Kitabı oku: «Der Islam», sayfa 4

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3. Märtyrer und Selbstmordattentäter35

Nach den Bombenanschlägen auf die Londoner U-Bahn (am 7. Juli 2005) bezeichnete der Vater von Mohammed Atta, dem Todespiloten, der die Zerstörung des World Trade Centers angeführt hatte, diejenigen seiner Glaubensbrüder als Verräter, die besagte Bombenanschläge als »terroristische« Akte verurteilt hatten. Er sprach sich für weitere Attentate aus und kündigte sogar an, 5000 Dollar (offenbar der marktübliche Preis für einen solchen Akt) für einen Bombenanschlag zu spenden. So viel brauchte es seiner Einschätzung nach, um einen Anschlag wie den in London zu finanzieren: einen weiteren »Freiwilligen«, der andere tötet, indem er sich selbst tötet.

Selbstmordattentäter, die als Märtyrer gefeiert werden

Am 30. Juli 2005 berichtete der Londoner Spectator von der Beisetzung in absentia eines der Londoner Selbstmordattentäter, Shehzad Tanweer, in Pakistan. Es wurde aus dem Koran vorgelesen; eine große Menschenmenge war anwesend. Tanweer galt nach seinem »heroischen« Akt, der sieben Menschen getötet hatte, landläufig als »Märtyrer«. Das ist das Thema, über das ich diskutieren will: die Vorstellung, dass ein Selbstmordattentäter ein »Märtyrer« sei, ein Held, den man nachahmen solle und der unterstützt werden müsse, wohingegen die, die sich solchen Taten entgegenstellen, verurteilt werden, selbst wenn sie Muslime sind.

Am 20. August 2005 hielt Benedikt XVI. in Köln eine Ansprache vor führenden Vertretern des Islams, in der er nach einer gemeinsamen Grundlage von Muslimen und Christen suchte; bei dieser Gelegenheit sagte er:

»Ich bin sicher, auch Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, wenn ich unter allen Sorgen diejenige hervorhebe, die aus dem sich immer weiter ausbreitenden Phänomen des Terrorismus entspringt. […] In verschiedenen Teilen der Welt wiederholen sich fortlaufend terroristische Aktionen, die Menschen in Kummer und Verzweiflung stürzen. […] Terrorismus, welcher Herkunft er auch sei, [ist] eine perverse und grausame Entscheidung […], die das unantastbare Recht auf Leben mit Füßen tritt und die Fundamente jedes geordneten Zusammenlebens untergräbt.«36

Selbstmordattentate sind wahrscheinlich eine Form von »Terrorismus« – übrigens ein abstrakter Begriff, der Aussagen darüber vermeidet, »von wem« und »zu welchem Zweck« die betreffenden Taten verübt werden.

Die Frage ist, ob diese »gemeinsame Grundlage« existiert und wenn ja, worauf sie sich stützt. Zwischen der aktiven Förderung und der absoluten Verurteilung von Selbstmordattentaten gibt es ganz sicher keine gemeinsame Grundlage. Sie sind entweder richtig oder falsch. Wenn sie falsch sind, kann keine Organisation oder Bewegung, die sie aus prinzipiellen oder politischen Erwägungen heraus unterstützt, als Religion oder Philosophie anerkannt werden, so ernsthaft oder aufrichtig ihre Vertreter auch sein mögen. Gelten diejenigen Muslime, die die Selbstmordanschläge auf einer »gemeinsamen Grundlage« mit Christen und Juden – etwa auf der Basis des Naturrechts oder der Vernunft – verurteilen, nach herrschenden muslimischen Maßstäben auch als »Ketzer«? Ist irgendeine Situation denkbar, in der zu Selbstmordanschlägen ermutigt werden sollte?

