Kitabı oku: «Die deutschen Auswanderer», sayfa 4

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Eine solche Reaktion auf das erste Manifest Katharinas II. stellt einen sehr wichtigen Punkt dar, der klar aufzeigt, dass in der europäischen Bevölkerung zu jener Zeit keine potenziellen Migranten existierten, die ohne wesentliche und genau definierte Bedingungen, Vergünstigungen und Garantien dazu bereit waren, in andere Länder wie Russland überzusiedeln.

Darüber war sich auch die russische Regierung im Klaren, weshalb sie aktiv an der Vorbereitung eines neuen, grundlegenden Dokuments arbeitete. Dieses stellte schließlich das weit bekannte Manifest Katharinas II. vom 22. Juli 1763 dar: „Über die allen nach Russland einreisenden Ausländern erteilte Erlaubnis, sich in Gouvernements ihrer Wahl niederzulassen, und über die ihnen gewährten Rechte“. Am selben Tag wurden von ihr der „Erlass an den regierenden Senat über die Einrichtung einer Vormundschaftskanzlei für Ausländer“ und die „Instruktion der Vormundschaftskanzlei für Ausländer hinsichtlich ihrer Pflichten bei der Organisation der Aufnahme ausländischer Übersiedler in Russland“.4

Zum Präsidenten der Kanzlei wurde Graf Orlow ernannt, der von diesem Moment an sämtliche Vollmachten erhielt, welche für die Aufnahme und Ansiedlung der Ausländer und die praktische Lösung aller Fragen notwendig waren, die mit der Verwaltung, Finanzierung und Entwicklung der Kolonisten Siedlungen zusammenhingen. Dabei ist anzumerken, dass die im Manifest aufgelisteten Vergünstigungen und Privilegien keine prinzipielle Neuerung der damals in Europa vorherrschenden Kolonisationspolitik darstellten und in vielerlei Hinsicht aus entsprechenden Dokumenten Preußens, Dänemarks, Österreichs und Englands übernommen wurden, welche bereits unter Elisabeth Petrovna untersucht worden waren. Allerdings waren sie für potenzielle europäische Übersiedler vorteilhafter und attraktiver und wurden zu einer äußerst wichtigen Grundlage der gesamten russischen Kolonisationspolitik im 18. und 19. Jahrhundert.

Bereits in den ersten Zeilen des Manifests Katharinas II. aus dem Jahr 1763 ist von einer nicht geringen Anzahl „unbebaut liegender“ und ungenutzter Ländereien innerhalb des Imperiums die Rede, die „mit vorteilhafter Bequemlichkeit zur Bevölkerung und Bewohnung des menschlichen Geschlechtes nutzbarlichst könnten angewendet werden“. Diese „halten in ihrem Schoose einen unerschöpflichen Reichtum an allerley kostbaren Erzen und Metallen verborgen; und weil selbiger mit Holzungen, Flüssen, Seen und zur Handlung gelegenen Meerung gnugsam versehen, so sind sie auch ungemein bequem zur Beförderung und Vermehrung vielerley Manufacturen, Fabriken und zu verschiedenen Anlagen.“ Damit wird die allen ausländischen Staatsangehörigen erteilte kaiserliche Erlaubnis begründet, frei ins Land einreisen und sich in allen Gouvernements des Russischen Imperiums niederlassen zu dürfen.

In den ersten fünf Paragrafen des Manifests werden die für Ausländer geltende freie Einreise, die Vorgehensweise und die bei entsprechendem Ersuchen zu durchlaufenden Instanzen, die Bezahlung der Umzugskosten im Falle fehlender finanzieller Mittel, das Recht auf freie Berufs- und Standortwahl, die verpflichtende Annahme der russischen Staatsangehörigkeit und die Leistung des Treueschwurs auf die Kaiserin verkündet, die folgenden Paragrafen verkünden die für Übersiedler geltenden Privilegien und Vergünstigungen. Deren Darstellung beginnt mit dem für die Mehrheit der Ausländer äußerst wichtigen Recht auf freie Religionsausübung, welches in den meisten Fällen den Ausschlag für die Entscheidung zur Emigration gegeben hatte. Das Manifest gestattete nicht nur die „freie Religions-Übung nach Kirchen-Satzungen und Gebräuchen“, es erteilte auch „die Freyheit, Kirchen und Glocken-Türme zu bauen und dabey nöthige Anzahl Priester und Kirchendiener zu unterhalten“. Der Bau von Klöstern war hingegen nicht erlaubt, daneben war es unter Androhung der Strenge der Gesetze verboten, andere russische Staatsangehörige zum eigenen Glauben zu bekehren, wovon „dem Mahometanischen Glauben zugethane Nationen“, die an den Grenzen des Imperiums lebten, ausdrücklich ausgenommen waren.

