Kitabı oku: «La Fontaines Fabeln», sayfa 3
15. Der Tod und der Unglückliche
Stets rief in seiner Not ein armer Mann
Den Tod als Retter an.
»Tod!« rief er »wie so schön erscheinst du dem Elenden!
Komm, eilig komm herbei, mein grausam Los zu enden!«
Der Tod vernimmt's und ist dienstfertig gleich am Ort,
Klopft an die Tür, tritt ein, und, kaum läßt er sich schauen
»Was seh' ich?« ruft der Mann. »Bringt dieses Scheusal fort!
Wie gräßlich ist er! Angst und Grauen
Macht mir sein Anblick! Höre mich,
Komm näher nicht, o Tod! O Tod, entferne dich!«
Mäcenas war ein Mann von Ehre,
Und dieser sagte einst: »Nehmt meine Mannheit ihr,
Ja, wenn ein Krüppel ich ohn' Arm' und Beine wäre,
Nur leben will ich ja! Laßt nur das Leben mir!«
Komm nimmermehr, o Tod! so fleht man stets zu dir.
16. Der Tod und der Holzschläger
Ein armer Arbeitsmann, mit Reisig schwer belastet,
Von seines Bündels und der Jahre Last gedrückt,
Geht schwanken Schritts fürbaß, tief seufzend und gebückt;
Sein Hüttlein hätt' er gern erreicht, bevor er rastet.
Jetzt kann er nicht mehr fort, und tränenfeuchten Blicks,
Die Bürd' ablegend, denkt er seines Mißgeschicks.
Was bot an Freuden ihm bisher sein ganzes Leben?
Kann's einen Ärmern wohl als ihn auf Erden geben?
Oft keinen Bissen Brot und nimmer Ruh noch Rast,
Weib, Kind, der Steuern und der Einquartierung Last,
Frondienst und Gläub'ger ohn' Erbarmen –
des Jammers vollstes Bild zeigt alles dies dem Armen.
Er ruft den Tod herbei; der ist auch gleich zur Stell'
Und fragt, womit er dienen sollte.
»Ach, bitte« spricht er »hilf mir schnell
Dies Holz aufladen! Das ist alles, was ich wollte!«
Tod heilt alle Erdennot;
Aber Leben ist nicht minder
Schön, und: »Besser Not als Tod«
Denken alle Menschenkinder.
17. Der Mann zwischen zwei Lebensaltern und zwei Lebensgefährtinnen
Einer in dem unbequemen
Alter, wo vom Lebensherbst,
Dunkles Haupt, du grau dich färbst,
Dachte dran, ein Weib zu nehmen.
Sein Geldsack war sehr schwer,
Und daher
Auch manche Frau bemüht, ihm zu gefallen;
Doch just darum beeilt sich unser Freund nicht sehr –
Gut wählen ist das Wichtigste von allen.
Zwei Witwen freuten sich am meisten seiner Gunst,
'ne Junge und 'ne etwas mehr Betagte,
Doch die verbesserte, durch Kunst,
Was schon der Zahn der Zeit benagte.
Es schwatzt und lacht das Witwenpaar,
Ist stets bemüht ihn zu ergötzen;
Sie kämmen manchmal ihn sogar,
Um ihm den Kopf zurechtzusetzen.
Die Ältre raubt dann stets ihm etwas dunkles Haar,
Soviel davon noch übrig war –
Viel gleicher dünkt sie sich dadurch dem alten Schatze.
Die Junge zieht mit Fleiß ihm aus das weiße Haar;
Und beide treiben's so, daß unsres Graukopfs Glatze
Bald gänzlich kahl – da wird ihm erst sein Standpunkt klar.
»Viel Dank, ihr Schönen, euch!« spricht er. »Wie gut auch immer
Ich von euch geschoren bin,
Hab' ich doch davon Gewinn;
Denn an Heirat denk' ich nimmer.