Der von unbehaglich großen Teilen des Islams eindeutig vertretene Standpunkt, dass Selbstmordanschläge in moralischer Hinsicht begrüßenswert seien, ist sicherlich für viele Muslime ein Grund, Selbstmordattentäter als Märtyrer zu bezeichnen. Historisch gesehen war ein Märtyrer kein Selbstmörder und konnte auch keiner sein. Selbst Sokrates musste bei seinem Prozess erklären, weshalb es kein Selbstmord war, dass er den Tod aus den Händen des Staates akzeptierte und sein Todesurteil sogar selbst vollstreckte. Und es war auch kein Selbstmord, dass Christus sich freiwillig kreuzigen ließ. Ein Märtyrer ist nämlich das genaue Gegenteil eines Selbstmordattentäters. Ein Märtyrer ist jemand, der – eben dadurch, dass er zu Unrecht getötet wird – das sokratische Prinzip aufrechterhält, demzufolge es niemals richtig ist, sich selbst oder anderen unrecht zu tun.

Ein Selbstmordattentäter – um es einmal etwas direkter zu formulieren – kann zwar andere zu Märtyrern machen, aber niemals selbst ein Märtyrer sein. Sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. haben erklärt, dass derartige Taten niemals rational oder religiös gerechtfertigt werden können, auch wenn einige Religionen oder Sekten genau das versuchen. Hier verläuft eine Linie im Sand. Selbstmordattentate gutzuheißen und zu unterstützen heißt, dass man etwas in sich Böses als gut hinstellt. Das hat schwerwiegende Konsequenzen. Wenn Selbstmordanschläge – von terroristischen Anschlägen, die keinen Selbstmord beinhalten, ganz zu schweigen – befürwortet werden, weist dies darauf hin, dass die Lehre der Personen oder Gruppen, die die Argumente für diese Befürwortung liefern, nicht wahr sein kann.

Muslimische Ambivalenz?

Der italienische Journalist Sandro Magister hat in einem ausführlichen Beitrag die Verbindung zwischen den Anführern muslimischer Gruppen in Deutschland – mit Hauptquartieren in Köln und München – und den ägyptischen und syrischen Netzwerken der Muslimbruderschaft nachgezeichnet. Wir wissen, dass zumindest einige der Angriffe auf das World Trade Center ursprünglich in Deutschland geplant worden sind.

1994 wurde ein häufiger Besucher der Münchner Moschee, Mahmud Abouhalima, in den Vereinigten Staaten zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, weil er ein Jahr zuvor den Autobombenanschlag auf das World Trade Center in New York organisiert hatte. Doch erst nach dem Einsturz der Twin Towers am 11. September 2001 wurden intensivere Nachforschungen angestellt, um die Verbindungen zwischen dem Terrorismus und den radikalislamischen Kreisen in Deutschland aufzudecken.37

Als 2005 in der BBC-Sendung Panorama darüber diskutiert wurde, ob die britische muslimische Gemeinschaft vor den Extremisten in ihren eigenen Reihen die Augen verschließe, »verurteilte« der führende britische muslimische Politiker Sir Iqbal Sacranie »von britischen Muslimen, ganz gleich wo verübte Selbstmordattentate«, und sagte, dass es zwischen dem Leben eines Palästinensers und dem Leben eines Juden keinen Unterschied gebe und dass alles Leben heilig sei. Dann aber sorgte ein hochrangiger Sprecher einer der wichtigsten Mitgliedsorganisationen des Muslim Council of Britain, der Muslim Association of Britain, mit einer Äußerung für Verwirrung, die den Eindruck erweckte, dass er »für die Verklärung von Selbstmordattentätern Verständnis habe«.38 Es ließen sich zahlreiche muslimische Quellen zitieren, die diesen letztgenannten Standpunkt billigen.

