Kitabı oku: «Oblomow», sayfa 37
Ilja Iljitsch frühstückte, hörte zu, wie Mascha französisch las, saß eine Weile in Agafja Matwejewnas Zimmer und schaute zu, wie sie Wanjas Rock ausbesserte, indem sie ihn zehnmal von einer Seite auf die andere wandte und zu gleicher Zeit immerwährend in die Küche nachschauen lief, wie das Hammelfleisch, das zum Mittagessen bestimmt war, bratete und ob es nicht Zeit sei, die Fischsuppe zu kochen.
– Warum bemühen Sie sich so? – sagte Oblomow, – lassen Sie das doch!
– Wer wird denn für alles sorgen, wenn ich es nicht thue? – sagte sie – Ich werde nur zwei Flicke auflegen, und dann muß ich die Fischsuppe kochen. Was für ein schlimmer Knabe dieser Wanja ist! Ich habe ihm erst vorige Woche den Rock ausgebessert und er hat ihn wieder zerrissen! Was lachst Du? – wandte sie sich an Wanja, der in Hosen und im Hemde und nur mit einem Hosenträger am Tische saß. – Ich werde Dir das bis zum Morgen nicht ausbessern, dann kannst Du nicht zum Thor hinlaufen. Du hast gewiß gerauft und die Kinder haben ihn Dir zerrissen. – Gestehe nur!
– Nein, Mamachen, er ist von selbst zerrissen! – sagte Wanja.
– Wisch Dir die Nase ab, siehst Du denn nicht, – bemerkte sie, ihm das Tuch hinwerfend.
Wanjuscha kicherte, wischte sich aber die Nase nicht ab.
– Warten Sie nur, bis ich das Geld aus dem Gut bekomme, dann lasse ich ihm zwei Anzüge nähen, – sprach Oblomow dazwischen, – einen blauen, und nächstes Jahr, wenn er ins Gymnasium eintritt, eine Uniform.
– Er kann noch den alten tragen, – sagte Agafja Matwejewna, – und das Geld brauchen wir ja für die Wirtschaft. Ich werde für Sie dann Pökelfleisch und Eingesottenes vorbereiten. . . Ich muß nachschauen, ob Anissja den Rahm gebracht hat. . . Sie erhob sich.
– Was haben wir heute?
– Fischsuppe aus Bärschen, gebratenes Hammelfleisch und Obstkuchen.
Oblomow schwieg. Plötzlich rollte ein Wagen heran, man klopfte an die Pforte, der Hund begann zu bellen und an der Kette zu zerren. Oblomow gieng in sein Zimmer, da er glaubte, es wäre jemand zur Hausfrau gekommen; der Fleischhauer, der Gemüsehändler oder sonst jemand. Ein solcher Besuch hatte gewöhnlich die Bitte um Geld, die Absage der Hausfrau, die Drohungen von Seiten des Verkäufers, die Bitte zu warten von Seiten der Hausfrau, dann Schimpfen, Zuschlagen der Thüre, der Pforte und wildes Bellen und Zerren des Hundes an der Kette – überhaupt eine unangenehme Scene im Gefolge. Es war aber ein Wagen gekommen – was konnte das bedeuten? Die Fleischhauer und Gemüsehändler fuhren nicht in Wagen. Plötzlich lief die Hausfrau erschrocken zu ihm herein.
– Zu Ihnen kommt ein Gast, – sagte sie.
– Wer denn, Tarantjew oder Alexejew?
– Nein, nein, der, welcher am Iljatage bei Ihnen gegessen hat.
– Stolz? – fragte Oblomow, unruhig um sich blickend, – wohin könnte ich fortgehen, mein Gott! Was wird er sagen, wenn er sieht. . . Sagen Sie, daß ich verreist bin! – sagte er eilig hinzu und gieng in das Zimmer der Hausfrau.
Anissja kam gerade zur rechten Zeit hin, um den Gast zu empfangen. Agafja Matwejewna hatte ihr Oblomows Befehl übergeben. Stolz glaubte ihr, wunderte sich nur darüber, daß Oblomow nicht zu Hause war.
