Kitabı oku: «La Fontaines Fabeln», sayfa 4

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9. Der Löwe und die Mücke

»Elend Insekt, der Erd' Auswurf, willst gleich dich scheren!«

Dies Wort rief einst der Löw' in Wut

Der Mücke zu. Die hatte Mut,

Sofort den Krieg ihm zu erklären.

»Meinst du« sprach sie zu ihm »daß du der König bist,

Soll mich mit Sorg' und Angst erfüllen?

Der Ochs, der noch weit stärker ist,

Ich lenk' ihn doch nach meinem Willen!«

Dem Worte folgt sogleich die Tat:

Zum Angriff gibt sie selbst das Zeichen,

Zugleich Trompeter und Soldat.

Erst sucht sie schlau ihm auszuweichen;

Doch flink um seinen Hals dann schwirrt

Sie, daß der Leu fast rasend wird.

Er schäumt, und Funken sprüht das Aug' des wilden Recken;

Er brüllt, und rings umher erzittert Tal und Berg;

Und dieser allgemeine Schrecken

Ist einer kleinen Mücke Werk.

An hundert Stellen sucht das Mücklein ihn zu necken:

Bald sticht's am Rücken ihn, bald macht's am Maul ihm Pein,

Bald kriecht's ihm in die Nas' hinein.

Nun hat des Löwen Wut erreicht den höchsten Gipfel;

Der unsichtbare Feind, wie triumphiert er jetzt,

Da Klaue nicht noch Zahn, kurz, nicht der kleinste Zipfel

Des schmerzgequälten Tiers mehr heil und unverletzt!

Der arme Leu zerfleischt sich selber, an die Weichen

Schlägt er den mächt'gen Schweif, er schlägt in kind'schem Sinn

Selbst die unschuld'ge Luft. Dies Wüten ohnegleichen

Erschöpft ihn, macht ihn matt, und bald ist er ganz hin.

Ruhmreich kehrt das Insekt zurück aus diesem Kriege,

Und wie zum Angriff erst, so bläst es jetzt zum Siege,

Ihn kündend überall. Da findet's einen Ort,

Wo heimlich lauert eine Spinne;

Es findet auch sein Ende dort.

Was uns die Fabel lehrt, fragst du mit klugem Sinne?

Daß von den Feinden – dies merk' dir zuerst, mein Kind –

Die kleinsten grade oft die allerschlimmsten sind;

Und daß, die mit Erfolg große Gefahr bestehen,

An Kleinem oft zu Grunde gehen.

10. Der mit Schwämmen und der mit Salz beladene Esel

Ein Eseltreiber trieb durchs Land,

Den Führerstab in stolzer Hand,

Ein Rennerpaar mit langen Ohren.

Der eine – Schwämme trug er – lief wie ein Kurier,

Dagegen schlich das andre Tier,

Als wär als Schnecke es geboren;

Beladen war's mit Salz. Das Wanderkleeblatt lief

Durch Berg und Tal, durch Hoch und Tief,

Bis an ein Wasser sie und eine Furt geraten,

Die etwas schwierig zu durchwaten.

Der Treiber, der die Furt oft zu durchreiten pflegt,

Besteigt den, der die Schwämme trägt,

Und läßt voraus den andern wandeln.

Der will nach eignem Kopfe handeln,

Stürzt in ein Loch, doch kommt heraus

Er wieder bald und – reißt dann aus;

Denn kaum war er fünf Schritt geschwommen,

Da war das Salz ganz pitschenaß,

Es schmolz, und Langohr freut sich, daß

Die ganze Last ihm abgenommen.

Kamrad Schwammträger tut's ihm nach im Augenblick,

Wie dem Leithammel folgt die Herde, Stück für Stück:

Ins Wasser taucht, daß ihn die Last nicht weiter hemme,

Er sich, den Reiter und die Schwämme.

Sie tranken alle drei, und um die Wette schier

Trank mit den Schwämmen Mann und Tier.

Bald waren die gefüllten Schwämme

So schwer, daß mitten in dem Fluß,

Erdrückt von ihrer Last, das Tier versinken muß.

Der Treiber gibt in Todesklemme

Dem Esel schon den Abschiedskuß.

Da naht der Retter. Wer? Das tut hier nichts zur Sache;

Genug, wenn man erkennt: es taugt nichts, daß durchaus

Es einer wie der andre mache.