Welche ich nähm', stets ging's, wollt' ich nicht ew'gen Zank,
Nach ihrem, nicht nach meinem Kopfe.
'nen Kahlkopf nimmt man nicht beim Schopfe!
Für diese Lehre nehmt, ihr Schönen, meinen Dank.«
18. Der Fuchs und der Storch
Gevatter Fuchs hat einst in Kosten sich gestürzt
Und den Gevatter Storch zum Mittagbrot gebeten.
Nicht allzu üppig war das Mahl und reich gewürzt;
Denn statt der Austern und Lampreten
Gab's klare Brühe nur – viel ging bei ihm nicht drauf.
In flacher Schüssel ward die Brühe aufgetragen;
Indes Langschnabel Storch kein Bißchen in den Magen
Bekam, schleckt Reineke, der Schelm, das Ganze auf.
Doch etwas später lädt der Storch, aus Rache
Für diesen Streich, den Fuchs zum Mahl auf seinem Dache.
»Gern!« spricht Herr Reineke »da ich nach gutem Brauch
Mit Freunden nie Umstände mache.«
Die Stunde kommt; es eilt der list'ge Gauch
Nach seines Gastfreunds hohem Neste,
Lobt seine Höflichkeit aufs beste,
Findet das Mahl auch schon bereit,
Hat Hunger – diesen hat ein Fuchs zu jeder Zeit –
Und schnüffelnd atmet er des Bratens Wohlgerüche,
Des leckern, die so süß ihm duften aus der Küche.
Man trägt ihn auf, doch – welche Pein!
In Krügen eingepreßt, langhalsigen und engen;
Leicht durch die Mündung geht des Storches Schnabel ein,
Umsonst sucht Reineke die Schnauze durchzuzwängen.
Hungrig geht er nach Haus und mit gesenktem Haupt,
Klemmt ein den Schwanz, als hätt' ein Huhn den Fuchs geraubt,
Und läßt vor Scham sich lang' nicht sehen.
Ihr Schelme, merkt euch das und glaubt:
Ganz ebenso wird's euch ergehen.
19. Das Kind und der Schulmeister
Die Fabel hier und ihre Spitze zielt
Auf jene Narren, die stets Reden halten.
Ein Knäblein, das am Seine-Ufer spielt,
Fiel in den Fluß. Des Himmels gnädig Walten
Fügt, daß ein alter Weidenbaum, der hart
Am Ufer stand, des Kindes Rettung ward.
Indes das Kind den Weidenzweig mit Bangen
Erfaßt, kommt ein Schulmeisterlein gegangen.
Das Kind schreit: »Hilfe! Hilf! Ich muß vergehn!«
Auf sein Geschrei bleibt der Magister stehn,
Und mit dem Pathos eines Advokaten
Schilt er den Kleinen: »Seht den Fratzen doch,
Wohin durch seine Dummheit er geraten!
Um solchen Schelm soll man sich kümmern noch!
Die armen Eltern, deren Pflicht im Leben,
Auf solch Gesindel immer acht zu geben!
Sie haben wahrlich einen schweren Stand!«
Sprach's, und drauf setzt den Kleinen er ans Land.
Viel gibt's der Art, wenn auch mit andrem Namen:
Der Schwätzer, Splitterrichter, der Pedant,
Die wohl ihr Bild erkannt in diesem Rahmen –
Unzählbar sind sie wie des Meeres Sand,
Gesegnet hat der Schöpfer ihren Samen.
Die Sorte denkt nur stets zuerst daran,
Der Rede Künste zu entfalten.
Erst rette, Freund, mich aus der Not, und dann,
Dann magst du deine Rede halten!
