Kitabı oku: «Liebe mich nicht-Hasse mich nicht Duett», sayfa 6

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Jameson

Heute

Ich bin tief in Gedanken versunken, während ich die Böden des Cure wische und die Zeit reflektiere, die wir in Ashers Gästehaus verbracht haben. Wir konnten die Geschichte fast eineinhalb Jahr laufen lassen, indem wir uns vorsichtig rein und rausschlichen und den Alderisis aus dem Weg gingen.

Als uns Mr. Alderisi irgendwann erwischte und rauswarf, hatte ich eine recht ansehnliche Summe angespart. Ich war in der Lage, die Anzahlung für einen Bungalow mit einem Schlafzimmer zu bezahlen. Ich hätte es niemals geschafft, arbeiten zu gehen und auf meine Brüder aufzupassen und dann noch etwas Geld übrig zu haben… nicht ohne Asher.

Und das ist auch der Grund dafür, warum ich mich immer wieder daran erinnern muss, dass Asher, bis zu der ganzen Sache mit Jenna, ein bemerkenswerter Freund war. Ich bin nicht vielen Dingen oder Menschen gegenüber loyal, aber Asher…

Asher ist gut, bis ins Knochenmark. Deswegen kann ich es auch nicht ertragen, ihn mit jemandem zu sehen, der ihn nur ausnutzt. Und deswegen kann ich ihn auch nicht verraten, kann nicht hinter seinem Rücken mit Emma rummachen.

Niemals.

Ganz gleich, wie sehr ich versucht bin, es zu tun. Ganz gleich, wie meine Gefühle aussehen.

Ganz gleich, wie fantastisch sie gestern in diesen irrsinnig kurzen Shorts aussah. Jedes Mal, wenn sie nicht schaute, ließ ich meinen Blick über sie wandern…

Aber das ist alles, bläue ich mir ein.

Das ist auch der Grund, warum ich nichts unversucht gelassen habe, um mich für das Missverständnis der letzten Woche zu entschuldigen. Ich habe zu Hause auf ihn gewartet, aber er war die ganze Woche nicht dort. Ich habe versucht hier in der Bar mit ihm zu reden, aber er hat mich einfach abblitzen lassen.

Ich verstehe ja, dass er Zeit braucht, um zu schmollen und seine Wunden zu lecken, aber er wird mir irgendwann vergeben müssen… vor allem da ich tatsächlich nichts Falsches gemacht habe.

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und verstärke meine Bemühungen, die Böden zu reinigen, damit ich fertig bin, bis Alice und Gunnar herkommen, um ihre Schichten zu beginnen. Ich beende das Wischen und laufe anschließend zum Bad, um den Mopp zu verstauen. Ich höre die Tür bimmeln und nehme an, dass einer der anderen Mitarbeiter gekommen ist.

Als ich jedoch aus dem Bad trete, blickt Emma von der Bar zu mir hoch. Sie hat einen Stapel Bücher bei sich und ein Notizbuch.

Sie sieht auch verflucht heiß aus, in ihrem schwarzen Minirock und einem dunkelblau gestreiften Tanktop. Ich bemerke, dass sie Lippenstift aufgetragen hat, was normalerweise nichts ist, das ich auch nur wahrnehme.

Was zum Teufel stimmt nur nicht mit mir?

„Hey“, sagt sie und lächelt leicht. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der Laden hier auch ein guter Ort zum Lernen ist. Du hast doch nichts dagegen, dass ich hier bin, oder?“

Ich verdränge sämtliche Gefühle, die in mir hochkochen, und zucke mit den Achseln. „Ne, stört mich nicht.“

Ihr Lächeln verblasst langsam. „Okay.“

Ich laufe hinter die Bar, wo ich Zitronen, Limetten und Orangen schneide. Beim Arbeiten werfe ich immer wieder kurze Blicke auf Emma. Ich kann schauen, ich kann nur nichts anfassen. Oder auch nur darüber fantasieren, sie anzufassen.

Ihre dunklen Haare sind zu einem unordentlichen Dutt zusammengefasst. Während sie nach unten auf ihr Buch schaut, knabbert sie am Ende des Stifts und eine kleine Falte formt sich auf ihrer Stirn. Hin und wieder zieht sie den Stift zwischen ihren Lippen hervor und macht sich zu irgendetwas eine Notiz.

„Möchtest du etwas zu trinken?“, erkundige ich mich, weil ich mich wie ein gruseliger alter Mann fühle.