– Nun, sage dann, daß ich in zwei Stunden zum Mittagessen komme! – sagte er und gieng in den Park, der sich in der Nähe befand.
– Er wird mit uns essen! – theilte Anissja erschrocken mit.
– Er wird mit uns essen! – wiederholte Agafja Matwejewna ängstlich Oblomow.
– Man muß ein anderes Mittagessen vorbereiten, – beschloß er nach einem Schweigen.
Sie richtete auf ihn einen entsetzten Blick. Sie besaß nur einen halben Rubel und es blieben noch zehn Tage bis zum Ersten, da sie das Geld vom Bruder bekam Auf Borg wollte niemand etwas geben.
– Wir haben nicht genug Zeit, Ilja Iljitsch, – bemerkte sie schüchtern, – er soll das essen, was da ist. . .
– Er ißt das nicht, Agafja Matwejewna; er kann keine Fischsuppe ausstehen, und wenn sie sogar aus Sterlett gemacht ist; er nimmt auch nie Hammelfleisch in den Mund.
– Man könnte in der Wursthandlung Zunge nehmen? – fragte sie plötzlich; gleichsam einer Eingebung folgend. – Das ist hier in der Nähe.
– Das ist gut, das könnte man; und lassen Sie irgendein Gemüse, vielleicht frische Bohnen, dazu reichen. . .
– Bohnen kosten achtzig Kopeken das Pfund! – stieg es in ihr auf, kam ihr aber nicht über die Lippen.
– Gut, ich werde es besorgen. . .– sagte sie und beschloß, die Bohnen durch Kohl zu ersetzen.
– Lassen Sie ein Pfund Schweizerkäse holen! – commandierte er, da er nicht wußte, wie es um Agafja Matwejewnas Geldmittel bestellt war – Sonst nichts! Ich werde um Entschuldigung bitten und sagen, daß wir ihn nicht erwartet haben.
Sie wollte gehen.
– Und Wein! – fiel es ihm plötzlich ein.
Sie richtete auf ihn wieder einen entsetzten Blick.
– Man muß Lafitte holen lassen! – schloß er kaltblütig.
VI
Nach zwei Stunden kam Stolz.
– Was hast Du? Du bist so verändert, so aufgedunsen und blaß! Bist Du gesund? – fragte Stolz.
– Mit meiner Gesundheit steht es schlecht, Andrej, – sagte Oblomow, ihn umarmend, – der linke Fuß erstarrt mir immer.
– Wie es bei Dir ausschaut! – sagte Stolz, um sich blickend. – Warum wirfst Du diesen Schlafrock nicht fort? Schau, er ist voller Flicken!
– Das macht die Gewohnheit, Andrej; es ist mir zu schade, mich von ihm zu trennen.
– Und die Decke und die Vorhänge. . . . – begann Stolz. – Ist das auch die Gewohnheit? Ist es Dir schade, diese Fetzen herabzunehmen? Aber ich bitte Dich, ist es denn möglich, daß Du auf diesem Bett schlafen kannst? Ja, was hast Du denn?
Stolz blickte Oblomow forschend an und wandte sich dann wieder den Vorhängen und dem Bette zu.
– Gar nichts, – sagte Oblomow verlegen, – Du weißt, daß ich mich niemals sonderlich um mein Zimmer gekümmert habe. . . Wollen wir lieber essen. He, Sachar! Decke geschwind den Tisch. – Also was ist mit Dir? Kommst Du für lange? Und woher?
– Errathe, woher und weshalb ich komme? – fragte Stolz. – Zu Dir dringen hierher ja keine Nachrichten aus der Welt der Lebenden!
Oblomow sah ihn neugierig an und wartete, was er sagen würde.
– Was ist mit Oljga? – fragte er dann.
– Ach, Du hast sie nicht vergessen! Ich dachte, Du würdest sie vergessen!
– Nein, Andrej, kann man sie denn vergessen? Das hieße vergessen, daß ich einst gelebt habe und im Paradies war. . . Und jetzt!. . . – Er seufzte. – Aber wo ist sie denn?
