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Kitabı oku: «Der Raufbold», sayfa 2

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Nach einer Weile blickte sie über die Schulter zurück, betrachtete den ausgestreckten Arm, stand auf, trat vor den Spiegel, setzte sich lächelnd den Hut auf und ging hinaus in den Garten . . .

Abends gegen acht Uhr begannen die Gäste sich einzufinden. Frau Perekatoff empfing und unterhielt mit großer Liebenswürdigkeit die älteren Damen; ihre Tochter unterzog sich derselben Aufgabe gegenüber den jungen Damen, und der Herr vom Hause redete mit den Gutsbesitzern von Wirthschafts-Angelegenheiten wobei er sich beständig nach seiner Gattin umblickte. Allmählich erschienen auch die jungen Provinzialstutzer – sie kamen absichtlich etwas spät – und endlich der Herr Oberst, begleitet von seinem Adjutanten, Kister und Lutschkoff, welche er der Dame vom Hause vorstellte. Kister murmelte das übliche »sehr angenehm«, während Lutschkoff sich nur stumm verbeugte. Herr Perekatoff eilte sofort auf den Oberst zu, drückte warm die Hand und blickte ihm gerührt in die Augen. Der Oberst machte gleich ein finsteres Gesicht.

Der Tanz begann. Kister engagirte die Tochter vom Hause. Der Ball wurde mit einer Ecossaise eröffnet, einem Tanze, der damals noch sehr in Mode war.

»Sagen Sie mir doch,« sprach Marja, als sie einige Male die Runde gemacht hatten und nun unter den ersten Paaren standen, »warum tanzt Ihr Freund nicht?«

»Mein Freund – wen meinen Sie?«

Marja zeigte mit dem Fächer nach Lutschkoff.

»Der tanzt niemals,« entgegnete Kister.

»Warum ist er denn hierhergekommen?«

Kister lächelte. »O, er wollte gern das Vergnügen haben – —«

Marja unterbrach ihn. »Sie sind wohl erst vor Kurzem in unser Regiment eingetreten?«

»In »Ihr« Regiment?« versetzte Kister lächelnd; »ja, erst vor kurzem.«

»Und langweilen Sie sich nicht hier in unserer Gegend?«

»Aber ich bitte Sie! . . . Ich habe hier so angenehme Gesellschaft gefunden! . . . und dann die Natur . . . !«

Und Kister verbreitete sich über die Naturschönheiten Südrußlands.

Marja hörte ihm gesenkten Hauptes zu. Lutschkoff stand in einer Ecke und sah gleichgültig den Tänzern zu.

»Wie alt ist Herr Lutschkoff?« fragte sie plötzlich.

»Etwa . . . etwa fünfunddreißig,« sagte Kister.

»Er soll sehr gefährlich – sehr jähzornig sein.« fügte sie schnell hinzu.

»O, ein wenig aufbrausend . . . aber sonst ein ganz braver Mensch.«

»Wie ich höre, fürchten sich Alle vor ihm.«

Kister lachte.

»Und Sie?«

»Ich? . . . Herr Lutschkoff und ich sind gute Freude.«

,Wirklich?«

»Sie sind dran! Sie sind dran!« wurde ihnen von allen Seiten zugerufen. Die Beiden fuhren leicht zusammen und begannen wieder durch den Saal zu tanzen.

»Ich gratulire,« sprach der Cornet zu Lutschkoff, als er nach Beendigung des Tanzes seinen Freund aufsuchte; »während der ganzen Zeit hat die Tochter vom Hause nur nur von Dir gesprochen.«

»Nicht möglich!« versetzte Lutschkoff spöttisch.

»Du bist ein Glücksmensch! Sie ist ein sehr hübsches Mädchen; sieh nur!«

»Wo ist sie?«

Kister zeigte sie ihm.

»Ah! Nicht übel!«

Und Lutschkoff gähnte.

Welch’ ein Eiszapfen!« rief Kister, und damit eilte er wieder fort, um eine andere junge Dame zum Tanz aufzufordern.