Angeführt von Premierminister Tony Blair und Präsident George W. Bush haben sich religiöse und politische Führer der westlichen Welt nach Kräften darum bemüht, die Unterscheidung zwischen dem »friedlichen« Islam und dem Terrorismus aufrechtzuerhalten. Wenn diese liberale und theologische Unterscheidung zuträfe, wäre damit implizit gesagt, dass nur »friedliche« Muslime »echte« Muslime wären. Leider beanspruchen auch die Terroristen die Deutungshoheit über die islamische Lehre für sich und führen hierfür gewichtige historische und doktrinelle Belege an. In gewisser Hinsicht wäre es »illiberal«, sie nicht beim Wort zu nehmen. Eines der Probleme bei der Einschätzung des Islams besteht darin, dass es im Islam selbst keine allerhöchste Autorität gibt, die entscheidet, welche der beiden Interpretationen die gültige ist. Für jede Fatwa, die Selbstmordattentate als falsch bezeichnet, wird aus ebenso glaubwürdiger Quelle eine andere erlassen, die sie für richtig erklärt. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Blair und andere sich immer häufiger dafür aussprechen, dass Muslime Verantwortung übernehmen, aufstehen und in öffentlich wahrnehmbarer Form nicht nur gegen den Terrorismus als Praxis, sondern auch dagegen Stellung beziehen, dass er als wesentlicher Bestandteil islamischer Quellen begriffen wird.

Die Prüfung Pius’ XII. war der Nationalsozialismus. Die Prüfung Johannes Pauls II. waren der Kommunismus und der absolutistische Liberalismus. Die Prüfung Benedikts XVI. war, zum Besseren oder zum Schlechteren hin, der Islam – und zwar im Kontext zu der Frage, ob die absolutistische liberale Theorie ihn zu zähmen vermag oder nicht. Doch anders als der Nationalsozialismus und der Kommunismus und anders als viele seiner akademischen Analysen kann der Islam nicht in erster Linie in den Begriffen der (oft deutschen) philosophischen oder gesellschaftlichen Strömungen des Westens gedacht werden. Genau genommen werden Versuche, das, was vor sich geht, mithilfe dieser Kategorien zu verstehen, die Wahrheit vermutlich eher verdunkeln als erhellen.

Geht man von seiner Vorgeschichte und seinen theologischen Voraussetzungen aus, ist eine neutrale oder tolerante Regierung im Islam weder existent noch gewollt. In seinen zivilen Gemeinwesen der Gegenwart und der Vergangenheit sind der Islam und der Staat in unterschiedlichen Konstellationen eng miteinander verwoben. Von Nichtmuslimen verlangt der Islam in den Gebieten, die er politisch kontrolliert, Unterwerfung; das hat Bat Ye’or in ihrem Buch Eurabia anschaulich gezeigt. Juden und Christen wird unter Umständen eine besondere Art der Unterwerfung zugestanden, die bisweilen Toleranz genannt wird und doch Unterwerfung bleibt. Die Kopten in Ägypten sind hierfür das vielleicht älteste noch existierende Beispiel.39 Und die verfolgten Christen im Sudan das anschaulichste.

Das letzte Ziel

Der erste Schritt im Umgang mit jeder Bewegung oder Religion besteht darin herauszufinden, was sie ist und was sie über sich selbst denkt. Natürlich ist das, was jemand seinen eigenen Worten zufolge denkt, und das, was er zu tun oder zu praktizieren gedenkt, nicht immer dasselbe. Doch nicht wenige Denker wie beispielsweise Hitler oder Lenin haben uns von vornherein gesagt, was sie dachten und was sie zu tun gedachten, und dann sind sie hingegangen und haben es getan. Niemand hatte ihnen geglaubt – bis sie das, wovon sie gesagt hatten, dass sie es zu tun gedachten, wirklich taten.

