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11

An diesem Abend wollte Ali Akbar nicht ins Bett gehen. Er wälzte bis spät in die Nacht seine heruntergeladenen Informationen über den Hoover Dam.

Dabei benutzte er die verschlüsselte Partition, die ihm Bill eingerichtet hatte. Ali hätte nie gedacht, dass es so etwas Raffiniertes an Verschlüsselungstechnologien gab. Bill hatte ihm gezeigt, dass sich, wenn er das erste Passwort eingab, auch eine Partition öffnete, allerdings nur ein harmloser Bereich. Mit Urlaubsbildern, persischen Rezepten, einer Liste von Restaurants, die er gerne besuchte und ganz versteckt ein paar anzügliche Bilder von irgendwelchen Schmuddelseiten. Der harmlose Bereich sollte dabei so echt wie möglich aussehen. Selbstverständlich musste Ali über dessen Inhalt Bescheid wissen. Bill hatte ihm es so verdeutlicht, dass wenn jemand mit der Pistole hinter ihm stünde oder drohte seine Familie zu Hause auszulöschen, könnte er dieses erste Passwort eingeben. Der Angreifer würde die Partition öffnen können und sich nicht belogen fühlen. Bill hatte ihm versichert, dass es technisch unmöglich zu erkennen war, dass es noch einen zweiten Bereich gäbe. Der einzige Haken an der Sache war, dass er den harmlosen Bereich nicht mehr aktualisieren durfte. Ali würde sonst Gefahr laufen, Daten im zweiten Bereich zu überschreiben. Daher legten Bill und er in regelmäßigem Abstand die Partitionen neu an und kopierten die bisher gewonnen Erkenntnisse.

In diesem sicheren Bereich lag auch der persönliche Zertifikatsschlüssel für die Mailbox, die ihm Bill eingerichtet hatte. Ali öffnete die Mailbox routinemäßig nach zwei Stunden Recherche. SPAM, schon wieder, dachte er. Wieso will mir eigentlich die halbe Welt Viagra andrehen?

Bill hatte Ali eindringlich gebeten auch die SPAM Mails anzusehen. Er erklärte ihm auch kurz, woher das Wort SPAM eigentlich kam. Bill hatte wohl ein Faible für die Briten. Er meinte, es wäre ein Monthy Phyton Sketch, bei dem immer das Wort SPAM vorkam. Eine übliche Abkürzung bei den Inselbewohnern für spiced pork and ham. Ein widerliches Frühstücksessen aus der Dose. Ali mochte weder die Engländer, noch ihre Küche.

Wenn Said Ali kontaktieren würde, wäre dies nach Bills Einschätzung wohl eine SPAM Email. Dies wäre am unauffälligsten.

Viagra, zum ersten, Viagra zum zweiten, vielleicht sollte ich das Zeug einfach mal kaufen, dann nerven die mich nicht mehr, sinnierte Ali.

Aber was war das? Es gab eine Reise zu gewinnen. Endlich mal kein Potenzmittel. Ali war kurz davor die Mail zu löschen, als er das Ziel sah. Die Reise ging nach Kanada, genauer gesagt in den Wells Grey Provincial Park. Jetzt klingelten Alis Alarmglocken. Vor ungefähr fünf Jahren hatte er Said von einem seiner Träume erzählt. Er wollte einmal nach Kanada und sich dort die Nationalparks ansehen. Besonders angetan hatte Ali von einem traumhaften Park erzählt, der in Prospekten und Reiseführern als Geheimtipp gehandelt wurde. Unendliche Natur. Er könnte tagelang Kanu fahren ohne jemanden zu treffen, wandern und viele Bären beobachten. Angeblich wimmelte es in dem Park nur so von den braunen Geschöpfen. Und er wollte den Wasserfall sehen, den er Said schon auf vielen Bildern gezeigt hatte, den Helmcken Fall.

Und genau auf dieses Bild starrte Ali jetzt. Er war sich sicher. Die Nachricht stammte von Said.

Er studierte die Email genauer und entschied sich auf den Ich-mache-im-Preisausschreiben-mit Knopf zu drücken.

Der Link führte ihn immer wieder über einen redirect, also einer Weiterleitung, auf eine neue Seite. Ali landete schließlich auf einer Seite der Washington Post, bei den Kleinanzeigen der Kontaktbörse. Neugierig ging er sie alle durch. Bei einer blieben seine Augen hängen.

