Kitabı oku: «Mirabella und die Neun Welten», sayfa 3
3 - FLÜGELPFERDE IN NOT
„Interessante Trainingsstunde…“, meinte Nikolaos grinsend.
„Du wolltest doch immer Abenteuer erleben!“, gab Mirabella zurück. „Das ist doch besser als Dixon Hill oder Blood Bowl?“
Nikolaos lachte. „Viel besser!“ Er wollte Mirabella den Anhänger aushändigen, als er in der Bewegung innehielt. „Darf ich mir den vielleicht ausborgen, bis meiner repariert ist? Ich bringe ihn so schnell wie möglich zu dir.“
Sie zögerte etwas. Ohne Jupiters Haar würde sie vielleicht den Olymp nicht betreten können, leichte Panik stieg in ihr hoch, dann nickte sie aber.
„Klar, ich habe ja noch das Armband, mit dem ich reisen kann.“
„Danke!“ er lächelte erleichtert. „Was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?“, fiel ihm dann ein.
Mirabella wurde morgen fünfzehn. „Meine Eltern haben eine Überraschung für mich.“
Nikolaos nickte lächelnd. „Hast du jetzt noch Zeit? Wir könnten ein echt italienisches Eis essen.“
„Das wäre…“ In dem Moment stand Minerva vor ihnen. Sie hatte den Lehrplan für die Jugendlichen letztes Jahr gestaltet und die meisten Unterrichtseinheiten übernommen. Ihre menschliche Erscheinungsform entsprach der römischen Göttin der Weisheit mit streng hochgestecktem dunklem Haar. Trotz ihrer offiziellen Jungfräulichkeit trug sie meist eine lange Stola über der kurzen Tunika. Ihr Antlitz war schön, es fehlte jedoch jegliches Weiche, Sanfte in ihrer Erscheinung. Auf Helm, Speer und Schild verzichtete sie oft, doch Athena, ihr kleiner Steinkauz, saß meist auf ihrer Schulter, so auch heute. „Guten Abend ihr beiden, was macht ihr denn hier?“
„Lange Geschichte…“, winkte Nikolaos ab.
„Ich möchte sie trotzdem hören“, insistierte Minerva mit erhobener Augenbraue.
Mirabella schilderte von ihrer Absicht gemeinsam zu trainieren, den Energieproblemen im Olymp und dem Angebot von Mars.
„Unverantwortlich!“, sagte Minerva kopfschüttelnd. „Ich werde mal wieder ein ernstes Wort mit Mars sprechen müssen. Wahrscheinlich hat er euch auch noch im Gebiet der Riesen ausgesetzt?“
„Zumindest sind wir auf unserer Flucht vor den Wildschweinen in einer Riesenhöhle gelandet, daher haben wir uns auch hierher teleportiert.“
„Wildschweinen?“
„Sie sahen so ähnlich aus, aber größer und wilder…“
„Und fleischfressend“, ergänzte Nikolaos. Minerva nickte und schüttelte erneut verärgert den Kopf.
„Davor konnten wir aber Aikido trainieren. Oh, da fällt mir ein. Wir haben eine Jakla getroffen, der habe ich Kühe versprochen. Könntest du das Diana ausrichten…“
Minerva zeigte ihr seltenes Lächeln, das strenge Gesicht wirkte gleich wesentlich liebreizender. „Du kannst ihr das selbst sagen. Wir müssen jetzt sowieso zum Treffen.“
In diesem Moment fing Mirabellas Mond an zu leuchten. Sie hatte gerade noch Zeit, Nikolaos zu winken, dann stand sie schon im Diana- Tempel auf dem Aventin Hügel, einem der sieben Hügel Roms, ein paar Kilometer weiter.
„Guten Abend“, grüßte Diana, die Göttin der Jagd. Sie trug eine kurze Tunika, ebenfalls hochgesteckte, mit goldenen Bändern gehaltene blonde Haare. Ihre Schulter zierte ein Bogen, ihr Markenzeichen, an ihrer Seite stand eine kleine braune Hirschkuh, die Mirabella mit sanften Augen anblickte. Die beiden Göttinnen berührten sich zur Begrüßung kurz mit den Fingerspitzen, es kam Mirabella vor, als würde Energie bei der Berührung fließen.