Eben darauf wollt' ich hinaus.

11. Der Löwe und die Ratte

Man soll, so viel man kann, sich alle Welt verpflichten;

Des Kleinern Beistand ist uns oft von großem Wert.

Für diese Wahrheit, durch zwei Fabeln wohl bewährt,

Fehlt's an Beweisen uns mit nichten.

Zwischen des Löwen Tatzenpaar

Lief eine Ratte einst – sie war ein Wildfang eben.

Der Tiere König zeigt als das sich, was er war:

In seiner Großmut schenkt der Kleinen er das Leben.

Die edle Tat bracht' ihm Gewinn.

Wem käm' es jemals in den Sinn,

'ne Ratte konnt' 'nem Löwen nützen?

Doch widerfuhr's ihm einst, da aus dem Wald er ging,

Daß er in einem Netz sich fing –

Kein Brüllen könnt' ihn jetzt befreien noch ihn schützen.

Frau Ratte eilt herbei, zernagt mit Emsigkeit

Die Maschen und ruht nicht, bis sie das Netz vernichtet.

Viel mehr hat stets Geduld und Zeit

Als roher Eifer ausgerichtet.

12. Die Taube und die Ameise

Ein ander Beispiel spricht von etwas kleinrem Vieh.

An Baches Rande saß 'ne Taube, um zu trinken.

'ne Ämse fiel hinein – schon wollte sie versinken

In diesem Ozean; umsonst, ach, sah man sie

Verzweifelten Versuch zu ihrer Rettung machen.

In unsrer Taube ward sofort das Mitleid wach:

Sie brach ein Blättlein ab und warf es in den Bach,

Und der Ameise ward dies Blatt zum Rettungsnachen.

Sie schwimmt ans Ufer. Bald nachher

Kommt ein barfüß'ger Kerl so ganz von ungefähr,

Der eine Armbrust trägt, des Wegs. Es scheint dem Tropfe

Das Täublein leichte Beut', und er

Meint gar, er hätt's daheim gebraten schon im Topfe.

Schon hat die Armbrust er gespannt, hält sie am Kopfe,

Da sticht die Ämsi ihn in den Fuß.

Der Kerl zuckt, wackelt mit dem Schopfe;

Das Täublein merkt's und – weit davon ist gut vorm Schuß –

Der Braten fliegt davon, und er, er muß dran glauben:

So wohlfeil kriegt man keine Tauben!

13. Vom Sterngucker, der in einen Brunnen fiel

Ein Astrolog fiel in den Brunnen einst.

Da sagten sie zu ihm: »Du armes Wesen,

Siehst nicht, was dir zu Füßen ist, und meinst,

Du könntest droben hoch am Himmel lesen!«

Wohl scheint der Fall, an sich betrachtet, angetan,

Ein lehrreich Beispiel für die meisten abzugeben;

Denn unter denen, die auf dieser Erde leben,

Gibt's wen'ge, die nicht schon den Wahn

Gehegt mit sträflichem Behagen,

Das Buch des Schicksals sei dem Menschen aufgeschlagen.

Dies Buch – Homer schon sang des heil'gen Fatums Ruhm –

Soll man es »Zufall«, wie das graue Altertum,

Oder, wie wir, »Vorsehung« nennen?

Nun, »Zufall« heißt, des Grund wir nicht erkennen;

Denn, kennten wir ihn, nimmermehr

Spräch man von Zufall dann, Glück, blindem Ungefähr

Und mehr so zweifelhaften Dingen.

Doch dessen Willen zu durchdringen,

Der alles schuf und stets mit Weisheit alles tat,

Wer vermag's? Er allein. Wer sitzt in seinem Rat?

Schrieb er mit Flammenschrift am Firmament der Sterne,

Was grauer Zeiten Nacht verhüllt in Nebelferne?

Wozu? Als Übung für den Scharfsinn solcher, die

Geschrieben über Erd- und Sphärenharmonie?

Daß unentrinnbarem Verhängnis wir entrönnen?

Um uns das Wohlgefühl des Glückes zu mißgönnen?

Vielleicht, daß durch vorweggenommenen Genuß

Die Freude selbst sich kehr' in eklen Überdruß?

Dies glauben – Irrtum wär's, nein, Frevel sondergleichen!