In diesem Sinne sagen uns Mohammed und der Islam selbst mit Worten und Taten, was sie getan haben und was sie tun würden, wenn sie es könnten. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Europa, wenn es nach dem Willen der islamischen Kriegsherren gegangen wäre, heute muslimisch wäre. Zu ebendiesem Zweck ließen sie ihre Truppen nicht nur in Afrika und den Nahen Osten, sondern auch in Europa einmarschieren. Und sie verstanden diesen Zweck als religiös: Die Armeen hatten eine Mission. Es ist derselbe Zweck, den die sogenannten »terroristischen« muslimischen Gruppierungen noch immer verfolgen. Europa ist heute nur deshalb nicht muslimisch, weil die muslimischen Armeen in hart umkämpften Schlachten in Frankreich und Österreich zurückgeschlagen wurden. Viele islamische Denker vertreten die Auffassung, dass jedes einstmals muslimisch kontrollierte und sodann zurückeroberte Gebiet (Spanien zum Beispiel) ihnen noch immer gehört. Es gibt keine legitime »Zurückeroberung« – damit waren die spanischen Wahlen von 2004, nur drei Tage nachdem Spanien selbst von terroristischen Bombenanschlägen erschüttert worden war, im doppelten Sinne eine Ironie der Geschichte.

Überdies ist der größte Teil der Welt, der heute offiziell muslimisch ist, deshalb muslimisch, weil der Islam in seiner gegenwärtigen Gestalt noch immer auf die eine oder andere Weise von den langen Reihen seiner militärischen Siege und Eroberungen geprägt ist. Diese Situation ist, wie wir es auch drehen und wenden, schlichtweg eine Tatsache. Terroristische Aktionen werden heute in aller Regel damit begründet, dass muslimisches Territorium (Spanien, Israel, die Balkanstaaten) zurückerobert oder der muslimische Friede herbeigeführt, das heißt, die ganze Welt dem Gesetz des Islams unterworfen werden soll. Eine solche Herrschaft wäre in der Tat eine Art »Frieden«, nämlich das Ende aller äußeren Widerstände.

Die derzeitige islamische Aufteilung in ein »Haus des Krieges« (die nicht muslimischen Länder) und ein »Haus des Friedens« wäre damit Geschichte. Ohne Zweifel ist der unerwartete Aufstieg eines sichtbar militanten Islams in den vergangenen Jahrzehnten die Folge gewisser muslimischer Theorien, denen zufolge der Westen moralisch schwach und degeneriert und nicht willens oder nicht in der Lage ist, sich einem geballten, vom »Heldenmut« der Selbstmordattentäter beflügelten Angriff zu widersetzen. Dass es, wie die beiden Irakkriege gezeigt haben, keine nennenswerte muslimische Armee gibt, die gegen gut ausgerüstete Truppen bestehen könnte, heißt nicht, dass kein Krieg stattfindet. Es heißt vielmehr, dass wir es mit einem unbegrenzten oder uneingeschränkten Krieg zu tun haben, der mit unkonventionellen Waffen geführt wird.

Das Einzige, was heute wirklich neu ist, ist die Tatsache, dass es dem Islam, wenn er geduldig ist, infolge des rapiden Geburtenrückgangs unter den europäischen Bevölkerungen und des gleichzeitigen rapiden Anstiegs der muslimischen Geburtenzahlen in den betreffenden Gebieten wirklich gelingen könnte, in Europa und anderen Regionen die Kontrolle zu übernehmen. Dieses Drama sollte besonders für diejenigen Katholiken interessant sein, die einst an der Bedeutung von Humanae vitae gezweifelt haben. So gesehen erscheint die Enzyklika heute als eines der wichtigsten Dokumente des 20. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund ist es vorstellbar, dass der Islam unter Umständen nur deshalb keinen Erfolg haben wird, weil er eben nicht den »friedlichen« demografischen Weg beschritten, sondern die eine Macht herausgefordert hat, die imstande ist, systematisch gegen ihn vorzugehen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob der politische Wille, sich der terroristischen Agenda zu widersetzen, in Demokratien langfristig aufrechterhalten werden kann. Die Terroristen ihrerseits scheinen gewieft genug, um zu verstehen, dass dieser Krieg nicht nur mit Armeen, sondern auch mit Ideen und Abendnachrichten geführt wird.

