Kitabı oku: «Der Islam», sayfa 5

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4. Der elfte September: fünf Jahre später46
I

Die Zerstörung der Türme des World Trade Centers jährt sich bald zum fünften Mal. Wir fragen uns: »Waren die 3000 Menschen, die skrupellos dabei getötet worden sind, in irgendeiner Weise ›legitime‹ Ziele?«, und: »Worum ging es bei diesem Anschlag?«. Von der Richtigkeit und Klarheit unserer Antwort hängt alles ab: einschließlich der Sinnhaftigkeit der Vernunft selbst. Doch wir stehen ratlos vor den unzähligen kontroversen und widersprüchlichen Thesen darüber, was die eigentliche Ursache dieses Ereignisses gewesen sein mag – eines Ereignisses, das heute ohne weitere Erklärungen einfach nur »9/11« genannt wird: der 11. September.

Es scheint, als könne man in dieser Situation nichts Besseres tun, als sich eine solide und wohlüberlegte Meinung zu bilden. Genau das will ich im Folgenden versuchen. Eine Meinung ist ein begründetes Urteil auf der Basis geeigneter und verfügbarer Hinweise auf mögliche Handlungen oder Erklärungen. Die Meinung, auf deren Grundlage man handelt, kann falsch sein, aber wir handeln immer mit einem gewissen Mangel an Klarheit. Wenn wir jedoch nicht einmal versuchen, uns eine plausible und stichhaltige Meinung über menschliche Ereignisse und ihre Bedeutung zu bilden, dann handeln wir zudem in vielen entscheidenden Fällen verantwortungslos.

Alles menschliche Handeln beruht auf unvollständigen Informationen. Die Angst, sich in der Praxis zu irren, ist nicht der Anfang der Weisheit, sondern der Anfang einer selbst gewählten Lähmung. Wie Eric Voegelin gesagt hat, müssen wir nicht alle Irrtümer unserer Zeit übernehmen. Doch wir können auch nicht so tun, als gäbe es diese Irrtümer nicht; wir müssen mit ihnen umgehen. Alles politische Tun, auch die Kriege – vor allem die Kriege –, basiert auf Meinungen. Die Dinge sind selten schwarz oder weiß. Das Äußerste, was wir erreichen können, ist eine »praktische« Gewissheit oder ein »praktisches« Urteil, wie Aristoteles es genannt hat. Doch Meinungen sind nicht einfach vage Vermutungen. Im besten Fall basieren sie auf Evidenz und Erfahrung. Sie können (und im Fall der Klugheit tun sie das auch) zur Wirklichkeit vordringen, die im Fluss der anderen Ansichten feststeht. Und Meinungen sind, wenngleich dies verlockend sein mag, auch keine Entschuldigungen für einen theoretischen Skeptizismus.

Der menschliche Geist ist, mit Cicero gesprochen, in der Lage, für eine Tatsache oder ein reales Ereignis beinahe jede Erklärung zu »erfinden«. Das ist letztlich auch das, worum es in Kriminalromanen geht. Die »Erfindung« ist die Gedankenkette, über die wir an einen Punkt gelangen, wo das Geschehene für uns verständlich wird. Selbst wenn die Akteure und die Folgen einer Tat hinlänglich bekannt und geklärt sind, sind noch immer die unterschiedlichsten Beweggründe denkbar. Diese Bandbreite der Interpretationen sollte uns nicht überraschen. Schließlich existiert auch nach fünf Jahren noch immer eine Handvoll Professoren – wer auch sonst? –, die sich nicht davon abbringen lassen, dass der 11. September ein amerikanisches Polit-Komplott gewesen sei und rein gar nichts mit irgendwelchen Muslimen zu tun gehabt habe. Wenn jemand ein Motiv hat, ist nahezu alles vorstellbar. In den letzten fünf Jahren ist für den Anschlag beinahe jede erdenkliche Ursache benannt worden – außer vielleicht der einleuchtendsten. Wenn wir uns die unterschiedlichen Analysen anschauen, die von diversen islamischen Quellen, von Europa, von Professoren, von Experten und von Politikern der verschiedensten Lager vorgelegt worden sind, dann können wir nur staunen über die Fruchtbarkeit des menschlichen Geistes, der für dasselbe Ereignis völlig entgegengesetzte Erklärungen findet. Das einzige Korrektiv für unser mäanderndes Denken ist die unumstößliche Realität des Ereignisses selbst. Alles ist auf ein heilloses Gewirr an Spekulationen reduziert.