20. Das Huhn und die Perle
Hühnchen fand an einem Ort
Eine Perl' und trug sofort
Sie zum Juwelier hinüber:
»Glaube, sie hat hohen Preis,
Doch das kleinste Körnchen Mais
Wäre mir bei weitem lieber.«
Eine Handschrift inhaltreich
Erbt' ein Dummkopf, bringt sogleich
Sie zum Antiquar hinüber:
»Wertvoll, hör' ich, soll sie sein,
Doch der kleinste Talerschein
Wäre mir bei weitem lieber.«
21. Die Hornissen und die Bienen
Am Werk erkennt den Meister man.
Ein Honigzellchen war einst herrenlos; Hornissen
Hatten es an sich gerissen,
Bienen machten Anspruch dran.
Vor eine Wespe kam der Streit, die sollt' ihn schlichten;
Allein es ward ihr schwer, nach Fug und Recht zu richten.
Die Zeugen sagten, daß sie um die Zelle her
Geflügeltes Getier, das braun und länglich wär'
Und summte, oft bemerkt. Das sprach wohl für die Bienen;
Allein was half's, da die Kennzeichen ungefähr
Auch den Hornissen günstig schienen?
Die Wespe wußte nun erst recht nicht hin und her,
Und sie beschloß, aufs Neu' die Sache aufzuklären,
'ne Schar Ameisen noch zu hören.
Umsonst! Denn alles blieb, wie's war.
»Auf diese Art wird's nimmer klar!«
Sprach eine Biene, eine weise
»Sechs Monde schleppt sich schon der Streit im alten Gleise,
Und wir sind weiter um kein Haar.
Will sich der Richter nicht beeilen –
's ist höchste Zeit! – verdirbt der Honig uns einstweilen;
Am Ende frißt der Bär ihn gar!
Erproben drum wir jetzt, ohn' Advokatenpfiffe
Und Krimskrams der Juristenkniffe,
Nur durch die Arbeit unsre Kraft!
Dann wird sich's zeigen, wer von uns den süßen Saft
In schöne Zellen weiß zu legen.«
Durch der Hornissen Weig'rung war
Gar bald ihr Unrecht sonnenklar;
Der Bienen Schar gewann den Streit von Rechtes wegen.
O würde jeder Streit doch nur auf diese Art
Entschieden und, wie man im Morgenlande richtet,
Nach dem Buchstaben nicht, nein, nach Vernunft geschlichtet!
Was würd' an Kosten dann gespart,
Statt daß mit endlosen Prozessen
Man jetzt uns zur Verzweiflung treibt!
Wozu? Die Auster wird vom Richter aufgegessen,
Indes für uns die Schale bleibt.
22. Die Eiche und das Schilfrohr
Die Eiche sprach zum Schilf: »Du hast,
So scheint mir, guten Grund, mit der Natur zu grollen:
Zaunköniglein ist dir schon eine schwere Last;
Der Windhauch, der in leisem Schmollen
Des Baches Stirn unmerklich fast
Kräuselt, zwingt dich den Kopf zu neigen,
Indes mein Scheitel trotzt der heißen Sonne Glut,
Gleich hoher Alpenfirn, und nicht des Sturmes Wut
Vermag mein stolzes Haupt zu beugen.
Was dir schon rauher Nord, scheint linder Zephir mir.
Ja, ständst du wenigstens, gedeckt von meinem Laube,
In meiner Nachbarschaft! Dann, glaube,
Gern meinen Schutz gewährt' ich dir,
Du würdest nicht dem Sturm zum Raube.
So aber stehst am feuchten Saum
Des Reichs der Winde du in preisgegebnem Raum.
Sehr ungerecht an dir hat die Natur gehandelt!«
»»Das Mitleid«« sagt das Rohr »»das plötzlich dich anwandelt,
Von gutem Herzen zeugt's; doch sorge nicht um mich!
Glaub', minder drohet mir als dir der Winde Toben;
Ich bieg', ich breche nicht. Bis heut zwar hieltst du dich
Und standst, wie furchtbar sie auch schnoben,
Fest, ungebeugt an deinem Ort.
