Kitabı oku: «Leben und Überleben in Mecklenburg und Bremen 1943 bis 1948», sayfa 3

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DER ROTE ROCK

Eines Sonntags erschien Berta in einem roten Rock mit schwarzem Bord und schwarzem Bund in der Küche und drehte sich, dass der Rock sich hob. Sie hatte ein dunkles Mieder und eine weiße Bluse. Woher?

Später stellte sich heraus, dass sie die schöne, sehr, große Hakenkreuzfahne aufgetrennt hatte. Die Fahne war nur wenige Male benutzt worden. Sie war nicht ausgeblichen. Sie war wie neu. Berta hatte sich einen Rock daraus genäht. Den schwarzen Rand und den Bund hatte sie aus dem Hakenkreuz angesetzt, die weiße Bluse, das war der weiße Fleck, auf dem das Hakenkreuz beiderseits aufgenäht war. Das dunkle Mieder hatte sie aus anderen Stoffresten zusammengenäht.

Sie drehte sich und wirbelte durch die Küche. Die Küche war groß genug zum Tanzen. Sie sagte: „Beinah wie su ch’Hause. ‘ch bin su glicklich.“ Dann sang sie und tanzte durch die Küche. Anschließend fiel sie meiner Mutter um den Hals und sagte weinend: „‘ch bin su glicklich.“

Ich weiß nicht, ob meine Mutter ihr die Hakenkreuzfahne gegeben hat oder ob Berta sie „weggefunden“ hat. Die Fahne stammte noch aus der Zeit, zu der mein Vater in die NSDAP musste, um als Lehrer angestellt zu werden. Die Fahne war sehr groß und schön gewesen.

Was Berta mit der Fahne gemacht hat, hätte sie das Leben kosten können. Herr Briese, der Vormann und Blockwart von Vimfow, hat Gott sei Dank nie erfahren, was Berta mit der „deutschen Fahne“ angestellt hat.

DER ABSCHIED

Eines Tages drückte Berta meine kleine Schwester an sich und weinte ganz fürchterlich. Dann fiel sie meiner Mutter um den Hals weinte noch mehr und bedankte sich für alles und für die gute Behandlung. Meine Mutter war ratlos. Sie versuchte Berta zu beruhigen, aber Berta weinte nur noch mehr. Am anderen Morgen war Berta verschwunden. Das war ihr Abschied einige Tage bevor die Russen kamen.

FOHLEN

Als Kind hatte ich einmal auf einem Pferd vor dem Müllwagen gesessen. Die Müllmänner hatten mich mit Erlaubnis meiner Mutter dort hinauf gehoben. Ich war unheimlich stolz und die Müllmänner hatten ihren Spaß. Sie waren sehr erstaunt, dass ich keinerlei Angst hatte. Ich muss damals drei Jahre alt gewesen sein.

Später mit vier oder fünf durfte ich dann wieder auf einem Pferd sitzen. „Durfte“ ist nicht das richtige Wort. Das kam so: Wir waren in Mestlin zu Besuch und Onkel Bernhard hatte mich in den Fohlenstall mitgenommen. Ich glaube, es freute ihn, dass ich so überhaupt keine Angst vor den doch sehr großen Pferden zeigte. Respekt hatte ich schon, und vorsichtig war ich auch, denn einige Pferde konnten unangenehm zu Fremden sein, und andere vielleicht aus Versehen oder vor Schreck austreten.

Ich streichelte einige, die nahe genug herankamen. Eines stellte sich quer, sodass kein anderes zum Streicheln zu mir kommen konnte. Onkel Bernhard sagte, dass die Pferde mich mögen.

Dann fragte mich Onkel Bernhard, ob ich keine Angst habe, auf so einem Pferd zu sitzen. Es waren dreijährige, die zwar schon groß waren, aber noch nie einen Sattel getragen hatten. Sie waren etwas scheu und nervös. Er hob mich hoch über das Pferd gerade so, dass meine Beine das Pferd berührten und ich fast darauf saß. Das Pferd schaute sich um und bewegte sich nicht. Onkel Bernhard konnte mich auf einmal nicht mehr halten und setzte mich ab.