In ew'ger Ordnung gehn die Sterne ihren Lauf,

Die Sonne geht uns täglich auf,

Allnächtlich muß ihr Licht den dunklen Schatten weichen;

Doch folgt aus alledem für uns kein andrer Schluß,

Als daß das Licht uns strahlt, weil – es uns strahlen muß.

Der Ernte Reifen, wie der Gang der Jahreszeiten,

Sie all' erscheinen uns nur als Notwendigkeiten.

Wie reimt der Zufall, der in ew'gem Wechsel treibt,

Sich mit des Weltalls Lauf, der ewig gleich sich bleibt?

Vermeßne Schwindler, Astrologen,

Die ihr Europas Fürsten oft betrogen,

Hebt euch hinweg samt den Propheten dieser Zeit!

Betrüger sind sie all', wie ihr Betrüger seid.

Doch was ereifr' ich mich? Zu unserm Sternengucker

Kehr' lieber ich zurück, dem armen Wasserschlucker.

Ganz abgesehen von der Torheit seiner Kunst,

Gleicht jenen er, die, wenn sie von Gefahr bedroht sind,

Nachjagen einem blauen Dunst,

Nicht ahnend, daß sie selbst in Not sind.

14. Der Hase und die Frösche

Ein Häslein ruht in wachem Traum –

Was tut man, wenn man ruht? Man träumt in halbem Schlummer –

Vor Langerweile wußt' er sich zu retten kaum;

Er ist ein armes Tier, und ew'ge Furcht sein Kummer.

»So'n furchtsam Wesen« hub er an

»Ist wahrlich doch recht übel dran!

Kaum wagt zu essen man mit Lust 'nen guten Bissen!

Kein reines Glück! Fürwahr, das Schicksal, das mich traf,

Ist hart: von ew'ger Angst gehetzt und fortgerissen,

Gönn' nur mit offnem Aug' ich mir das bißchen Schlaf!

Sei nicht so dumm! ruft mir ein weises Haupt entgegen.

Ja, kann man denn die Furcht ablegen?

Die Menschen haben sicherlich,

Ich glaub's, auch Furcht just so wie ich.«

So sprach der Has' und spähte eben

Nach allen Seiten wachsam hin;

Es war so ängstlich ihm zu Sinn:

Ein Lüftchen macht' ihn, ja, ein Schatten ihn erbeben.

Da, während durch sein trübes Haupt

So düstere Gedanken ziehen,

Hört er ein leis' Geräusch, und schneller als man glaubt,

Sieht man dem Lager ihn entfliehen.

An eines Teiches Rand kommt er auf flücht'gem Pfad;

Gleich stürzt der Frösche Schar vor ihm sich in die Wellen,

Sie bergen sich mit Hast vor ihm an sichren Stellen.

»Schau!« spricht er »wie man mir sonst tat,

Tu ich jetzt andern! Ha, ich merke,

Man fürchtet sich vor mir! Sie fliehn, weil ich genaht!

Woher nur kommt mir diese Stärke?

Wie? Tiere gibt's, für die mein Nahn ein Schreckensgruß?

Jetzt hoff ich noch ein Held zu werden!

Der größte Hasenfuß – das seh' ich nun – auf Erden,

Er findet immer noch 'nen größern Hasenfuß.«

15. Der Hahn und der Fuchs

Auf einem Aste saß, die Hühner zu bewachen,

Ein alter sehr gewitzter Hahn.

»Brüderchen« sprach der Fuchs, mit Sanftmut angetan

»Laß heut uns endlich Frieden machen,

Kein Streit sei zwischen uns fortan!

Ich bring' die Botschaft dir. Komm 'runter, laß dich küssen,

Doch, bitte, schnell; denn du mußt wissen,

An zwanzig Meldungen hab' ich heut noch zu tun.

Ihr Hühnervolk könnt sorglos nun

Nachgehen wieder den Geschäften;

Wollt ihr's, wir helfen euch nach Kräften.