Im nächsten Moment traf Vesta ein. Sie trug ebenfalls eine Stola und ein Tuch über dem Kopf, ähnlich wie Inderinnen ihren Sari drapieren, wenn der Kopf bedeckt sein soll, oder wie die heilige Maria dargestellt wird. Ihre schulterlangen gelockten dunklen Haare mit dem Pony umrandeten das schöne nicht mehr jugendliche Gesicht. Sie nickte allen freundlich zu, schenkte Mirabella sogar ein Lächeln. Wenn Mirabella eine Eigenschaft zu Vesta einfiel, dann war es Güte. Vielleicht würde sie ihr Urteil auch revidieren müssen, wenn sie Vesta mal in Verhandlungen mit dem Norden gesehen haben würde, wahrscheinlich konnte sie durchaus hart verhandeln. Sie genoss das Vertrauen der Götter, den Kurs zu bestimmen und war auch für die Bewachung der Zwillingsstatue zuständig, sie war sicher eine harte und schwierige Gegnerin, vor allem aber fand Mirabella sie weise und besonnen. Minerva war klug und gebildet, aber geriet leicht in Zorn, etwas, dass sich Mirabella bei Vesta überhaupt nicht vorstellen konnte.
„Nun, Diana, du hast uns gerufen, welches ist unsere Mission heute?“, fragte Vesta geduldig.
„Ich dachte, wir besuchen die Pterippus“, Mirabella lächelte bei Erwähnung der Flügelpferde erfreut, „Apoll sagte mir, die Pflanzen würden sich langsam erholen, aber die Pferde hätten Angst, dass die momentanen Weideflächen nicht ausreichen würden.“
Die drei Göttinnen bestiegen mit Mirabella zusammen eine Blase, die sie außerhalb Roms flog, dort befand sich ein Portal für die Zwischenwelt der Monster und Fabelwesen. Sie passierten das Portal und flogen über Wiesen und Wälder weiter, bis sie zu grünen Weideflächen kamen, die jedoch ringsum von braunen Stellen umgeben waren. Hunderte von Flügelpferden grasten auf einer Weide, Mirabella erkannte Schimmel, Rappen, Füchse und Braune mit Flügeln in den verschiedensten Farben. Ein großer Schwarzer mit goldenen Flügeln stand in der Mitte, sein Kopf wachend über der Herde. Dieser war als Gesandter bei der Aufnahmefeier eingeladen gewesen.
„Ist das der Anführer?“
„Melanos? Ja, er führt die Herde an und vertritt sie bei Verhandlungen. Er ist ein sehr weises Pferd. Es gibt viele Junghengste, die übernehmen möchten, aber noch braucht er seinen Platz nicht zu räumen.“
Die Blase landete in der Nähe von Melanos und die Olympier traten in Erscheinung. Ein Fohlen erschrak, aber Diana streichelte es beruhigend.
„Seid gegrüßt, Göttinnen!“, kam Melanos nun zu seinem Besuch. Dann blieb sein Blick bei Mirabella hängen. „Bist du Mirabella, die Halbgöttin?“
Das Mädchen lächelte überrascht. „Ja.“
„Palatina sprach von dir. Ich danke dir für ihre Rettung.“ Er berührte sanft ein anderes Pferd am Hals. „Hol sie her, bitte!“
„Oh, gerne, sie rettete mich einst, als ich mich mit Merkurs Flügelschuhen verirrt hatte“, gab Mirabella zu.
Minerva hob nur ihre Augenbraue, aber Diana lachte laut auf. „Die sind verdammt schnell, nicht wahr, Mira?“ Diana war die einzige der Götter, die sie bei ihrem Spitznamen rief. Das Mädchen nickte leicht grinsend.
Nun räusperte sich Vesta. „Melanos, wir kommen, um zu fragen, wie es euch geht, ob wir euch helfen können.“
Melanos schnaubte seufzend. „Der Befall scheint gestoppt zu sein, aber die Weideflächen erholen sich nur langsam. Ich fürchte, wir werden für die nächsten Wochen nicht genügend Futter finden, wenn wir unsere Weideflächen nicht verlassen dürfen.“
Vesta nickte. „Wir können ein wenig aushelfen, aber unsere Energiequellen sind auch begrenzt, wir brauchen noch einen anderen Plan.“
Mirabella sah fragend von Vesta zu Melanos. „Was meinst du mit aushelfen?“
„Wir können Futter aus Energie materialisieren lassen, aber das wird nicht reichen. Nicht für so viele Pferde über Wochen.“
„Gibt es keine anderen Zwischenwelten sonst?“, fragte Mirabella.
„Die des Nordens.“, sagte Vesta ruhig.