Ich saß ohne Zügel auf dem nackten Pferderücken. Das Pferd ging in langsamem Schritt aus dem Stall. Draußen lief es zügig im Kreis und kam dann langsam in den Stall zurück, direkt wieder an den Punkt, wo ich aus Versehen auf das Pferd gesetzt worden war. Onkel Bernhard hob mich herunter. Er war sichtlich erleichtert und sagte zuerst nichts. Das Fohlen blieb noch so lange stehen, wie ich es streichelte. Onkel Bernhard sagte, ich solle nichts davon erzählen, dass ich auf einem Fohlen gesessen sei.

Erst sehr viel später erfuhr ich, dass Fohlen in diesem Alter normalerweise niemanden aufsitzen lassen, wenn sie nicht daran gewöhnt sind. Das heißt, dass sie erst an einen Sattel gewöhnt werden müssen. Das geht meist mit heftigem Ausschlagen und Bocksprüngen vor sich. Das Pferd versucht normalerweise alles vom Rücken abzuwerfen, was darauf gelegt wird. Dann werden sie das erste Mal vor einen Wagen gespannt. Für diesen Zweck gab es sogar extra einen kleinen, sehr schweren Wagen. Dann geht das Theater von vorne los.

PFERDE

Dass Pferde sehr verschieden sind, sollte klar sein. Die Kutsch- und Reitpferde von Onkel Bernhard mochte ich aus zwei Gründen nicht so sehr. Einmal durfte ich nie auf ihnen sitzen und reiten schon gar nicht. Zum andern waren sie sowieso viel zu nervös.

Dann gab es da noch einige Spinner. Heute würde man Individualisten sagen. Dazu gehörten auch die Pferde, die gerne schwimmen. Falls man sie abends ohne Zaumzeug zur Tränke führte, schwammen sie sofort im Dorfteich voller Freude im Kreis herum, und dann brauchte man lange, bis sie wieder herauskamen. Deshalb ging das nur sonntags.

Wir schwammen oft schon im Teich, bevor die Pferde kamen, und versuchten dann eines an der Mähne zu erwischen, was uns die Pferde nicht übel nahmen. Aufsitzen war schon deshalb nicht ratsam, weil es dem Pferd Schwierigkeiten bereitet hätte. Sobald die Pferde im Dorfteich schwammen, ergriffen die Gänse die Flucht und die Enten zogen sich in die Weidenbüsche zurück.

Andere Pferde gingen nur ans Wasser, wieder andere bis zum Bauch oder bis zum Hals. Auf dem Weg zum Stall machten einige Sprünge, dass man aufpassen musste. In den Stall liefen sie von allein, schließlich gab es dort Futter.

***

Fohlen kamen erst in den normalen Pferdestall, wenn sie eingeritten waren und einen Wagen gezogen hatten. Beim Einreiten sollten wir eigentlich nicht zusehen, weil die Pferde oft sehr wild herum sprangen und weil es zu gefährlich war.

Vor dem Wagen sah es anders aus. Da mussten wir hinter einem Zaun bleiben, um zusehen zu können. Bei besonders wilden Fohlen wurde der kleine Wagen mit Sand gefüllt, bevor die Fohlen zusammen mit einem älteren Pferd eingespannt wurden. Ab ging die Fahrt auf einem Sandweg. Schon nach kurzer Zeit konnte man hinten aus dem Wagen den Sand herauslaufen lassen, damit der Wagen leichter wurde und die Pferde nicht übermäßig angestrengt wurden. Nach den ersten Fahrten wurden die Pferde immer besonders sorgfältig abfrottiert. Das diente auch der Beruhigung.

***

Unter den Fohlen befanden sich auch vier schöne hellbraune Belgier mit heller Mähne, die ich oft am Koppelzaun besucht hatte. Die beiden ersten, der sonst so gutmütigen Tiere, tobten derart vor dem Wagen, dass der Sand von alleine zwischen den Brettern davonlief. Der Knecht drehte die Bremse zu und der Wagen rutschte wie ein Schlitten den Sandweg entlang. Auch mit einem anderen Pferd als Gespann ging es nicht.