So soll es sein von heute ab;

Du aber komm' jetzt schnell herab,

Daß wir den Bruderkuß uns geben.«

»»Freund«« sagte drauf der Hahn »»mit größerem Genuß

hab' eine Botschaft ich noch nie gehört im Leben,

Als eben

Den Friedensschluß;

Und daß sie grad' aus deinem Munde

Mir kommt, freut doppelt mich. Wie eben ich erblickt,

Nahn, auch als Boten abgeschickt

Zu gleichem Zwecke, dort zwei Hunde,

Windspiele sind's – wart nur, sie sind gleich hier am Ort,

Ich komm' herunter, und wir küssen uns sofort.««

»So?« sprach der Fuchs »Leb' wohl! Noch weiten Weg zu machen

Hab' ich. Auf Wiedersehn! Und, Freund, von unsern Sachen

Ein ander Mal!« Und, hast du nicht gesehn,

Reißt aus der Strolch – er möcht' vergehn

Vor Wut, daß seine List mißlungen

Mit unsrem Hahn, dem alten Jungen.

Der aber lachte höchst vergnügt:

's macht doppelt Spaß, wenn den Betrüger man betrügt.

16. Vom Raben, der's dem Adler nachtun wollte

Der Vogel Jupiters hatt' einst ein Lamm geraubt.

Ein Rabe, der's mit angesehen,

Zwar schwächer als der Aar, doch gleich gefräßig, glaubt:

»Das kann ich auch! Es wird schon gehen.«

Und wie die Herde er umkreist,

Hat unter Hunderten er eins, recht drall und feist,

Ein Opferlamm, sich auserkoren –

Es war zur Speise für die Götter schon bestimmt.

Der Rabe spricht, indem er fest aufs Korn es nimmt:

»Zwar weiß ich nicht, wer dich geboren;

Allein dein Körper scheint gar sehr begehrlich mir,

Du sollst ein leckres Mahl mir geben!«

Und plötzlich schießt herab er auf das blökende Tier.

Zum Unglück wog das Schaf nun eben

Mehr als ein Käse wiegt; sein Fell war außerdem

Von einer ganz besondern Dichte,

Fast so gekräuselt wie der Bart; den Polyphem

Einst trug im Riesenangesichte.

Der Rabe sitzt darin mit seinen Krallen fest,

Und dem Spitzbuben wird die Flucht dermaßen sauer,

Daß, als der Hirt nun kommt, er leicht sich fangen läßt –

Des Schäfers Kindern dient als Spielzeug er im Bauer.

Merkt: wer sich überschätzt, kommt leicht in Not und Trauer.

Manch kleiner Dieb wär' wohl ein großer Räuber gern,

Doch ist gefährlich solch Verlangen:

Die Menschenfresser sind nicht immer große Herrn;

Wo sich die Wespe Bahn bricht, bleibt das Mücklein hangen.

17. Vom Pfau, der sich bei Juno beklagte

Zu Juno klagte einst der Pfau.

»Nicht ohne Grund« sprach er »du hehre Götterfrau,

Ist wohl mein Murren und mein Klagen!

Mein Sang, ich weiß es ganz genau,

Will keinem in der Welt behagen,

Indes der Nachtigall um ihr entzückend Schlagen

Man nachrühmt, diesem jämmerlichen Tier,

Sie sei des Lenzes Wonn' und Zier.«

Die Göttin drauf mit Zornesgrollen:

»Neidvogel du! Du hättst doch schweigen sollen!

Darfst du die Nachtigall beneiden weil sie schlägt?

Du, der um seinen Hals den Regenbogen trägt

In buntem Farbenglanz und seidengleich gestaltet,

Der, wenn er stolz sein Rad entfaltet,

Ein reich Gefieder zeigt von solcher Strahlenpracht,

Als wären's tausend Edelsteine?

Wes Vogels Anblick ist gemacht

So zu gefallen wie der deine?

Nicht jegliches Geschöpf hat jeden Vorzug; nein,

Wir teilten unter euch die Gaben weise ein:

Den einen wurde Größ' und mächt'ge Kraft zuteile,

Der Aar ist mutig, schnell der Falk gleich einem Pfeile,

Der Rabe kündet, was zum Heile,

Die Kräh' uns Unglück an; und alle, glaube mir,

Begnügen sich mit ihrem Teile.

Drum klage fürder nicht, sonst nehm' zur Straf' ich dir

Auch der Federn Schmuck in Eile!«

18. Die in ein Weib verwandelte Katze

Vor Liebe war ein Mann vernarrt einst in sein Kätzchen,

Er fand sie niedlich, schön, nannt' sie sein zartes Schätzchen –

Sie miaute, ach, so wundervoll!