Die Ausländer, die sich in Russland niedergelassen hatten, wurden von sämtlichen Abgaben und Steuerzahlungen, der Übernahme außerordentlicher Dienste und von Unterhaltsleistungen an Militärquartiere befreit. Dies galt an den Siedlungsorten der Kolonisten für einen Zeitraum von 30 Jahren, in Sankt Petersburg, Moskau und den Städten Livlands, Estlands, des Ingermanlands, Kareliens und Finnlands für einen Zeitraum von fünf Jahren und in Provinzstädten und sonstigen Städten für einen Zeitraum von 10 Jahren.

Allen, die „Manufacturen, Fabriken und Anlagen“ errichten wollten oder „zum Kornbau“ geneigt waren, wurden nötige Hilfsleistungen und Unterstützung zugesagt. Für den Hausbau, die Viehaufzucht und die Anschaffung von Produktionsmaterialen, Produktionsgeräten und Werkzeugen wurden benötigte Kredite zinsfrei zur Verfügung gestellt. Diese mussten nach Ablauf von zehn Jahren in drei gleichen Teilen innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden. Den Übersiedlern wurde gestattet, Eigentum für den Eigenbedarf zollfrei nach Russland einzuführen, darüber hinaus war auch die Einfuhr von Waren, die für den Verkauf bestimmt waren, im Wert von maximal 300 Rubel pro Familie erlaubt. Dabei waren im Falle einer erneuten Ausreise innerhalb von weniger als zehn Jahren sowohl die Einfuhr- als auch die Ausfuhrzölle zur Zahlung fällig. Die Mehrheit der Übersiedler war arm und verfügte über keinerlei Mittel für die abgabenfreie Wareneinfuhr. Dies machten sich recht häufig „private Werber“ zunutze, die ihre Waren mithilfe der Übersiedler für den Weiterverkauf abwickelten.

Alle Ausländer, die in den Grenzstädten ankamen, hatten die Möglichkeit, kostenfrei an die Siedlungsorte weiterzureisen, wobei ihnen Geld für Nahrungsmittel, Fuhren und sonstige Fortbewegungsmittel zur Verfügung gestellt wurde. An den kompakten Siedlungsorten der Übersiedler wurden ihnen interne Selbstverwaltung und Rechtsprechung, die Veranstaltung eigener Gottesdienste und die Organisation von Märkten und Jahrmärkten gestattet, „ohne an Unsere Cassa die geringsten Abgaben oder Zoll zu erlegen“.

Eines der wichtigsten Stimuli für die Übersiedlung nach Russland stellte die dauerhafte Befreiung der Übersiedler vom Kriegsdienst und jeder sonstigen Form ziviler Dienste unter Ausnahme des Landdienstes dar, welcher nach Ablauf der privilegierten Jahre geleistet werden musste. Dieser Punkt des Manifests war von besonderer Bedeutung für die Mennoniten, deren Religion den Kriegsdienst und das Halten einer Waffe untersagte. Wer jedoch freiwillig Kriegsdienst leisten wollte, dem wurden 30 Rubel als zusätzliches Honorar ausbezahlt.

Ausländern, die Werke und Fabriken erbauten und Waren herstellen ließen, die in Russland zuvor nicht existierten, wurde das Recht eingeräumt, diese zehn Jahre lang ohne „Erlegung irgend einigen inländischen See- oder Gränze-Zolles frey zu verkaufen“.

Es wurde verkündet, dass nicht nur die angekommenen Ausländer selbst, sondern auch ihre bereits in Russland geborenen Kinder und Nachkommen die gewährten Privilegien und Vergünstigungen in Anspruch nehmen dürfen. Nach Ablauf der privilegierten Jahre, die vom Einreisezeitpunkt der Vorfahren an gezählt wurden, waren alle in Russland ansässigen Ausländer „gleich Unsern anderen Unterthanen“ zur Zahlung gewöhnlicher Abgaben und zur Leistung des Landdienstes verpflichtet.