Als Mirabella fragend zu ihr sah, fuhr sie fort. „Es ist keine andere Zwischenwelt, um ehrlich zu sein. Die Welt der Monster hat ähnliche Grenzen wie die irdische. Hoch im Norden leben die Elfen und Trolle, Zwerge und andere Riesen, sie stehen unter der Kontrolle und Obhut der Nordischen Götter. Die Veden“, diese waren die indischen Gottheiten, „versammeln andere Monster unter ihrer Ägide.“
„Und die Nordischen Götter würden die Pferde nicht bei sich grasen lassen?“
„Wir würden ungern fragen. Wer weiß, was sie im Gegenzug wollen“, antwortete Diana.
Vesta erzählte mit ihrer ruhigen, unaufgeregten Stimme. „Früher tauschten Nord und Süd manchmal Waren. Im Norden wurde viel Holz gebraucht, als die Riesen zur See fuhren und eine riesige Flotte bauten. Wir erhielten Gold und Nahrungsmittel und lieferten dafür Holz, Metall und seltene Erze.“
„Womit sie Waffen schmiedeten, die sie gegen uns einsetzten“, warf Diana ein.
Vesta nickte. „Als wir uns weigerten, weiteres Holz zu liefern, da auch unsere Wälder lichter wurden, gab es bewaffnete Überfälle und Holzraub in großem Maßstab. Die nordischen Riesen besetzten unsere nördlichen Gebiete und die Asen waren nicht bereit einzugreifen, bis wir den Angreifern entgegentraten.“
„Begann so der Große Krieg?“, fragte Mirabella mit großen Augen. Wenn sie das Buch von Vesta gelesen hätte, wüsste sie wahrscheinlich besser Bescheid, aber bisher hatte sie sich zu der Lektüre nicht aufraffen können.
„Sagen wir, das war der Auslöser. Mit der Christianisierung des Römischen Reiches warteten die Asen darauf, den Olymp übernehmen zu können.“
„Jedenfalls“, schaltete sich nun wieder die forsche Diana ein, „wollen wir mit dem Norden nichts zu schaffen haben.“
„Aber die Pterippus dürfen doch auch nicht verhungern!“, rief Mirabella entrüstet. „Essen Pferde nicht auch Hafer und Kraftfutter?“
Melanos nickte. „Die irdischen Pferde können das verdauen, leider vertragen wir das nicht. Wir sind auf Gras angewiesen.“
„Muss es Gras der Zwischenwelt sein? Wenn sie auf der Erde weiden würden, nachts, heimlich?“, fragte Mirabella plötzlich.
Melanos schaute skeptisch, gab aber zu, irdisches Gras zu vertragen.
„Ich könnte sie nachts über die Weideflächen führen“, fügte Diana hinzu, ihr gefiel der Plan offensichtlich.
„Jupiter wird das nicht erlauben“, sagte Minerva streng. „Wenn wir die Menschen damit verärgern, wird er sehr zornig werden.“
„Aber die Menschen müssten es ja nicht mitbekommen“, widersprach Diana ihrer Freundin.
Minerva schüttelte nur den Kopf. „Wir müssen uns etwas Anderes einfallen lassen!“
Es entstand ein unangenehmes Schweigen, da niemandem sofort eine Lösung einfiel. Mirabella war froh, als sie Palatina hinter Melanos auftauchen sah. Palatina war eine junge weiße Stute mit weißen Flügeln, die sie in der Enge der weidenden Herde am Körper anliegend trug. Sie grüßte Mirabella mit einem freudigen Wiehern und das Mädchen ging zu ihr, streichelte sie am Hals und erkundigte sich, wie es ihr ginge. Sie hörte noch, wie Vesta anfing „Vielleicht…“ zu sagen, eine Diskussion kam offensichtlich wieder in Gang.
„Schön, dass du uns besuchst, Mirabella. Ich wollte mich noch einmal bedanken, dass du mir das Leben gerettet hast.“
„Habe ich wirklich gerne gemacht. Du hast mich ja auch schon gerettet.“ Mirabella seufzte. „Ich würde euch auch gerne jetzt helfen, aber es scheint kompliziert zu sein.“
Palatina nickte, dann machte sie Mirabella kurzentschlossen ein Zeichen aufzusteigen. Sie hob ihren linken Vorderhuf, so dass Mirabella besser auf den Pferderücken klettern konnte. Palatina trabte durch die grasende Herde, bis sie freie Weidefläche erreicht hatten, dann fiel sie in einen leichten Galopp. Anfangs war Mirabella etwas ängstlich gewesen, aber dieses Mal genoss sie den Ritt und stimmte freudig zu, als Palatina vorschlug, eine kleine Runde zu fliegen. Soweit Mirabella das beurteilen konnte, flog Palatina gen Norden. „Siehst du die saftigen Wiesen dort drüben?“, fragte sie Mirabella, während sie sich im Gleitflug befand.