Die Nachricht, welche Kister seinem Freunde überbracht hatte, that diesem trotz des Gähnens ungemein wohl. Daß er Neugierde erregte, schmeichelte seiner Eigenliebe ganz außerordentlich. In seinen Reden verachtete er die Liebe, denn er fühlte, das; es ihm sehr schwer fallen würde, Liebe zu erregen. Sehr leicht dagegen war es, den Gleichgültigen und Stolzen zu spielen. Lutschkoff war häßlich und durchaus nicht mehr jung; aber er hatte seine Person mit einer Art Nimbus umgeben, und so durfte er sich damit auch brüsten.

Allmählich hatte er sich an die bittere Befriedigung gewöhnt, welche die Vereinsammung gewährt. Nicht zum ersten Mal hatte eine Frau ihm ihre Aufmerksamkeit zugewendet; einige gar hatten sich ihm zu nähern versucht; aber mit seiner grausamen Gleichgültigkeit hatte er sie wieder von sich gestoßen. Er wußte, dass die Zärtlichkeit ihm schlecht zu Gesicht stand. (Kam es zu einer Erklärung, so war er erst unbeholfen, und dann – aus Aerger darüber – grob und beleidigend.) Er erinnerte sich einiger Frauen, die er vor Jahren gekannt; kaum schien das Verhältniß einen herzlichen Charakter annehmen zu wollen, da wurden sie von einem so eisigen Gefühl der Abneigung erfaßt, dass sie sich augenblicklich von ihm zurückzogen. So war er denn schließlich dahin gekommen ein räthselhaftes Wesen anzunehmen und das zu verachten, was das Schicksal ihm versagt hatte. . . Eine andere Verachtung kennen ja die meisten Menschen nicht. Jeder ehrliche und unwillkürliche, das heißt wahre Ausbruch der Leidenschaft war für Lutschkoff etwas Unbegreifliches; er spielte selbst dann eine Rolle, wenn er aufbrauste. Nur dem jungen Cornet flößte er keinen Widerwillen ein, wenn er in höhnisches Lachen ausbrach; die Augen des braven Deutschen strahlten vor edler freudiger Antheilnahme, wenn er Lutschkoff gewisse Stellen aus seinem geliebten Schiller vorlas und dann der Raufbold mit gesenktem Kopf und verdutzter Miene vor sich hin starrte . . .

Kister tanzte, bis er vor Müdigkeit umzusinken drohte. Lutschkoff saß noch immer regungslos in seiner Ecke. Von Zeit zu Zeit blickte er mit zusammengezogenen Branen verstohlen nach Marja hinüber; aber sobald ihre Blicke sich begegneten, gab er seinem Gesicht einen gleichgültigen Ausdruck. Marja hatte bereits dreimal mit Kister getanzt. Der ehrliche, so begeisterungsfähige Jüngling hatte ihr Vertrauen gewonnen und so plauderte sie ganz ungezwungen und fröhlich mit ihm: aber in ihrem Innern fühlte sie sich beklommen . . . ihre Gedanken beschäftigten sich mit Lutschkoff.

Man intonirte die Masurka. Die Offiziere wurden lebendig; die Absätze schlugen an einander und es war, als ob die Epauletten sich bewegten; ja sogar die Civilisten begannen mit den Absätzen zu klappern. Noch immer rührte Lutschkoff sich nicht von der Stelle, teilnahmslos folgten seine Augen den durcheinander wirbelnden Paaren.

Da berührte Jemand seinen Arm . . . Er sah sich um; sein Nachbar deutete aus Marja. Da stand sie mit gesenkten Blicken vor ihm und hielt ihm die Hand entgegen. Einen Augenblick sah Lutschkoff sie erstaunt au, dann schnallte er gleichgültig den Degen ab, warf seine Mütze an die Erde, trat linkisch zwischen die Stühle, ergriff Marja bei der Hand und tanzte mit ihr durch den Saal, jedoch ohne zu hüpfen und mit den Absätzen zu klappern; es war, als erfüllte er widerwillig eine unangenehme Pflicht . . . Seiner Tänzerin pochte heftig das Herz.

»Warum tanzen Sie nicht?« fragte sie endlich.