Kurz, er war toller noch als toll.

Und dieser Mann – durch Tränen und Gebete,

In denen er zum Himmel flehte,

Durch Zauberei und Hexenkunst

Setzt durch er's bei der Götter Gunst,

Und in ein Mädel ward sein Kätzchen

Verwandelt; und der närr'sche Tor

Liebt sie nun als sein wirklich Schätzchen

Noch rasender denn je zuvor.

Nie hat das zärtlichste der Täubchen

Den Lieblingstauber so gehegt,

Wie dieses neugebackne Weibchen

Ihren verschrobnen Gatten pflegt.

Wie er sie kost! Wie sie ihm schmeichelt!

Wie er ihr Wang' und Busen streichelt!

So daß zuletzt er ganz und gar

Vergißt, das sie – 'ne Katze war.

Da hat ein Mäuschen der Vermählten nur erheuchelt

Und flüchtig Liebesglück auf einmal, ach! gestört.

Die Gattin, wie sie's nagen hört,

Springt auf, doch konnt sie nichts erwischen.

Die Maus ist wieder da, das Weibchen stellt vom Frischen

Sich auf die Lauer – husch! nun gilt's den Fang!

Doch weil verwandelt sie inzwischen,

Macht sie dem Mäuschen gar nicht bang.

Die Jagdlust blieb ihr immer eigen.

Stets wird Natur so stark sich zeigen!

In reifern Jahren trotzt sie jeglichem Versuch:

Ist erst der Ton durchtränkt, hat Falten erst ein Tuch,

Dann, glaubt, ist jede Müh' vergebens

Der Umgestaltung ganz und gar;

Trotz aller Arbeit, allen Strebens

Wird's immer wieder, wie es war.

Such' sie mit Prügeln auszutreiben,

Wird die Natur doch immer bleiben,

Wie sie 'mal ist; und nähmest du

Den größten Stock – 's wird nicht gelingen.

Schlag' vor der Nas' die Tür ihr zu,

Sie wird zurück durchs Fenster dringen.

19. Löwe und Esel auf der Jagd

An seinem Wiegenfest bekam der Fürst der Tiere

Einst Lust zu pirschen in dem Waldreviere.

Des Löwen Wildpret sind nicht Spatzen just, o nein,

Das muß 'ne fette Sau, ein feistes Damwild sein.

Um möglichst bald zum Ziel zu kommen,

Hat er den Esel mitgenommen,

Des Stentor-Stimme, laut und voll,

Der Majestät anstatt des Waldhorns dienen soll.

Der Löwe stellt ihn an, verdeckt von Busch und Blättern:

»Nun los mit dem Y-a!« Er weiß es ganz genau:

Das scheucht die Mutigsten heraus aus ihrem Bau;

Denn ungewohnt dem Wild ist dieser Stimme Schmettern,

Ihr ohr- und herzzerreißender Laut.

Die Luft erdröhnte von dem fürchterlichen Schalle,

Vor dessen Ungestüm des Walds Bewohnern graut;

Sie fliehn, und rettungslos gehn alle in die Falle,

Wo seines Fangs der Löwe lacht.

»Heut hab' ich doch gewiß mein Meisterstück gemacht?«

Spricht Langohr, als wär' er der Held der Jagd gewesen.

»Ja« sagt der Löwe drauf »geschrien hast du hübsch laut;

Und kennt' ich dich nicht nach Geschlecht, Gestalt und Wesen

Mir selber hätt' vor dir gegraut!«

Der Esel, wagt' er's nur, möcht schier vor Zorn erbeben,

Da man den Prahlhans mit verdientem Spotte zahlt.

Ja, unerträglich ist ein Esel, der da prahlt;

Das ist ihm nun 'mal nicht gegeben.

20. Äsop als Testament-Ausleger

Äsop, wenn nicht die Sage lügt,

War das Orakel aller Griechen;

Vor seiner Weisheit mußt' verkriechen

Sich selbst der hohe Rat. Und als Beweis genügt

Vielleicht ein hübsches Anekdötchen,

Das euch zum Spaß erzählt hier sei.

Ein Vater hatte einst drei Mädchen,

Ganz grundverschieden alle drei:

Die liebt den Trunk, von leichter Sitte

War jen', ein Geizhals war die dritte.

