dürft ihr!«, erwiderte er lachend.

»Nein … ich meine –« Nach Atem und Begriffen ringend versuchte ich weiterzusprechen. »Ich meinte: Dürfen wir losfahren? … Oder gibt es noch etwas Wichtiges zu besprechen?«

»Jan hat heute frei. Und du arbeitest nicht mehr für mich.« Seine Lippen formten ein gigantisches Lächeln. »Ihr könnt also gehen, wann und wohin ihr wollt.«

»Vielen Dank.«

Jan hakte sich bei mir ein. »Und ich danke vielmals für den Urlaub.«

»Keine Ursache.« Manfreds Augen zeigten einen unheilvollen Glanz. »Aber jetzt geht nur … genießt die Stunden der Zweisamkeit.«

Eine neue Hitzewelle über mich hereinbrechend zog Jan mich aus dem Zimmer. Sobald er die Tür geschlossen hatte, ließ er von mir ab, um mein Gesicht zu umfassen und mich ein weiteres Mal intensiv zu betrachten.

Würde er mich nun richtig küssen?

Nichts begehrte ich mehr. Einzig ihn – seine Lippen, seine Zunge, seine Liebe, seinen Körper …

Diese wunderschönen hellgrünen Augen, die hellbraunen sanft geschwungenen Augenbrauen, das elysische Gesicht, die blassrosa Lippen … errötende Wangen, liebliches Lächeln … Gleich würde es soweit sein – gleich würden unsere Lippen sich berühren, unsere Zungen sich necken, unsere Körper sich aneinanderschmiegen.

»Übernachten wir hier oder bei deinen Eltern?«

Wie?

Blinzelnd versuchte ich seine Frage zu verstehen.

Vergeblich.

»Liza?« Mit Entzücken durfte ich beobachten, wie seine rechte Augenbraue sich nach unten zog.

Ich atmete tief ein. »Was … was meinst du?«

Ein lieblich-verschmitztes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. »Ich wollte bloß wissen, ob wir hier im Hotel oder bei deinen Eltern übernachten.«

Allmählich vermochten seine Worte es in meinen Verstand vorzudringen.

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