»Ich bin kein Freund vom Tanzen,« antwortete er. »Wo ist Ihr Platz?«

»Dort.«

Lutschkoff führte Marja zu ihrem Stuhl, verbeugte sich kaltlblütig und lehrte ebenso kaltblütig in seine Ecke zurück . . . Aber in seiner galligen Brust begann es sich freudig zu regen.

Kister forderte Marja wieder zum Tanz auf.

»Welch ein seltsamer Mensch ist doch Ihr Freund.«

»Er scheint Sie ja sehr zu interessiren,« versetzte der junge Cornet, schelmisch mit seinen blauen guten Augen blinzelnd.

»Ja . . . er muß sehr unglücklich sein.«

»Er unglücklich! Wie kommen Sie auf den Einfall?« Und Kister lachte hell auf.

»Das begreifen Sie nicht . . . Das begreifen Sie nicht,« seufzte sie und schüttelte ernst mit dem Kopf.

»Warum sollt ich das nicht begreifen?«

Sie schüttelte noch einmal mit dem Kopf und sah nach Lutschkoff hinüber. Dieser bemerkte ihren Blick, zuckte leicht die Achseln und ging in ein anderes Zimmer.

III

Einige Monate sind verstrichen. Lutschkoff hat die Perekatoffs nicht ein einziges Mal wieder besucht, wogegen Kister ziemlich häufig gekommen ist. Nenila mag ihn sehr gern leiden, aber nicht sie ist es, die ihn zu diesen Besuchen veranlaßt, sondern ihre Tochter. Als unerfahrener und unschuldiger Jüngling fand er eine besondere Freude an dem gegenseitigen Austauschen von Gedanken und Empfindungen und glaubte in seiner gutmüthigen Ehrlichkeit noch an die Möglichkeit einer erhabenen, ungetrübten Freundschaft zwischen einem jungen Manne und einem jungen Mädchen.

Eines Tages führte ihn sein mit drei wohlgenährten feurigen Pferden bespannter Wagen wieder hinüber zu den Perekatoffs. Es war ein schwüler heißer Sommertag. Am ganzen Himmel nicht eine einzige Wolke. Auch am Horizont zog sich eine eigenthümlich bläuliche Nebelmaske zusammen, welche – sich ausnahm wie eine Gewitterwolke. Das Haus, welches der Familie als Sommeraufenthalt diente, war von Perekatoff erbaut worden.

Mit der dem Steppenjunker eigenen Umsicht hatte er es so einzurichten gewußt, dass die Fenster gerade der Sonne zugekehrt waren.

Schon früh Morgens hatte Nenila sämtliche Jalousien schließen lassen. Kister trat in das kühle halbdunkle Gastzimmer. Das Licht spielte am Fußboden in langen Linien, an den Wänden in kurzen dichten Streifen. Kister wurde sehr freundlich von der Familie empfangen. Nach dem Essen zog sich Nenila in ihr Schlafgemach zurück, um sich ein wenig auszuruhen: Herr Perekatoff machte es sich auf dem Sopha im Gastzimmer bequem und Marja setzte sich am Fenster hinter den Stickrahmen. Kister nahm ihr gegenüber Platz.

Ohne den Stickrahmen aufzuklappen, lehnte sie sich leicht mit der Brust dagegen und stützte den Kopf auf die Hände.

Kister begann zu erzählen. Sie hörte ihm ohne Aufmerksamkeit zu – man hätte meinen sollen, sie erwarte irgend etwas. Von Zeit zu seit blickte sie hinüber zum Vater, und mit einem mal streckte sie die Hand aus.

»Hören Sie, Fedor Fedorowitsch . . . aber sprechen Sie leise . . . Papa schlaft.«

In der That war Herr Perekatoff wie gewöhnlich eingeschlafen. Er saß da mit zurückgesunkenem Kopf und leicht geöffnetem Munde.

»Was wünschen Sie?« fragte Kister erwartungsvoll.

»Werden Sie mich auch nicht auslachen?«

»Aber ich bitte Sie . . . «

Marja senkte den Kopf – so, daß nur der obere Theil des Gesichts nicht von den Händen bedeckt war. Dann fragte sie Kister halblaut und mit einer gewissen Verwirrung warum er niemals Herrn Lutschkoff mitbringt.

