Kitabı oku: «Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs», sayfa 2

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„Gott ließ sich nichts abtrotzen. Gott allein vermochte Menschen zu machen nach seinem Bilde.“

Später heisst es: Der König richtete seinen Sohn nicht, er betete für seinen Sohn.“ Ganz deutlich wird der Wandel des Königs: Am Anfang des mit „Der Gott von Geldern“ überschriebenen Kapitels lässt Klepper den Preußenkönig über seinen Sohn sagen: „Er ist für mich tot. Ich habe nichts mehr mit ihm zu schaffen, als das Gericht über ihn einzusetzen.“ Am Ende dieses Kapitels aber steht ein Gebet.

Als Gnadengabe Gottes empfängt der König seinen Sohn zurück und sieht in ihm erneut den vorbestimmten Nachfolger.

Die Versöhnung zwischen Vater und Sohn bahnt sich an, als der Kronprinz in den Oderbruch kommt und überrascht ist, wie weit das Werk des Vaters dort gediehen ist, weil er die besten seiner Beamten dorthin geschickt hat.

Durch kleine Episoden und Begegnungen wird dem Kronprinzen nach und nach klar, dass sein Vater kein Unhold ist, dass der Vater ihn liebt und ihn auf das schwere Königsamt vorbereiten möchte.

Die Veränderung beim Kronprinzen liegt in dem Satz, den er dann ausspricht: „Ich hatte bisher nie geglaubt.. dass mein Vater die geringste Regung von Liebe für mich hätte. Nun bin ich davon überzeugt. Kurz, der Teufel selbst muss ins Spiel kommen oder diese Aussöhnung ist ewig.“

Es dauert allerdings eine geraume Zeit, bis Friedrich in dieser Weise zu seinem Vater findet, aber dann ist mir das Beisammensein der beiden gar zu harmonisch geschildert. In der Realität hat der spätere Friedrich II. sicherlich immer noch einen Stachel im Herzen gegen seinen Vater gehabt. Hören wir noch einmal von Krockow: „Friedrich ist wirklich und lebensbestimmend vom Kampf mit dem Vater geprägt worden. Noch der weltberühmte König und Feldherr wurde in seinen Träumen wieder und wieder von der prägenden Gestalt, vom gespenstischen Über-Ich des Vaters heimgesucht, der Rechenschaft verlangte.“

Erwähnt werden muss auch, dass der König Emigranten aufgenommen hat für seine menschenarmen Länder im Osten, vor allem die aus dem Salzburgischen vertriebenen Ketzer.

Litauen wird das neue Kanaan. Auch ihnen, den bedrängten Salzburger Glaubensbrüdern, will der König Fürst und Vater sein. Die Begegnung Friedrich Wilhelms schildert der Autor in einem friedvollen Bild. Der Herrscher fährt den Flüchtlingen entgegen und stimmt das Lied an: „Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not.“ – „Der König sang in die Ewigkeit, und einen Augenblick war er, vor allem Volk singend, doch allein vor Gott mit seinem Königslied.“ Zum Schluss heisst es: „Es war alles voller Bibel!“ Später folgten auch noch böhmische Exulanten.

Klepper bedient sich in seinem Roman einer bilderreichen Sprache. Er dachte in Bildern, das Bildgestalten spielt bei ihm im künstlerischen Schaffen wie im religiösen Erlebnis eine zentrale Rolle im Gegensatz zur kalten gedanklichen Abstraktion. Auch dem König wird alles zum Bilde.

Warum von den Bildern solche Wirkung auf ihn ausgeht, weiß Klepper wie alle fundamentalen Erscheinungen seines Lebens nur biblisch-theologisch zu erklären: Der Grund der Welt ist dem unmittelbaren Einblick des Menschen verschlossen. Doch durch das Bild kommt er dem Geheimnis näher. Durch die Bildhaftigkeit der Bibel rückt für Klepper alle biblische Verkündigung in die Nähe der bildlich gestaltenden Dichtung und alle Dichtung in die Nähe der biblischen Verkündigung. „..ich bin glücklich, in Bilder auflösen oder umprägen zu dürfen, was als Theorie zu kalt und diffizil wäre.“ (17.10.1933) Auch im Leben und im Denken des Soldatenkönigs spielen Bilder eine große Rolle. Er malt selbst und ist ein Gemäldesammler. Das Ungenügen des Königs reibt sich an der Vorläufigkeit und Unzuverlässigkeit der menschlichen Erkenntnis. Ganz selten ist in seinem Leben das Bild des reinen gegenwärtigen Glücks. Eines der wenigen Beispiele dafür ist seine Begegnung mit den Salzburger Exulanten. („Er stand inmitten...“ S.748)