In der Regel werden diese Erklärungsalternativen auch etwas über die zugrunde liegenden Prinzipien der sie vertretenden Person oder Gruppe verraten. Darin sehe ich aber keinen Beweis dafür, dass alles subjektiv wäre. Jeder behauptet ja immer noch, dass er mit Fakten und auf der Grundlage der Evidenz argumentiert. In diesem Sinne steht zweierlei nebeneinander: die Kenntnis der Fakten und die Bedeutung, die wir diesen Fakten beimessen, damit sie unseren eigenen Zwecken dienen. Üblicherweise lenkt unsere Politik oder unsere Philosophie unser Augenmerk weniger auf die Fakten, die wir sehen, als auf die Bedeutung, die wir ihnen geben. Doch auch wenn es noch immer Menschen gibt, die behaupten, dass die Mondlandung vor einigen Jahrzehnten niemals stattgefunden hätte, sagt heutzutage niemand, dass die Twin Towers noch stehen. Ich war noch vor Kurzem auf der anderen Flussseite in New Jersey und habe die Skyline von Manhattan gesehen. Die Türme sind weg. Einmal war ich bei einem Georgetown-Bankett ganz oben in einem dieser Türme zugegen; die Räume, in denen wir waren, sind einfach verschwunden, aber ich weiß, dass ich dort gewesen bin. Doch die Tatsache, dass sie nicht mehr da sind, erklärt nicht, warum sie nicht mehr da sind – und das gilt auch für die Mehrzahl der Gründe, die wir seither zu hören bekommen haben, wenngleich sie in der Regel eine gewisse Wahrheit oder Plausibilität besitzen, denn sonst wären sie völlig unglaubwürdig (allerdings ist die Theorie, dass es sich um ein amerikanisches Komplott gehandelt habe, tatsächlich völlig unglaubwürdig).

Natürlich wissen wir – um die Frage nach der Ursache auf einer anderen Ebene anzugehen –, dass das World Trade Center zerstört worden ist, weil junge muslimische Männer, die sich mit einiger Cleverness genau darauf vorbereitet hatten, Passagierflugzeuge entführt und in die Türme geflogen haben. Wir kennen sozusagen die physikalischen Abläufe, das heißt, wir wissen, was mit solchen Gebäuden geschieht, wenn in ihrer Flanke Flugzeuge explodieren. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob diese Männer oder ihre Auftraggeber sich wirklich so gut mit der Statik von Baukonstruktionen auskannten, dass sie das überwältigende Resultat, das sie erzielt haben, genau vorausberechnen konnten. Vielleicht hat es sie selbst überrascht, dass ihr Plan so erstaunlich gut aufging. Jedenfalls wissen wir, dass viele Menschen in muslimischen Städten dieses Ereignis als einen »Erfolg« bejubelt haben. Soweit ich weiß, haben wir von denen, die die Tat für sich reklamieren, keinerlei Entschuldigung erhalten. Sie haben die Opfer, die sie im Visier hatten, nicht vorgewarnt. Sie haben ihren Erfolg nicht bedauert, im Gegenteil: Sie waren hochzufrieden. Und niemand von ihnen hat Wiedergutmachungen für den verursachten Schaden angeboten. Das bedeutet, dass das, was sie getan haben, in ihrer eigenen Vorstellung kein Unrecht, sondern ein Akt der Tugend war. Die Piloten und ihre Handlanger waren ihrer eigenen Einschätzung zufolge keine »Mörder«, sondern »Märtyrer«.