„Suche kleinen Brillenträger für gemeinsamen Spaß. Garantiere Bombenstimmung. Ruf mich an unter 057 013 1430.“

Ali war sichtlich entzückt über Saids Wortwahl. Er erkannte ziemlich schnell die Codierung der amerikanischen Telefonnummer. Die ersten drei Zahlen müssen das Datum sein, siebter Mai im US-typischen Datumsformat. Der zweite Block war ihr vorher definierter Platz 13. Der dritte Block war die Uhrzeit, 14:30.

Übersetzt hieß das: übermorgen 07. Mai, 19:00 Uhr, „Golden Dragon“ Restaurant in China Town, San Fransisco.

Ali war in den letzten zwei Tagen nicht wirklich weitergekommen. Er war eher damit beschäftigt, sich zu überlegen wie er es Said am schonendsten beibringen konnte, dass seine Zelle noch keine sichtbaren Fortschritte gemacht hatte. Mit gesenktem Haupt betrat Ali das chinesische Restaurant.

„Ni hao. Darf ich Ihnen einen Tisch anbieten?“, wurde er freundlich von einer jungen Chinesin begrüßt. Sie hatte pechschwarze Haare und ein sehr blasses Gesicht.

„Ich warte noch auf einen Freund. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er schon…“ Ali konnte den Satz gar nicht beenden, da sprudelte es schon aus der Asiatin heraus.

„Ah, ni shi Akbar. Bitte kommen Sie.“ Sie drehte sich mit einem breiten typisch asiatischen Lächeln um und verschwand in ein kleines Separee. Ali folgte ihr zu einem Tisch mit rundum rotem Sofa. Im hintersten Bereich saß Said im Halbschatten.

„Chi chi“, brachte Ali stockend heraus. Die einzigen chinesischen Worte, die er kannte. Aber er hatte bei seinen Besuchen in Chinatown schnell gelernt, dass diese Doppelsilbe Wunder bewirkte. Ein Thank You konnte da nicht mithalten.

Das junge Mädchen verschwand genau so schnell wie sie Ali zu Said gebracht hatte.

„Ali, mein Bruder. Schön, dass alles geklappt hat. Ist alles klar bei dir? Du siehst etwas bedrückt aus.“

„Said, ich will nicht ausweichen. Aber unsere Ergebnisse sind bisher nicht zufriedenstellend. Ich übernehme die volle Verantwortung dafür.“

„Eins nach dem anderem. Erzähle mir zuerst was ihr herausbekommen habt. Dann sehen wir weiter. Ach ja, ist Peking Ente ok? Ich habe sie schon einmal für uns vorbestellt.“

Wie konnte Said bei so einem Thema an die Essenswahl denken? War ihm das Thema nicht so wichtig? Alis Gedanken mussten sich erst sortieren, aber dann legte er los.

„Wir haben alle Möglichkeiten durchgerechnet. Eine Zerstörung ist nach unserer Einschätzung nicht möglich.“

Bewusst vermied Ali den Namen des Zielobjektes.

„Beschädigung ja, aber vollkommen nein. Da ist so viel Beton eingegossen, dafür könnten wir den ganzen Grand Canyon zubetonieren.“ Ali übertrieb, wobei Said keine Miene verzog und weiter lauschte.

„Wir haben Möglichkeiten durchgerechnet, die einen Beschuss aus der Luft, vom Land oder unter Wasser vorsehen. Bill und Patrick waren sogar vor Ort und haben alles ausgekundschaftet. Ich sag‘s mal so, wir würden hundert Möglichkeiten finden, die zu ärgeren oder zu irritieren, aber komplett pulverisieren, das geht nicht.

Was ist dein eigentliches Ziel? Ist es die Demütigung durch die Eliminierung der touristischen Sehenswürdigkeit, die Beeinträchtigung des Stromnetzes oder die der Wasserversorgung? Für ein oder zwei solche Ziele könnten wir etwas zusammenstellen. Aber das ganze Ding in Schutt und Asche zu legen, ist extrem aufwändig.“

Ali machte eine kurze Pause und Said legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ali Akbar, mein Bruder. Sei unbesorgt. Du wirst mich nie enttäuschen. Ich bin sehr zufrieden mit deiner Selbständigkeit. Ich sehe ihr habt Fortschritte gemacht. Ihr seid eine hervorragende Zelle, und du bist ein genialer Anführer.

