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bb) Das „besonders schwerwiegende“ Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 AufenthG)

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Das Ausweisungsinteresse wiegt besonders schwer, wenn ein in § 54 Abs. 1 AufenthG genannter Tatbestand erfüllt ist:

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§ 54 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. Besonders schwer wiegt das Ausweisungsermessen gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist.

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Gegenüber der alten Rechtslage (vgl. § 53 Nr 1 1. Alt. AufenthG a.F.) wird das Mindeststrafmaß von drei auf jetzt zwei Jahre gesenkt; ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, spielt keine Rolle (mehr), was nicht nur eine erhebliche Verschärfung des bislang geltenden Rechts darstellt, sondern ein Umdenken erfordert, herrschte bislang doch die – wenn auch fehlerhafte – Vorstellung vor, dass eine Verurteilung erst ab einem Mindestmaß von drei Jahren ausländerrechtlich als „richtig kritisch“ einzustufen sei.

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Neben den zu § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG dargestellten Grundsätzen (Rn. 23 ff.), die bzgl. der einzelnen Tatbestandsmerkmale entsprechend gelten, wird also – jedenfalls in einer Übergangszeit – vor allem die Unwissenheit der Beteiligten in die Verteidigungsstrategie einzubinden sein; den wenigsten Strafrichtern war die bislang geltende Ausweisungssystematik im Detail bekannt, erst Recht wird dies für das neue Ausweisungsrecht gelten. Demnach muss in Erwägung gezogen werden, dass Strafrichter Bewährungsstrafen ausurteilen, ohne die gravierenden ausländerrechtlichen Konsequenzen zu überblicken. Erscheint eine Verständigung (§ 257c StPO) möglich, sollte daher der Versuch unternommen werden eine Strafe auszuhandeln, die knapp unter der für eine Bewährung maximal möglichen Obergrenze liegt; steht der Verteidiger einer Verständigung aus „grundsätzlichen Erwägungen“ kritisch gegenüber, sollte die Position jedenfalls in diesem Fall überdacht werden. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten wird ohne Verständigung kaum erreichbar sein, so dass das eigentliche Verteidigungsziel, die Ausweisung zu vermeiden, oftmals nur über den Weg des § 257c StPO erreichbar sein wird.

Hinweis

Soweit das alte Ausweisungsrecht die Möglichkeit vorsah, einen Ausländer auszuweisen der wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mind. drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 53 Nr. 1 2. Alt. AufenthG a.F.), ist dieser Ausweisungstatbestand ersatzlos gestrichen worden.

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§ 54 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. Wird im Rahmen der letzten Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet, ist der Tatbestand des § 54 Abs. 1 2. Alt. AufenthG erfüllt.

Hinweis

Die Anordnung einer vorbehaltenen oder nachträglichen Sicherungsverwahrung (§§ 66a, 66b StGB) genügt selbst dann nicht, wenn die Anordnung später endgültig erfolgt.[44]

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§ 54 Abs. 1 Nr. 1a. Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG bei einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe von mindestens einem Jahr besonders schwer, wenn diese wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verhängt wird, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gewalt für Leib oder Leben oder List begangen worden ist; liegt der Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes eine serienmäßige Begehung zugrunde, ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter keine Gewalt, Drohung oder List angewendet hat.

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Die zu § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ausgeführten Erwägungen (Rn. 53 ff.) gelten entsprechend, wobei es hier – in besonderer Weise – die Tatsache zu beachten gilt, dass der Tatbestand schon durch Erlass eines Strafbefehls erfüllt sein kann. Angesichts der gravierenden Folgen erscheint dies äußerst fragwürdig, erst Recht, wenn der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend allein das strafrechtliche Urteil – hier der Strafbefehl – der Entscheidung der Ausländerbehörde zugrunde gelegt wird. Aus rechtsstaatlicher Sicht wird hier zu fordern sein, dass die Ausländerbehörde jedenfalls dann weitere Ermittlungen durchzuführen hat, wenn der betroffene Ausländer die der Verurteilung zugrundeliegende Tat substantiiert bestreitet.