Ich habe von Anfang an die Auffassung vertreten, dass die Angriffe bereits in den vorangegangenen zwei Jahrzehnten mit diversen Anschlägen auf Schiffe, Botschaftsgebäude und Flugzeuge an anderen Orten auf der Welt begonnen hatten und dass sie nicht weltlich oder politisch, sondern religiös motiviert waren. Das, was da vor sich ging, erwuchs aus einem theologischen Verständnis des muslimischen Auftrags in der Welt. Selbst diejenigen Muslime – so viele oder wenige es auch sein mochten –, die es nicht für das Klügste hielten, gerade diese Mittel einzusetzen, konnten die Legitimität der damit verbundenen Zielsetzung nichtsdestoweniger nachvollziehen.

Ferner habe ich die Auffassung vertreten, dass wir, wenn wir diese Motivation nicht anerkennen würden, dem, was da geschah, in gewisser Hinsicht nicht gerecht würden; das heißt, dass wir den Menschen nicht gerecht würden, die den Zerstörungsplan entworfen und durchgeführt hatten. Stattdessen ergingen wir uns in weitschweifigen Erklärungen, die kompliziert, ausgeklügelt, »wissenschaftlich« und häufig eigennützig waren, die aber nicht dem entsprachen, was wir sahen und was diese Männer über sich selbst sagten. Im Grunde hatte ich den Eindruck, dass wir de facto nicht nur unsere Feinde, sondern auch uns selbst kleinredeten, wenn wir von einem Krieg gegen den »Terrorismus«, gegen »Fanatiker« oder »Wahnsinnige« sprachen.

Wenn wir andererseits von einem »Krieg der Zivilisationen« sprechen wollen, dann ist das schön und gut, solange wir uns an Christopher Dawson halten und begreifen, dass die Zivilisationen selbst Ausdruck von Religionen oder Pseudoreligionen sind, die wir heute als »Ideologien« bezeichnen. Keine Zivilisation in der Geschichte der Menschheit eignet sich weniger für eine rein weltliche Erklärung ihres Tuns als der Islam. Unser Bemühen, diesen Krieg in den Begriffen der westlichen Philosophie oder Wissenschaft zu erklären, geht, so durchdacht es auch immer sein mag, am Kern der Sache vorbei: an der Überzeugung nämlich, dass jeder Mensch Muslim sein sollte, dass dies Allahs Wille auf Erden ist und dass es keine längere Phase der Ruhe geben kann, solange diese Unterwerfung nicht zum Abschluss gebracht ist und daraufhin »Friede« einkehrt. Dieses Motiv ist für die Wissenschaft unsichtbar, aber sichtbar genug für all diejenigen, die darin eine Mission erkennen, die über die Zeit, über Jahrhunderte hinweg Bestand hat. Das ist unser größtes Handicap: dass wir uns nicht vorstellen können, dass eine solche Zielsetzung über längere Zeiträume hinweg Bestand haben und in unterschiedlichen Formen – einschließlich der aktuellen – wiedergeboren werden kann.

II

Sehen wir uns zunächst einige jener Meinungen an, die behaupten, der Krieg sei nicht in erster Linie religiös motiviert. Eine dieser Ansichten betrachtet die Religion als eine Art Überbau, der letztlich von wirtschaftlichen Faktoren abhänge. Entweder sei die wirtschaftliche Unterentwicklung durch die Prinzipien des Islams selbst verursacht, oder die verarmten islamischen Nationen seien zufällige Opfer der Habgier anderer. Dieser quasi marxistische Ansatz erklärt also alles auf der Grundlage einer ökonomischen Theorie. Nicht der Islam ist das Problem, sondern die Wirtschaft.

Andere Quellen beharrten darauf, dass es im Irakkrieg um Öl ging. Zwar trifft es zu, dass das Öl dem Islam enorme Reichtümer beschert, die er darauf verwendet, seine Expansionsversuche zu finanzieren. Mit diesen Reichtümern werden überall in Europa und den Vereinigten Staaten Moscheen gebaut und unterhalten. Doch der Wert des Öls hat wenig oder gar nichts mit Wirtschaftssystemen oder Erfindungen muslimischer Provenienz zu tun. Selbst die Theorie vom nationalen Territorium, die einem Staat oder einem Scheich die Kontrolle über bestimmte Ölvorkommen gibt, ist das Ergebnis westlicher politischer Ansichten über privates und öffentliches Eigentum. Und wenn man die Theorie ins Spiel bringt, die man zuweilen in katholischen Kreisen hört, dass nämlich Bodenschätze nicht in erster Linie Eigentum derer, denen der betreffende Grund und Boden gehört, sondern Eigentum der »Menschheit« sind, dann könnte man besagten Staaten sogar das Recht absprechen, diese Bodenschätze in dem von ihnen kontrollierten Land zu fördern.