„Ja. Ist das schon der Norden?“
„Ja“, Palatinas Antwort war schlicht.
„Ich sehe gar keine Grenze“, Mirabella beugte sich nach vorne, kniff die Augen zusammen und rutschte fast am Hals herunter, aber Palatina flog schnell himmelwärts, um das Rutschen aufzuhalten.
„Die Grenze ist magisch. Unsere Mauer verhindert das Eindringen nordischer Monster und Wesen, deren Mauer hindert uns.“
Mirabella fiel ein, dass Palatina und Bert als einzige Zeugen ihres misslungenen Versuchs waren, den Olymp ohne Medaillon zu betreten. „Was passiert, wenn man die Mauer berührt?“
„Nichts, man kommt nur nicht rein. Wie beim Olymp. Weißt du nun eigentlich, warum du ohne Medaillon nicht in den Olymp kamst?“, fragte Palatina dann auch.
„Nein, nicht so richtig“, das war nicht gelogen.
„Vielleicht hatte ich meine Hufe dazwischen, ich war dir zu nahe, glaube ich. Ohne Einladung kann ich den Olymp nicht betreten.“
Mirabella stutzte. „Echt? Möglich“, das war eine ganz neue Variante, über die sie nachdenken musste. „Was meinst du, wie man euch mit Futter helfen könnte?“
„Verhandlungen mit dem Norden, würde ich sagen.“
„Aber das wollen die Götter nicht.“
„Ich weiß.“
„Und was ist mit den Veden?“
„Wir vertragen die exotischen Pflanzen nicht, leider. Meine Freunde und ich haben schon ein paar Mal nachts auf irdischen Wiesen gegrast, aber die Gefahr ist riesig gesehen zu werden, in großem Maßstab können wir das nicht machen.“
„Ich verspreche, ich werde eine Lösung finden, wir müssen eine finden!“
„Danke, Mirabella, ich weiß, dass du uns helfen willst.“
Palatina landete sanft in der Nähe ihrer Herde und blieb stehen. Sie drehte ihren Kopf und riss sich mit dem Maul eine kleine taubenflügelgroße Feder aus dem linken Flügel und streckte den Kopf zu Mirabella. „Nimm diese Feder von mir. Wenn du mit ihr meinen Namen schreibst, werde ich zu dir kommen, sofern ich kann.“
„Oh, danke!“, rief Mirabella begeistert. „Leider kann ich dir gar nichts geben, womit du mich rufen kannst.“
„So ist es nicht gedacht, das Pferd kommt zu seinem Herrn oder seiner Herrin.“
„Ich bin deine Herrin?“, fragte Mirabella erstaunt.
„Wenn du es willst.“
„Ich möchte deine Freundin sein.“
„Und ich die deine.“
Glücklich stieg Mirabella ab, streichelte Palatinas Hals und kraulte sie noch etwas an den Ohren, als Minerva sie rief.
Mirabella verstaute die kleine Feder in ihrer Hosentasche und schritt zu den drei Göttinnen, Palatina folgte ihr.
„Wir sind hier für heute fertig, wir gehen jetzt.“
Alle verabschiedeten sich und die vier Olympier stiegen in die von Diana kreierte Blase.
„Habt ihr eine Lösung gefunden?“, fragte Mirabella neugierig.
„Noch keine endgültige“, sagte Vesta etwas ausweichend, „vorerst werden wir Energie sparen müssen und Zusatzfutter generieren.“
„Schon wieder Energie sparen, das passiert ständig!“, platzte es aus Diana raus. „Wieso können die anderen eigentlich nicht haushalten?“
Minerva sah Diana missbilligend an, schien jedoch inhaltlich nichts auszusetzen zu haben. „Viele Olympier leben über ihre Verhältnisse, es wird zu viel teleportiert und mehr Energie verschwendet als generiert. Auch solche Feiern, wie die im letzten Monat, müssten in einem gemäßigteren Rahmen stattfinden, aber ‚das wäre unter unserer Würde‘ findet Jupiter.“
„Unser Kurs das ganze Jahr ist dann wahrscheinlich auch sehr aufwendig, oder?“ Jeder Schüler wurde teleportiert, der Unterricht fand außerhalb der normalen Zeit statt, da die meisten Eltern anfangs nichts über die wahre Herkunft ihrer Kinder wussten. Zahlreiche Simulationen und Besuche der Zwischenwelten schrieb der Stundenplan zudem vor.