Sie schürzt die Lippen. „Vielleicht nur ein Wasser? Wenn ich fertig bin, werde ich mit einem Drink feiern.“

Ich hole ihr eine Flasche Wasser. Ich bemühe mich, sie nicht anzustarren, während sie die Hälfte davon auf einmal trinkt, wobei sich ihre Kehle leicht bewegt.

Ich versuche, nicht hinzuschauen, das versuche ich wirklich. Als Gunnar und Alice kommen, sorge ich dafür, dass ich stets beschäftigt bin. Ich arbeite an der Bar, bereite Getränke für die Tische zu und überlasse es Gunnar seine Gäste an der Bar zu umschmeicheln.

Während es an der Bar immer geschäftiger zugeht, falle ich in den Rhythmus des Cocktailmixens und Bierflaschenöffnens. Hinter der Bar kann ich in einen ziemlich Zen-artigen Zustand geraten, wobei ich mit niemandem rede. Ich bin einfach nur an meinem Ende der Bar, meinem Platz, den ich so eingerichtet habe, wie ich es mag.

Die Drinks sind für einen ziemlich automatisierten Mix-Prozess ausgerichtet. Zuerst schütte ich den Alkohol in den Shaker. Dann den Fruchtsaft oder Likör. Daraufhin füge ich dem Ganzen Eis hinzu und schüttle oder rühre den Drink um. Schließlich gieße ich ihn in ein Glas, ergänze für gewöhnlich noch etwas Eis… und beende mein Werk mit einer Garnierung.

Die Musik ist laut, irgendein BritPop Remix Album, das Alice aufgelegt hat. Ich bewege meinen Kopf zum Beat der Songs und verfalle in meinen eigenen Rhythmus. Gelegentlich nippe ich an einem Bier, das ich in einem Kübel Eis aufbewahre, aber ansonsten arbeite ich einfach.

Emma ist definitiv ruhig, während sie an der Bar sitzt und nach wie vor an diesem Stift nuckelt, aber ich gebe mein Bestes, sie zu ignorieren.

Der Ansturm beginnt, Leute strömen durch die Eingangstür. Eines der großartigen Dinge an unserem Standort ist, dass gerade auf der anderen Straßenseite die Strandpromenade verläuft. Die Leute, die vorbeispazieren, sehen das Cure, bemerken, wie viel bei uns los ist, und kommen in Scharen.

Es wird laut, die Leute rufen einander zu und die Musik ist nur eine Spur lauter als das. Ich dimme die Lichter, um die Stimmung für den Abend einzuläuten. Ich mag es dunkel und anrüchig, was meine bevorzugte Lichteinstellung in den meisten Bars ist.

Irgendwann lichtet sich das Gedränge und ich kann einen Gang runterfahren. Ich schaue auf und stelle fest, dass Emma auf einen Stuhl gegenüber von der Stelle, an der ich hinter der Bar stehe, rutscht.

„Hey“, sagt sie und lächelt leicht. Ihre Stimme besitzt genau die richtige Menge Heiserkeit. „Wie wäre es jetzt mit diesem Drink? Ich glaube, ich war heute Abend ein sehr braves Mädchen.“

Sie zwinkert mir doch tatsächlich zu, als sie das sagt. Ich kann nichts dagegen tun, dass ich sofort halbsteif werde; ich bin nur froh, dass die schwere lederne Barkeeperschürze, die ich trage, die Vielzahl meiner Sünden verbirgt.

Ich gebe mich gelassen, als hätten ihre Worte keinerlei Auswirkung auf mich. „Was hättest du denn gerne?“

Sie dreht ihre dunklen Haare um einen Finger und saugt an ihrer Unterlippe. „Mmmm… überrasch mich. Dealers Choice.“

Ich weiß nicht so genau, was das bedeutet, aber ich erinnere mich daran, dass sie Cocktails mit einer ganzen Menge Früchte mag. Ich beschließe, einen Moscow Mule zu machen, Wodka und Gingerbeer und Limetten. Ich gieße ihn in einen Kupferbecher und garniere den Drink mit einer Limette.

Anschließend, stelle ich ihn vor sie. „Hier. Dem Dealer war danach, dir einen Moscow Mule zu machen.“

Emmas Brauen heben sich leicht, aber sie beugt sich nach vorne und trinkt einen Schluck durch den Strohhalm. „Mmm! Das ist so gut.“

„Nun, ich mixe ja auch beruflich Cocktails.“ Ich trete zurück und wische mir die Hände an einem Geschirrtuch ab.