Durch Testament nun macht genau

Zu gleichem Teil, nach dem Gesetze,

Der Vater alle drei zu Erben seiner Schätze,

Und gleich viel schenkt er seiner Frau,

Doch zahlbar erst, wenn jede nimmer

Besitzen würde das ihr zugefallne Teil.

Der Vater stirbt; die Frauenzimmer

Öffnen das Testament in allergrößter Eil'.

Man liest es, man beginnt zu fragen,

Was der Verstorbene gewollt.

Umsonst – kein Mensch vermag zu sagen,

Wie's jede Tochter machen sollt',

Daß, wenn ihr Erbteil sie nicht mehr ihr eigen nennte,

Sie ihre Mutter zahlen könnte?

Denn jeder weiß: 's ist ziemlich schwer,

Zu zahlen, wenn der Beutel leer.

Wie soll der Worte Sinn man deuten?

Die Sache kommt zum Spruch. Die Rechtsgelehrten all'

Erörtern diesen schwier'gen Fall

Und drehen ihn nach allen Seiten;

Zuletzt gestehn sie, daß zu Ende ihr Latein,

Und raten, ohne weitres Streiten

Das Gut zu teilen und – der Rest sollt' Schweigen sein.

»Und in betreff des Witwengutes

Erkennet das Gericht, kund und zu wissen tut es:

Ein Drittel soll als Pflicht für jede von den drei'n,

Doch nach Belieben zahlbar sein,

Falls eine Rente nicht der Mutter mehr zu Sinne,

Die mit des Sel'gen Tod beginne.«

Gesagt, getan. Man macht drei Teil', an Wert ganz gleich:

Der erst' enthält die Flaschenkeller

Mit Malvasier und Muskateller,

Trinkgeschirr von Kristall, mit Gold und Silber reich

Geschmückt, kunstvoll verzierte Schänken,

Becher und Kannen – kurz, was nur in dem Bereich

Der Schlemmerei man mag erdenken;

Der zweite alles das, worauf den Sinn zu lenken

Ein eitles Weibsbild pflegt, ein Haus voll Glanz und Pracht

Mit Sklaven beiderlei Geschlechtes,

Und nur ganz Echtes

An Schmuck und üpp'ger Kleidertracht;

Der dritte Wirtschaftsgut, Landhäuser, Feld und Heide,

Die Herden all' nebst Trift und Weide

Und Mensch und Vieh im Arbeitsjoch.

Und nun – damit sich's nicht zufällig treffen sollte,

Daß keine von den Schwestern doch

Bekäm', was sie gern haben wollte –

Nahm eine jede sich, was ihren Sinn ergötzt,

Nachdem's der Richter abgeschätzt.

Dies also hat sich zugetragen

Einst in Athen; und groß und klein,

Sie stimmten alle überein,

Teilung und Wahl sei recht und gut. Äsop allein

Fand, trotz der Zeit und Müh' und Plagen

Enthielte des Gerichts Sentenz

Das Gegenteil des Testaments.

»Wenn der Verstorbne noch« sprach er »am Leben wäre,

Wie würd' ihn tadeln alle Welt!

Und dieses Volk, das sich der Ehre

Vermißt und selber sich für das gescheitste hält,

Konnt' also mißverstehn des Sel'gen letzten Willen!«

Sprach's, und begann die Teilung noch einmal,

Und gab nun jeder, zu erfüllen

Des Toten Wunsch, 'nen Teil just gegen ihre Wahl.

Nichts teilt' er von den Gütern allen

Der Schwester zu, der's mocht' gefallen:

Das närrisch eitle Ding bekam,

Was Schlemmern nur kann Freude machen;

Die Schwelgerin den Wirtschaftskram,

Der Geizhals all' die prächt'gen Sachen.

Dem weisen Phrygier leuchtet's ein:

Damit die saubern Jungfräulein

Sich ihres Erbteils schnell entled'gen,

Möcht' dies das beste Mittel sein.

Hätten sie nur erst Geld, dann würde sie entschäd'gen

Gar bald ein braver Ehgemahl;

Die Mutter kriegt' ihr Kapital,

Und keine hätte, was der Vater hinterlassen –

Ganz, wie's das Testament befahl.

Das Volk vernahm den Spruch und mochte kaum es fassen,

Daß oft ein einz'ger mehr versteht

Als selber die Majorität.