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§ 54 Abs. 1 Nr. 2. Der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist erfüllt, wenn der Ausländer die freiheitliche und demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist der Regelung folgend auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder eine in § 89a Abs. 1 StGB bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Abs. 2 StGB vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefahr begründen (vgl. 54.5 Anwendungshinweise zum AufenthG).

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Wie bereits das TerrbekG,[45] definiert das Aufenthaltsgesetz keinen bestimmten Begriff des Terrorismus, so dass die Frage hinreichend bestimmter Anknüpfungspunkte die praktisch größten Anwendungsprobleme darstellen dürfte. Es empfiehlt sich eine Anlehnung an §§ 129, 129a, 129b StGB,[46] wobei eine Verurteilung nicht erforderlich ist, d.h. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.E. ein Fall der „Verdachtsausweisung“ darstellt (vgl. oben Rn. 50); erforderlich ist jedoch der Nachweis „verdächtiger Tatsachen“, weshalb eine auf bloße Vermutungen gestützte Ausweisung unzulässig ist.[47]

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§ 54 Abs. 1 Nr. 3. Das Ausweisungsinteresse wiegt auch dann besonders schwer, wenn ein Ausländer zu den Leitern eines Vereins gehört, der unanfechtbar verboten wurde, weil sein Zweck oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; eine strafrechtliche Verurteilung ist insoweit nicht erforderlich.

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§ 54 Abs. 1 Nr. 4. Beteiligt sich ein Ausländer zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten, ruft öffentlich zur Gewaltanwendung auf oder droht mit Gewaltanwendung, ist der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegeben.

Hinweis

Der Begriff der „Gewalttätigkeit“ setzt anders als § 240 StGB den Einsatz physischer Kraft voraus, so dass rein passiver Widerstand zwar den Nötigungstatbestand erfüllen kann, gleichwohl aber die Annahme eines Ausweisungsgrundes gem. § 54 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ausschließt.[48]

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§ 54 Abs. 1 Nr. 5. Das Ausweisungsinteresse wiegt schließlich auch dann besonders schwer, wenn ein Ausländer zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt (§ 54 Abs. 1 Nr 5 Bst. a AufenthG), Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift (§ 54 Abs. 1 Nr. 5 Bst. b AufenthG) oder Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt (§ 54 Abs. 1 Nr. 5 Bst. c AufenthG), es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

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§ 54 Abs. 1 AufenthG gleicht in weiten Teilen § 111 StGB bzw. § 130 StGB[49]; da die Ausweisungstatbestände somit – in der Regel – zugleich Straftatbestände erfüllen, war bereits nach altem Recht die Ausweisung möglich (vgl. § 46 Nr. 2 AuslG a.F.), so dass den Vorschriften weitgehend Symbolcharakter beizumessen sein dürfte.[50]

b) Bleibeinteresse

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Ist ein Ausweisungstatbestand gegeben ist diesem im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung das Bleibeinteresse des betroffenen Ausländers gegenüberzustellen; auch insoweit gibt der Gesetzgeber eine normative Wertung vor,[51] indem er in § 55 AufenthG vorgibt, in welchen Fällen das Bleibeinteresse „schwer“ bzw. „besonders schwer“ wiegt. Während die in Abs. 1 bezeichneten Fallgruppen abschließend sind, hat der Gesetzgeber durch Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Abs. 2 zum Ausdruck gebracht, dass die dortige Aufzählung lediglich beispielhaft erfolgt;[52] so kann z.B. auch die Betreuung einer erwachsenen Person ein Bleibeinteresse begründen.[53] Erfüllt ein Ausländer mehrere Voraussetzungen kann dies das Bleibeinteresse zusätzlich verstärken; gleichwohl verbietet sich eine (normative) Addition, die Abwägung hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen.[54]

aa) Das „schwerwiegende“ Bleibeinteresse (§ 55 Abs. 2 AufenthG)

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Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt „schwer“, wenn


1. der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt;
2. der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält;
3. der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen der mit diesem sein Umgangsrecht ausübt;
4. der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten bzw. aufhält;
5. die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6. der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a Satz 1 AufenthG besitzt.