Die Deichsel wurde gegen eine einspännige ausgetauscht. Dann wurde der Wagen randvoll Sand geladen, die Bremse zugedreht und das bockende Fohlen eingespannt. Die Bremse wurde aufgedreht. Das Fohlen zog an und blieb stehen. Es wurde Sand hinaus geschaufelt.

Der Kutscher fing an zu schwitzen bei dem Gedanken, wenn das Fohlen jetzt mit dem erleichterten Wagen durchginge. Dann zog das Fohlen an und lief, als wenn es noch nie etwas anderes getan hätte als brav einen Wagen zu ziehen.

Die anderen beiden Fohlen benahmen sich normal. Das heißt, zuerst versuchten sie mit dem Wagen durchzugehen. Dann gaben sie es auf, danach liefen sie alle schön brav paarweise.

Da die vier immer versuchten zusammen zu bleiben, wurden sie auch zusammen eingespannt, auch vierspännig. Das ging mit einem schweren Ackerwagen recht gut. Aber man sollte trotzdem nie vier junge Pferde zusammen vor einen Wagen spannen. Da sollte man im ersten Jahr unbedingt zwei alte vorspannen, die Erfahrung haben und in kritischen Situationen die Ruhe bewahren.

DER ZAHN

Pferde sind, im Gegensatz zum Menschen, grundsätzlich gutmütig. Einige sind nervös, was man zu respektieren hat. Deshalb nennt man sie vollblütig, rassig, temperamentvoll und Ähnliches, was im Grunde auch nur eine Umschreibung ist, und gewisse Ungezogenheiten verniedlicht.

Onkel Bernhard hatte mindestens ein solch nervöses Reitpferd und außerdem noch zwei Kutschpferde, mit denen ich nichts anfangen konnte. Auch anfassen durften wir diese Tiere nicht. Vielleicht waren sie auch deshalb so temperamentvoll, weil sie zu viel im Stall standen, sich langweilten und zu wenig Bewegung hatten. Onkel Bernhard konnte nicht überall sein und alles selber machen. Deshalb hatte Onkel Bernhard einen Inspektor.

Der Inspektor war ein Fatzke und noch sehr jung. Er hatte immer sehr sorgfältig gekämmtes Haar und saubere Hände. Auch nachmittags sah er aus, als wenn er sich eben erst frisch angezogen hätte. Auf dem Pferd saß er wie ein Kavallerieoffizier: kerzengerade. Selbst im Sommer trug er oft weiße Reithandschuhe. – Kurzum, er war das absolute Gegenteil von Hannes, einem unserer Klassenkameraden.

Hannes hatte seine Füße mindestens acht Wochen nicht gewaschen und Hornhaut an den Füßen, die dicker war, als das Gummi auf einem Fahrradreifen. Darauf war er sehr stolz.

Reines Wasser konnte man trinken, auch zum Schwimmen war es brauchbar, und um sich morgens den Schlaf aus den Augen zu waschen, konnte man es selbstverständlich auch noch benutzen. Aber sonst? … Und Seife? Seife biss in den Augen, wenn man sich die Haare wusch und schmeckte zudem absolut scheußlich. Sie war etwas für feine Leute und somit für Hannes vollkommen überflüssig. Hannes war somit weitgehend Naturbelassen und unverdorben.

Hannes war voller Ideen, meistens guter Laune und hatte auch sonst einiges zu bieten. Huckleberry Finn könnte sein Bruder gewesen sein.

Da kam einiges zusammen: – Es war große Pause. Die Schüler spielten im Schulhof, welcher durch eine hohe Hecke und einen Zaun von der Straße getrennt war. Direkt am Schulhaus befand sich ein Durchlass mit einem zwei Meter breiten, niederen Tor aus schmalen Latten. Man konnte hindurch auf die Straße sehen.

Ein Schüler hatte einen seiner Milchzähne verloren. Verloren, das heißt, einige Schüler warfen sich den Zahn zu, während der ehemalige Besitzer des Zahns vergeblich versuchte, wieder zu seinem Eigentum zu kommen. Hannes hatte seine Zwille aus der Tasche gezogen. Er wollte den Zahn auch einmal einfangen, um ihn dann zu katapultieren.