Das Manifest garantierte allen Übersiedlern, die die russische Staatsangehörigkeit angenommen und von einem bis zu fünf Jahren im Land gelebt hatten, das Recht auf freie Ausreise unter der Bedingung, dass sie den fünften Teil ihres erwirtschafteten Vermögens an die Staatskasse zu entrichten hatten, während diejenigen, die von fünf bis zehn Jahren im Land gelebt hatten, den zehnten Teil ihres erwirtschafteten Vermögens entrichten mussten. Danach war es „jedem erlaubt ungehindert zu reisen, wohin es ihm gefällt“.

Ein Register mit der Beschreibung freier und für die Übersiedlung geeigneter Ländereien in den Gouvernements Tobolsk, Astrachan, Orenburg und Belgorod bildete den Abschluss des Manifests.

Das Manifest des Jahres 1763 wurde zu einem epochalen Ereignis und war in vielerlei Hinsicht für den Erfolg und Charakter der gesamten russischen Kolonisationspolitik maßgeblich, welche ein ganzes Jahrhundert lang dauerte. Dennoch wurden nicht alle Bedingungen des Manifests erfüllt. Es fing damit an, dass nahezu alle Kolonisten der Anfangszeit trotz der zugesicherten freien Fortbewegung und freien Wahl des Siedlungsortes gezwungen waren, sich ins Wolgagebiet aufzumachen und sich dort niederzulassen. Dort sahen sie sich mit der Aufgabe konfrontiert, neue Landstriche zu erschließen und auf unbewohntem Terrain landwirtschaftliche Kolonien aufzubauen. Wie bereits zuvor erwähnt, waren jedoch nicht alle Übersiedler Bauern, und sie hatten damit gerechnet, wie versprochen einen Beruf in ihrem Fachgebiet ausüben zu können.

Die Anzahl der Kolonien, das Verfahren bei der Ansiedlung der Kolonisten und die jeweilige Größe ihrer individuellen Grundstücke waren im Kolonialgesetz verankert, das am 19. März 1764 als Anlage zum Manifest herausgegeben wurde.5 Das Gesetz schrieb folgende Punkte vor: a) Zuteilung von Land für jeweils 1000 Familien, dessen Fläche einem Kreis mit einem Durchmesser von 60 bis 70 Werst entspricht* (ein Werst entspricht 1,067 Km); b) Gründung von jeweils 52 Kolonien am rechts- und linksseitigen Wolgaufer; c) Zuteilung von 30 Deßjatinen Land für jede Einzelfamilie. Dieses Land wurde ihr für immer als unantastbares und vererbbares Eigentum übergeben. Dabei blieb es jedoch Allgemeineigentum, das weder verkauft, geteilt noch verpachtet werden durfte. Von den jeder Familie zugeteilten 30 Deßjatinen entfielen 15 auf die Ackerfläche, fünf auf Wiesen- und Weideflächen, fünf auf den Hof und das angrenzende Grundstück und die restlichen fünf Deßjatinen waren Wälder.

Der Hof wurde dem jüngsten Sohn vererbt, falls dieser jedoch nicht geschäftsfähig war, fiel das Erbrecht an den zweitjüngsten Sohn oder einen anderen Verwandten. Das Familienoberhaupt war dazu verpflichtet, die übrigen Kinder, denen kein Hof vererbt wurde, in einem beliebigen Handwerk auszubilden. In den Kolonien wurde eine gemeinsame Selbstverwaltung eingerichtet, deren Gesetze und Anordnungen für jeden Kolonisten verpflichtend waren.

Die russische Regierung arbeitete aktiv daran, die Erlasse Katharinas II. umzusetzen, ihre Manifeste der Jahre 1762 und 1763 wurden in englischen, dänischen, schottischen und irischen Zeitungen und auch in Holland für französische und deutsche Zeitungen abgedruckt. Das erste Manifest wurde zudem auch in österreichischen und schwedischen Zeitungen gedruckt, und das zweite konnte sogar in Form einer separaten Beilage zu den deutschen Versandzeitungen in deutscher Sprache herausgegeben werden.6