Sie lacht. „Ich weiß. Ich meinte nur… ich dachte, dass du mir irgendetwas mit Whisky servieren würdest. Ich habe mich auf das Schlimmste gefasst gemacht.“

Ich grinse. „Du hast noch nie meine Lynchburg Limonade probiert. Das ist Bourbon und Limonade, und selbst das mädchenhafteste Mädchen schluckt die, als gäbe es keinen Morgen.“

Ein Moment vergeht zwischen uns, in dem ich realisiere, dass das, was ich gerade gesagt habe, vage sexuell klingt. Sie registriert das auch, ich kann es an ihrem Gesicht ablesen. Eine Sekunde bin ich mir nicht sicher, wie oder ob ich möchte, dass sie darauf antwortet.

Dann ist der Moment vorüber. Sie macht es mir leicht, rettet mich.

„Würde ich den probieren wollen?“, fragt sie und kräuselt die Nase.

„Der nächste Drink, den ich dir mache, wird Whisky enthalten“, warne ich sie. „Das ist beschlossene Sache.“

Sie grinst. „Wenn du ihn machst, werde ich ihn probieren.“

Alice bringt eine Weinbestellung für einen Tisch vorbei. Ich schnappe sie mir, aber Gunnar kommt zu mir. „Die übernehme ich. Du solltest die Biege machen.“

Ich reiche ihm die Bestellung und ziehe eine Braue hoch. „Sind diese Weingläser zufällig für den Mädelstisch drüben in der Ecke?“

Gunnar verkneift sich ein Grinsen und zuckt mit den Schultern. „Vielleicht.“

Ich verdrehe die Augen und beginne, meine Schürze aufzuknoten. „Hab Spaß damit.“

Ich laufe ins Hinterzimmer, wo ich meine Schürze aufhänge und meine Lederjacke, Motorradhelm und Handy hole. Als ich wieder nach draußen in die Bar trete, steht Emma in der Lücke zwischen den Tresen, ihren Beutel über eine Schulter geschlungen. Sie sieht zu mir und wirkt leicht nervös.

„Möchtest du mich fahren?“, fragt sie, während sie sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr streicht. Ihr Gesicht läuft rot an. „Mit deinem Motorrad, meine ich. Es ist irgendwie schon recht spät, um noch allein nach Hause zu laufen.“

Möchte ich das jemals, ist meine erste Reaktion. Aber ich neige lediglich den Kopf zur Seite. Sie ist den Weg nach Hause schon dutzende Male allein gegangen, doch das kann ich ihr nicht sagen. Asher würde mir niemals vergeben, wenn seiner geliebten kleinen Schwester irgendetwas passieren würde.

Daran muss ich mich nur immer wieder erinnern.

„Yeah, okay“, sage ich, wobei ich eine neutrale Miene aufsetze. „Es ist weniger als eine Meile.“

Sie lächelt. „Jepp. Ich bin nur… wirklich müde?“

Sie wandelt ihre Aussage in eine Frage, was mich zu der Überzeugung bringt, dass sie gewaltigen Mist verzapft. Doch ich laufe einfach aus dem Cure in der Erwartung, dass sie mir folgt. Sie liebt es zu flirten, hat mich die ganze verdammte Nacht lang geneckt.

Ich werde froh sein, nur noch ihren Rücken zu sehen, wenn ich wieder wegfahre, sage ich mir. Aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit und ich weiß das.

Ich laufe um das Cure zur Rückseite, wo meine schwarze Triumph lehnt und auf mich wartet.

Ich schicke mich an, meine Lederjacke anzuziehen, halte dann aber inne. Ein Blick auf Emma verrät mir, dass ich sie stattdessen ihr anbieten muss. Sollte es uns auf die Straße legen, hat sie um einiges mehr freie Haut zu schützen als ich.

„Hier“, sage ich und halte ihr die Jacke hin. Es ist besser, das Ganze als Befehl zu verpacken anstatt als Angebot. „Zieh die an.“

Sie wird rot, aber zieht die Jacke gewissenhaft an. „Danke.“

Ich öffne das Gepäckfach des Motorrads und hole den zweiten Helm heraus, den ich dort für Gäste aufbewahre. Ich reiche ihr den Helm und ziehe dann meinen eigenen an. Ich steige als erster auf, lasse das Bike an und den Motor ein paar Mal kommen.