– Auf ihrem Gute; sie beschäftigt sich dort mit der Wirtschaft!
– Mit der Tante? – fragte Oblomow.
– Und mit dem Manne.
– Sie ist verheiratet? – fragte Oblomow, plötzlich die Augen weit öffnend.
– Warum bist Du denn erschrocken? Sind es vielleicht die Erinnerungen? – fügte Stolz leise und fast zärtlich hinzu.
– Ach nein, was Dir einfällt! – rechtfertigte sich Oblomow, zur Besinnung kommend. – Ich bin nicht erschrocken, sondern erstaunt; ich weiß nicht, warum mich das so verblüfft hat. Schon lange? Ist sie glücklich? Sagʼ es mir um Gotteswillen. Ich fühle, daß Du mir eine große Last abnimmst! Trotzdem Du mir versichert hast, daß sie mir verziehen hat, war ich doch. . . nicht beruhigt. Es hat immer etwas an mir genagt. . . Lieber Andrej, wie dankbar bin ich Dir!
Er freute sich so von Herzen und sprang auf seinem Sofa so herum, daß Stolz ihn bewunderte und sogar gerührt war.
– Wie gut Du bist, Ilja! – sagte er. – Dein Herz hat sie verdient! Ich werde ihr das alles erzählen.
– Nein, nein, sagʼ es ihr nicht! – unterbrach ihn Oblomow. – Sie wird mich für herzlos halten, wenn sie hört, daß ich mich über ihre Heirat gefreut habe.
– Und ist denn die Freude kein Gefühl und dabei nicht ein ganz selbstloses? Du freust Dich nur über ihr Glück.
– Das ist wahr, das ist wahr! – sagte Oblomow. – Ich schwatze da Gott weiß was zusammen. . . Wer denn, wer ist denn dieser Glückliche? Ich habe ja noch gar nicht gefragt.
– Wer? – wiederholte Stolz. – Wie schwer von Begriff Du bist, Ilja!
Oblomow ließ plötzlich seinen reglosen Blick auf seinem Freunde ruhen, seine Züge erstarrten für einen Augenblick und das Blut entwich aus seinem Gesicht.
– Bist. . .Du es vielleicht? – fragte er.
– Du bist wieder erschrocken! Wovor denn? – sagte Stolz lachend.
– Scherze nicht, Andrej, sagʼ die Wahrheit! – bat Oblomow erregt.
– Bei Gott, ich scherze nicht. Ich bin schon das zweite Jahr mit Oljga verheiratet.
Die Furcht verschwand allmählich von Oblomows Gesicht und machte friedlichem Sinnen Platz; er hob die Augen noch nicht, aber sein Gemüth war nach einer Weile von stiller, tiefer Freude erfüllt, und als er Stolz langsam anblickte, waren in seinem Blick schon Thränen der Rührung.
– Lieber Andrej! – sprach Oblomow, ihn umarmend. – Liebe Oljga. . . Sjergejewna! – fügte er dann, sein Entzücken eindämmend, hinzu. – Gott selbst hat euch gesegnet! O wie glücklich ich bin! Sagʼ ihr. . .
– Ich werde ihr sagen, daß ich keinen zweiten Oblomow kenne! – unterbrach ihn der tief gerührte Stolz.
– Nein, sagʼ und erinnere sie daran, daß ich ihr darum begegnet bin, um sie auf den rechten Weg zu führen und daß ich diese Begegnung und sie auf dem neuen Wege segne! Wie würde sich alles gestalten, wenn es ein anderer wäre!. . . – fügte er entsetzt hinzu. – Und jetzt, – schloß er fröhlich, – erröthe ich nicht über meine Rolle und bereue nicht; mir ist ein Stein von der Seele gefallen, jetzt ist dort alles licht und ich bin glücklich. Gott, ich danke Dir!
Er sprang wieder vor Erregung bald weinend und bald lachend auf dem Sofa herum.
– Sachar, Champagner zum Mittagessen! – schrie er, vergessend, daß er keinen Kopeken besaß.