Mit dem Anwerben deutscher Kolonisten wurde ein ganzer Apparat russischer Gesandter und Residenten betraut, die die Einladung der russischen Zarin an den zahlreichen großen und kleinen Höfen der deutschen Fürstentümer verteilten. In ganz Deutschland wurden spezielle Kommissare ernannt, deren Aufgabe im Anwerben deutscher Bürger und der Organisation ihres Transports an die Sammelpunkte lag. Für das Großprojekt, mit dem deutschen Kolonisten nach Russland gelockt werden sollten, standen umfangreiche finanzielle Fördergelder bereit. Dennoch entsprachen die Ergebnisse der Arbeit der russischen Regierungsvertreter gegen Ende des Jahres 1764 nicht den Erwartungen, die Zahl der angeworbenen Kolonisten lag weit unter den Planzahlen. Um die Sachlage erfreulicher zu gestalten, wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Ab dem Jahr 1765 traf man den Entschluss, die Agitation und Überzeugungsarbeit der potenziellen Übersiedler nicht nur staatlichen Beamten zu überlassen, sondern auch Privatunternehmer damit zu betrauen. Die russische Regierung schloss Verträge mit den privaten Werbern, aus denen ein Interesse am Anwerben einer möglichst großen Anzahl von Kolonisten hervorging, da das Honorar und bestimmte Rechte auf die Zuteilung von Ländereien an ihrem Siedlungsort davon abhingen. Man ging davon aus, dass ausländische Werber großes Vertrauen bei potenziellen Auswanderern genießen, darum waren die Werber mehrheitlich Franzosen mit Namen wie Le Roh, Munni, Pictet, Baron Beauregard, Precour und De Boffe.

Der Vertrag zwischen der russischen Regierung und Baron Beauregard wird im bekannten Buch Pisarevskijs als Beispiel angeführt. Dies bietet uns heute die Möglichkeit, nicht nur das Honorar und die Vergünstigungen der privaten Werber detailliert unter die Lupe zu nehmen, sondern auch Einblick in wichtige Daten zu den durch das Anwerben und den darauffolgenden Transport eines Kolonisten anfallenden Ausgaben zu erhalten. Um seine Tätigkeit aufnehmen zu können, erhielt Baron Beauregard 15.000 Rubel, mit denen er 300 Kolonisten Familien anwerben sollte. Von den 50 Rubel, die auf eine Familie entfielen, waren 40 Rubel für Nahrungsmittel und sonstige Bedürfnisse während der Reise und zehn Rubel für die Transportkosten vom jeweiligen Wohnort nach Hamburg oder Lübeck geplant.

Überstiegen die tatsächlichen Ausgaben diese vertraglich vereinbarten Summen, so wurden die Zusatzausgaben von den Kolonisten selbst nach Abschluss der gesamten Übersiedlung erstattet. Die für den Seeweg der Kolonisten aus den Hafenstädten Hamburg oder Lübeck anfallenden Transportkosten wurden von Regierungskommissaren bezahlt, die sich in diesen Städten aufhielten, und von diesem Moment an übernahm die russische Regierung alle Ausgaben und die Verantwortung für den Transport der Kolonisten an die Siedlungsorte in Russland.

Um sein Unternehmen vor Ort ansiedeln zu können, erhielt der Baron vom Staat 4000 Rubel als zinsloses zehnjähriges Darlehen und jeweils 350 Rubel für 100 Übersiedlerfamilien, mit denen der Hausbau finanziert werden sollte. Dabei waren die Kosten für Baumaterialien nicht in dieser Summe inbegriffen – diese wurden komplett von der Regierung übernommen. Es bleibt anzumerken, dass dem Baron für dessen Tätigkeit keine festgelegte Summe direkt ausbezahlt wurde, und auch die Hoffnung, an den oben genannten Auszahlungen der Regierung für die Übersiedlung der Kolonisten etwas einzusparen, war eher gering. Laut Vertrag erhielt er lediglich nach Abschluss der Übersiedlung eine Prämie für seine Tätigkeit. Ihm stand Land mit einer Fläche von mindestens drei Prozent der Fläche zu, die jeder von ihm angeworbenen Familie zugeteilt wurde. Er hatte das Recht, Arbeitskräfte zur Bearbeitung dieses Landes anzuwerben, denen dasselbe Land zugeteilt wurde wie den übrigen Kolonisten, die sich dabei jedoch als Hilfsarbeiter zur Bearbeitung seines Landes verpflichteten. Außerdem erhielt er das Jagdrecht und das Recht auf Fischfang auf dem Gebiet der von ihm angesiedelten Kolonisten und durfte mit ihnen bestimmte Privatverträge abschließen, die ihm eventuell zusätzliche Vorteile verschafften. Die Regierung machte es zur Bedingung, dass Privatverträge den russischen Gesandten in Deutschland vorgelegt werden mussten. Diese waren dazu verpflichtet, sie zu bestätigen und darauf zu achten, dass den Kolonisten in solchen Verträgen keine Möglichkeiten und Rechte versprochen wurden, die über das hinausgingen, was das Manifest vorsah.