Ali, ich werde deine Ergebnisse mit meinem Partner absprechen. Wenn du mich in der Zwischenzeit kontaktieren willst, antworte auf die SPAM mail. Und jetzt lass es dir erst mal schmecken.“

In diesem Moment kam die junge Bedienung in das Separee. Sie brachte eine sehr traditionelle Peking Ente. Nur die Haut, nicht das Fleisch.

Ali war überrascht von Saids Haltung. Er hatte gedacht es würde ein viel schwierigeres Gespräch geben. Schließlich hatte er keine verwertbaren Daten gesammelt und trotzdem lobte Said ihn in allen Tönen. War er, Ali Akbar, vielleicht wirklich ein so guter Führer? Aber wer war der Partner von Said? Ali war klar, dass Said eher sterben würde, als etwas über ihn zu erzählen, also fragte er erst gar nicht. Aber interessiert hätte es ihn schon. Vielleicht einer in der Hierarchie der Terrororganisation ganz oben? Vielleicht würde er, Ali Akbar, bald ebenfalls auf so einem Level mitreden.

Kaum hatten die beiden die Ente verspeist, wurde der Nachtisch, ein Obstsalat, serviert.

Eine halbe Stunde später verließ Ali Akbar das chinesische Restaurant, diesmal mit erhobenem Kopf.

Auf dem Fußweg zur nächsten Station der BART dachte er, wie nett Said zu ihm war. Said war ein guter Mensch, ein Grund mehr ihn zu unterstützen.

Im Zug setzte sich Ali direkt ans Fenster. Er sah die vorbeihuschenden Lichter des Tunnels nicht und starrte mit leerem Blick durchs Fenster. Obwohl es bereits dunkel war, konnte man am Geräusch erkennen, dass der Zug den Tunnel verlassen hatte und sich wieder an der Oberfläche befand.

Genau in diesem Moment durchzuckte Ali ein Geistesblitz.

Wieso hatte er daran vorher noch nicht gedacht? Das gab einen total neuen Ansatzpunkt. Sobald er nach Hause kam, würde er sich das Notebook schnappen und das nächstgelegene offene WLAN ansteuern. Diese neue Idee musste er unbedingt gleich googeln.

12

Zwei Tage später war sich Ali Akbar sicher, dass er nun eine Lösung für Saids Auftrag hatte.

Die Idee des vorletzten Abends hatte Ali einen Quantensprung weiter gebracht. Die Fakten, die er aus dem Netz hatte saugen können, waren beeindruckend. Wenn man die Daten richtig zuordnen konnte, stand im Netz schwarz auf weiß die Lösung für seine Aufgabe. Eigentlich nur um sich abzusichern, besprach er die Daten mit Bill, Bijan und Patrick.

Alle drei waren perplex und fragten sich, warum sie da nicht schon früher darauf gekommen waren.

Ali verfasste eine Mail an Said in dem er auf die SPAM Mail antwortete, die ihm vor ein paar Tagen auf eine Anzeige gebracht hatte. Den Text versuchte er so unauffällig, aber trotzdem so triumphal wie möglich zu formulieren:

Hallo Preisausschreiben Team,

gerne würde ich die Reise gewinnen. Ich bin mir nun sicher Ihre gestellte Aufgabe richtig lösen zu können. Ich habe die Lösung sogar im ganzen Familienkreis besprochen.

Sollten wir gewinnen, würde ich mich freuen, mit einer zweiten befreundeten Familie nach Kanada reisen zu können. Das wäre mir sehr wichtig.

Ali war klar, dass er für seine Lösung eine zweite Zelle brauchen würde.

Er konnte es nicht lassen, noch einen Gruß an das Ende der Email zu setzen:

Wir verbleiben mit vielen Grüßen und meinem neuen Lieblingswort:

Jackpot.

Damit sollte Said klar sein, dass sich alle sicher waren, dass ihre Lösung funktionierte.

Am selben Abend las Said die Email von Ali. Er verstand sofort um was es ging. Noch hatte er nicht mit ihm telefoniert, aber jetzt wäre es ein guter Zeitpunkt.

Said stieg in sein Auto. Er musste sich in jedem Fall etwas von seiner Wohnung entfernen. Es sollte zwar unmöglich sein das Handy zu orten, ein gesunder Abstand konnte sicherheitshalber nicht schaden.

Said nahm den Interstate 80, Richtung Sacramento. Nachdem er das Ballungszentrum von San Fransisco hinter sich gelassen hatte, reihte sich der unauffällige graue Ford in der rechten Spur ein. Said hielt sich immer an die Geschwindigkeiten und war ein besonnener Fahrer. Er wollte auch jede Provokation unter anderen Autofahrern vermeiden.