„Euer Kurs ist jedes Mal der Supergau, aber er findet ja nur alle paar Jahre statt.“
„Werden dann die Kampfübungen mit Mars ausfallen?“, Mirabella hätte sich gefreut, wenn sie Mars nicht regelmäßig sehen musste, allerdings würde sie das Training mit ihren Freunden vermissen.
„Nein“, sagte Diana bestimmt, „sie sind wichtig, aber sie werden wohl hauptsächlich in den Zwischenwelten stattfinden, allerdings unter Aufsicht, nicht so wie euer Abenteuer heute Nachmittag.“
Da bei diesem Treffen nichts mehr zu tun war, wurde Mirabella zurück nach Sansibar geschickt. Weil sie selbst auf einen Blasentransport bestanden hatte, um Energie zu sparen, flog sie zu der Insel. Minerva gab ihr jedoch Athena mit, da es bereits fast Mitternacht war und Mirabella wahrscheinlich nie allein die Insel, geschweige denn das Hotel gefunden hätte. Der kleine Steinkauz hatte bereits am Anfang ein paar Wochen bei Mirabella gelebt und erkundigte sich nun nach Bert und war erfreut zu hören, dass Maya und Bert Nachwuchs hatten. Mirabella war etwas traurig, die allererste Zeit zu verpassen, aber in zwei Wochen würden die drei kleinen Beos auch noch nicht flügge sein.
Mirabellas Eltern saßen noch auf der Veranda ihres Strandbungalows, als sie in ihrer Blase heran schwebte. Da sonst niemand zu sehen war, verabschiedete sie sich von Athena und stieg direkt neben ihren Eltern aus.
„Guten Abend!“
Yasmin und Marcus schraken leicht auf, dann lachten sie erleichtert. „Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Alles gut?“
Mirabella nickte grinsend und holte die weiße Feder aus der Tasche. „Ich habe eine neue Freundin!“
4 – DIE GEBURTSTAGSÜBERRASCHUNG
Am nächsten Tag schlief Mirabella aus. Als sie verschlafen nach ihrem Amulett um den Hals fingerte und nichts fand, saß sie plötzlich kerzengerade im Bett, bis ihr einfiel, dass sie Nikolaos ihr Amulett ausgeliehen hatte. Sie wusste, dass es in guten Händen war, sie vertraute ihrem Bruder, sie hätte ihm ihr Leben anvertraut, aber dennoch war ihr nicht wohl dabei, Jupiters Haar nicht griffbereit zu haben. Ihr Blick fiel auf das Buch über den Großen Krieg und sie beschloss, baldmöglichst darin zu lesen, auch wenn heute ihr Geburtstag war. Heute war ihr Geburtstag? Mirabella lächelte, sprang aus dem Bett und lief auf die Terrasse, wo ihre Eltern saßen.
„Guten Morgen, Schlafmütze!“, grüßte Marcus, dann gratulierten ihr beide stürmisch, Yasmin hatte einen wundervollen Frühstückstisch mit lokalen Spezialitäten gedeckt. Mirabella aß genüsslich die frischen Früchte, während sie ihre Geschenke auspackte. Das Hauptgeschenk, wie Yasmin es nannte, war eine kleine Armbanduhr mit braunem Lederarmband und hübschem Zifferblatt.
„Oh, danke, eigentlich brauche ich gar keine Uhr – mit dem Handy, aber die ist echt schön.“
Yasmin lächelte. „Sie ist nicht nur hübsch. Wir haben Greta gebeten, mit deinem Vater zusammen eine Uhr zu schenken, welche die irdische und die kosmische Zeit anzeigt.“
„Was? Wow!“ Mirabella betrachtete erneut die Uhr. Sie erinnerte sich, dass Jupiter eine Kugel bei sich trug, die ihm die kosmische Zeit anzeigte.
„Ich hoffe, Jupiter erklärt mir das noch mal, wie das funktioniert.“
„Das hoffe ich auch, ich habe es nämlich nicht verstanden…“, gab Marcus lachend zu.
Mirabella umarmte beide vergnügt und packte noch ein paar Kleinigkeiten aus.