Neben der Arbeit privater Werber setzten auch Vertreter des russischen Staates ihre Tätigkeit fort. Alle in diesem Zusammenhang anfallenden Koordinations- und Organisationsaufgaben wurden von Johann Simolin geleitet, einem russischen Gesandten am Regensburger Reichstag. Dieser beauftragte zwei seiner Kommissare mit dem Anwerben deutscher Kolonisten. Der erste war Karl Friedrich Meixner aus Augsburg, der zweite Johann Facius aus Hanau. Sie hatten der russischen Regierung die Treue geschworen und in Russland den Beamtenstatus erlangt. Meixner eröffnete seine Büros, in denen Kolonisten angeworben werden sollten, in Ulm, Facius in Frankfurt am Main, und die Büros wurden offiziell als städtische Behörden anerkannt.

Im Unterschied zu den privaten Werbern erhielten die Kommissare eine feste Bezahlung in Höhe von 400 bis 500 Rubel. Die staatlichen Werber nutzten die Dienste einer großen Anzahl privater Agenten, die für jede angeworbene Familie eine Prämie von drei bis vier Dukaten erhielten oder je nach Vereinbarung für die Anreise einer bestimmten Anzahl von Kolonisten Familien bezahlt wurden. Die staatlichen Kommissare waren dazu verpflichtet, finanzielle Rechenschaftsberichte anzufertigen und sämtliche durch das Anwerben und den Transport angefallenen Kosten durch entsprechende Quittungen und Dokumente zu belegen.

Eine derart aktive, zweidimensionale Vorgehensweise beim Anwerben führte sehr rasch zu den benötigten Resultaten. Die Anzahl deutscher Staatsbürger, die nach Russland umziehen wollten, wuchs auf ungefähr 25.000 Menschen an. Dabei bleibt festzustellen, dass die schlechten Lebensbedingungen dieser Leute im damaligen Deutschland eine nicht unwesentliche Rolle bei der Tatsache spielten, dass eine so große Anzahl deutscher Staatsbürger sich für das Verlassen des eigenen Landes entschied. Daher war der Zeitpunkt sehr günstig, um deutsche Staatsbürger für die Übersiedlung nach Russland anzuwerben.

3.4. Aggressives Anwerben und wachsende Proteste

Der zentrale und der südliche Teil Deutschlands befanden sich infolge der französischen Kriege des 18. Jahrhunderts und des eben zu Ende gegangenen Siebenjährigen Krieges in einer wirtschaftlichen Rezession. Die despotischen Herrscher zahlreicher kleiner deutscher Fürstentümer sorgten sich wenig um die Lebensbedingungen ihrer Untergebenen, die Not und zuweilen auch Hunger litten. Einzelne Herrscher waren sogar froh darüber, so einen Teil des verarmten Volkes loswerden zu können.

Währenddessen riefen die zunehmende Aktivität und das Ausmaß, in dem die russische Regierung Kolonisten anwarb, Aufmerksamkeit hervor und führten dazu, dass der progressive Teil der Landesbevölkerung nachzudenken begann. Selbst in jener fernen Zeit kam es zur Entstehung einer akademischen Auseinandersetzung mit der damals in den großen und kleinen deutschen Staaten existierenden Siedlungs- und Steuerpolitik und der ungerechten Beziehung vieler Herrscher zu ihren Untergebenen, was in der Summe zu einem Wachstum der Auswanderungsbereitschaft im Volk führte. Insoweit führte die provozierende Tätigkeit der russischen Agenten, deren Aufgabe im Anwerben von Teilen der Bevölkerung bestand, zu einer Gegenreaktion vonseiten eines Teils der Regierungen der deutschen Staaten. Zunächst erging der Erlass der pfälzischen Regierung vom 27. Januar 1764, in dem ein allgemeines Verbot der Auswanderung und der Tätigkeit der russischen Werber verkündet wurde. Im selben Jahr wurde die Emigration in Bayern verboten, und am 21. April 1765 auch in der unabhängigen (freien) Stadt Frankfurt, in der auch der „Verweis“ des russischen Kommissars Facius aus dem Stadtgebiet verkündet wurde. Diesen Emigrationsverboten schlossen sich auch andere deutsche Staaten an.