Nach ziemlich genau einer Stunde nahm er die Ausfahrt des Ortes Davis. Hier war eine Filiale der Fastfoodkette Dairy Queen. Said bestellte sich ein paar Pommes, einen lapprigen Burger und ein Kokosmilchshake um alles runterzuspülen.

Dann fuhr Said auf einer kleinen Bundesstraße weiter. Die Gegend war schon sehr ländlich und auf den Feldern neben ihm wurde Mais angebaut. Vereinzelt sah er kleinere Obstplantagen.

Als eine kleine unauffällige Straße nach rechts abbog, setzte Said den Blinker. Auf diesem kleinen Feldweg fuhr er noch ein paar Meter um im Schatten eines Baumes zu halten. Said stellte den Motor aus und zog das Handy aus dem Handschuhfach. Erst jetzt schaltete er es ein. Das tat er nur wenn er telefonieren wollte. Sein Gegenpart hatte es wohl immer an.

Said gab die vierstellige PIN ein und wartete bis sich das Handy in das urbane Netz einbuchte. Die vier Balken des Sendeausschlages stimmten ihn zuversichtlich. Er wählte nun die einzige Nummer aus dem Telefonbuch.

Es dauerte drei Sekunden bis ein Freizeichen zu hören war. Nach fünf endlos wirkenden Tuten, klackte es auf der anderen Seite.

„Ja?“

„Said hier. Ich habe Neuigkeiten.“

„Schieß los.“

„Meine erste Zelle hat einen Weg gefunden. Details sind noch unklar. Wir benötigen aber auf alle Fälle eine zweite Zelle. Ich hätte noch vier Männer, denen ich diesen Einsatz zutrauen würde. Darf ich sie aktivieren?“

Schweigen.

Said begann nervös zu werden. Er hatte von ihm die strikte Order bekommen, dass alle Personen die an der Operation teilnahmen, von ihm vorher genehmigt werden müssen. Anscheinend überprüfte er jeden einzelnen auf Loyalität.

Nach einigen Momenten kam die Antwort.

„Gib mir die Namen. Ich will, dass du ihre Kontakte in einer SMS schickst. Erledige dies gleich nach unserem Gespräch. Verstanden?“

„Jawohl. Sobald ich Ihr Ok habe, würde ich die Details mit den beiden Zellen ausarbeiten.“

„Gut. Solltest du morgen in der Zeitung von einem Selbstmord an der Bahnstation von San Leandro lesen, darfst du fortfahren. Ich erwarte deinen Anruf mit allen Details in spätestens drei Wochen. Sonst noch was?“

„Nein, das wäre alles.“ Said hatte den Satz noch gar nicht vollendet, da hörte er durch ein langes Tuten, dass sein Gegenpart die Verbindung bereits beendet hatte. Der Typ scheint wohl kein Mann der langen Verabschiedungen zu sein, dachte Said.

Said tippte noch die Namen seiner vier Brüder ein und schickte diese als SMS wie versprochen ab.

Dann schaltete er das Handy aus und fuhr wieder zurück in die Metropolregion von San Fransisco.

Am nächsten Morgen konnte Said gar nicht schnell genug zum Zeitschriftenladen kommen. Er wählte die USA Today und überflog gleich die Schlagzeilen.

Im Lokalteil brauchte er nur wenigen Seiten zu durchblättern. In einem kleineren Bericht unten rechts fand Said die Bestätigung die er gesucht hatte.

Obdachloser wirft sich vor die Gleise.

Gestern Abend hat sich ein Obdachloser auf die Gleise kurz vor der Station San Leandro gelegt, offenbar als Bleibe für die Nacht. Der Mann wurde vom Zug in zwei Teile getrennt. Er war sofort tot. Den Ermittlern war es somit schwer den Alkoholgehalt zu messen. Sie konnten allerdings Proben aus dem oberen Körperteil entnehmen und fanden heraus, dass der Mann mit 2,8 Promille sich auf die Gleise begeben hat. Wenigstens hatte der Mann sich nicht selber ans Steuer eines PKWs gesetzt. Er hätte eine ganze Familie auslöschen können. Die Polizei verwies auf Grund des Ereignisses generell zu einem verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol.