Doch warten wir es ab!«« Kaum sprach sie dieses Wort,
Da, sieh, am Horizont in schwarzer Wolke zeigt sich
Und rast heran, ein Sturmesaar,
Der Schrecken schrecklichster, den je der Nord gebar.
Fest steht der Baum, das Schilfrohr neigt sich.
Der Sturm verdoppelt seine Wut
Und tobt, bis er entwurzelt fällte
Den, dessen stolzes Haupt dem Himmel sich gesellte,
Und dessen Fuß ganz nah' dem Reich der Toten ruht.
Zweites Buch
1. Gegen die Krittler
Gefiel's Kalliope, mir die Gaben zu verleihen,
Die ihren Freunden sonst sie zur Verfügung stellt,
Den Lügen des Äsop wollt' mein Talent ich weihen;
Denn Lüg' und Poesie sind freundlich stets gesellt.
Mich wollte der Parnaß mit solcher Gunst nicht schmücken,
Die diesen Dichtungen verliehe höhern Glanz.
Kühn zwar ist das Bemühn, doch nicht unmöglich ganz –
Ich wage den Versuch, mag's Bessern besser glücken.
Ausstattete bisher gar neu und wundersam
Mit Red' und Gegenred' ich kühnlich Wolf und Lamm;
Noch mehr: es wandelten bei mir, wie ihr gelesen,
Sich Bäum' und Pflanzen um in sprachbegabte Wesen.
Wer, frag' ich, leugnete hier eines Zaubers Spur?
»Ja« hör' ich unsre Krittler sagen
»Wes du dich rühmest als Bravour,
Sind ein paar Kindermärchen nur!«
So wollt Geschichtliches ihr aus der Vorzeit Tagen,
Und zwar in höherm Stil? Hört zu: »Der Troer Heer
Hatt' in zehnjähr'gem Kampf um ihrer Festung Türme
Die Griechen mürb' gemacht, die trotz der tapfern Wehr,
Trotz aller Schlachten, aller Stürme
Noch immer nicht zerstört die Stadt voll Glanz und Pracht;
Da barg ein hölzern Roß – Minerva hat's erdacht –
Ein seltnes Kunstwerk ohnegleichen,
Den listigen Ulyß in seinen breiten Weichen,
Den tapfern Diomed, des Ajax stürm'sche Kraft,
Nebst ihrer ganzen Ritterschaft,
Die heimlich der Koloß nach Troja führt, die Blüten
Der Stadt preisgebend samt den Göttern ihrem Wüten –
'ne Kriegslist, unerhört und wirkungsreich genug,
Um der Erfinder Müh' zu lohnen«
»»Halt ein! Halt ein!«« so ruft jetzt ein Herr Superklug
»»Der Satz ist gar zu lang, man muß den Atem schonen!
Und dann, dein hölzern Roß zumeist
Und deine »Helden lobebären«
Sind doch noch weit seltsamre Mären,
Als wenn ob seiner Stimm' ein Fuchs den Raben preist.
Auch will der hohe Stil dir nicht besonders kleiden.««
Gut! Stimmen wir den Ton herab: »In Liebesleiden
Denkt Amaryllis an Alcipp, und ihre Pein
Säh'n ihre Schäflein, wähnt sie, und ihr Hund allein.
Tircis, die sie erschaut, bleibt hinterm Busche stehen
Und hört die Schäferin zum linden Zephir flehen,
Daß ihre Liebesklagen hold
Er hin zum Liebsten tragen sollt'« – – –
»»Halt! Diesen Reim laß ich nicht gelten!««
Ruft plötzlich mein Herr Mäkelbold
»»Verfehlt muß seine Form ich schelten
Und etwas dürftig an Gehalt.
Die beiden Verse nimm zurück, sie umzugießen!««
Verdammter Krittler! Schweigst du bald?
Soll meine Fabel ich nicht schließen?