Hannes hatte gerade den Zahn in seine Zwille gepackt. In diesem Augenblick kam der Inspektor am Hoftor vorbei geritten. Hannes ließ aus Versehen das Gummi schnalzen. Das Pferd des Inspektors spürte einen Stich am Hinterteil.

Normalerweise ist dies ein Signal zum Galopp. Der Inspektor hatte gerade in den Schulhof geschaut und hielt die Zügel straff. Vorne gebremst, hinten angetrieben, bäumte sich das Pferd auf.

Im Schulhof war es still geworden. Alle Schüler starrten auf den Inspektor. Dieser hing wie ein nasser Sack auf dem hintersten Rand des Sattels und drohte nach rückwärts abzustürzen. Es sah sehr würdelos aus. Das war gegen seine Ehre.

Das Pferd hatte begriffen, dass es sich um einen Fehlalarm von rückwärts handeln musste, und fiel mit einem Ruck wieder auf alle vier Füße. Der Inspektor wurde von diesem Ruck nach vorn katapultiert und hing jetzt in sehr unrühmlicher Haltung fast am Hals des Pferdes. Es sah zu komisch aus. Einige Schüler hielten die Hand vor den Mund und prusteten.

Absteigen, das Pferd anbinden und den Übeltäter im Schulhof einfangen war nicht möglich. Das vollblütige, rassige Reitpferd Onkel Bernhards war zu temperamentvoll, um den Inspektor stilgerecht absteigen zu lassen. Dieser hatte beide Hände voll zu tun, um sich mitsamt dem Pferd einen würdevollen Abgang zu verschaffen.

Das Nachspiel sah folgendermaßen aus: Der Inspektor erschien am nächsten Morgen in der Schule, um des Übeltäters habhaft zu werden. Dabei erfuhr er unter anderem, dass der Hannes nicht mit einem Stein auf das Pferd geschossen hatte, sondern mit einem Zahn und dass die Zwille ganz aus Versehen losgegangen sei, und auch ganz aus Versehen in die falsche Richtung. – Ja, und dann machte noch der ehemalige Besitzer des Zahns den Mund weit auf und zeigte die Stelle, wo der Zahn fehlte. Da dem Inspektor die Worte fehlten, verließ er das Klassenzimmer sehr abrupt.

Lehrer Mense, der von der ganzen Geschichte nichts gewusst hatte, wollte jetzt Genaueres wissen. Aber auch er erfuhr nur das, was sich wirklich zugetragen hatte, nichts als die reine Wahrheit. Obwohl er damit auch nicht zufrieden war, blieb es dabei.

Und der Inspektor, – der hat sich eine andere Stelle gesucht, dort, wo keine Schüler mit Milchzähnen nach ihm schießen.

DRÜCKER

In den Pferdestall durften wir nicht ohne Erlaubnis, und diese gab es nicht. Deshalb war es selbstverständlich, dass wir oft ohne Erlaubnis im Pferdestall waren.

Gegenüber dem Eingang stand an der Wand eine Futterkiste. Rechts und links des Einganges zweigten die breiten Gänge ab, an denen sich wiederum rechts und links die Pferdeboxen befanden: an jedem Gang auf beiden Seiten je zwei oder drei Boxen und rechts vom Eingang am Ende des Ganges auf der rechten Seite noch eine zusätzliche Box, die mit Gerümpel angefüllt war. Gegenüber dieser Box befand sich ein Verschlag für Futter und andere wertvollere Dinge mit einer stets verschlossenen Tür. In jeder Box gab es zwei Plätze, sodass die Pferde paarweise eingestellt wurden, so wie sie vor die Wagen gespannt wurden. Etliche Boxen waren leer, da viele Pferde zum Militär geholt worden waren.

Direkt gegenüber dem Eingang auf der rechten Seite stand ein sehr rundlicher Belgier. Ein unangenehmes, hinterlistiges Tier, das einen in die Box ließ, aber dann, sobald man sich eine halbe Körperlänge an ihm vorbei geschoben hatte, einen mit seinem Bauch an die Planken drückte und dort festhielt. Das konnte sehr lange dauern.