Es war nicht das erste Mal, daß Marja nach jenem Ball von ihm gesprochen hatte . . .

Kister bewahrte Schweigen.

Aengstlich blicke Marja durch die verschlungenen Finger zu ihm auf.

»Darf ich Ihnen offenherzig meine Meinung sagen?« fragte Kister.

»Warum nicht? . . . Gewiß!«

»Wie mir scheint, hat Lutschkoff einen tiefen Eindruck auf Sie gemacht!«

»Durchaus nicht!« antwortete sie und neigte sich noch tiefer hinab, wie um das Muster besser prüfen zu können . . . Ein schmaler goldiger Lichtstreif spielte auf ihrem Haar. »Durchaus nicht! .

. . Aber . . . «

»Aber . . .?« wiederholte Kister lächelnd.

»Sehen Sie,« sprach Marja, plötzlich den Kopf erhebend, so daß der Lichtstreif ihr gerad in die Augen fiel: »sehen Sie . . . er . . .«

»Er interessirt Sie . . .«

»Nun . . . ja . . .« entgegnete sie zögernd, erröthete über das ganze Gesicht wandte den Kopf ein wenig zur Seite und fuhr in dieser Stellung fort:

»Er hat so etwas . . . Sehen Sie, da lachen Sie ja doch,« fügte sie plötzlich hinzu und sah den Cornet scharf an.

Um Kisters Lippen spielte ein ganz sanftes Lächeln.

»Ich sage Ihnen Alles, was mir in den Sinn kommt,« fuhr sie fort. »Ich weiß, Sie sind mir ein . . . « (treuer Freund, wollte sie sagen) . . . »Sie meinen es gut mit mir.«

Kister verneigte sich. Marja schwieg und reichte ihm schüchtern die Hand. Achtungsvoll drückte er die Spitzen ihrer Finger.

»Er muß ein großer Sonderling sein,« bemerkte sie und stützte sich wieder auf den Stickrahmen.

»Sonderling?«

»Ja . . . ueberhaupt interessirt er mich nur als Sonderling. « fügte sie schlau hinzu.

»Lutschkoff ist ein merkwürdiger, aber edler Mensch,« versetzte Kister mit feierlicher Miene. »Seine Kameraden im Regiment kennen ihn nicht: man weiß ihn nicht nach Verdienst zu würdigen, man sieht an ihm nur die äußere Schale. Freilich er ist etwas abstoßend und wunderlich, aber sein Herz ist gut.«

Marja hing förmlich an den Lippen des jungen Cornets.

»Ich bring ihn mit hierher. Ich werde ihm sagen, daß er keinen Grund habe, sich vor Ihnen zu fürchten; daß es lächerlich sei, schüchtern zu thun . . . ich werde ihm sagen – o, ich weiß schon was ich ihm sagen werde . . . aber Sie wissen gar nicht, daß ich – —«

Kister wurde verwirrt: auch Marja gerieth in Verlegenheit.

»Nun, gleichviel, wenn er Ihnen nur gefällt . . .«

»Ja, wie viele Andere mir gefallen.

« Kister sah sie verschmitzt an.

»Gut, gut,« fuhr er mit zufriedener Miene fort, »ich bringe ihn mit . . .«

»Aber nicht so ohne Weiteres – —« ,.

»Unbesorgt: ich bürge Ihnen dafür, es geschieht in ganz passender Weise . . . Ich werde das schon einzurichten wissen.«

»Sie sind ein —!« begann Marja lächelnd und drohte ihm mit dem Finger; aber sie vollendete nicht. Herr Perekatoff gähnte und schlug die Augen auf.

»Ich glaube fast, ich habe ein bischen geschlummert,« murmelte er verwundert. Diese Bemerkung machte er täglich.

Marja und Kister begannen von Schiller zu reden.