„Mirabella, macht es dir etwas aus, wenn wir heute noch mal für zwei Stunden zum Gewürzmarkt gehen? Ich weiß, es ist dein Geburtstag, aber übermorgen fliegen wir schon heim und morgen fahren wir zum Nationalpark.“
„Klar, kein Problem, ich lese bisschen, heute brauche ich einen ruhigeren Tag als gestern!“
„Oh, aber ein bisschen Action gibt es nachher mit den Delphinen schon, äh, ich meine …“ Yasmin sah betreten zu Marcus, der amüsiert den Kopf schüttelte.
Mirabella musste lachen. „Delphine? Cool, dann kann ich mich jetzt die ganze Zeit darauf freuen!“
Als ihre Eltern gegangen waren, legte sich Mirabella an den Strand und sah auf ihr Handy.
Antonia und Lukas hatten ihr lustige animierte Geburtstagsgrüße geschickt und versprachen eine Party zuhause nach Rückkehr. Die Olympischen Kinder aus ihrer Klasse schickten herzliche Grüße mit Bildern und netten Sprüchen, Lorenzo hatte sich besonders viel Mühe gegeben, nur Nikolaos hatte noch nichts geschrieben. Mirabella starrte enttäuscht aufs Meer, als ihr Handy piepte. Eine Nachricht von Nikolaos.
„Na, wie war es mit den Amazonen?“
Hatte er ihren Geburtstag vergessen, nachdem sie gestern noch darüber sprachen? Mirabella berichtete kurz und fragte nach dem Amulett.
„In Reparatur.“
„War Jupiter sauer?“
„Nicht wegen des Amuletts, aber auf Mars.“
„Minerva auch.“
„Seine Verteidigung war: sie wollten es unbedingt machen, er hätte uns auch eine Simulation angeboten. Außerdem wäre ja nichts passiert.“
„So ein Aas.“
Sie ließen sich noch eine Weile über Mars aus, dann beendete Mirabella den Chat. Vielleicht würde ihm nachher noch einfallen, dass sie Geburtstag hatte. Mirabella nahm sich nun tatsächlich das Buch über den Großen Krieg zwischen dem Norden und dem Süden vor.
Den von Vesta angesprochenen Vorfällen mit Holzraub und Gebietsüberschreitungen waren andere kleine Streitigkeiten vorausgegangen, hauptsächlich hatten die Riesen im fremden Terrain gewildert. Mit der Besetzung des Pterippus-Landes des Südens war jedoch eine rote Linie überschritten worden, die Olympier besetzten angrenzende Gebiete der nordischen Zwischenwelt, die Teil des Trollenlandes waren. Direkte Kämpfe zwischen den Göttern wurden lange vermieden, es fielen jedoch viele Zwischenweltwesen, insbesondere die Riesen auf beiden Seiten schlugen mit Begeisterung auf den Feind ein. Schließlich flohen einige Zwischenweltwesen über die Portale in die irdische Welt und die Götter beauftragten die Halbgötter, der Sache Herr zu werden und sich an den Kämpfen zu beteiligen. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von sogenannten Sagen über Drachen, Elfen und andere Fabelwesen. Viele Halbgötter starben auf beiden Seiten, die Olympier verloren dreiviertel aller Halbgötter. Nach einer kurzen Ruhephase verschwand plötzlich die zweite Zwillingsstatue aus Vestas Tempel.
Einer Legende nach hatten die Titanen zwei Zwillingsstatuen aus einer Zwischenwelt zur Erde gebracht, sie symbolisierten Eintracht und Harmonie zwischen den europäischen Göttern. Die Titanen galten als die Vorgänger der Olympier, waren jedoch nicht so mächtig und verloren daher die Vorherrschaft. Die Olympier verwahrten die Statuen eine Zeit in der berühmten Stadt Troja, nach seiner Zerstörung durch die Griechen wurde jedoch eine Statue nach Athen, die andere nach Rom gebracht. Nach dem Machtverlust der Griechen gelangte auch die zweite Statue nach Rom. Seit dieser Zeit wurden sie in der Zwischenwelt des Vesta-Tempels von den Olympiern bewacht. Als eine verschwand, vermuteten sie die Nordischen Götter hinter dem Diebstahl und kidnappten schließlich Thors Pflegesöhne Wingni und Hlora, um die Statue freizupressen und einen Waffenstillstand zu erwirken. Thor war ein Sohn von Odin, welcher als Göttervater über die Asen herrschte, der Jupiter des Nordens sozusagen. Nach den Kindsentführungen vernichteten die Nordischen Götter die Titanen, Jupiter hatte es einen Genozid genannt, und der direkte Kampf zwischen den Göttergeschlechtern brach aus. Die göttlichen Schlachten wurden hauptsächlich in den Zwischenwelten ausgetragen. Keiner der Olympischen Götter starb, obwohl sie nicht unsterblich waren, wie man immer glaubte, aber Asgard, der Sitz der Nordischen Götter, und der Olymp wurden beinahe gänzlich zerstört. Beide Geschlechter verloren so viel Energie, dass eine vollständige Auflösung aller drohte, was einem Sterben gleichgekommen wäre, sie flüchteten sich in ihre jeweiligen Unterwelten. Unter diesen Umständen handelten Vesta und Baldur, ein weiterer Sohn des Odins, einen Waffenstillstand aus, der bis zum heutigen Tag bestand. Offiziell war es kein Friede, aber jede Seite schien bedacht darauf zu sein, die andere nicht zu provozieren.