Ich hatte mir einen daumendicken, ellenlangen Stock geschnitten und an beiden Enden angespitzt. Diesen Stock zeigte ich dem Pferd über die Planken hinweg am Futtertrog. Es wollte den Stock beknabbern. Ich zog ihn weg und gab dem Pferd etwas Klee zu fressen.

Dann ging ich von hinten in die Box. Das Pferd schaute sich nach mir um und trat so weit beiseite, dass ich ohne Schwierigkeiten zu ihm an den Futtertrog konnte. Es fraß auch das Brot, das ich ihm mitgebracht hatte.

Als ich aus der Box wieder herauswollte, versuchte das Pferd mich an die Planke zu drücken. Ich hatte jedoch schon vorsorglich meinen angespitzten Stock quer gehalten. Der Stock piekste dem Pferd in den Bauch. Das Pferd schaute verwundert nach hinten und ließ mich frei.

Ich zeigte dem Pferd den Stock noch einmal und ging dann noch einmal in die Box und wieder heraus. Sobald es zu drücken begann, piekste ich dem Pferd ganz leicht in den Bauch. Das Pferd hörte sofort mit dem Drücken auf und schaute mich erneut verwundert an. Von da an brauchte ich dem Pferd nur den Stecken zu zeigen, und konnte dann, immer etwas auf der Hut, in die Box. Ich brachte immer etwas Brot oder zumindest eine Hand voll Klee mit.

Einige Tage später erzählte ich den anderen Jungen, dass ich zu dem Drücker in die Box könne und wieder heraus. Natürlich wollten sie das nicht glauben und ich musste beweisen, was ich behauptete. Ich ging also nach vorn, wo sich der Futtertrog befand, zeigte dem Pferd unauffällig den Stecken, und gab ihm auffällig eine Hand voll Klee, zeigte ihm noch einmal zur Sicherheit den Stecken, ging mit der anderen Hand voll Klee in die Box, verfütterte den Klee und kam vollkommen unbehelligt aus der Box wieder heraus.

Hans Kolbow, der Sohn des Vormannes in Vimfow, war, wie schon erwähnt, ein sehr hinterhältiger, kräftiger Junge und zwei Jahre älter als wir. Er hatte bei uns Kindern das Sagen, weil er der Stärkste war. Seine größte Freude war es, andere zu schikanieren. Eben dieser holte zwei besonders große Hände voll Klee und versuchte, es mir gleichzutun. Die erste Hand wurde von außen gereicht und die zweite in der Box.

Als Hans den Rückzug antreten wollte, ließ das Pferd den Klee aus dem Maul fallen und drückte Hans so fest an die Planken, dass er nur noch keuchte und fast keine Luft mehr bekam. Sobald Hans nicht mehr so zappelte, ließ das Pferd etwas nach, wenn Hans sich zu befreien suchte, drückte das Pferd stärker.

Normalerweise drückte das Pferd, wenn man sich nicht wehrte, so ungefähr fünf Minuten lang und ließ einen dann frei. Das ist eine sehr, sehr lange Zeit, wenn man eingeklemmt ist.

Hans fing an zu weinen und rief: „Ich mach’ das nicht wieder. Lass mich los! Lass mich los!“ Das Pferd schaute nach hinten und beobachtete Hans sehr genau. Selbst wenn wir gewollt hätten, wir hätten Hans nicht befreien können. Adek, ein anderer Junge, hatte es mit der Peitsche versucht. Das Pferd hatte nur noch mehr gedrückt.

Dann kam es heraus, dass Hans des Öfteren heimlich dieses Pferd in seiner Box geschlagen und gequält hatte.

Ich ging nach vorne und versuchte auf das Pferd einzureden, aber es schüttelte nur heftig den Kopf auf und ab, hin und her und schnaubte heftig. Dann zeigte ich ihm die Spitze meines Stockes, worauf es kräftig schnaufte und erneut den Kopf schüttelte.

Ich redete wieder auf das Tier ein und versuchte es zu streicheln. Langsam ließ der Druck nach. Hans befreite sich und wollte sofort auf das Pferd einschlagen. Wir drohten ihm, dass wir das seinem Vater sagen würden.