Ich schaue hinter mich zu der Stelle, wo Emma steht. Sie versinkt in der Motorradjacke, aber sie sieht trotzdem ziemlich gut darin aus. Man kann kaum erkennen, dass sie unter der Jacke noch einen Rock trägt und für eine Sekunde erlaube ich mir, es mir vorzustellen.

Emma, splitterfasernackt bis auf meine Lederjacke?

Fuck ja. Ich packe die Lenker etwas fester… und bekomme noch eine beschissene halbe Erektion.

Klasse. Das habe ich nun davon, dass ich meiner Vorstellungskraft freien Lauf gelassen habe.

„Komm“, sage ich, obwohl ich weiß, dass meine Stimme von dem Helm gedämpft wird. „Steig auf.“

Sie betrachtet mich eine Minute mit nervösem Blick, aber legt dann eine Hand auf meine Schulter. Sie schwingt ihr Bein über das Motorrad, wodurch sie vollen Körperkontakt mit mir herstellt.

Mein Schwanz steht noch in der Sekunde stramm, in der wir uns berühren. Ich kann ihre weichen Kurven an meinem harten Körper fühlen. Ich schließe kurz die Augen und rufe mir ins Gedächtnis, das sie definitiv tabu ist.

Nachdem ich ein paarmal tief die salzige Luft eingeatmet habe, greife ich nach hinten und ziehe ihre Arme um meine Taille. Sie lehnt sich sogleich nach vorne und presst ihre Titten an meinen Rücken.

Fuck, denke ich und knirsche mit den Zähnen. Ich muss sie nach Hause bringen, das ist die einzige Möglichkeit, diese Folter zu beenden.

Ich lasse den Motor aufheulen und fahre dann auf die Straße. Es ist nach einundzwanzig Uhr und kaum noch jemand auf der Straße unterwegs. Ich halte mich auf dem Weg zu ihrem Haus an die Verkehrsregeln und bleibe sogar unter dem Tempolimit.

Eine Meile kam mir noch nie so lange vor.

Als ich endlich ihr Haus erreiche, halte ich vor dem Gartentor. Sie rutscht vom Motorrad und macht Anstalten, den Helm abzunehmen.

In dem Versuch, nicht zu viel darüber nachzudenken, fahre ich vom Randstein weg und rase davon. Sie kann mir den Helm ein anderes Mal zurückgeben.

Gerade jetzt brauche ich eine kalte Dusche und etwas Schlaf.

7

Emma

Ich trommle ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem kalten Granittisch des Coffee-Shops, in dem ich mich befinde. Jameson ist spät dran, obwohl wir den Plan, noch etwas zu lernen, erst vor einer Stunde gemacht haben. Nach seiner Ansprache vor Joe’s Surf neulich, finde ich das nicht witzig.

Ich schaue nach unten auf das Buch, das ich mitgebracht habe, aber schiebe es letztendlich über den Tisch von mir weg. Die Prüfungen stehen bald an, eine Tatsache, die mir schwer im Magen liegt. Es fühlt sich an, als würden mir die Stunden zum Lernen ausgehen. Das oder mir ist allmählich schnuppe, ob ich meine Kurse bestehe oder nicht. Ich habe ein ganzes Semester alles getan, das ich konnte; jetzt ist mir irgendwie der Dampf ausgegangen.

Ich überlege eine Minute ernsthaft, ob ich die Kurse ohne die Abschlussprüfungen bestehen könnte. Natürlich ist das nur ein Hirngespinst, die abschließenden Kursprüfungen nicht zu machen, aber es ist schön, sich das eine kleine Weile vorzustellen.

Die Tür klingelt und ich schaue auf, wodurch ich Jameson reinkommen sehe, der gestresst wirkt. Obwohl sein Gesicht beinahe einer Grimasse gleicht, sieht der Rest von ihm immer noch gut aus. Seine dunklen Haare sehen windzerzaust aus und er einfach nur lecker in seinen dunklen Jeans und kurzärmligem, schwarzem Muse T-Shirt, mit den gewölbten Muskeln und den hervortretenden Adern. Er trägt seinen Bücherrucksack über eine Schulter geworfen.

Er könnte ohne Weiteres den rebellischen Bad Boy in jeder Fernsehserie oder Film spielen. Aber wenn er der Bad Boy ist, zu was macht das dann mich? Das brave Mädchen? Die Eisprinzessin?

Ich mag keine von beiden Optionen. Was, wenn ich nur dieses eine Mal die Rebellin spielen möchte?