Doch war dem Cornet durchaus nicht behaglich zu Muth; in feiner Brust regte sich etwas wie Eifersucht, – und in seinem Edelmuth machte er sich deshalb Vorwürfe. Nenila kehrte ins Gastzimmer zurück; kurz daraus wurde Thee servirt. Herr Perekatoff ließ seinen Hund wiederholt über einen Stock springen und theilte der Gesellschaft mit. welche Kunststücke er dem Hunde beigebracht, wobei dieser verständnisvoll mit dem Schweif wedelte und sich blinzelnd die Schnauze leckte. Als gegen Abend die Hitze nach gelassen und ein anderer Wind sich erhob, unternahm die ganze Familie einen Spaziergang nach einem in der Nähe des Herrenhauses gelegenen Birkenwäldchen. Der Cornet wandte kein Auge von Marja ab: es war, als hätte er ihr fortwährend zu verstehn geben wollen, daß er ihren Auftrag gewissenhaft ausführen würde. Marja war bald verdrießlich, bald heiter bis zur Ausgelassenheit. Plötzlich begann Kister tnit großen Worten von Liebe und Freundschaft zu reden . . . aber mit einemmal bemerkte er Nenilas spähende scharfe Blicke; da ließ er dieses Thema sofort wieder fallen.

Hell und glanzvoll sank die Sonne hinter dem Horizont. Vor dem Birkenwäldchen dehnte sich weithin eine breite Wiesenfläche. Da kam Marja aus den Einfall, man mochte ein Fangspiel veranstalten. Man lies; die Dienerschaft holen und Herr Perekatoff stellte sich neben seine Frau, Kister neben Marja. Die Diener begannen unter schwachen unterthänigen Zurufen zu laufen; der Kammerdiener des Herrn Perekatoff hatte die Kühnheit, Nenila von ihrem Gatten zu trennen, und eine Kammerzofe ließ sich ehrfurchtsvoll von ihrem Herrn fangen; aber Kister ließ sich von Marja nicht trennen. Jedesmal wenn sie sich in die Reihe stellten, rannte er ihr hastig ein paar Worte zu. Sie war vom Laufen ganz roth geworden, hörte ihn lächelnd an und glättete sich mit der Hand beständig das Haar . . .

Nach dein Abendessen fuhr Kister wieder ab.

Es war eine ruhige sternhelle Nacht. Er nahm die Mütze vom Kopf. Er war in solcher Aufregung . . . es war ihm fast weh um’s Herz. »Ja,« dachte er, »sie liebt ihn: und ich – ich soll sie zusammenführen . . . nun, ich werde ihr Vertrauen rechtfertigen!«

Obgleich Marja noch nicht in unzweideutiger Weise zu verstehen gegeben, was sie für Lutschkoff fühlte, obgleich er nach ihrer eigenen Behauptung nur ihre Neugier erregt, arbeitete sich Kister doch schon einen ganzen Roman aus und suchte mit sich darüber in’s Klare zu kommen, welche Pflichten er zu erfüllen habe. Er beschloß, seine eigenen Gefühle zu opfern: »das kann ich um so eher,« dachte er, als ich ja außer einer aufrichtigen warmen Freundschaft bis jetzt nichts für sie empfinde.« Kister war wirklich im Stande, sich der Freundschaft der erkannten Pflicht zu opfern. Er hatte viel gelesen, und so bildete er sich ein, er besitze Erfahrung und Klugheit; er hegte nicht den leisesten Zweifel, daß alle seine Voraussetzungen richtig seien, er ahnte nicht, daß das Leben unendlich mannigfaltig ist und sich niemals wiederholt. Nach und nach wurde er geradezu begeistert über seine Opferwilligkeit und dachte mit Rührung über die Aufgabe nach, welche er hier zu lösen hatte. Der Mittler zu sein zwischen einem liebenden zaghaften Mädchen und einem Manne, der vielleicht nur darum rauh und abstoßend war, weil es ihm noch niemals beschieden gewesen, Liebe zu empfinden und zu wecken, sie mit einander in Berührung zu bringen, sie über ihre eignen Gefühle aufzuklären, und dann sich zurückzuziehen, ohne sie auch nur ahnen zu lassen, welch großes Opfer er gebracht – welch herrliche Aufgabe! Trotz der kühlen Nacht glühten dem edlen Träumer die Wangen . . .