Eine andere Sichtweise ist die des berühmten Schriftstellers Salman Rushdie, die besagt, dass im Islam selbst eine neue Form des Totalitarismus entstanden sei, die dem Nationalsozialismus oder dem Faschismus ähnele. Rushdie hat gemeinsam mit verschiedenen anderen Autoren und Intellektuellen vor Kurzem ein Manifest gegen den Islamismus unterzeichnet, in dem es unter anderem heißt: »Nachdem die Welt den Faschismus, den Nazismus und den Stalinismus besiegt hat, sieht sie sich einer neuen weltweiten totalitären Bedrohung gegenüber: dem Islamismus. […] Wie alle Totalitarismen nährt sich der Islamismus aus der Angst und der Frustration.«47 Diese Sichtweise räumt zwar ein, dass es bei einigen Muslimen einen »totalitaristischen« Antrieb gibt, verneint jedoch, dass dieser Antrieb irgendetwas mit dem Islam direkt oder mit seiner Logik zu tun habe. Demnach wären diejenigen Muslime, die behaupten, dass sie Allahs Willen tun, in Wirklichkeit Häretiker – ganz gleich, wie lautstark sie ihrerseits die Auffassung vertreten, Rushdie habe in seinen Romanen Verrat an Allah begangen und den Tod, zu dem sie ihn verurteilt haben, daher verdient. Der kanadische Kolumnist David Warren hat die Vorstellung heruntergespielt, dass wir es mit einem neuerlichen Wiedererstarken des Islams zu tun haben. Der Islam stelle nach allen militärischen und wirtschaftlichen Maßstäben keinerlei nennenswerte militärische Bedrohung dar. Das reale Wirtschaftswachstum sei in all seinen Ländern, verglichen mit anderen Nationen, nahezu am Boden. Selbst die von Terroristen verwendeten Sprengstoffe seien im Westen entwickelt und meist auch dort hergestellt worden. Deshalb befinde sich der Islam in einem Zustand der Lethargie. Bedingt durch seine eigenen Theorien und Defizite könne er nicht einmal gegen schwache Gegner etwa aus islamischen Ländern durchschlagend agieren. Dieselbe Ansicht wird natürlich auch von vielen der leidenschaftlichsten Befürworter islamischer Gewaltanwendung vertreten. Sie sind der Auffassung, dass der verderbte Westen sogar die muslimischen Werte untergräbt und deshalb vernichtet werden muss. Diese These von der moralischen Verderbtheit des Westens hat auch im Christentum zahlreiche Verfechter, und es ist nicht wenig Wahres daran.

Der Wissenschaftler Samir Khalil Samir SJ nimmt einen anderen Standpunkt ein. Seiner Ansicht nach ist das aktuelle Problem im Nahen Osten nicht religiöser, sondern politischer Natur. Es reiche zurück bis zur Gründung des unabhängigen Staates Israel in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals hätten die Westmächte dem Nahen Osten einen jüdischen Staat aufgezwungen: eine Art Wiedergutmachung dafür, dass es ihnen nicht gelungen war, die Juden vor Hitler zu beschützen. Auf diese Weise sei ein Unrecht durch ein anderes kompensiert worden. Die islamische Welt selbst habe, allgemein gesprochen, mit Hitler rein gar nichts zu tun gehabt. Also sei die politische Lösung, die man vorlegte, um den Juden eine Heimat zu geben, gleichzeitig ein Unrecht an den arabischen Bevölkerungen gewesen, die bereits in der betreffenden Region lebten.