Am Ende ist der Rastlose, Taterfüllte, Nimmermüde mit zweiundfünfzig Jahren ein siecher Greis, verbraucht, vom Tode gezeichnet. („Mein Gott, ich sterbe zufrieden…“)

Hier wird die Parallele zwischen dem alttestamentlichen König David und dem preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm I. sehr deutlich. Beide schließen ihr Leben mit dem versöhnten Blick auf den von Gott bestimmten, würdigen und gesetzten Nachfolger. Darin besteht die Erfüllung ihres Regentendaseins.

Es besteht aber auch eine Parallele zwischen Salomo und Friedrich; beide gewannen den Glanz ihrer Herrschaft auf dem Grund, den die Väter geschaffen hatten.

Mit Vorliebe hat Klepper in die verschiedensten Partien des Vater-Romans Spiegel und Spiegelmotive verwoben. Durch Spiegel wie durch Bilder lässt sich die Wirklichkeit nicht nur vermehren, sondern auch ergründen.

Der Spiegel erscheint im ‚Vater’ vor allem als Sinnbild der Selbstbetrachtung eines Menschen, und zwar im doppelten Sinne der Selbsttäuschung und der Selbsterkenntnis. (S. 919, hier deutlicher Bezug zu 1. Korinther 13,12. Der König spricht die Worte aus der Bibel als wären es die eigenen.)

Sterbestunde. Lied von Paul Gerhardt, nicht ohne Humor, während der Choral singt, „...nackend wird’ ich auch hinziehen“, schlägt der Sterbende noch einmal die Augen auf und sagt: „Nein, das stimmt nicht... das ist nicht wahr. Ich werde in meiner Montur begraben.“

„Durch alle Qualen geht der Vater in den Frieden des Erlösten ein. „Gottes Vaterhände lagen über seinem Haupte.“ Wilhelm Kahle fügt in seiner sehr religiös (katholisch) ausgerichteten Literaturgeschichte der „Deutschen Dichtung“ hinzu: „Gott hämmert ein Herz, das ist der Sinn dieses religiösen Romans, der Geschichte als Feld göttlichen Wirkens sieht.“

* * *

Religiöse Fundierung

Kleppers Roman vom Soldatenkönig ist zweifellos eines der bedeutenden Zeugnisse sogenannter christlicher Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dem Autor ging hier es um eine Darstellung des irdischen Geschehens im Hinblick auf die göttliche Ordnung. (Für oberflächliche Betrachter trägt der Roman nur ein historisch konkretes Gepräge. Er ist aber ein religiöser Roman, auch wenn sich Klepper eng an die historische Realität gehalten hat.) Der Schriftsteller wollte seinen Roman literarisch und theologisch gewertet wissen. Klepper hat das Bemühen des Königs, die Herrschaft auf dem Boden der Frömmigkeit zu begründen und auf Gott zu bauen, immer wieder ganz klar herausgestellt.

Wie in seinem Tagebuch setzt der Schriftsteller, der in der Geschichte den Weg ins Gericht Gottes zu erkennen glaubte, auch in dem streng komponierten Roman über jedes Kapitel ein Bibelwort. Er will, wie er selbst bekennt, „Dichtung als Bibelexegese“ und lässt sein Dichten mit allem, was dazugehört, auch mit der Bilder schaffenden Fantasie, vom Wort Gottes ausgehen.

Klepper dichtet mit dem Wortschatz und dem Sprachgut der Bibel und versteht sich in seinem Sein als Dichter als Knecht des göttlichen Wortes. Er hat sich mithin in den Dienst des göttlichen Wortes gestellt.