– Ich werde alles Oljga erzählen, alles! – sagte Stolz. – Es hat schon seinen Grund, daß sie Dich gar nicht vergessen kann. Nein, Du warst ihrer wert; Dein Herz ist tief wie ein Brunnen!
Sachar steckte aus dem Vorzimmer seinen Kopf herein.
– Kommen Sie, bitte! – sagte er, dem Herrn zublinzelnd.
– Was ist denn? – fragte dieser ungeduldig. – Gehʼ hinaus!
– Bitte um Geld! – flüsterte Sachar.
Oblomow schwieg plötzlich.
– Dann ist es nicht nöthig! – flüsterte er durch die Thür. Sage, daß Du vergessen hast, oder daß es schon zu spät war! Gehʼ!. . . Nein, komm her! – sagte er laut. – Weißt Du schon das Allerneueste, Sachar? Gratuliere: Andrej Iwanowitsch hat geheiratet!
– Ach, Väterchen! Gott hat uns eine solche Freude erleben lassen! Wir gratulieren, Väterchen Andrej Iwanowitsch. Gott soll Sie unzählige Jahre leben lassen und Ihnen Kinderchen schenken. Ach Gott, ist das eine Freude!
Sachar verneigte sich, lächelte, krächzte und knarrte. Stolz nahm einen Papierschein heraus und gab ihn ihm.
– Da hast Du und kaufe Dir einen Rock, – sagte er, – Du siehst ja wie ein Bettler aus!
– Wen denn, Väterchen? – fragte Sachar, Stolzʼ Hände fangend.
– Oljga Sjergejewna – weißt Du noch? – sagte Oblomow.
– Das Iljinskyʼsche Fräulein! O Gott, ein so liebes Fräulein! Sie haben mich alten Hund damals mit Recht gescholten, Ilja Iljitsch! Ich bin schuldig und sündhaft; ich habe die Klatschgeschichten über Sie verbreitet. Ich habʼ es auch den Iljinskyʼschen Dienstboten erzählt und nicht Nikita! Es ist wahr, daß damals ein Klatsch herausgekommen ist. Ach Gott, ach Du mein Gott! . . . – sprach er, ins Vorzimmer gehend.
– Oljga ladet Dich zu sich aufs Gut zum Besuche ein; Deine Liebe ist erkaltet, es ist nicht gefährlich. Du wirst nicht eifersüchtig sein. Komm mit!
Oblomow seufzte.
– Nein, Andrej, – sagte er, ich fürchte weder die Liebe noch die Eifersucht, ich fahre aber trotzdem nicht zu euch.
– Was fürchtest Du denn?
– Ich fürchte den Neid. Euer Glück wird für mich ein Spiegel sein, in dem ich immerwährend mein getödtetes, reizloses Leben sehen werde; ich werde aber schon nicht anders leben, ich kann nicht.
– Genug, lieber Ilja! Du wirst unwillkürlich so leben, wie man um Dich herum lebt. Du wirst rechnen, wirtschaften, lesen, Musik hören. Wie ihre Stimme sich jetzt entwickelt hat! Erinnerst Du Dich noch an Casta diva?
Oblomow winkte ihm mit der Hand, er sollte ihn nicht daran erinnern.
– Komm doch mit! – ließ Stolz nicht nach. Das ist ihr Wille; sie wird darauf bestehen. Wenn ich müde werde, ist sie es noch lange nicht. In ihr ist soviel Feuer und Leben, daß sogar ich manchmal mein Theil abbekomme. Dann wird die Vergangenheit wieder in Deiner Seele erwachen. Du wirst Dich an den Park und den Flieder erinnern, und es wird sich in Dir etwas regen . .
– Nein, Andrej, nein! Erinnere mich nicht daran und wecke in mir um Gotteswillen nichts! – unterbrach Oblomow ihn ernsthaft. – Das thut mir weh und mir wird nicht wohl dabei. Erinnerungen sind entweder höchste Poesie, wenn sie sich auf lebendiges Glück beziehen, oder brennender Schmerz, wenn sie vernarbte Wunden berühren . . Sprechen wir von etwas anderem. Ja, ich habe Dir nicht für Deine Sorge um meine Angelegenheiten und um mein Gut gedankt. Mein Freund! Ich kann nicht, ich habe nicht die Kraft; suche in Deinem eigenen Herzen nach Dankbarkeit und nach Glück, und in Oljga . . Sjergejewna, und ich . . . ich . . kann nicht! Verzeihe, daß ich Dich noch bis jetzt nicht von den Scherereien befreit habe. – Aber jetzt kommt bald der Frühling und ich reise bestimmt nach Oblomowka.