Jameson sieht sich um und ich hebe meine Hand, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Jameson! Hier drüben.“

Er sieht mich und kommt zu mir, wobei er sich zwischen den Tischen hindurchschlängelt, die überall im Café verteilt sind. „Ich bin zu spät und es tut mir leid. Dieses Arschloch in einem Mercedes hat auf der Longview Ave mein Motorrad gestreift und dann darauf bestanden, dass wir warten, bis ein Cop kommt. Meinem Handy ist auch noch der Saft ausgegangen, weshalb ich dich nicht anrufen konnte.“

Jameson zieht einen der Stühle raus und lässt seinen Rucksack auf den Tisch fallen. Ausnahmsweise gebe ich mich mal cool und mustere ihn skeptisch.

„Ist schon okay“, sage ich, wobei ich einen neutralen Gesichtsausdruck beibehalte.

Er setzt sich mir gegenüber und betrachtet mich eindringlich. „Du bist sauer.“

Ich ziehe mein Buch zu mir und klappe es zu. „Ich bin nicht sauer. Ich denke nur an die Rede, die du mir vor ein paar Tagen gehalten hast.“

Er schüttelt den Kopf. „Ich wurde schon bestraft, ich schwöre. Du hättest sehen sollen, was für ein Arsch der Kerl war, der mich gerammt hat. Er war wirklich angepisst, als die Cops kamen und ihm sagten, dass es seine Schuld war.“

Ich verdrehe die Augen. „Okay. Lass uns einfach arbeiten. Was hast du heute für Mathe dabei?“

„Hauptsächlich Formeln. Die Quadratformel, die Formel für eine Gerade und… irgendetwas mit bi? Binomik oder so was. Ich verstehe das nur sehr, sehr vage.“

„Die sind schwer“, sage ich achselzuckend. „So ziemlich der schwierigste Teil des High School Mathe. Was hast du für Naturwissenschaften dabei?“

„Ähhh…“ Er öffnet den Reißverschluss seines Rucksacks und zieht sein Naturwissenschaftsbuch heraus. Er blättert zu einem Abschnitt, der bereits markiert ist. „Es sieht so aus, als hätten wir heute Umweltschutz, Transformation und Energiefluss. Und Arbeit, Bewegung und Kraft.“

Ich schaue auf meinem Handy nach der Uhrzeit. „Okay. Dann lass uns die Zeit gleichmäßig aufteilen, eine halbe Stunde Mathe und eine halbe Stunde Naturwissenschaften. Dann schauen wir, wo wir stehen, okay?“

Jameson nickt bloß. „Naturwissenschaften zuerst?“

„Jepp. Lass uns einfach durchgehen, was im Buch steht…“

Die nächste Stunde wechseln wir uns damit ab, laut aus Js Büchern vorzulesen. Ich stoppe an verschiedenen Stellen, um ihm etwas zu erklären oder schnell eine Zeichnung eines Konzepts auf ein leeres Blatt Papier zu kritzeln. Jameson seinerseits ist beinahe stumm, während ich erkläre, und seine Stirn ist die ganze Zeit über in Falten gelegt.

Er fragt an einigen Stellen nach und macht sich in seinem Notizheft Notizen. Nach ungefähr einer Stunde bemerke ich, dass Jameson unruhig und missmutig wird. Er fängt ebenfalls an, ins Leere zu starren.

„Lass uns für heute Schluss machen“, schlage ich vor und schließe sein Mathebuch. „Ich kann sehen, dass ich dein Zeitlimit fürs Lernen überschritten habe.“

Er lehnt sich zurück und streckt sich. „Sorry. Es ist nur… ich schätze, ich musste nie wegen irgendetwas so lange ruhig sitzen.“

Ich lächle und spreche in lockerem Ton. „Das ist keine große Sache.“

„Nun, das ist es schon irgendwie. Ich meine, du nimmst dir extra die Zeit für mich. Also, äh… Danke.“ Er fängt an, seine Sachen einzupacken. „Hast du Hunger?“

„Ich?“ Ich schaue nach der Zeit. „Ich könnte was zu essen vertragen.“

Er sieht aus, als würde er sich leicht unwohl fühlen, und reibt sich mit der Hand über den Nacken. „Es gibt da diese Pizzeria einen Block von hier, die ich schon lange mal ausprobieren wollte. Willst du mitkommen? Ich bezahle natürlich.“

Ich unterdrücke ein Lächeln. „Jameson, bittest du mich um ein Date?“

„Was?“, fragt er, defensiv. „Nein. Definitiv nicht.“

„Ich wollte nur nachfragen. Dir schien es schrecklich ernst damit zu sein, dass du nicht einmal auf diese Weise an mich denkst“, necke ich ihn. Ich will eine Reaktion aus ihm herauskitzeln und ich erhalte eine. Er springt auf seine Füße.