Gegen eine gefährliche Bedrohung kann man nur wenig tun, solange man sich nicht über ihre wahre Natur im Klaren ist. Und selbst wenn Einigkeit darüber herrscht, dass sie real ist – ich denke hier etwa an das Münchner Abkommen oder an die sowjetische Kontrolle über Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg –, müssen auf die Einsicht, wenn sie denn stichhaltig ist, auch der Wille und die Entschlossenheit folgen, etwas zu unternehmen. Europa ist, so die berühmt gewordene Beschreibung eines deutschen Verlegers, ein Kontinent, der absolut nicht den Mut aufbringt, der ihm drohenden Gefahr ins Auge zu sehen. Die viel gepriesene europäische »Diplomatie«, die – wie bei dem Versuch, den Iran von der Herstellung von Nuklearwaffen abzubringen – keine Gewalt, sondern »andere« Mittel anwendet, ist schlichtweg nicht effektiv.

Der Schrecken des terroristischen »Märtyrertods«

Vielleicht ist auf allen nur möglichen Ebenen – von der Theologie über die Politik und die Medien bis hin zum gesunden Menschenverstand – nichts so klärungsbedürftig wie der Unterschied zwischen Selbstmordattentat und Martyrium. Schon die bloße Assoziation – dass sie als Manifestationen ein und derselben Sache miteinander in Verbindung gebracht werden – scheint geradezu obszön. Fürs Erste sollten wir festhalten, dass die muslimischen Apologeten und ihre Anhänger die Auffassung vertreten, ein Selbstmordattentäter sei ein Märtyrer. Ein Selbstmordattentat ist ein Akt, zu dem sich der Täter entscheidet, um seine persönliche Geschichte mit Allah dadurch zu verbessern, dass er sich der Förderung muslimischer Ziele (die gleichzeitig politisch und theologisch sind) verschreibt und sich selbst und andere im Dienst dieser »Sache« tötet. Dieses Vorgehen hat, was immer wir davon halten mögen, in einem großen Teil der muslimischen Welt seine Verfechter oder Sympathisanten. Stimmen, die diese Verbindung zwischen Selbstmord und Martyrium aktiv kritisieren, finden sich in der muslimischen Welt – auch wenn es sie gibt – eher selten.

Für uns ist es, zynisch gesprochen, schön und gut, wenn wir unsere eigenen, unzureichenden Kategorien verwenden und denken, die verschiedenen Bin Ladens dieser Welt würden Selbstmordattentate lediglich als eine Form der Realpolitik und ohne religiösen Beigeschmack einsetzen. Und vielleicht fühlen wir uns dadurch bestätigt, dass nur selten al-Qaida-Anführer selbst solche Attentate verübt haben, auch wenn nicht wenige von ihnen von diversen sowohl muslimischen als auch amerikanischen Streit- oder Polizeikräften erschossen worden sind. Selbstmordattentate sind definitiv ein Mittel des Krieges, aber das heißt, theologisch gesprochen, nicht, dass sie nicht auch als ein Akt der Hingabe, als Martyrium, verstanden werden können. Kriege können »heilig« sein.