– Und weißt Du, wie es in Oblomowka ausschaut? Du wirst es gar nicht wiedererkennen! – sagte Stolz. – Ich habe Dir nicht geschrieben, weil Du die Briefe nicht beantwortest. Die Brücke ist fertig, das Haus ist schon vorigen Sommer unter Dach gewesen. Du mußt Dich aber selbst um die innere Einrichtung kümmern und sie nach Deinem Geschmack zusammenstellen – das übernehme ich nicht. Die Wirtschaft wird vom neuen Verwalter, einem von meinen Leuten, geführt. Hast Du Dir die Ausgaben angeschaut?
Oblomow schwieg.
– Hast Du die Berichte nicht gelesen? – fragte Stolz, ihn anblickend. – Wo sind sie?
– Wartʼ, ich werde sie nach dem Essen suchen; ich muß Sachar fragen . .
– Ach, Ilja, Ilja! Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.
– Wir werden es nach dem Essen finden. Wollen wir essen!
Stolz furchte die Stirn, als er sich zu Tische setzte. Er dachte an den Iljatag, an die Austern, die Ananas und die Schnepfen; und jetzt sah er ein grobes Tischtuch, Essig- und Ölflaschen mit Papierstücken statt der Pfropfen; auf den Tellern lag je eine große Schnitte Schwarzbrot, die Gabeln hatten zerbrochene Griffe. Oblomow reichte man Fischsuppe und ihm Suppe mit Grütze und ein gekochtes junges Huhn; darauf folgte harte Zunge und dann Hammelfleisch. Man brachte Rothwein. Stolz schenkte sich ein halbes Glas ein, kostete, stellte das Glas auf den Tisch und trank nicht mehr. Ilja Iljitsch trank zwei Gläschen Johannisbeerschnaps hintereinander und nahm gierig den Hammelbraten in Angriff.
– Der Wein taugt nicht! – sagte Stolz.
– Verzeihe, man hat in der Eile nicht so weit gehen können, – sagte Oblomow. – Willst Du nicht Johannisbeerschnaps trinken? Er ist ausgezeichnet, Andrej, koste doch!
Er schenkte sich noch ein Gläschen ein und trank.
Stolz betrachtete ihn erstaunt, schwieg aber.
– Agafja Matwejewna bereitet ihn selbst; sie ist eine liebe Frau! – sagte Oblomow, auf den der Schnaps zu wirken begann. – Ich weiß wirklich nicht, wie ich auf dem Gut ohne sie leben werde. Man findet keine zweite solche Hausfrau.
Stolz hörte ihm mit leicht gefurchten Brauen zu.
– Wer, glaubst Du, hat das alles gekocht; Anissja? Nein! – fuhr Oblomow fort. – Anissja befaßt sich mit den Hühnern, jätet das Kraut im Gemüsegarten und fegt die Fußböden; und das alles macht Agafja Matwejewna.
Stolz aß weder den Hammelbraten, noch den Obstkuchen, sondern legte die Gabel hin und schaute zu, mit welchem Appetit Oblomow das alles verzehrte.
– Jetzt wirst Du nicht mehr ein verkehrt angezogenes Hemd auf mir sehen, – sprach Oblomow weiter, mit Appetit an einem Knochen nagend, sie sorgt sich um alles und sieht alles, ich habe keinen einzigen ungestopften Strumpf – und sie macht alles selbst. Und wie sie Kaffee kocht! Ich werde Dich nach dem Mittagessen damit bewirten.
Stolz hörte schweigend mit besorgter Miene zu.