Anders war es in dieser Hinsicht um die Dinge in Preußen bestellt, welches die Annahme eines entsprechenden Verbots hinauszögerte und dafür besondere Gründe hatte. Der preußische König Friedrich lockte selbst erfolgreich Angehörige fremder deutscher Staaten an und siedelte sie in Preußen an, daher erließ er erst am 01. Mai 1766 ein Emigrationsverbot, nachdem er eingesehen hatte, dass die russischen Anwerber in dieser Sache ernstzunehmende Konkurrenten für ihn darstellten. Allerdings wussten die russischen Anwerber die Zersplitterung der deutschen Staaten zu nutzen und umgingen das Tätigkeitsverbot ohne Schwierigkeiten, indem sie ihre Büros in das Gebiet anderer Staaten verlegten, die ihre Tätigkeit noch nicht für gesetzeswidrig erklärt hatten. Dabei griffen sie recht häufig auch auf illegale und gesetzeswidrige Anwerbemethoden zu. Man warb Leute an, die aufgrund verschiedener Ursachen kein Recht auf Emigration hatten, und brachte sie heimlich hinter die Grenze. Mit finanziellen Prämien wurden Bauern, die bereits Übersiedlungsverträge nach Ungarn oder Nordamerika unterschrieben hatten, abgeworben, indem man ihnen nichtexistierende Vergünstigungen und Bedingungen bei der Übersiedlung nach Russland versprach.

Nicht selten kam auch der entgegengesetzte Fall vor, in dem angeworbene Übersiedler, die bereits Geld für den Umzug nach Russland erhalten hatten, im letzten Moment vor der Abreise davonliefen. Als Beispiel soll hier ein Rapport des russischen Gesandten A. Musin-Puschkin aus Hamburg dienen, welchen er am 14. Oktober 1763 an die Kaiserin sandte. Darin teilt er mit, dass sich vier Junggesellen, denen bereits Verpflegungsgeld für die Reise ausgezahlt worden war, trotz der eingesetzten Wache und ihrer freiwillig abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vor der Einquartierung auf dem Schiff von der Gemeinschaft entfernten und heimlich davonliefen. In seinem Schreiben merkt er an, dass „...der Verdacht auf die um ganz Lübeck herum stationierten preußischen Anwerber fällt, die den Flüchtlingen Unterschlupf gewährten, wobei es durchaus sein kann, dass sie Grund und Anlass zur Flucht gegeben hatten...“.7 Schon bald war der zivile Frieden auf deutschem Boden tatsächlich bedroht, besonders wenn man berücksichtigt, dass die Arbeitsmoral Tausender bereits lange vor der Abfahrt merklich nachließ, da sie ausschließlich mit organisatorischen Problemen wie dem Verkauf ihres Vermögens und der Kapitalbeschaffung für die Reise zu kämpfen hatten, während ihre Gedanken sich nur noch um die Übersiedlung ins ferne reiche Russland drehten. Dabei befanden sie sich in ständigem Austausch mit ihren zurückbleibenden Verwandten, Nachbarn und Freunden, denen sie die Richtigkeit ihrer Entscheidung und die negativen Aspekte des Lebens in Deutschland aufzeigen wollten, was bei einem wesentlich größeren Teil der deutschen Bevölkerung zu einem Gärprozess führte.

Unter diesen Umständen war es unabdingbar, ein gemeinsames und einheitliches Emigrationsverbot aller deutschen Staaten und freien Städte zu erlassen. Mit einem solchen Vorschlag traten zunächst der bayrische König und der Erzbischof von Salzburg an die Öffentlichkeit. Dabei sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, dass sich zu jener Zeit nicht nur Russland aktiv um die Bevölkerung der deutschen Staaten warb. Auch die Monarchen Preußens, Frankreichs, Englands und selbst Joseph II., der König des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, versuchten, ihre internen Probleme dadurch zu lösen, dass sie die fleißige deutsche Bevölkerung in ihre Länder lockten. Joseph II. warb aktiv Kolonisten zur Erschließung von Ländereien in Ungarn an, die im Krieg gegen die Türken befreit worden waren.