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In § 55 AufenthG hat der Gesetzgeber im Wesentlichen Tatbestände übernommen, die bereits nach altem Recht einen (besonderen) Ausweisungsschutz begründet haben. Im Einzelnen gilt Folgendes:

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§ 55 Abs. 2 Nr. 1. Minderjährige Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, genießen Ausweisungsschutz nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG.

Hinweis

Maßgeblich für die Anwendung der Schutzvorschrift ist der Zeitpunkt der Entscheidung, so dass diese nicht eingreift, wenn der betroffene Ausländer nach Erlass der Ausweisungsverfügung – aber vor einer bestandskräftigen Entscheidung – volljährig wird.[55]

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§ 55 Abs. 2 Nr. 2. Anders als § 55 Abs. 1 Nr. 1–3 sowie Abs. 2 Nr. 3 und 4 AufenthG setzt das Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG keinen rechtmäßigen Aufenthalt voraus[56]; im Übrigen gelten keine weiteren Besonderheiten.

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§ 55 Abs. 2 Nr. 3. Der Aufenthaltsstatus des betroffenen Ausländers ist gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ebenfalls unbeachtlich, sofern dieser ein Umgangsrecht bzgl. eines ledigen und minderjährigen Kindes ausübt, welches sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Ist das Kind nach ausländischem Recht verheiratet, gilt dieses gleichwohl als „ledig“, sofern die Ehe nach deutschem Recht keine Anerkennung findet.[57] Ist der Aufenthaltsstatus des Kindes ungeklärt, findet § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG keine Anwendung.[58]

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§ 55 Abs. 2 Nr. 4. Halten sich die Eltern eines minderjährigen Kindes rechtmäßig im Bundesgebiet auf, genießt der minderjährige Ausländer gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz unabhängig vom eigenen Aufenthaltsstatus.

Hinweis


Da der Ausweisungsschutz ohne Rücksicht auf den eigenen ausländerrechtlichen Status gilt, besteht der Schutz selbst im Falle des illegalen Aufenthalts (vgl. 56.2.2.4 Anwendungshinweise zum AufenthG).
Da der Ausweisungsschutz keine familiäre Lebensgemeinschaft mit den Eltern oder dem personensorgeberechtigten Elternteil voraussetzt, ist der minderjährige Ausländer auch dann geschützt, wenn er bei einem Dritten oder in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht ist (56.2.2.4 Anwendungshinweise zum AufenthG).

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§ 55 Abs. 2 Nr. 5. Da minderjährige Ausländer bereits durch andere Tatbestände besonderen Schutz genießen, kommt § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG im Wesentlichen eine Art Auffangfunktion zu, so z.B. für unbegleitete Minderjährige.[59]

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§ 55 Abs. 2 Nr. 6. Die Vorschrift enthält neben dem notwendigen Titel keine weiteren Voraussetzungen.

bb) Das „besonders schwerwiegende“ Bleibeinteresse

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Das Bleibeinteresse des Ausländers wiegt gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG „besonders schwer“, wenn der Ausländer


1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nrn. 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
5. die Rechtsstellung eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG genießt oder
6. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 4 AufenthG, den §§ 24, 25 Abs. 4a Satz 3 AufenthG oder nach § 29 Abs. 2 oder 4 AufenthG besitzt.

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§ 55 Abs. 1 Nr. 1. Die Vorschrift setzt neben dem Besitz einer Niederlassungserlaubnis einen rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren voraus; Fiktionzeiten werden nach Maßgabe des § 55 Abs. 3 AufenthG angerechnet.