– Jetzt ist ihr Bruder übersiedelt, es ist ihm eingefallen zu heiraten, so daß die Wirtschaft nicht mehr so groß ist. Aber früher hatte sie alle Hände voll zu thun! Sie ist von früh bis spät nur so herumgeflogen, auf den Markt und in die Läden. Weißt Du, ich werde Dir was sagen, – schloß Oblomow, der seine Zunge nicht mehr ganz in der Gewalt hatte, – wenn Du mir zwei-, dreitausend geben könntest, würde ich Dich nicht mit Hammelfleisch bewirten; dann würde ich Dir einen ganzen Stör, Forellen und das beste Filet geben lassen. Und Agafja Matwejewna würde auch ohne Koch wahre Wunder leisten – ja!
Er trank noch ein Gläschen Schnaps.
– So trinke doch, Andrej, trinke. Es ist ein ausgezeichneter Schnaps! Oljga Sjergejewna wird Dir keinen solchen zubereiten! – sagte er mit schwerer Zunge. – Sie kann »Casta diva« singen, sie kann aber keinen solchen Schnaps zubereiten! Sie wird auch keine Piroge mit Hühnern und Pilzen backen! So etwas hat es nur in Oblomowka gegeben. Und das Gute hier ist, daß es nicht ein Koch macht; der macht den Teig Gott weiß mit welchen Händen an, während Agafja Matwejewna die Reinlichkeit in Person ist!
Stolz hörte mit aufmerksam gespitzten Ohren zu.
– Und sie hat solche weiße Hände gehabt, – fuhr Oblomow schon ziemlich benebelt fort, – es wäre keine Sünde, sie zu küssen! Jetzt sind sie aber rauh geworden, weil sie alles selbst macht! Sie stärkt mir selbst die Hemden! – sagte Oblomow gefühlvoll, fast mit Thränen. – Bei Gott, ich habʼ es selbst gesehen. Manche Frau sorgt sich nicht so um ihren Mann – bei Gott! Agafja Matwejewna ist ein liebes Frauenzimmer! Ach, Andrej! Übersiedle mit Oljga Sjergejewna hieher, miete Dir hier eine Sommerwohnung, das wäre ein Leben! Wir würden im Wald Thee trinken und am Eliasfreitag zu den Pulvermühlen gehen und uns würde eine Fuhre mit einem Imbiß und mit einem Samowar folgen. Dort würden wir einen Teppich ausbreiten und uns auf das Gras legen. Agafja Matwejewna würde Oljga Sjergejewna das Wirtschaften beibringen, sie würde ihr alles beibringen. Jetzt geht es uns aber nicht besonders. Der Bruder ist ja übersiedelt; wenn man uns aber drei-, viertausend geben könnte, würde ich Dir solche Kapaune reichen lassen. . .
– Du bekommst von mir fünf! – sagte Stolz. – Was machst Du denn damit?
– Und die Schuld? – entschlüpfte es plötzlich Oblomow. Stolz sprang auf.
– Die Schuld? – wiederholte er. – Welche Schuld? Und er blickte ihn an, wie ein strenger Lehrer ein sich versteckendes Kind anblickt.
Oblomow verstummte plötzlich.
Stolz setzte sich zu ihm aufs Sofa.
– Wem schuldest Du? – fragte er.
Oblomow wurde ein wenig nüchterner und kam zur Besinnung.
– Niemand, ich habe gelogen, – sagte er.
– Nein, Du lügst jetzt, aber ungeschickt. Was ist mit Dir, was hast Du, Ilja? Also das hat der Hammelbraten und der saure Wein zu bedeuten? Du hast kein Geld! Wo ist es denn hingekommen?
– Ich schulde thatsächlich. . . . ein wenig der Hausfrau für das Essen!. . . – sagte Oblomow.
– Für das Hammelfleisch und die Zunge! Ilja, sprich, was geht mit Dir vor? Was ist das für eine Geschichte? Der Bruder ist übersiedelt, die Wirtschaft geht schlecht. . . . Da ist etwas nicht in Ordnung. Wieviel schuldest Du?
– Zehntausend auf einen Schuldbrief. . . . . – flüsterte Oblomow.