Samir stellt die Existenz Israels nicht infrage und erkennt deren Rechtmäßigkeit voll und ganz an; an dieser Situation ist nichts zu ändern. Doch seine These, dass Kriege – insbesondere die der jüngeren Vergangenheit – »niemals etwas bewirken«, ist etwas zu einfach. (Ob das wohl auch für den Zweiten Weltkrieg gilt?) Man mag sich daran erinnern, dass die meisten muslimischen Staaten nur deshalb auf ihren derzeitigen Territorien existieren, weil Muslime Kriege geführt haben, die in Sachen langfristige Kontrolle nur als »erfolgreich« bezeichnet werden können. Viele dieser eroberten Gebiete in Afrika, Europa, dem Nahen Osten und Asien waren einst christlich. Im Falle Spaniens scheint (oder schien) die Rückgewinnung der bei früheren Invasionen auf der Halbinsel von Muslimen eroberten Gebiete von Dauer zu sein – sofern man den aktuellen Geburtenrückgang in Spanien und den Zustrom muslimischer Einwanderer nicht berücksichtigt. Tatsache ist, dass ganz Europa schon längst islamisiert sein könnte, wenn die muslimischen Invasoren nicht in den beiden Schlachten bei Tours und vor den Toren Wiens zurückgeschlagen worden wären. Samir jedenfalls macht den Vorschlag – und dieser Vorschlag ist gut, soweit er reicht –, eine nahöstliche Union mit internationalen Friedenstruppen zu gründen und gleichzeitig eine grundlegende Übereinkunft über gemeinsame diplomatische Prinzipien zu treffen. Er befasst sich nicht mit der früheren Geschichte des Islams, sondern beginnt mit der Lage nach dem Zweiten Weltkrieg. Er gibt zu, dass seine Lösung ein Stück weit »utopisch« ist, meint aber, es sei den Versuch immerhin wert. Ich habe mit diesem Vorschlag nur ein Problem: Er scheint nicht in Betracht zu ziehen, dass auch auf der anderen Seite, nämlich bei denjenigen Gruppen innerhalb des Islams, die wir heute als »Terroristen« bezeichnen – jenen Menschen also, die glauben, dass das, was sie da tun, der Wille Allahs sei und dem Sendungsauftrag des Islams entspreche –, eine »utopische« Motivation besteht.

Einer weiteren Meinung zufolge sind die sogenannten »Terroristen« innerhalb des Islams eine Minderheit und im Allgemeinen nicht von koranischen Texten, sondern von der westlichen Philosophie und insbesondere von faschistischen und nationalsozialistischen Quellen inspiriert. Auch daran ist ohne Zweifel etwas Wahres. Das historische Problem der muslimischen Welt ist ihre gescheiterte Modernisierung. Dass man nach Sündenböcken sucht, um dieses Scheitern zu erklären, gehört zur Tragödie des modernen Islams. Man könnte die Ansicht vertreten, das Problem würde seine Wurzel im muslimischen Denken haben, doch da dieser Ansatz für viele inakzeptabel ist, muss man sich etwas einfallen lassen, um diese Gewaltmittel so erfolgreich einzusetzen, wie es im letzten Jahrhundert geschehen ist. Das ist die sogenannte islamo-faschistische Interpretation mit all ihren Varianten.

All diese Ansichten haben etwas für sich, das man nicht ignorieren sollte. Doch auch wenn die aggressivsten Vorkämpfer der jüngsten Schrecknisse zugegebenermaßen in der moralischen Schwäche des Westens ihre große Chance erkannt und viele ihrer Anführer im Westen studiert haben, ist die eigentliche Erklärung immer noch eine religiöse. Ganz offensichtlich sträuben sich unsere hauseigenen Philosophien – Liberalismus, Multikulturalismus und Ökumenismus – nach Kräften dagegen, der Religion einen so prominenten Platz einzuräumen, dass sie gezwungen sind, sich auf ihrem eigenen Terrain mit ihr auseinanderzusetzen. Also wird die religiöse Erklärung von vornherein ausgeschlossen und wir müssen uns nach anderen Begründungen umsehen. Sobald wir versuchen, unsere Probleme in nicht religiösen Begriffen zu erklären, hören wir auf, nach der Gültigkeit der religiösen Ansprüche zu fragen, auf denen der Islam beruht – seiner ursprünglichen Inspiration, seinen Texten und der darin enthaltenen Lehre.