Die Tätigkeit der Werber und verschiedener Eilboten dieser Länder, die auf der Jagd nach deutschen Staatsbürgern waren, führte zu einem aktiven Wettbewerb zwischen diesen, was wiederum zahlreiche Beschwerden und Gegenmaßnahmen vonseiten der Herrscher deutscher Länder insbesondere aus dem südlichen Teil Deutschlands zur Folge hatte. In der Folge gelang es ihnen, die österreichischen Werber ernsthaft in die Enge zu treiben und ein gewisses Gleichgewicht zwischen ihnen und den russischen Fängern deutscher Bauernseelen zu erreichen. Dies war in vielerlei Hinsicht auf die aktive Tätigkeit des Fürsten Golizyn in Wien und auf die Eröffnung eines russischen Anwerbebüros durch Meixner in Ulm zurückzuführen. Mit dem Ziel, die nicht immer legalen Vorgehensweisen im entbrannten Konkurrenzkampf zwischen österreichischen und russischen Werbern einzustellen, trafen sie die Vereinbarung, das erneute Werben um Kolonisten zu unterlassen, die sich bereits für eine der beiden Parteien entschieden hatten.

Allerdings konnte ein derart schwacher Widerstand gegen das Werben der Agenten vonseiten Josephs II. die deutschen Kurfürsten nicht zufriedenstellen, weshalb diese eigenen Maßnahmen ergriffen. 1766 untersagten zwei der zehn deutschen Reichsbezirke (die Bezirke Kurrhein und Oberrhein) jegliche Werbemaßnahmen ausländischer Agenten auf ihrem Gebiet, wobei sich der letztgenannte Bezirk erneut mit der Forderung nach entschlosseneren Maßnahmen gegen die Emigration der Angehörigen deutscher Fürstentümer und Reichsstädte an den König wandte. Letzten Endes sah sich Joseph II. gezwungen, den nachdrücklichen Forderungen zahlreicher Fürstentümer des Reiches Folge zu leisten und im Jahr 1768 das Edikt gegen die Auswanderung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation herauszubringen.

Auf die russische Werbekampagne hatte dieses Edikt allerdings keinerlei praktischen Einfluss mehr. So hatte Russland infolge der für den Transport der deutschen Kolonisten, die in der Hafenstadt Lübeck scharenweise auf ihre Abfahrt warteten, nicht ausreichenden Anzahl von Schiffen Anfang 1766 selbst verboten, deutsche Bauern anzuwerben. Zudem waren in Russland zahlreiche Fragen, die die Aufnahme der Kolonisten an den für sie bestimmten Siedlungsorten im Wolgagebiet betrafen, nicht rechtzeitig gelöst worden. Dazu gehörten unter anderem die Zuteilung von Ländereien und der Bau einer benötigten Anzahl von Wohnhäusern.

Währenddessen war die Werbekampagne um die deutschen Kolonisten bereits ins Rollen gekommen, und viele deutsche Bauern hatten ihre Häuser und ihr Vermögen verkauft und warteten in ihren Siedlungen auf die Abreise. Ein großer Teil von ihnen war unterwegs oder bereits als Teil einer Kolonne an den Sammelpunkten angekommen. Die Reaktion der ratlosen russischen Beamten, die für den Empfang und die Weiterreise der Kolonisten verantwortlich waren, war zu jenem Zeitpunkt mehr als verantwortungslos.

Ohne jede Vorwarnung verweigerten sie den bereits angeworbenen und nun in Panik und Verzweiflung verfallenen Menschen den Empfang und die Weiterreise nach Russland. Die Lage wurde dadurch weiter verschärft, dass keine finanziellen Mittel für die Ernährung und Unterbringung der Menschen vorhanden waren, die sich bereits an den Sammelpunkten befanden, denn die hierfür benötigten Gelder kamen mit großer Verspätung aus Russland an. Diese Umstände riefen Empörung bei den bereits angeworbenen Menschen hervor und führten zu einer drastischen Verschlechterung ihrer Beziehung zu den russischen Werbern und Agenten.

Nur dem preußischen König Friedrich dem Großen gelang es, der vielschichtigen und aggressiven Vorgehensweise der russischen Regierung beim Anwerben deutscher Kolonisten zu widerstehen. Aus Preußen reiste lediglich eine unbedeutende Zahl an Kolonisten aus, was sich über die anderen deutschen Landstriche und insbesondere über die kleinen Fürstentümer, deren Auswanderungsverbote bei den eigenen Staatsangehörigen keine Wirkung zeigten, nicht behaupten lässt. So stellt Gerhard Bonwetsch in seinem knappen, doch äußerst erkenntnisreichen Buch „Geschichte der deutschen Kolonien an der Wolga“ aus dem Jahr 1919 fest, die Machthaber hätten sich nicht dazu entscheiden können, die Wurzel des Problems zu beseitigen und die Tätigkeit der russischen Werber komplett zu verbieten. Indem sie die Auswanderung verboten und die Werber lediglich hinter die Grenzen ihrer Einzelstaaten verwiesen, bekämpften sie nur die Folge, nicht jedoch die Erstursache, da es den Werbern möglich war, ihre Kontore unverzüglich in ein anderes Fürstentum zu verlegen und die eigene Tätigkeit dort fortzusetzen.