Da war er wieder, der amerikanische Zeigefinger, schmunzelte Said. Er war nicht verwundert über die etwas unübliche Übermittlung von Nachrichten. Sein Partner schien ein harter Brocken zu sein. Said würde ihn gerne mal kennenlernen.

Er hatte den Kontakt zu ihm von einem Moschee-Oberhaupt bekommen. Genauso wie das Handy. In den kurzen und knapp gehaltenen Telefonaten sprachen sie eigentlich nur über den Auftrag. Keine Floskeln, keine Fragen der Überzeugung.

Reines Business.

13

Das kleine Haus lag am Rande des Mojave National Preserve. Es lag sehr abgeschieden. Außerdem verirrten sich in diese Gegend bei weitem sich nicht so viele Touristen wie in dem benachbarten Joshua Tree National Park. Der Zufahrtsweg bestand aus einer Schotterpiste für die man unbedingt ein Allradfahrzeug benötigte. Vermutlich waren in dem letzten Jahrzehnt nur eine Handvoll Leute hier gewesen. Mit dem heutigen Tag sollte die Quote verzehnfacht werden.

Nur beim genaueren Hinsehen konnte man hinter den Vorhängen eine Gestalt ausmachen. Durch den Stoff war allerdings nicht zu erkennen, dass die Person geknebelt an einem Stuhl gefesselt war.

In etwa zwei Kilometer Entfernung beobachteten drei im Wüstenanzug getarnte Männer die Szenerie. Ihre Ferngläser konnten alle Details des Hauses festhalten. Einer der drei fotografierte jeden Quadratmeter.

„Ok, habe alles im Kasten. Was ergaben die Wärmeaufnahmen?“

„Zehn Personen. Eine bewegt sich keinen Millimeter, ist vermutlich gefesselt. Die anderen Geiseln kann ich auf Grund der Bewegungen nicht ausmachen. Auf einem Sofa sitzen fünf Personen. Die anderen vier scheinen sich die Patrouillen in zwei Gruppen aufzuteilen. Zwei sind immer draußen im Vorgarten, wenn man das verdorrte Stück Land so nennen kann. Wenn wir Glück haben, nimmt uns eine Klapperschlange ein bisschen Arbeit ab. Die anderen zwei bewachen den Eingang.“

Der dritte Mann nickte mit dem Kopf.

„Alles klar. Wir haben genug gesehen. Zurück zum Basislager. Die nächsten fünfhundert Meter bis zur großen Düne will ich kein Kleidungsstück oder irgendwas anderes von euch sehen, das mehr als 20 Zentimeter über den Sand ragt. Los.“

Als die drei fast unsichtbaren Gestalten hinter der großen Sanddüne verschwanden, fotografierte eine Drohne in fünftausend Metern Höhe das gesamte Gelände. Sekunden später schickte das unbemannte Flugzeug seine Daten ebenfalls hinter die große Düne.

Genau wie die drei getarnten Männer verschwanden die Daten der Drohne unter einem Einsatzzelt der Abteilung. Mike Stevens stand vor einer Computerwand, von der er alle Fotografien, Wärmebilder und Karten betrachten konnte. Nach wenigen Minuten trommelte er die drei Gruppenführer seines Zuges zusammen.

„Harry, John, Mark, wir haben nun ein komplettes Bild der Lage. Die sechs Terroristen befinden sich alle in dem Haus, wobei zwei abwechselnd draußen auf Patrouille sind. Die vier Geiseln sind ebenfalls im Haus, mindestens eine ist gefesselt.

Zum Anschein gehen wir auf Ihre Forderungen ein und lassen Muhammed Jafreezy aus Guantanamo Bay frei. Als Beweis übergeben wir einen Laptop mit einer Satellitenfernsehkarte, auf der sie die Ereignisse verfolgen können. Carlos konnte inzwischen ein sehr gut gespieltes Video von TTN faken, das wir in den ersten zehn Minuten abspielen werden. Die Terroristen werden also nicht TTN live sehen, sondern unser Video.“

John setzte ein fragendes Gesicht auf und hakte sofort nach.