„Vergiss, dass ich gefragt hab.“

„Warte!“, sage ich und packe seinen Unterarm. „Ich hab nur Witze gemacht. Sei doch nicht immer so ernst.“

Seine Miene ist so düster wie eine Gewitterwolke. Er befreit sich behutsam aus meinem Griff. „Wenn ich ernst bin, dann weil mich das Leben so gemacht hat. Irgendjemand muss hier schließlich der Verantwortungsbewusste sein.“

Oooh. Ich hatte nicht erwartet, dass er so empfindlich darauf reagieren würde.

„Es tut mir leid. Ich weiß, dass du der große Bruder bist. Du fühlst dich für Forest und Gunnar verantwortlich. Ich kapier’s.“

Js Gesichtsausdruck ist skeptisch. „Das bezweifle ich doch schwer, Prinzessin.“

Für diese Bemerkung habe ich keine schnippische Entgegnung auf Lager, weshalb ich ihm einfach nur die Zunge rausstrecke. Er hält inne und schenkt mir dann den Hauch eines Lächelns. Ich nehme an, mir wurde vergeben.

„Gehen wir jetzt essen oder was?“, frage ich.

„Yeah, yeah“, sagt er. „Pack deine Sachen ein.“

Ich schnappe meine Tasche und stopfe meine Bücher hinein. Nachdem ich mir meinen Beutel über die Schulter geschlungen habe, beeile ich mich, Jameson zu folgen.

„Deine Beine sind doppelt so lang wie meine“, beschwere ich mich, da ich Probleme habe, mit ihm Schritt zu halten. Er blickt zu mir, lässt ein halbes Lächeln aufblitzen und drosselt seine Geschwindigkeit.

Er führt mich um einen langweiligen Stadtblock und läuft auf ein unscheinbares Restaurant zu. Gäbe es nicht das winzige Neonschild vor dem Laden, auf dem einfach nur P I Z Z A steht, dann hätte ich nicht einmal erkannt, dass es sich um ein Restaurant handelt. Als er die Tür aufstößt, wobei er sie weit für mich geöffnet hält, weiß ich nicht, womit ich rechnen muss.

Aber natürlich ist es in echt ein netter Laden mit weißen Tischdecken und einigen Leuten, die bereits essen, obwohl gerade mal früher Nachmittag ist. Eine beeindruckend aussehende Blondine steht am Empfangstisch.

„Hi! Haben Sie eine Reservierung?“, fragt die Hostess.

„Wir sind Freunde von David Gage“, erwidert Jameson.

Die Augen der Hostess weiten sich leicht. „Natürlich! Bitte hier entlang…“

Ich schaue fragend zu Jameson, während sie uns direkt zu einem Tisch neben dem winzigen Fenster an der Vorderseite des Ladens führt. Er zieht zur Antwort lediglich eine Braue hoch. Die Hostess setzt uns an einen runden Tisch, gibt uns einige Speisekarten und verspricht, dass gleich jemand bei uns sein wird. Dann eilt sie in Richtung Küche davon.

„Wer ist David Gage?“, flüstere ich.

„Er ist der Koch.“ Jameson nimmt die Weinkarte in die Hand und liest sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Die Hostess schien das merkwürdig zu finden.“

„Was?“, fragt er und tauscht die Getränkekarte gegen die Speisekarte aus.

„Dass du ein Freund des Kochs bist.“ Ich nehme meine Speisekarte in die Hand und schaue mir die Salate an.

„Oh… David ist irgendwie…“ Er denkt eine Sekunde nach. „Er hat noch nie einen Gedanken für sich behalten. Er sagt einfach alles, was er denkt, so eine Art radikaler Ehrlichkeits-Bullshit. Und er ist ziemlich kritisch. Ich schätze, dass der Großteil seines Personals Angst vor ihm hat.“

Ich spähe über meine Karte zu Jameson. „Aber du bist mit ihm befreundet?“

„Yeah. Der Kerl ist ein Genie und auch ein Rebell.“

Ein Kellner kommt, um unsere Getränkebestellung aufzunehmen und erzählt uns vom heutigen Tagesgericht. Jameson schaut zu mir.