Viele würden zweifellos belustigt oder sogar empört auf den Vorschlag reagieren, dass das erste Prinzip der praktischen Politik darin bestehen sollte, theologische Positionen ernst zu nehmen und das, was darin jeweils vertreten wird, auf seine Gültigkeit hin zu überprüfen. Wenn man nach dem Ausschlussverfahren vorgeht, ist dies jedoch – da die anderen Erklärungen eben nicht alles erklären – tatsächlich die vernünftigste Herangehensweise an das langfristige Problem, mit dem wir aus dieser Richtung konfrontiert werden. Und es ist paradoxerweise auch die »ökumenischste« Herangehensweise: weil sie bereit ist, die theologische Sicht derer ernst zu nehmen, die glauben, dass der Islam ausgesandt sei, allen Völkern das Gesetz und die Anbetung Allahs zu bringen. Es sind nicht die »gemäßigten« Muslime, die wir ernst nehmen müssen, sondern die radikalen.

Damit kommen wir zu einer zentralen Frage: Stehen für diese Aufgabe intellektuelle »Hilfsmittel« zur Verfügung? Mit Blick auf die recht offenkundige Weigerung von islamischer Seite, die Lehre des Islams zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte oder Analyse zu machen, könnte man den Standpunkt vertreten, dass wir uns nicht auf eine derartige Diskussion einlassen sollten. Das würde nur noch mehr Unruhe stiften. Es ist besser, sich an die eher praktischen Berührungspunkte zu halten: gewisse Aspekte familiärer Werte, wirtschaftliche Probleme, den Ölpreis und so weiter.

Andererseits leugnet der Islam gerade die beiden zentralen Wahrheiten des christlichen Glaubens: Sowohl die Dreifaltigkeits- als auch die Menschwerdungslehre gelten nach muslimischen Begriffen als blasphemisch. Christen werden bestenfalls als Polytheisten betrachtet. Die Messfeier oder die Bibel oder jedwedes andere Mittel, das Christentum (oder einen anderen Glauben) zu erklären, ist, außer in einigen sehr begrenzten Fällen, in jedem existierenden muslimischen Staat verboten. In ziviler Hinsicht sind die wenigen in diesen Ländern ansässigen Christen bei objektiver Betrachtung enorm benachteiligt. Die Literatur darüber, wie Gläubige anderer Religionen in islamischen Staaten zu Bürgern zweiter Klasse gemacht werden, lässt, wenn man einen irgendwie objektiven Maßstab anlegt, nur eine Schlussfolgerung zu. Doch diese Einschränkungen sind die logischen Folgen theologischer Positionen. Es hilft nicht, sich darüber zu beklagen, solange wir nicht irgendwann bereit sind, ihre logische Wahrhaftigkeit zu hinterfragen. Dass man in diesen Dingen keinen größeren Druck ausübt, wird sogar unter anderem genau damit begründet, dass man die Situation der in diesen Ländern verbliebenen Christen dadurch noch verschlimmern oder sogar ihr Leben gefährden könnte.

Ich bin nicht der Ansicht, dass der Versuch, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was der Islam ist, einen feindseligen Akt gegenüber dem Islam oder seinen Institutionen darstellt. Ich denke im Gegenteil, dass die Ursache der gegenwärtigen Probleme zumindest teilweise darin gesucht werden muss, dass man vor dieser Klarheit jahrhundertelang zurückgescheut ist. Wir haben auf christlicher Seite tatsächlich keine maßgebliche Verlautbarung zu der Frage »Was ist der Islam?«. Es genügt nicht, darüber zu sprechen, dass man die Anhänger anderer Religionen »respektiert«, solange man sich nicht näher damit befasst, was sie glauben und wie sie ihren Glauben praktizieren. Es geht eher darum, auf die behutsamste und vernünftigste Weise nach der »Wahrheit« dessen zu fragen, was sie über sich selbst denken. Wie zerstörerisch sie uns gegenüber auch auftreten mögen: Es sind die sogenannten »Terroristen« selbst – die für ihre Taten eine religiöse Motivation in Anspruch nehmen –, die die Christen (und jeden sonst) dazu zwingen, sich auf diesen theoretischen Kern des Problems zu konzentrieren.

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