Einige Tage später erwischte Hans mich und nahm mich in den Schwitzkasten. Dann legte er sich auf mich, dass mir fast die Luft wegblieb. Luft bekam ich allemal. Als er meinen Kopf zwischen seinen Beinen in den Schraubstock nahm, biss ich ihn mit aller Kraft in den Oberschenkel. – Besser hätte ich ihn nicht erwischen können. – Ich hatte den Mund so voll, dass ich nur noch durch die Nase Luft bekam und hielt eisern fest. Wenn ich losgelassen hätte, hätte er mich verhauen. Ich ließ erst los, als Hans so furchtbar brüllte, dass ich mich nicht mehr vor ihm fürchten brauchte.

Die Wunde wurde am späten Abend von einem russischen Sanitäter, der als Gefangener in Mestlin arbeitete, verarztet.

Ich war abends, als die Pferde gefüttert wurden, zusammen mit dem Pferdeknecht im Stall. Dem fiel sofort auf, dass der dicke Belgier bei mir die Ohren nicht zurücklegte und dass er sich von mir streicheln ließ. Ich zeigte, dass ich mich sogar in die Futterkrippe setzen konnte und wieder aus der Box heraus konnte. Dann erzählte ich, was vorgefallen war und den Trick mit dem Stecken.

Herr Kolbow, der auf Fronturlaub war, erfuhr nun auch, was vorgefallen war. Herr Kolbow war Vorarbeiter auf dem Hof gewesen, bevor er zum Militär musste. Herr Kolbow tobte, weil es sein eigener Sohn war, der die Pferde scheu und bösartig gemacht hatte. Er drohte, wenn Hans wieder gesund sei, würde er ihn so verhauen, wie Hans es verdient habe.

Als Hans wieder in die Schule gehen konnte und niemand mehr an die Drohung seines Vaters dachte, gab es eines Abends einen furchtbaren Lärm in Kolbows Wohnung.

Weil der Hans am nächsten Tag nicht ruhig und gerade auf seinem Platz sitzen wollte oder konnte, gab es in der Schule noch einen Nachschlag von Lehrer Mense. Das war unerwartet. Weil der Hans keine Zeit mehr gehabt hatte, sich Socken in die Unterhose zu stecken, war es zudem noch sehr unangenehm. Hans hatte somit das zweite Mal Nachschlag bekommen.

Dass sich der Hans dafür an mir rächen wollte, war seinem Vater hinterbracht worden, der wiederum hatte seinem Sohn für diesen Fall einen weiteren Nachschlag angedroht. Dem Hans war daraufhin jeder Appetit auf Nachschlag vergangen. Dass ich auf den Nachschlag von ihm verzichten musste, störte mich in keiner Weise.

ERNTEHELFER

Die Gerste stand sehr hoch, höher als der Roggen und der Weizen. Wir Kinder durften die Felder nicht betreten. Es war schon vorgekommen, dass Kinder nicht wieder aus einem Kornfeld herausgefunden hatten und dann darin umgekommen waren. Der neue Inspektor und Onkel Bernhard ritten täglich in die Felder, um die Reife des Getreides zu prüfen.

Dann war es so weit. Das Getreide war reif und die Ernte konnte beginnen. Die polnischen Schnitter waren auch schon da. Früher hatten sie die ganzen Felder gemäht. Die Mähmaschinen konnten nur auf der rechten Seite, aber nicht vor sich mähen. Deshalb konnte man auf die Schnitter nicht verzichten. Sie mussten einen breiten Streifen rund um die Felder von Hand abmähen, damit die Mähmaschinen dort herumfahren konnten.

Onkel Bernhard hatte verschiedene Mähmaschinen. Einige mähten und legten das Getreide so ab, dass man es leicht binden konnte. Andere, die Selbstbinder, banden und legten die gebundenen Garben ab. Das war ein Fortschritt. Die Mägde stellten die Garben zu langen Hocken zusammen, wie man es auf alten Bildern noch sieht. So konnte der Wind hindurch blasen und die Garben trocknen.