Früh am anderen Tage begab er sich zu Lutschkoff.

Wie gewöhnlich lag dieser auf dem Sopha und rauchte die Pfeife. Kister wünschte ihm guten Morgen und sagte mit einer gewissen Feierlichkeit;

»Ich war gestern bei Perekatoffs.«

»Ah,« versetzte Lutschkoff gleichgültig und gähnte.

»Ja . . . es sind prächtige Menschen.«

»So!«

»Wir sprachen von Dir!«

»Sehr viel Ehre; mit wem sprachst Du von mir?«

»Mit den Alten . . . und auch mit der Tochter.«

»Ah,. mit dem – dicken Fräulein!«

»Sie ist ein sehr schönes Mädchen, Lutschkoff.«

»Nun ja, schön sind sie Alle.«

»Nein, Lutschkoff, Du kennst sie nicht. Ich versichere Dich, noch niemals habe ich ein so kluges, gutes und liebenswürdiges Mädchen kennen gelernt.«

»Lasest Du nicht im Hamburger Correspondent,« begann Lutschkoff näselnd zu declamiren, »wie im vorigen Jahr Münnich den Feind zu Paaren trieb?«

»Aber ich sage Dir – —«

»Du bist in die Kleine verliebt, mein Bester,« bemerkte Lutschkoff spöttisch.

»Durchaus nicht. Fällt mir gut nicht ein.«

»Fedor. Du bist verliebt!«

»Dummes Zeug! Wie wäre denn das möglich!«

»Du bist in sie verliebt, mein theurer Herzensfreund!« wiederholte der Rittmeister.

»Ach, Alexis, Du solltest Dich schämen, so etwas zu sagen!« sprach Kister ärgerlich.

Jeden Andern würde Lutschkoff jetzt erst recht geneckt haben, gegen Kister übte er Nachsicht.

»Nun, nun,« sagte er leise; »werde nicht böse, Fedor, erzähle, was hast Du auf dem Herzen.«

»Höre, Alexis,« fuhr Kister mit Wärme fort und setzte sich neben ihn. »Du weißt, ich mag Dich gern leiden.« (Lutschkoff verzog das Gesicht.) »Aber eines gefällt mir, offen gestanden, nicht an Dir: nämlich, daß Du mit Niemand nähere Bekanntschaft machen willst, beständig zu Hause hockst, die Berührung mit guten Menschen meidest. Denn schließlich giebt es doch wirklich noch gute Menschen! . . . Nun, zugegeben, daß Du im Leben Enttäuschungen erfahren, daß man Dir grausam mitgespielt hat; Du brauchst Dich ja auch nicht dem ersten Besten an den Hals zu werfen – aber warum wendest Du Dich von Allen ab? . . . Da könntest Du ja auch eines Tages mit mir brechen!«

Lutschkoff fuhr gelassen fort seine Pfeife zu rauchen.

»Die Folge davon ist, dass Niemand Dich kennt – Niemand als ich. Gott mag wissen, was alle Andern von Dir denken! . . . Alexis,« fügte Kister nach kurzem Schweigen hinzu, »glaubst Du an die Tugend?«

»Warum sollt’ ich nicht an die Tugend glauben? . . . Gewiß, ich glaube daran,« murmelte Lutschkoff.

Kister drückte ihm warm und innig die Hand.

»Ich möchte Dich,« fuhr er mit gerührter Stimme fort, »mit dem Leben versöhnen. Du sollst wieder froh werden, wieder aufblühen – ja, ja förmlich wieder aufblühen. Wie glücklich mich das machen wird! Gestatte nur, daß ich bisweilen, bei passender Gelegenheit, über Dich verfüge. Heut ist – ja was denn? Montag . . . morgen Dienstag . . . Mittwoch, ja, ja, Mittwoch fahren wir zu Perekatoffs. Sie werden sich so freuen, Dich wiederzusehen . . . und wir werden dort ein paar glückliche Stunden verleben . . . Und jetzt lass mich eine Pfeife Tabak rauchen.«

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10 aralık 2019
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