Eines jedenfalls ist hinreichend klar und sogar bei Aristoteles nachzulesen: Wenn ein Mensch entschlossen ist, sein Leben hinzugeben, um jemand anderen anzugreifen oder zu töten, dann ist es sehr schwer und oft unmöglich, ihn aufzuhalten. Gruppen oder Institutionen wie der Geheimdienst und Scotland Yard sind in Teilen eigens dazu ausgebildet zu verhindern, dass solche Selbstmordattentäter Politiker und ihre Familien töten. Eine Anzahl amerikanischer Präsidenten ist von Menschen getötet worden, denen ihr eigenes Leben nicht wichtig war. Doch ihre Gründe waren selten religiöser Natur. Diese Macht eines Menschen, dem sein eigenes Leben nicht wichtig ist, bedeutet in der Praxis, dass wir jemanden, von dem wir wissen, dass er dabei ist, eine selbstmörderische Mission zu erfüllen, unter allen Umständen aufhalten und nötigenfalls zuerst töten müssen, um Unschuldige zu beschützen. Die einzige Alternative ist, es geschehen zu lassen, denn Töten – das beweisen Tausende von Fällen – ist alles, was die Terroristen tun wollen und tun werden. Zwischen dem 11. September 2001 und 2005 hat es einer Webseite zufolge, die die Zeiten und Orte solcher Anschläge auflistet, 2400 terroristische Akte in verschiedenen Teilen der Welt gegeben.40 Die Täter waren Muslime und die Taten beinhalteten die Tötung anderer Menschen (waren aber natürlich nicht ausschließlich Selbstmordanschläge).

Der islamische Selbstmordattentäter glaubt nicht, dass er bei seiner »Mission« Unschuldige tötet. Nach seinem subjektiven Verständnis tötet er »Feinde« Allahs, selbst wenn die Getöteten Frauen, Kinder, alte Menschen oder einfach nur Passanten sind. Diese Vorstellung existiert natürlich nur in einem radikal irrenden Gewissen – aber sie existiert offenbar. Selbstmordattentate geschehen selten zufällig, sondern deshalb, weil jemand den Befehl dazu erteilt und ein anderer diesen Befehl befolgt. Selbstmordattentate dienen einem ganz präzisen Zweck: durch die Ausführung von Befehlen dazu beizutragen, dass der Islam sich in naher oder ferner Zukunft auf seine »angestammte« Größe ausbreitet. Welteroberung in Allahs Namen. Diese große »Sache«, so abwegig sie in unseren Ohren auch klingen mag, verleiht solchen Akten, die wir Übrigen als »Terrorismus« bezeichnen, ganz offensichtlich Adel und Würde.

Das irrende, todbringende Gewissen

Wie ich unmittelbar nach dem 11. September 2001 geschrieben habe,41 ist es sogar gemäß den Grundsätzen der katholischen moralischen Wahrheit – wonach man einem wahrhaft irrenden Gewissen Folge leisten muss42 – vorstellbar, dass die Selbstmordattentäter gemeinsam mit ihren Opfern in den Himmel kommen, wenn wir davon ausgehen können, dass sie echte Gläubige waren und ihrem Gewissen gefolgt sind, ohne dass sie innerhalb ihrer Kultur oder ihrer persönlichen Geschichte eine Chance gehabt hätten, ihren Irrtum zu korrigieren. Diese Sichtweise macht die Tat nicht gerecht oder ungeschehen, aber sie nimmt das ernst, was manche Muslime ganz offensichtlich glauben.

In seiner Enzyklika Veritatis splendor hat Johannes Paul II. sich ausführlich mit dem Begriff des Todes des Märtyrers auseinandergesetzt. Ironischerweise hatte er 1993, als er das Dokument verfasste, nicht die Selbstmordattentäter im Sinn, obwohl sie auch damals schon aktiv waren. Für seinen Glauben zu sterben, ist ein alter und nobler Gedanke. Er verweist darauf, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als das Leben. Allzu viele Menschen sind im Laufe ihres Lebens an einen Punkt gekommen, wo ihnen nur die Wahl blieb, zu sterben oder etwas Böses zu tun. Mit der Entscheidung, am Leben zu bleiben und ihren Überzeugungen oder ihrem Tugendverständnis abzuschwören, hätten sie implizit genau den Grundsatz geleugnet, der gerade auf dem Spiel stand. Die einzige Möglichkeit, an diesem Grundsatz festzuhalten, war, den Tod zu akzeptieren. Dies war jedoch keine Entscheidung für den Tod um seiner selbst willen – und damit kein Selbstmord. Das Todesurteil wurde nicht gutgeheißen, aber seinen Vollstreckern und jenen, die es verhängt hatten und somit moralisch dafür verantwortlich waren, wurde der Tradition gemäß vergeben, wie das Beispiel des heiligen Stephanus und des heiligen Thomas Morus veranschaulicht, die darin dem Vorbild Christi gefolgt sind.