Stolz sprang auf und setzte sich wieder.
– Zehntausend? Der Hausfrau? Für das Essen? – wiederholte er entsetzt.
– Ja, wir haben viel gebraucht; ich habe auf sehr großem Fuße gelebt. . . Weißt Du noch, ich habe Ananas und Pfirsiche gegessen. . . darum habe ich Schulden. . . – murmelte Oblomow.
– Aber lassen wir das!
Stolz antwortete ihm nicht. Er überlegte sich die Sache. »Der Bruder ist übersiedelt, die Wirtschaft geht schlecht – und es ist auch wirklich so. Alles sieht nackt, ärmlich und schmutzig aus! Was für eine Frau ist denn diese Pschenizina? Oblomow lobt sie; sie sorgt sich um ihn; er spricht mit Feuer von ihr. . .«
Plötzlich wechselte Stolz die Farbe, er glaubte die Wahrheit zu errathen. Es wehte ihn kalt an.
– Ilja! – fragte er. – Was ist Dir. . . diese Frau?. . .
Aber Oblomow hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und schlummerte.
»Sie bestiehlt ihn und schleppt ihm alles fort. . . . Das ist etwas ganz Alltägliches, und er weiß noch immer nichts davon,« dachte Stolz.
Er erhob sich und öffnete schnell die Thür zur Hausfrau, so daß diese bei seinem Anblick erschrocken den Löffel, mit dem sie den Kaffee umrührte, fallen ließ.
– Ich möchte mit Ihnen sprechen, – sagte er höflich.
– Bitte in den Salon einzutreten, ich komme gleich, – antwortete sie schüchtern.
Sie band sich ein Tuch um den Hals, folgte ihm in den Salon und setzte sich auf den Rand des Sofas. Sie hatte nicht mehr ihren Shawl und bemühte sich, die Hände in das Tuch zu verstecken.
– Ilja Iljitsch hat Ihnen einen Schuldbrief gegeben? – fragte er.
– Nein. . . – antwortete sie mit einem stumpfen und erstaunten Blick, – er hat mir gar keinen Brief gegeben.
– Wieso gar keinen?
– Ich habe gar keinen Brief gesehen! – sagte sie mit demselben stumpfen Staunen. . .
– Einen Schuldbrief! – wiederholte Stolz.
Sie dachte ein wenig nach.
– Sie sollten mit dem Bruder sprechen, – sagte sie, – ich habe aber keinen Brief gesehen.
»Ist sie dumm oder listig?« dachte Stolz.
– Er schuldet Ihnen aber? – fragte er.
Sie sah ihn stumpf an, dann kam Ausdruck und sogar Unruhe in ihr Gesicht. Sie erinnerte sich an die versetzten Perlen, an das Silber und den Pelz, und ihr fiel ein, Stolz deute auf diese Schuld hin; sie konnte nur nicht begreifen, wieso man das erfahren hatte. Sie hatte nicht nur Oblomow, sondern auch Anissja gegenüber, der sie über jede Kopeke Rechenschaft ablegte, kein Wort diesbezüglich erwähnt.
– Wieviel schuldet er Ihnen? – fragte Stolz unruhig.
– Gar nichts! Keine Kopeke!
»Sie verheimlicht es vor mir, sie schämt sich, dieses Wucherweib, dieses gierige Frauenzimmer!« dachte er. »Aber ich werde es ihr schon entlocken.«
– Und die zehntausend? – sagte er.
– Welche zehntausend? – fragte sie voll Unruhe und Erstaunen.
– Ilja Iljitsch schuldet Ihnen zehntausend nach einem Schuldschein, ja oder nein? fragte er.
– Er schuldet mir nichts. Er war während der Fasten dem Fleischhauer zwölf und einen halben Rubel schuldig, er hat es aber noch vorige Woche bezahlt; das Obers ist der Milchfrau auch bezahlt worden – er schuldet gar nichts.
– Haben Sie denn gar kein Document, das sich auf Oblomow bezieht?
Sie blickte ihn stumpf an.