„Wer sagt denn, dass die Kerle TTN gucken?“

„Wir werden einen breaking news Alarm auf allen Kanälen vorgaukeln. In der Laufzeile wird von TTN berichtet, dass sie über Videoaufnahmen die Freilassung Jafreezys zeigen. Wenn alles glatt geht, werden wir nicht mehr als die ersten fünf Minuten des Videos brauchen. Sobald ein Kollege den Rechner hundert Meter vor dem Haus ablegt, werden wir die Chance nutzen und uns von hinten an das Haus pirschen. Dazu tragen wir die Camouflage-Anzüge. Mit deren Temperatursensoren werden wir auf eventuell vorhandenen Wärmebildern nicht erkennbar sein. Als Waffen werden wir nur kleinkalibrige Walther PPQs mitnehmen. Jeder Mann drei Waffen, das macht dreißig Schuss pro Mann. Für’s Nachladen werden wir keine Zeit haben. Von der Munition her heißt das, dass wir es uns erlauben könnten, daneben zu schießen. Und das nicht nur einmal. Auch wenn ich das Danebenschießen keinen einzigem von uns zutraue Die Waffen passen prima unter den Camouflage-Anzug und sind auch sehr robust was das Gelände angeht. Der Sand wird weder Probleme im Lauf noch beim Abzug machen.“

Mike pausierte kurz und sammelte sich für die genaue Vorgehensweise.

„Harry, ihr seid Team Alpha. Ihr werdet euch auf mein Zeichen bis auf drei hundert Meter an das Haus anschleichen. Nach dem „Go“ pirscht ihr euch direkt an die Hauswand. Dort solltet ihr erst mal genug Schutz haben. Zu Viert habt ihr dort ausreichend Unterschlupf.“

Mike deutete auf die rechte Hauskante. Hier war in den Luft- und Landaufnahmen ein kleiner Überstand zu sehen.

„John, ihr seid Team Bravo. Ich werde euch folgen. Genau wie Team Alpha schleichen wir uns an das Haus an, gehen dann aber auf der linken Seite in Deckung.

Mark, eure Scharfschützentruppe postiert sich im fünfhundert Meter Abstand in einem Kilometer Entfernung um das Zielobjekt. Nachdem einer der Terroristen mit dem Computer wieder im Haus verschwunden ist, legt ihr die beiden Wachen um. Dann habt ihr erst mal Sendepause. Jeder Feind, der zu fliehen versucht, wird ohne Rückfrage eliminiert.

Wir werden beim Zugriff das Überraschungsmoment ausnutzen. Wenn Carlos die gefälschten Bilder von Muhammed Jafreezy sendet, wird die Aufmerksamkeit der Terroristen am geringsten sein. Genau in diesem Moment gibt mir Carlos sein Zeichen. Wenn nichts anderes dazwischen kommt, funke ich euch mein Zeichen und los geht’s.“

„Was ist denn dein Zeichen? Auf die Plätze, fertig, los?“, grinste Mark.

„Was hättest du denn gerne?“

„Naja, burn motherfucker burn, ist wohl etwas zu lang.“

„Ok, dann nehmen wir nur burn burn.

In dieser Sekunde wird Team Alpha den Eingang stürmen. Team Bravo wird sich durch das große Fenster kämpfen, ich selber werde durch das Fenster der Geisel kommen. Die Kerle sollten so überrascht sein, dass sie gar nicht wissen wohin sie zuerst schießen sollen. Im Idealfall ist jedes Team mit zwei Männern binnen zwei Sekunden im Haus. Wenn jeder von denen einen Terroristen erledigt, sind wir durch. Im Idealfall.

Wenn es anders kommt, hat die oberste Priorität der Eigenschutz, dann kommen die Geiseln und erst dann kümmern wir uns um die Bastarde. Achtet mir besonders auf Sprengstoffgürtel. Sobald ihr einen seht, durchfunken und im selben Moment den Mann erledigen, der ihn trägt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Jungs einen Totmannschalter haben, da sie den ja sonst die ganze Zeit gedrückt halten müssten. Die Totmannschalter werden gerne von Selbstmördern genutzt, da sie diesen drücken und erst beim loslassen die Ladung zünden. Wir brechen in 30 Minuten auf. Noch Fragen?“

Mark durchbrach das Schweigen.

„Nein, ich kann es gar nicht erwarten, den Jungs in den Arsch zu treten.“

„Alles klar, dann kampfbereit machen und aufbrechen. Wir sehen uns vor dem Haus wieder“.

Die Gruppenführer salutierten und gingen zu ihrer kleinen Einheit zurück. Dort brieften sie ihre eigenen Männer, bewaffneten sich und zogen sich die Tarnanzüge an.

Mike sah zu Tom herüber. Der hatte während des Briefings keine Miene verzogen. Tom hatte die Lage sehr gut vorbereitet. Die vier Geiseln waren Mitarbeiter der Abteilung, die sechs Terroristen wurden von ausländischen Agenten gespielt. Das Haus war eines der vielen Übungsobjekte über die die Geheimdienste und das Militär verfügen konnten.