»Dem Anspruch des evangelischen Radikalismus entsprechend kann die Liebe den Glaubenden zum äußersten Zeugnis des Martyriums bringen«, schreibt Johannes Paul II.43 und er fährt fort: »In der bedingungslosen Achtung gegenüber jenen unaufgebbaren Forderungen, die sich aus der Personwürde eines jeden Menschen ergeben, jenem von den sittlichen Normen verteidigten Anspruch, welche die in sich schlechten Handlungen ausnahmslos verbieten, erstrahlt die Beziehung zwischen Glaube und Moral in ihrem ganzen Glanz.«44 Zu solchen Handlungen gehört, wie das Dokument ausdrücklich erklärt, auch »der freiwillige Selbstmord«.45

Doch Selbstmordattentate sind nicht einfach ein »freiwilliger Selbstmord«. Im Vietnamkrieg gab es buddhistische Mönche, die sich selbst verbrannten, um gegen dieses oder jenes zu protestieren. Obwohl die Tat an sich schlimm genug war, hatten diese Mönche nicht die Absicht, andere mit in den Tod zu reißen.

Der moderne Selbstmordattentäter hingegen hat genau diese Absicht: andere mitzunehmen. Und wer sind diese »anderen«? Es können Soldaten sein; das geschieht üblicherweise in Gegenden, wo die offensichtlichen Unterschiede zwischen Streitkräften und Zivilisten bewusst verwischt werden. Es können aber auch – und das kommt häufig vor – Passagiere in Bussen oder Flugzeugen oder Menschen sein, die ihre Einkäufe erledigen. Oder einfach irgendwer. Der Anschlag richtet sich gegen Unschuldige, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und die Bürger zu beunruhigen oder sogar zu Vergeltungsmaßnahmen gegen Außenstehende zu veranlassen.

Wenn die hier vorgelegte Analyse im Großen und Ganzen zutrifft, dann folgt daraus vor allem eines: Jede Gruppe, Religion, Philosophie oder Weltanschauung, die diese Praxis der Selbstmordattentate befürwortet und durchführt, lehrt nicht die Wahrheit. Es geht hier nicht einfach darum, zwei Gruppen innerhalb ein und derselben Religion voneinander zu unterscheiden. Es geht um die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass in dem Teil der betreffenden Religion, der Selbstmordattentate als eine Form des »Martyriums« für seine religiöse »Sache« gutheißt, irgendeine Wahrheit enthalten ist.

35James V. Schall, »Martyrs and Suicide Bombers«, Ignatius Insight, 24. August 2005, http://www.ignatiusinsight.com/features2005/schall_martyrsbombers_aug05.asp.

36Benedikt XVI., Ansprache bei der Audienz für die Vertreter einiger muslimischer Gemeinden im Erzbischöflichen Sitz von Köln, 20. August 2005.

37Sandro Magister, »From Cologne to the Conquest of Europe: How the Muslim Brotherhood Is Challenging the Pope«, Chiesa, 18. August 2005, http://chiesa.espresso.repubblica.it/articolo/37837bdc4.html?eng=y.

38»Muslim Leaders ›in Denial‹ Claim«, BBC, 21. August 2005, http://news.bbc.co.uk/2/hi/uknews/4166402.stm.

39Vgl. First Things, März 2005, 47–50.

40The Religion of Peace, http://www.thereligionofpeace.com.

41Vgl. http://www.tcrnews.com, 15. September 2001.

42Johannes Paul II., Veritatis splendor, 6. August 1993, 57–64.

43Johannes Paul II., Veritatis splendor, 89.

44Ebd., 90.

45Johannes Paul II., Veritatis splendor, 80.

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