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§ 55 Abs. 1 Nr. 2. Ausländer, die im Bundesgebiet geboren oder als Minderjährige in das Bundesgebiet eingereist sind, genießen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besonderen Schutz; gefordert ist ein kontinuierlicher Aufenthalt, weshalb die Regelung nicht eingreift, wenn der Minderjährige zwischenzeitlich ausgereist und als Volljähriger in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist.[60]

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§ 55 Abs. 1 Nr. 3. Neben einer Aufenthaltserlaubnis – eine bestimmte Art ist nicht gefordert[61] – verlangt die Vorschrift die Existenz einer tatsächlich geführten familiären oder lebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft; ein Verlöbnis genügt nicht.[62]

Hinweis

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Ausweisungsschutzes ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung;[63] auf diesen Umstand ist der ausländische Mandant hinzuweisen, sofern er z.B. beabsichtigt (nach der Haftentlassung), eine Ehe bzw. Lebenspartnerschaft mit einer der in § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG genannten Personen einzugehen.

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§ 55 Abs. 1 Nr. 4. Familiäre Beziehungen zu einem deutschen Staatsangehörigen werden in § 54 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG als besonders schutzbedürftig eingestuft. Zu den Familienangehörigen gehören in erster Linie die Kernfamilie – Eltern, Ehefrau bzw. Ehemann und Kinder -; nach den Umständen des Einzelfalles können aber auch weitere Verwandte – z.B. Großeltern, Enkel oder Schwiegerkinder – erfasst sein, wenn zu diesen eine eng geprägte, familiäre Beziehung besteht.[64] Soweit § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG die Ausübung eines Umgangsrechtes voraussetzt, ist ein familiäres Zusammenleben im Sinne einer häuslichen Gemeinschaft nicht erforderlich.[65]

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§ 55 Abs. 1 Nr. 5. Der Vorschrift kommt keine Bedeutung zu, da subsidiär schutzberechtigte i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG den erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG genießen.[66]

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§ 55 Abs. 1 Nr. 6. Humanitäre Gründe können unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz begründen.

Hinweis


Freizügigkeitsberechtigte Ausländer genießen besonderen Ausweisungsschutz nach dem FreizügG/EU; unter bestimmten Voraussetzungen gilt dies auch für deren Familienangehörige, wobei es auf die Staatsangehörigkeit des Familienmitgliedes nicht ankommt (vgl. dort Rn. 100 ff.).

c) Gefahrenprognose

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Ist ein Ausweisungstatbestand erfüllt oder zu erwarten, dass im Falle der Verurteilung dessen Voraussetzungen vorliegen werden, kommt der erforderlichen Gefahrenprognose die entscheidende Bedeutung zu; grob fehlerhaft wäre jedoch die Annahme, der Verteidiger könne insoweit keinen Einfluss nehmen, „da es sich um eine gebundene Entscheidung handele, die letztlich vom Verwaltungsgericht zu treffen sei“. Die Entscheidung setzt nämlich u.a. eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung voraus; da insoweit zumeist auf die schriftlichen Urteilsgründe des Strafgerichts zurückgegriffen wird, sollte bereits im Strafverfahren die Basis für eine dem ausländischen Mandanten günstige Entscheidung der Ausländerbehörde geschaffen werden. Je milder die Urteilsgründe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausweisung unterbleibt (vgl. Rn. 87 ff.).

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Im Rahmen der erforderlichen Gefahrenprognose ist weiter zu berücksichtigen, dass die Ausweisung grundsätzlich sowohl auf spezial- als auch generalpräventive Gründe gestützt werden kann[68]. Insoweit ist aber stets zu prüfen, ob die Möglichkeit der generalpräventiv motivierten Ausweisung aufgrund Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrages ausnahmsweise ausgeschlossen ist, da in diesen Fällen die Ausweisung regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Einzelnen gilt Folgendes:

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