„Ich habe den Anführer an der Leitung. Er möchte wissen, wie weit ihre Forderungen umgesetzt sind“, sprach ein Mann im olivgrünen Anzug Mike an und hielt ihm ein Handy hin.

„Hier ist Chief Inspector Stevens. Wie geht es den Geiseln?“ Mike hatte seine Dienstbezeichnung erfunden, um wie ein Großstadtpolizist zu erscheinen. Mit der ersten Frage nach dem Wohlauf der Geiseln wollte er diesem Image Nachdruck verleihen.“

„Halt die Fresse, du Tschakesch. Ich stelle die Fragen“, zischte die Stimme aus dem Telefon in schlechtem Englisch.

Das ist aber nicht nett, dachte Mike. Nennt der mich einen Zuhälter.

Mike wollte auf keinen Fall zu erkennen geben, dass er etwas von der Sprache verstand. Er wechselte das Thema und ging auf die Forderungen ein.

„Wir haben die Zustimmung des Präsidenten. Muhammed Jafreezy wird in etwa einer halben Stunde freigelassen. Als Beweis wird ein Kollege von mir einen Computer mit einer Satellitenfernsehkarte vor Ihrem Haus deponieren. Der ist für Sie. Ich gehe davon aus, dass Sie in dieser verlassenen Gegend weder Internet noch ein anderes Medium haben um sich zu informieren.“

Es dauerte wenige Sekunden bis Mike wieder das Zischen im Handy hörte.

„Sehr brav. Und unser Hubschrauber?“

Den Teil hatte Mike fast vergessen, aber auch hier hatte er einen Plan, zu dem es allerdings nie kommen würde.

„Ist ebenfalls unterwegs. Er wird in einer Stunde hier eintreffen. Wie ausgemacht, lassen Sie zwei Geiseln im Haus, die anderen begleiten Sie bis zur mexikanischen Grenze. Dort lassen Sie auch diese frei. Hinter der Grenze können Sie dann untertauchen.“

„Gut. Und keine Tricks, sonst fliegen alle Geiseln in die Luft.“

„Nein, natürlich nicht. Wir wollen die Geiseln ja lebend.“

„Das will ich euch auch geraten haben, Tulehzag.“

Das letzte Wort war noch nicht ganz ausgesprochen, da beendete der Terrorist das Gespräch.

Sohn eines Hundes, das werde ich mir merken. dich kauf ich mir noch, durchfuhr es Mike. Was für ein Arschkopf.

Er zog sich den Camouflage-Anzug über und checkte die drei Pistolen und deren Magazine. Dann verstaute er sie sicher in den Brusttaschen und am Gürtel. In Gedanken ging er den bevorstehenden Einsatz mehrmals durch. Er glaubte nichts vergessen zu haben.

Eine halbe Stunde später pirschten sich die drei Teams an das Haus an. Im Kriechgang ging es Meter für Meter voran. Als alle ihre Position eingenommen hatten, fuhr Carlos mit dem Laptop los.

Wie besprochen stieg er dreihundert Meter vor dem Haus aus dem Wagen und stellte den Laptop etwa hundert Meter davor ab. Carlos drehte sich langsam um und ging zurück zum Wagen. Nachdem er sich einige Meter entfernte hatte, verließ einer der Terroristen das Haus.

„Los, weiter zum Haus, aber langsam. Die beiden Wachen sind draußen. Eine bei Team Alpha, die andere in unserer Nähe. Habe positive Sichtkontakte.“

Nahezu unsichtbar robbten sich die sieben Gestalten immer näher an das Haus. Als der Terrorist mit dem Notebook die Tür von innen schloss, fielen die zwei Körper der Wachen in sich zusammen. Der Schall der beiden Schüsse aus den Scharfschützengewehren erreichte erst zweieinhalb Sekunden später das Haus. Durch die Nutzung der Schalldämpfer war aber für das menschliche Ohr nichts mehr zu hören.