Hat man sein Tagebuch gelesen, wird man auch aufmerksamer für bestimmte Bruchstellen seiner eigenen Konfessionen, die der Dichter in seinen Vater-Roman behutsam, wenn auch spärlich eingearbeitet hat. Kleppers Bruder Erhard entdeckte, als er den Roman las, eine Ähnlichkeit zwischen ihrer Mutter und der Königin Sophie Dorothea. Klepper griff natürlich auch bei der Gestaltung des Vaters auf eigene Leiderfahrungen zurück.

Indem er diesem Schicksal nachspürt, der Tragödie des von den Seinen unverstandenen Vaters, der sich leidend und büßend Gott unterwirft, sublimiert Klepper besondere Erfahrungen seines eigenen Lebens: die Trauer um den Vater, den er nicht zu lieben vermochte und der nun fern von ihm dahinsiecht. Klepper hat hier zweifellos sein eigenes Kindheitstrauma vom gefürchteten Vater zu bewältigen versucht.

Am 9. August 1935 notiert Klepper in sein Tagebuch: „...die Last des Buches drückt mich sehr, und die Liebe zu Friedrich Wilhelm kann nichts daran ändern.“ (Eine nachgetragene Liebe zum eigenen Vater à la Peter Härtling?)

1934 schreibt Jochen Klepper in sein Tagebuch kurz vor dem Tod des Vaters: „Vater und ich sind uns ja eine der schwersten Prüfungen gewesen, die Gott uns auferlegt hat, und was Sünde und Gnade, Führung Gottes ist, haben wir in großen Erregungen und Leiden aneinander erfahren. Es ist das einzige Mal, dass ich im Leben die Bitte des Vaterunsers ganz begriffen habe, im jahrelangen Prozess: „Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“

Zudem sind in manchen Gedanken und Überlegungen des Königs auch die ganz persönlichen Gedanken und Überlegungen des Autors enthalten. Vor allem wenn der König über Gottes verschlungene Wege und über Gottes Beziehung zu sich selbst nachdenkt, wird man an Tagebuchaufzeichnungen von Klepper erinnert.

An einer Stelle im Roman heißt es: „...er fühlte sein Leben von einem harten dunklen Griff durchstoßen. Aber er glaubte, er sei die Hand Gottes; und darum musste sie ertragen sein.“ So ähnlich dachte auch Klepper über seine Situation. Derartige Sätze findet man in seinem Tagebuch zuhauf wie: „Mir kann nur noch Gott helfen“, oder „Es konnte nur Gottes Befehl sein“.

Manchmal dachte der König, Gott müsse ihm in all den Leiden, Widerständen und Wirren der Arbeit ein sichtbares Zeichen geben, das ihm half.“ „Aber dies eben ist Gottes Zeichen“ – der König entsann sich eines Wortes des toten Roloff-, „dass er seine Knechte durchhalten, wagen und erdulden lässt im Aussichtslosen und im Unerkennbaren.“ Vielleicht liegt das Zeichen Gottes darin, dass er kein Zeichen gibt. Diese Überlegung stellt auch Klepper in seinem Tagebuch an und er lässt den König ebenso denken.

Die Herrschaft von Gottes Gnaden kann nach Kleppers Ansicht nicht bestritten werden, sofern sich ihr Träger seiner Rolle als Diener Gottes voll bewusst ist. Denn allein der Glaube, nicht der Glanz seiner Machtentfaltung verschafft dem Herrscher seine hervorragende Würde.

Klepper hat hier eine Gestalt der Vergangenheit vergegenwärtigt, um an ihr anschaubar zu machen, was Glauben konkret bedeutet, aber auch was politische Verantwortung vor Gott bedeutet. Er hält seiner Zeit einen Spiegel vor.

„Herr, lass uns wieder einen König sehen,

bevor die Welt die Könige vergisst.

Denn sonst vermögen wir nicht zu verstehen,

nach welchem Maß man deine Ordnung misst.“

So lautet der Beginn eines Gedichtzyklus' aus den Vorarbeiten zum „Vater“.