Schlimm wär' es, wollt' so peinlichen
Urteilen sich ein Dichter fügen.
Unselig sind die Kleinlichen:
Sie finden nirgend ein Genügen.
2. Der Rat der Ratten
Ein Kater Namens Rodilard
Wütet so grimmig unterm Volk der Ratten,
Daß keine fast gesehn mehr ward,
So viele sandt' hinab er in das Reich der Schatten.
Der kleine Rest wagt sich, von Angst und Schrecken matt,
Nicht aus dem Loch und ißt sich kaum zur Hälfte satt.
Als einstmals nun der Held auf fernem Dache war,
Galantem Liebesdienst zu frönen,
Da, während er sich baß ergötzt mit seiner Schönen,
Versammelt heimlich sich zum Rat der Ratten Schar,
Was in der Not man wohl beginne!
Der Obmann rät sogleich, begabt mit klugem Sinne,
Daß eine Schelle man befest'ge jedenfalls,
Und zwar in größter Eil', an Rodilardus' Hals,
So daß, wollt' auf die Jagd er ziehen,
Man schon von fern ihn hört und Zeit hat zu entfliehen.
Daß dies das einz'ge Mittel sei,
Darin trat jedermann des Obmanns Meinung bei;
'nen bessern Weg zum Heil wußt' keiner anzusagen.
Allein wie bindet man die Schell' ihm um?
Der spricht: »Ich sollt' es tun? Nein, ich bin nicht so dumm!«
Ein andrer: »Ich kann's nicht!« Ohn' eine Tat zu wagen,
Trennt man sich. Der Versammlungen gar viel
Sah ich, wie diese, ohne Zweck und Ziel,
Nicht nur von Ratten, nein, von weisen Magistraten,
Selbst von geschulten Diplomaten.
Handelt sich's nur um weisen Rat?
An Ratsherrn wird es nie gebrechen.
Doch gilt's entschloßner frischer Tat –
Ja, Freund, dann ist kein Mensch zu sprechen!
3. Der Affe als Richter zwischen Wolf und Fuchs
Einst klagt' ein Wolf, man habe ihn beraubt;
Den Nachbar Fuchs, 'nen Herrn von schlechtem Lebenswandel,
Klagt er des Diebstahls an, an den er selbst nicht glaubt.
Es führten vor des Affen Haupt
In eigener Person die zwei Partein den Handel.
Seit Affendenken saß noch nicht
In so verzwicktem Fall Frau Themis zu Gericht.
Der arme Schiedsmann schwitzt auf seinem Richterstuhle;
Doch durch ihr Schreien hin und her
Mit Schwur und Gegenschwur sah er
Daß alle beid' aus guter Schule.
Er sprach: »Ich kenn' euch zwei viel besser als ihr glaubt,
Und straf' euch beide unverhohlen;
Du, Wölflein, klagst, obgleich dir niemand was geraubt,
Du aber, Füchslein, hast trotz alledem gestohlen.«
Der Richter dachte sich: Wenn aufs Geratewohl
Man einen Schurken straft, so tut man immer wohl.
4. Die beiden Stiere und der Frosch
Zwei Stiere stritten einst um eine junge Kuh
Und auch der Oberherrschaft wegen.
Ein armes Fröschlein seufzt dazu.
»Was geht's dich an?« hat der Kollegen
Ihn einer fragend angequakt.
»»Siehst du«« sprach jener drauf behende –
»»Denn nicht des leid'gen Streites Ende?
Der eine muß hier fort. Vom anderen verjagt,
Beraubt der Herrschaft und des Eigentums an diesen
Ob ihrer fetten Weid' ihm werten blühnden Wiesen,
Wird er nach unsrem Schilf sein Reich verlegen und
Jagt dann mit plumpem Tritt uns in des Wassers Grund,
Erst den, dann den! Der Streit, der zwischen jenen beiden
Um die Frau Kuh entbrannt – wir müssen drunter leiden!««
Er hatte recht: der eine Stier
Barg sich in ihres Schilfes Grunde,
Zu ihrem Leid; das plumpe Tier
Zertrat an zwanzig jede Stunde.