„Gibt es irgendetwas, das du auf einer Pizza nicht magst?“

„Ich bin Vegetarierin“, antworte ich. „Also… Fleisch.“

Er faltet seine Karte und sieht zum Kellner. „Können Sie David bitten, uns eine vegetarische Pizza zu machen? Nach Empfehlung des Kochs.“

„Selbstverständlich“, sagt der Kellner und nickt. „Ich werde die Bestellung für Sie weitergeben.“

„Und eine Flasche von dem Wein, den er dazu empfiehlt“, sagt Jameson, der dem Kellner die Speisekarte reicht. „Danke.“

Ich gebe meine Karte ebenfalls ab und bedanke mich bei dem Kellner. Der Kellner verschwindet und Jameson und ich sind wieder allein.

„Also…“, sage ich, während ich versuche, mir etwas einfallen zu lassen, worüber wir reden können. „Haben du und Asher schon geredet?“

Jameson verzieht das Gesicht. „Nein, nicht wirklich. Dein Bruder ist ein sturer Mistkerl. Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, ist er nicht dort. Und wenn ich ihn auf der Arbeit sehe, ist er sehr…“

„Brüsk?“, schlage ich vor.

Er blickt mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Ich wollte ungesprächig sagen. Ist das ein Wort?“

Ich zucke mit einer Schulter. „Es verdeutlicht auf jeden Fall, was du sagen willst.“

Der Kellner kehrt mit einer Weinflasche und zwei Gläsern zurück. Dann spielt sich zwischen Jameson und dem Kellner diese ganze Charade ab, bei der der Kellner den Wein eingießt und wartet, bis Jameson daran gerochen und davon gekostet hat. Der Kellner lässt sogar den Korken auf dem Tisch liegen, was etwas ist, dass ich vom Essen in den edlen Restaurants kenne, die meine Eltern frequentieren.

Ich bekomme schließlich auch etwas von dem Wein, der rot ist. Ich drehe das Etikett zu mir und lese es.

„Garnacha. Klingt edel.“

„Mmm“, macht Jameson und nippt an seinem Wein. „Dein Bruder würde den vermutlich mehr zu schätzen wissen als ich.“

Ich koste von dem Wein und stelle fest, dass er etwas bitterer ist, als ich erwartet hatte. Ich verziehe das Gesicht und Jameson gluckst über meine Miene.

„So gut, hm?“, fragt er.

„Der einzige Wein, von dem ich jemals viel getrunken habe, ist der Chardonnay meiner Mutter.“ Ich lehne mich mit einem Seufzen zurück.

„Du hast mit mir gelernt“, sagt er und schiebt seinen Stuhl näher zu meinem. Ich komme nicht umhin, wegen seiner Nähe ein leichtes Flattern in meinem Bauch zu verspüren. „Lass mich dir beibringen, wie man Wein verkostet. Auf diese Weise wirst du aussehen, als wüsstest du Bescheid, wenn du ihn probierst, auch wenn du ihn nicht magst.“

Ich lache. „Okay…“

„Okay. Zuerst willst du das Glas nehmen und am Stiel halten. Das ist anscheinend wichtig, damit sich die Wärme deiner Hand nicht auf den Wein überträgt.“

Er zeigt mir, wie ich das Glas halten soll, und ich ahme ihn nach.

„Okay.“

„Als nächstes solltest du den Wein im Uhrzeigersinn schwenken. Dadurch erhältst du einen guten Eindruck von der Farbe des Weins und dann steckst du deine Nase in das Glas.“ Er tut genau das und atmet tief ein.

Ich mache das Gleiche. „Ich bin mir nicht sicher, was ich riechen soll. Für mich riecht es einfach wie Wein.“

Sein Mund verzieht sich zu einem schiefen Lächeln. „Ich rieche nur die Himbeer- und Kirschnote. Egal, danach probieren wir… nimm nur einen kleinen Schluck und roll den Wein in deinem Mund herum.“

Nachdem ich vom Wein genippt habe, wirble ich ihn etwas in meinem Mund herum und schlucke anschließend.

Seine Mundwinkel heben sich. „Du hast da etwas…“

Er streckt die Hand aus und berührt meinen Mundwinkel mit seinem Daumen. Unsere Blicke treffen sich und ich schlucke. Ich beobachte, wie seine Augen auf meinen Mund sinken.