Mirabella klappte das Buch zu und drehte sich auf den Rücken. Sie lag am Strand im Halbschatten, um sie herum spielten Kleinkinder im Sand, Leute gingen baden oder aßen ein Eis, aber sie war mit ihren Gedanken in einer anderen Welt. Die Geschichte des Krieges nahm sie mehr mit, als sie vermutet hätte. Der Krieg hätte beinahe die Götter, ihre ganze Welt vernichtet. Thors Pflegesohn war gestorben, vielleicht im Kampf, vielleicht aber auch durch die Entführung? Neptuns Frau und alle anderen Titanen waren vernichtet worden, sowie unzählige Halbgötter und Zwischenweltwesen. So viel Grausamkeit und Unrecht auf beiden Seiten, kein Wunder, dass eine Versöhnung nicht in Aussicht stand. Dabei waren die Asen und die Olympier laut Jupiter miteinander verwandt, ebenso die indischen Veden. Hatten die Asen dann ihre eigenen Vorfahren, die Titanen, vernichtet? Mirabella stellten sich einige Fragen, die sie an Vesta richten würde. Diese hatte auch angedeutet, dass Ermittlungen zum Raub der Zwillingsstatue laufen würden. Unwahrscheinlich, dass Vesta das junge Mädchen einweihen würde, aber Mirabella würde auf jeden Fall nachhaken. „Das Ende des Göttergeschlechts naht, nur wer wahrhaft Frieden sucht, kann vereinen, was vereint gehört.“ Dies war ein Satz des Orakels von Delphi gewesen, den Nikolaos ihr später wiederholt hatte. Mirabella hatte im Tempel des Apolls zwei Sätze auf Griechisch wiedergegeben, konnte sich selbst jedoch nicht daran erinnern. „Was vereint gehört“, das konnten doch nur die Zwillingsstatuen sein, dachte sie. Deshalb wollte sie Vestalin werden. „Aus Freund wird Feind!“, war der erste Satz gewesen. Man konnte nicht behaupten, Olympier und Asen wären befreundet, wer war damit gemeint?
Mirabellas Gedanken fingen wieder an zu kreisen und wurden wirrer und wirrer. Nebelschwaden der Sinne versperrten die Sicht, bis Vesta vor ihrem geistigen Auge erschien. „Wenn der Mond leuchtet, komm zu mir!“ Die Göttin lächelte sie so gütig an, dass Mirabella mit einem Lächeln aus ihrem Traum aufwachte. Sie musste in der Mittagshitze weggedöst sein. Sofort sah sie zu ihrem Armband, aber es leuchtete nicht. Sie hörte wieder das Rauschen der Wellen, das Zirpen der Zikaden im Hintergrund, gähnte herzhaft und trank einen Schluck Wasser. Nach einer Weile des müden Starrens aufs Meer, beschloss sie, ins Wasser zu gehen, um wach zu werden. Der Ozean war herrlich, nicht zu kalt, aber auch keine lauwarme Brühe wie das Mittelmeer im Sommer, sie plantschte vergnügt im flachen Wasser und schwamm dann ein wenig hinaus ins offene Meer, als sie weit draußen jemanden im Wasser bemerkte. Dieser jemand schien ihr zu winken. Träumte sie immer noch? Mirabella kniff die Augen zusammen, aber nach dem Öffnen der Augen winkte immer noch ein dunkler Arm, nun kam der Besitzer des Arms auf sie zu geschwommen. Mirabella schwamm auf der Stelle, sah etwas nervös zum Strand, der in der Mittagshitze nun menschenleer schien. Als sie sich wieder umblickte, erschrak sie. Direkt vor ihr im Wasser schwamm ein hübsches afrikanisches Mädchen mit langen, leicht algigen Rasta-Zöpfen. Mirabella versuchte, durch das Wasser zu schauen und meinte, eine glitzernde Flosse statt Beinen zu erkennen. „Hi, bist du eine Meerjungfrau?“