Ja, ja! Man sieht es allezeit:
Der Großen Torheit bringt den Kleinen bittres Leid.
5. Die Fledermaus und die zwei Wiesel
Einst kam 'ne Fledermaus höchst unvorsicht'ger Weise
In eines Wiesels Nest; kaum hat sie Zeit zu ruhn,
Als jenes, das schon längst ergrimmt war auf die Mäuse,
Herbeieilt, um sie abzutun.
»Wie?« sprach's zu ihr »Du wagst vor mir hier zu erscheinen,
Du, deren ganz Geschlecht nur Schaden tut dem meinen!
Bist du nicht eine Maus? Wohl hab' ich dich erkannt;
Verleugn' es nicht, du bist's! Daß ich kein Wiesel wäre!«
»»Verzeiht!«« sprach zitternd die »»Auf Ehre,
Das ist wahrhaftig nicht mein Stand.
Ich, eine Maus? Das kann nur ein Verleumder sagen!
Ein Vogel bin ich unbedingt.
Sieh nur die Flügel, die mich tragen –
Hoch leb', was in die Luft sich schwingt!««
Sie sprach so gut, daß man ihr glaubte,
Und daß das Wiesel ihr erlaubte,
Frei fortzuflattern aus dem Nest.
Nicht lang', und Jungfer Leichtsinn klebte
Bei einem andern Wiesel fest,
Das mit den Vögeln just in Fehd' und Feindschaft lebte,
So daß zum zweitenmal nun in Gefahr sie schwebte.
Die lange Schnauze streckt der Hausherr lüstern vor,
Der, als 'nen Vogel, sie zu leckrem Fraß erkor;
Doch sie verteidigt sich und spricht gar treu und bieder:
»Ein Vogel, ich? Seht her! Nein, das ist nicht mein Fall!
Was macht den Vogel? Das Gefieder!
Maus bin ich. Hoch die Ratzen all'!
Der Teufel hol' die Katzen all'!«
So hat durch schlaues Antwortgeben
Zweimal gerettet sie ihr Leben.
Manch Kluger macht's wie sie: wenn die Gefahr ihm nah,
Schlägt er ein Schnippchen ihr, wechselt die Farb' ein wenig,
Und, je nachdem, ruft er: Hurra
Der Republik! Hurra dem König!
6. Der durch einen Pfeil verwundete Vogel
Tödlich getroffen lag, den Federpfeil im Herzen,
Ein Vogel da; er klagt im Übermaß der Schmerzen
Sein traurig Los: »Ist's nicht ein harter Schicksalsschluß,
Daß man zum eignen Leid die Waffen liefern muß?
Grausamer Mensch! Du nimmst aus unsren Schwingen
Die Federn, die zum Flug die Mordgeschosse bringen!
Doch spotte nicht, du Volk, herzlos und ungerecht;
Denn für ein ähnlich Los wie wir bist du geschaffen:
Die eine Hälfte von Japetos' Geschlecht
Versorgt die andre stets mit Waffen.«
7. Die Hündin und ihre gute Freundin
Frau Hündin, nah' dem Muttersegen
Und ob der süßen Last in großer Wohnungsnot,
Fleht eine Freundin an, die schließlich sich erbot,
Die Hütte ihr zu leihn, die Last drin abzulegen.
Die gute Freundin kehrt nach ein'ger Zeit zurück;
Die Hündin bittet sie um nur noch vierzehn Tage –
Die Kleinen machten grad' ihr mit dem Laufen Plage –
Und sie erhält's im Augenblick.
Auch diese Frist verstreicht; die Freundin kommt vom Lande,
Zurückzufordern Bett und Haus.