In die Hocken konnte man auch hinein kriechen, wenn es regnete. Als ich einmal in so einer Hocke lag, hörte ich es draußen bellen. Draußen stand ein Rehbock direkt vor meiner Hocke. Manchmal legte ich mich auf eine Garbe und schaute den Schwalben am Himmel zu.

***

Dann sollte eingefahren werden. Dazu brauchte mein Großonkel zwei Jungen. Beim Einfahren zu helfen, war eine Ehre, und es gab schulfrei. Mein Bruder Karl war in der zweiten Klasse und ich erst in der dritten. Trotzdem wurden wir sehr zum Neid der anderen Kinder ausgewählt.

Wir mussten morgens um sieben Uhr in Mestlin sein. Die Pferde waren schon angespannt. Wir fuhren mit den Knechten und Mägden aufs Feld. Es waren immer vier Pferde vorgespannt. Weil unsere Beine nicht lang genug waren, um im Sattel zu sitzen, wurden wir auf das Handpferd zur Rechten gesetzt. Die Füße steckten wir barfuss in die Schlaufen des Geschirrs.

Es wurde uns gezeigt, wie wir zum Aufladen immer ein Stück weiter bis zur nächsten Hocke „bit-zu-fahren“ mussten. Das ging sehr bald ganz gut und die Knechte waren mit uns sehr zufrieden. Die Pferde gewöhnten sich sehr schnell an uns und wir an die Pferde.

Wenn der Wagen voll geladen war, mussten wir auf das nächste Gespann umsteigen. Das wartete schon. Zwei Wagen wurden jeweils gleichzeitig geladen, andere waren auf dem Weg zu den Scheunen, wo man sie entlud, um dann zum Feld zurückkehren. Insgesamt müssen wohl an die zehn Gespanne unterwegs gewesen sein.

Zwischen neun und zehn Uhr war eine kleine Frühstückspause, die vom Hof aus mit einem Hammer auf einer Pflugschar geläutet wurde. Zu trinken gab es Essigwasser mit etwas Zucker, zu essen bekamen wir Margarinebrot. Am ersten Tag schenkten uns die Knechte eine Scheibe Wurst aufs Brot. In den nächsten Tagen packte uns unsere Mutter Aufschnitt ein.

Mittags brachte ein Wagen einen Kübel Erbsensuppe mit viel Wasser und wenig Speck. Nachmittags noch einmal Essigwasser und Margarinebrot und kein Butterbrot. Ein Knecht sagte einmal, dass mein Großonkel sehr geizig sei. Aber das solle ich niemandem weitersagen.

Abends, wenn es dunkel wurde, fuhren wir mit den Mägden aus Vimfow nach Hause. Ab dem nächsten Tag ging es dann schon um sechs Uhr ab Vimfow los mit den Mägden auf einem zweispännigen Wagen. In Mestlin wurde dann umgespannt vor einen vierspännigen Wagen und ab ging’s aufs Feld.

***

Es wurde von Tag zu Tag heißer. Eines Nachmittags verfärbte sich der Himmel gelb und orange. Dann wurde er bleigrau und es wurde dunkel. Die Pferdewagen wurden umgedreht, dass der Wind von hinten kam und die Bremsen zugedreht. Wir, die Mägde und die Knechte verkrochen uns in den Getreidehocken.

Dann ging es los. Es war kein Gewitter und kein Regen. Es war ein Sandsturm. Der Sand fegte so daher, dass er auf unseren nackten Beinen brannte. Mund und Nase waren voller Sand, dass es zwischen den Zähnen knirschte.

Als der Sturm vorüber war, sah es auf dem Feld wüst aus. Etliche Hocken waren umgekippt und viele Garben hatte der Wind sehr weit über das Feld verteilt, auch dorthin, wo wir schon eingefahren hatten. Ein Wagen fuhr zum Einsammeln, die anderen setzten ihren Weg fort. Die Knechte und Mägde murrten vor sich hin, weil sie jetzt die Garben zusammensuchen mussten und sie vom Boden aus viel höher aufladen mussten.

Türler ve etiketler

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22 aralık 2023
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333 s. 39 illüstrasyon
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9783960083078
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