„Meermädchen nennen wir uns. Ich habe eine Nachricht von Delphine für dich.“ Sie zog ihre rechte Hand aus dem Wasser, in der sie eine dunkelgrüne Flasche hielt. Mirabella musste lachen. „Eine echte Flaschenpost, ist ja cool. Danke!“
„Du hast doch heute Geburtstag, oder? Dann darfst du sie auch öffnen.“
Mirabella nickte. „Sag Delphine liebe Grüße und vielen Dank, ich habe jetzt leider nichts, was ich ihr geben könnte.“
„Ich werde es ausrichten lassen, wir sind in Staffeln geschwommen, ich habe sie nicht direkt gesehen.“
„Ah, okay“, Mirabella war noch ganz verwundert und bedankte sich noch einmal, dann tauchte die Meernixe wieder ab. Die Halbgöttin sah sich um, am Strand war immer noch niemand zu sehen. Deshalb hatte Delphine so genau wissen wollen, wo Mirabella Urlaub machte und ob sie heute Vormittag am Strand war! Gut gelaunt schwamm sie mit der Flasche zurück zum Strand, packte ihr Handtuch und ihr Buch und ging in ihren Bungalow. Dort stellte sie die Flasche auf ihren Nachttisch, das Glas der Flasche war so dunkel, dass sie den Inhalt nicht erkennen konnte. Zunächst hatte sie noch warten wollen, bis ihre Eltern zurückkamen, am Ende war sie doch zu neugierig. Sie zog am Korken, der leicht überstand, aber sie bekam ihn nicht heraus, auch wenn sie alle Kraft einsetzte. „Hm“, sie stellte die Flasche wieder hin. Dann begann sie zu lächeln, schloss die Augen und versuchte telekinetisch, den Korken zu entfernen. Tatsächlich schwebte der Korken aus der Flasche. Vorsichtig leerte sie den Inhalt auf ihr Bett. Eine zusammengerollte Karte und eine wunderschöne Muschelkette kamen zum Vorschein.
„Cara Mirabella, tibi diem natalem felicem opto! Tua amica Delphine.“1
Lächelnd las Mirabella den Text, Latein war die offizielle Verkehrssprache der Götter und Halbgötter. Sie hing sich die Muschelkette um den Hals, machte ein Selfie und schickte es Delphine mit Dankesgrüßen. Zufrieden betrachtete sie die Kette im Spiegel, als sie hörte, wie ihr Magen knurrte. Bevor sie sich jedoch ein Sandwich machen konnte, kehrten ihre Eltern erschöpft vom Gewürzmarkt zurück. Yasmin ließ sich in den Liegestuhl fallen und legte die Beine hoch. „Ich weiß nicht, ob das viele Stehen oder das viele Feilschen anstrengender ist…“
„Wie war dein Vormittag?“, fragte Marcus mit amüsiertem Blick auf seine Frau.
„Gut, ich habe gelesen und dann ein Geschenk von Delphine erhalten, eine Meernixe hat es mir gebracht.“
Marcus schüttelte lachend den Kopf, so ganz hatte er sich immer noch nicht an die vielen göttlichen und nicht-menschlichen Wesen und Welten gewöhnt, fand aber langsam Gefallen daran.
1Liebe Mirabella, ich wünsche dir einen glücklichen Geburtstag! Deine Freundin Delphine
„Ich bin am Verhungern. Habt ihr schon gegessen?“, fragte Mirabella nun. Ihre Eltern schüttelten den Kopf und Yasmin schälte sich aus dem Liegestuhl. „Zeit für die Geburtstagstorte, oder?“
„Torte? Gibt es die hier?“ Mirabella guckte erstaunt.
„Wirst schon sehen, geh mal mit Marcus Kaffee und Limo holen, ich decke den Tisch.“
„Okay“, Mirabella sah Marcus fragend an, aber dieser grinste nur und zog mit Mirabella zum Kiosk los.
„Und haben schon alle gratuliert?“
„M-hm.“ Mirabellas Lächeln verschwand, ihr war wieder eingefallen, dass Nikolaos nicht geschrieben hatte. Es war jetzt fast schon drei Uhr nachmittags.