– Sie sollten mit dem Bruder sprechen, antwortete sie, – er wohnt auf der nächsten Straße, im Haus von Samikalow, es ist ein Weinkeller im Hause.
– Nein, erlauben Sie, daß ich mit Ihnen spreche! – sagte er entschlossen. – Ilja Iljitsch meint, daß er Ihnen schuldig ist, und nicht Ihrem Bruder. . .
– Er schuldet mir nichts, – sagte sie, – und wenn ich das Silber, die Perlen und den Pelz versetzt habe, ist das für mich geschehen. Ich habe Mascha und mir Schuhe und für Wanjuscha Hemden gekauft und habe den Gemüsehändler gezahlt. Für Ilja Iljitsch habe ich aber keine Kopeke ausgegeben.
Er sah sie an, hörte zu und drang in den Sinn ihrer Worte ein. Er allein schien sich der Lösung von Agafja Matwejewnas Geheimnis zu nähern, und der wegwerfende, fast verächtliche Blick, den er während des Gespräches mit ihr auf sie gerichtet hatte, verwandelte sich jetzt unwillkürlich in einen neugierigen und sogar theilnahmsvollen. Im Versetzen der Perlen und des Silbers ahnte er dunkel das Geheimnis ihrer Opfer und konnte nur nicht mit sich einig werden, ob sie dieselben ganz selbstlos, aus reiner Ergebenheit oder in der Erwartung einer künftigen Belohnung gebracht hatte. Er wußte nicht, ob er Iljas wegen traurig oder froh sein sollte. Es war jetzt klar, daß er ihr nichts schuldig war, daß diese Schuld irgendein Schurkenstreich ihres Bruders war, dafür eröffnete sich ihm vieles andere. . . Was bedeutete dieses Versetzen des Silbers und der Perlen?
– Sie erheben also auf Ilja Iljitsch keinerlei Anspruch? – fragte er.
– Sie sollten mit dem Bruder sprechen, – antwortete sie eintönig, – er muß jetzt zu Hause sein.
– Sie sagen, daß Ilja Iljitsch Ihnen gar nichts schuldet?
– Keine Kopeke, das ist bei Gott wahr! – schwor sie, auf das Heiligenbild blickend und sich bekreuzend.
– Werden Sie das vor Zeugen bestätigen?
– Vor allen! Sogar bei der Communion! Und was das Silber und die Perlen betrifft, die habe ich nur für meine eigenen Ausgaben versetzt. . . .
– Sehr wohl! – unterbrach sie Stolz. – Morgen komme ich mit zwei Bekannten her und Sie werden sich nicht weigern, vor ihnen dasselbe zu sagen?
– Sie sollten lieber mit dem Bruder sprechen, – wiederholte sie, – ich bin nicht anständig gekleidet. . . . alles in der Küche ist in Unordnung, wenn Fremde es sehen, werden sie es bekritteln.
– Das macht nichts; und mit Ihrem Bruder werde ich noch morgen sprechen, nachdem Sie das Papier unterschrieben haben. . .
– Ich habe jetzt gar nicht mehr die Übung zu schreiben.
– Man braucht dabei ja nicht viel zu schreiben, im ganzen zwei Zeilen.
– Nein, befreien Sie mich davon; Wanjuscha sollte es lieber schreiben; er schreibt so rein. . .
– Nein, weigern Sie sich nicht, – bestand er, – wenn Sie das Papier nicht unterschreiben, bedeutet es, daß Ilja Iljitsch Ihnen zehntausend schuldet.
– Nein, er schuldet gar nichts, keine Kopeke, – sagte sie, – bei Gott!
– Dann müssen Sie das Papier unterschreiben. Also auf Wiedersehen morgen.
– Sie sollten morgen lieber zum Bruder gehen. . . – sagte sie, ihn begleitend, – er wohnt hier an der Ecke, man braucht nur über die Straße zu gehen. . .
– Nein, und ich möchte Sie bitten, dem Bruder bis dahin nichts zu sagen, sonst wird es Ilja Iljitsch sehr unangenehm sein. . . .
– Ich werde ihm nichts sagen! – antwortete sie gehorsam.