Bezeichnend ist in dieser Hinsicht das Verhalten von Friedrich August von Anhalt-Zerbst, des Herrschers des Fürstentums Anhalt-Zerbst, dessen Prinzessin Katharina II. war. Aus heutiger Sicht lässt sich nur schwer sagen, ob sich Friedrich August nur von Verwandtschaftsgefühlen leiten ließ, als er der Schaffung eines Sammelpunktes für angeworbene deutsche Kolonisten, die nach Russland weiterreisen sollten, zustimmte, dabei jedoch die eigene Regierung damit beauftragte, darauf zu achten, dass sich diesen keine Bewohner seines Bewohner seines Fürstentums anschlossen.

Ein solches unpatriotisches Verhalten der Herrscher kleiner Fürstentümer ermöglichte es den ausländischen Staaten, sich zu Lasten deutschen Blutes zu stärken, wie Bonwetsch sehr passend formuliert hatte („...dem Ausland die Möglichkeit gab, sich durch Zufuhr deutschen Blutes zu stärken…“).8

Nach all diesen Ereignissen im Zusammenhang mit der Weigerung der russischen Regierung, weitere deutsche Kolonisten aufzunehmen, geriet die Tätigkeit ihrer Agenten ins Stocken, kam jedoch nie vollständig zum Erliegen und erreichte während der Regierungszeit Alexanders I. einen weiteren Höhepunkt, da dieser deutsche Kolonisten für die Erschließung und Verteidigung der Ländereien in Südrussland benötigte.

3.5. Bewertung der Zusammensetzung

der ersten Kolonisten

Wer waren aber die Leute, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Einladung Katharinas II. den Werbern ins Netz gingen, nach Russland befördert und zu deutschen Kolonisten an der Wolga wurden? Die Mehrheit der Autoren, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, stützen sich auf Christian Gottlob Züges Buch „Der russische Colonist oder Christian Gottlob Züges Leben in Rußland“).9

Dabei handelt es sich wohl um das einzige bekannte Buch, dessen Autor das gesamte Auf und Ab der Reise und des Lebens eines deutschen Kolonisten an der Wolga am eigenen Leib erfahren hat. Als junger Mensch voller Tatendrang und Entdeckergeist bereitete er sich auf die Emigration nach Amerika vor, geriet nach seiner Ankunft in Lübeck jedoch wie viele andere Übersiedler in die Fänge der russischen Werber. Er kapitulierte vor der Beschreibung der Güter, Schönheiten und Bekanntschaften mit zahlreichen Völkern, die ihn angeblich erwarteten, und machte sich mit einer angeworbenen Gruppe nach Russland auf. Detailliert und aufmerksam beschreibt er sämtliche Etappen der Schiffsreise nach Kronstadt, der Weiterreise auf Pferdewagen in der Kolonne und auf Flussschiffen über die Wolga bis zum Siedlungsort der deutschen Kolonisten im Gebiet Saratow. Während der langen Wartezeit in Lübeck lernt er die Menschen an seiner Seite gut kennen. In seinem Buch stellt er fest, dass die meisten von ihnen einen Zufluchtsort in dem fernen und bis dahin unbekanntes Land suchten, da ihre Heimat ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Seiner Einschätzung nach waren Verbrecher und Betrüger darunter, die möglicherweise einer Verfolgung und ihrer gerechten Bestrafung aus dem Weg zu gehen versuchten. Er merkt an, dass die meisten von ihnen Abenteurer oder leichtgläubige und unerfahrene Menschen waren, die den ihnen erzählten Lügenmärchen Glauben schenkten und keinerlei Zweifel an einem leichten und glücklichen Leben in der Ferne hatten.10 Vielen von ihnen war die Arbeit auf dem Feld nicht vertraut, und mitunter wussten sie nicht einmal, wie man ein Pferd spannt und von welcher Seite man sich einem Pflug nähert.11

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