Die Hündin aber zeigt die Zähn' ihr und ruft aus:
»Ich ging, wenn du den Mut, mich und die ganze Bande
Gleich an die Luft zu setzen, hättst!«
Die Kleinen waren Riesen jetzt.
Was du 'nem Schurken gibst, du wirst es stets bedauern.
Leihst du ihm was, kannst lange lauern,
Kaum kriegst du's wieder mit Gewalt;
Er wird sich erst verklagen lassen.
Gib einen Finger ihm, und bald
Wird deine ganze Hand er fassen.
8. Der Adler und der Käfer
Der Adler machte Jagd auf Meister Seidenhas',
Der schnell auf eil'ger Flucht in seinen Bau sich rettet.
Als Nachbar neben ihm im Loch ein Käfer saß.
Ob er dort sicher war gebettet?
Weiß nicht? Genug, es duckt Herr Lampe sich hinein.
Doch auf die Freistatt schießt der Adler flugs hernieder;
Der Käfer legte Fürsprach' ein:
»O Fürst der Vögel du mit mächtigem Gefieder,
Ich weiß, ein leichtes ist dir Meister Lampes Mord;
Doch tu mir das nicht an! Willst du Gehör mir geben,
Sieh den Unglücklichen, er bettelt um sein Leben –
Schenk's gnädig ihm! Wo nicht, so töt' auch mich sofort.
Er ist mir Nachbar, Freund gewesen!«
Der Vogel Jupiters erwidert ihm kein Wort;
Er stößt ihn mit dem Flügel fort,
Betäubt ihn, und ohn' Federlesen
Schleppt Meister Lamp' er weg. Der Käfer, wutempört,
Fliegt zu des Adlers Nest; da er ihn nicht getroffen,
Pickt dessen Eier er entzwei, sein liebstes Hoffen –
Kein einziges blieb unzerstört.
Bei seiner Rückkehr schaut der Adler die Zerstörung;
Zum Himmel schreit er laut, wahnsinnig vor Empörung,
Ahnt er doch nicht, an wem er rächen soll die Schmach!
Er stöhnt – die leere Luft hallt seine Klagen nach.
Ganz kinderlos lebt er dies Jahr in Gram und Reue;
Im nächsten baut sein Nest er höher, doch es gab
Der Käfer acht: er kommt und wirft die Brut hinab,
Und Meister Lampes Tod ward so gerächt aufs neue.
Die zweite Trauer war so groß, daß durch den Wald
Sechs Mond' hindurch ihr Echo schallt.
Der einst den Ganymed getragen,
Dem Herrn der Götter naht mit Bitten er und Klagen,
Und in den Schoß des Zeus legt er die Eier jetzt:
Hier sind sie sicher nicht dem Angriff ausgesetzt!
Nun schützt sie Jupiter gewiß schon seinetwegen –
Wer wagt' hier Hand an sie zu legen?
Das kam auch keinem in den Sinn.
Der Feind ersann ein andres Mittel:
Er spritzte etwas Kot auf Jovis neuen Kittel;
Abschütteln will's der Gott und – wirft die Eier hin.
Kaum hat das Unglück er erfahren,
Da droht der Aar dem Zeus, sogleich
Woll' in die Wüst' er gehn, verlassen Hof und Reich
Und der Abhängigkeit Gefahren –
Und was noch mehr der Reden waren.
Stumm hört der arme Zeus ihn an.
Vor seinem Richterstuhl erschien der Käfer dann
Und gab Bericht mit klugem Sinne.
Sein Unrecht machte man dem Adler schließlich klar;
Doch da der beiden Haß ganz unversöhnlich war,
Beschloß der Götterfürst: Es sei die Frist der Minne
Für Adler künftighin, weil's so am besten frommt,
Verlegt auf andre Zeit, wo all das Volk der Käfer,
Dem Murmeltiere gleich, als feste Winterschläfer
Sich birgt und nie zu Tage kommt.