Vielleicht fragt er sich gerade, wie ich schmecke?

Dann schüttelt er sich sichtbar. „Sorry. Ähm… was hast du geschmeckt? Im Wein, meine ich.“

„Er schmeckt wie Wein.“

Er verdreht leicht die Augen. „Alles klar. Ich schmecke vielleicht… Kirsche, Zimt, schwarzer Pfeffer… aber alles in allem ist er sehr fruchtig und vollmundig.“

Ich grinse ihn an. „Du klingst sehr vornehm. Ein wohl erzogener junger Mann.“

Er gluckst. „Ich schätze, es gibt für alles ein erstes Mal. Und es ist ein bisschen merkwürdig, zu hören, dass du mich als einen jungen Mann bezeichnest.“

Ich gebe einen verärgerten Laut von mir. „Ich bin nicht so viel jünger als du.“

„Zehn Jahre“, erinnert er mich.

„Fast zehn Jahre. Wir sind nicht so unterschiedlich, weißt du. Das ist alles nur in deinem Kopf.“ Ich trinke einen Schluck von dem Wein, um meine Aussage zu unterstreichen.

Er stellt sein Glas ab und wird ernst.

„Wir könnten nicht unterschiedlicher sein, würden wir es versuchen.“

Ich neige den Kopf. „Findest du?“

„Das finde ich. Erstens habe ich praktisch die Middle School geschmissen, während du nach dem College einen Universitätsabschluss machst.“

Ich bedenke ihn mit einem harten Blick. „Du bist von der High School abgegangen.“

„Yeah, aber das war am Anfang der neunten Klasse. Jedenfalls war unsere Kindheit… sehr unterschiedlich. Du warst immer in diese Schutzhülle gewickelt, während mich die Welt einfach immer wieder über die Felsen geschleift hat.“

Dem konnte ich nicht wirklich widersprechen. „Ich kann genauso wenig etwas dafür, reich geboren worden zu sein, wie du nichts dafür kannst… nicht reich geboren worden zu sein.“

Ich erröte leicht. Er legt die Stirn in Falten.

„Stimmt. Es gibt aber auch noch andere Gründe, warum wir nicht miteinander rumhängen sollten. Wie beispielsweise, dass mich dein großer Bruder zu Brei schlagen wird, wenn er herausfindet, dass wir heute Abend zusammen gegessen haben, kein Scherz. Und ich schulde Asher eine Menge. Ich würde nichts tun, um unsere Freundschaft zu ruinieren.“

„Ich hasse es ja, dir das klarmachen zu müssen, aber ich denke, Asher ist bereits der Meinung, dass eure Freundschaft kaputt ist.“

Jameson zieht ein Gesicht. „Yeah, aber ich habe nichts getan, was daran schuld ist. Das ist genau mein Punkt.“

„Und dennoch bist du hier und gibst dich mit mir ab“, sage ich und nippe an meinem Wein. „Kostest von der verbotenen Frucht.“

Er läuft leicht rosa an. Ich finde allmählich Gefallen daran, dass ich jemanden, der so viel größer ist als ich, in solche Verlegenheit bringen kann. „Ich wusste, dass das hier eine schlechte Idee war.“

„Entspann dich. Ich foppe dich doch nur.“

Er seufzt. „Das Argument bleibt das Gleiche. Ich bin irgendein Niemand aus ärmlichen Verhältnissen, während du einfach… du bist wie eine Prinzessin, die in ihrem Turm voller Bücher eingesperrt ist. Du schaust nur hinab auf den Rest von uns und urteilst.“

Er fuchtelt mit der Hand. Ich bin empört.

„Das bin ich nicht!“, protestiere ich und schlage ihm auf die Schulter. „Das ist nicht fair.“

„Es muss nicht fair sein“, entgegnet er und durchbohrt mich mit seinem dunklen Schokoladenblick. „Es ist einfach, wie es ist.“

„Was, wenn ich nicht mag, wie es ist?“, will ich wissen. Ich lehne mich näher zu ihm. „Was, wenn ich das Paradigma zerquetschen will? Was, wenn ich ein wenig rebellieren will?“

Er verdreht die Augen. „Yeah… ich bin gerade nicht für irgendwelche Rebellen zu haben.“

Der Kellner kommt zurück, beladen mit einer frisch zubereiteten Gemüsepizza und zwei Tellern. Er stellt alles auf den Tisch. „Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?“

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