„T minus 4“, funkten die Scharfschützen. Eigentlich ein Countdown aus der Raumfahrt, aber Mike benutzte ihn um alle Teams wissen zu lassen wie viele Schurken noch am Leben waren. Die Toten waren in diesem Fall natürlich nur virtuell tot. Alle Schauspieler, Geiseln und Agenten trugen ein Gerät am Mann, das über einen Treffer Auskunft gab. Sollte ein Gerät ausschlagen, vibrierte es ziemlich stark und ließ den Körper tatsächlich für wenige Sekunden handlungsunfähig werden. Danach mussten die Getroffenen brav liegen bleiben bis ihnen die Geräte das Aufstehen durch ein Piepen wieder erlaubten.

„Sucht Deckung am Haus, die beiden Ballerina sind ausgeschaltet“, funkte Mike. Die Gestalten bewegten sich nun sehr viel schneller, trotzdem war es noch schwer die Bewegungen auszumachen. Die Camouflage Anzüge passten sich perfekt der Umgebung an.

„Alpha hat Position erreicht“, hörte Mike.

„Prima, dann warten wir nun auf Carlos. Bereithalten.“ Mike robbte vor zum Fenster mit der gefesselten Geisel. Zuvor gab er Team Bravo ein Zeichen in Deckung zu bleiben.

Obwohl es brütend heiß unter dem Anzug war, schlug Mikes Puls ruhig und normal. Jahrelanges Training. Ein fastfood-verwöhnter Landsmann hätte spätestens jetzt ein Sauerstoffzelt zum Überleben gebraucht.

„Wir sind auf Sendung, die News laufen ab. Die Bilder kommen in zwanzig Sekunden. Viel Spaß“, hörte Mike aus dem kleinen Knopf in seinem Ohr.

Ruhig und konzentriert zählte er jede Sekunde runter.

Zwanzig, neunzehn, achtzehn.

Mike schloss die Augen und sammelte seine ganze Konzentration.

Dreizehn, zwölf, elf.

Seine rechte Hand umklammerte die Walther PPQ. Er checkte mit seinen Fingern, dass die Waffe entsichert war.

Acht, sieben, sechs.

Mike richtete sich neben dem Fenster auf und machte sich für den Sprung bereit.

Drei, zwei, eins.

„Burn burn“, schrie Mike ins Mikrophon.

Zeitgleich stürmten die Männer das Haus.

Mike schoss in das Fenster und hechtete rückwärts durch die zerborstene Schreibe. Sofort drehte er sich um und blickte auf die Geisel.

Scheiße, Tom du Mistkerl, durchfuhr es Mike. „Code Epsilon, Code Epsilon.“

Code Epsilon war das verabredete Signalwort für das Einstellen auf eine komplett andere Situation. Die anderen Trupps würden nun nach eigenem Ermessen entsprechend der vereinbarten Prioritäten handeln.

Mike blickte auf eine gefesselte Schaufensterpuppe. An ihrem Körper war eine Heizdecke angebracht, so dass man auf den Wärmebildern kein Unterschied erkennen konnte. Die Scheißkerle hatten also die Geiseln woanders untergebracht. Blitzschnell checkte Mike den Raum, im dem er sich befand. Rechts war eine geschlossene Tür. Links auch. Ein Blick nach unten verriet Stolperdrähte. Sicher waren sie an einer Sprengfalle angebracht. Zum Glück hatte er noch keinen berührt. Mike vermutete, dass die Sprengfalle in der Puppe selber versteckt war. Also blieb er auf Distanz.

„T minus drei. Hier lief einer rum“, vernahm Mike durch sein Ohrstöpsel.

Mike durfte keine Zeit mehr verlieren. Er musste die Geiseln so schnell wie möglich finden, wenn er sie noch lebend aus dem Haus bringen wollte. Mit jeder verstrichenen Sekunde wuchs die Gefahr, dass die Terrorbrüder ihre Geiseln in die Luft jagten.

Auch wenn Mike sehr viel von Eigenschutz hielt, Angriff war noch immer die beste Verteidigung.

Mike sprang über die Stolperdrähte und stürmte auf die linke Tür zu. Nach seinen Berechnungen würden die beiden anderen Teams eher auf der anderen Seite ihrem Job nachgehen.

Mike stieß die Tür auf und hechtete mit einer Rolle in den Raum. Noch bevor er wieder aufstand konnte er im Augenwinkel eine Bewegung ausmachen. Sofort knickte er seine Füße ein, um sich in diese Richtung drehen zu können. Was er sah, war sicherlich keine Geisel. Geiseln hatten kein Messer in der Hand und sprangen den rettenden Helden nicht an. Reflexartig drückte Mike den Abzug seiner Walther PPQ und brachte den Terroristen noch im Anflug zu Fall.

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