„Bald wird sich das Jahrtausend wieder neigen,

und Gottes neue Stunde bricht herein.

Wird dann der König seinen Thron besteigen

und deine Ordnung bei den Völkern sein? …

Die Völker stehen ganz erstarrt in Waffen,

und der gilt viel, der neuen Tod erdenkt.

Auch wenn sie Sicheln zu den Schwertern schaffen,

bleibt dennoch nur der Untergang verhängt...

Nur wer das Kreuz sieht, hat von fern verstanden

die Heiligkeit im irdischen Gericht.

Wenn Könige dein Golgatha nicht fanden,

so fanden sie auch ihre Throne nicht.“

Rita Thalmann schreibt hierzu in „Jochen Klepper: Ein Leben zwischen Idyllen und Katastrophen“, dass Klepper in den Jahren zwischen 1935 und 1937 zu der Überzeugung gelangt sei, „dass für Deutschland und auch die anderen Völker Europas nur ein durch Leiden und Sühne für vergangene Irrtümer geläutertes Königtum die verlorene göttliche Ordnung zu verkörpern vermag, obwohl er weiß, dass die noch bestehenden Monarchien in Europa diesem Ideal nur wenig entsprechen.

Offensichtlich hing Klepper an Kaiser- und Königtum. Er korrespondierte mit dem ehemaligen Kaiser Wilhelm II. und war stolz auf Antworten aus dem Hause Doorn. Am 27. Januar 1939 schreibt er in sein Tagebuch: „...80. Geburtstag des Kaisers. Ein halbes Jahrhundert wäre er nun Kaiser. – Es geht einem durch und durch.“

Klepper war kein Mann der Demokratie. Mit Kritik hatte er nichts im Sinn, er war auch kein Mann des Widerstands, wäre er nicht zufällig mit einer Jüdin verheiratet gewesen, hätte er im 3. Reich sicher nicht, vermuten viele seiner Biografen, allzu viel auszustehen gehabt; für ihn waren Nation, Vaterland, Heimat unantastbare Begriffe, lange Zeit aber auch die Obrigkeit.

Am 6. August 1937 findet sich im Tagebuch folgende Bemerkung: „...im übrigen hat Römer 13 gültig zu bleiben.“ Diese Stelle aus dem Römerbrief lautet: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.“ (Römer 13,1,) Und an anderer Stelle vom 6.08.1937 in seinem Tagebuch: „Es bleibt bei Römer 13, dem Gehorsam gegen eine mir auch noch so entgegengesetzte Obrigkeit,

Aber am 15. Dezember 1938 zeigt ein Tagebucheintrag eine deutliche Distanz zum unbedingten Obrigkeitsdenken: „Ihlenfelds und meine Einstellung wieder völlig gleich. Auch ihm ist nun die Obrigkeit zertrümmert.“

Im „Vater“ wird auch ein Loblied auf preußische Tugenden gesungen, wie Pflichterfüllung, Genügsamkeit, Gottesfurcht und Staatstreue. Klepper erweist sich in diesem Roman als Verehrer eines vom soldatischen Pflichtgefühl geprägten Preußens. Klepper und seine Frau haben sich, obwohl sie aus Schlesien nach Berlin gezogen sind, als Preußen gefühlt.

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Beginn des Romans „Der Vater“

Beginn des Romans „Der Vater“ – Roman eines Königs

Könige müssen mehr leiden können

als andere Menschen

Friedrich Wilhelm I


Der Vater: Preußenkönig Friedrich Wilhelm I.

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Zeittafel

1688: Geburt Friedrich Wilhelms, des späteren „Soldatenkönigs“ (Sohn des Kurprinzen Friedrich von Brandenburg, des nachmaligen ersten preußischen Königs, und seiner Gemahlin Sophie Charlotte)

1706: Vermählung Friedrich Wilhelms mit Sophie Dorothea von Hannover

1713: Thronbesteigung als Friedrich Wilhelm I. von Preußen

1740: Tod des Königs und Thronbesteigung seines Sohnes Friedrich als Friedrich II. (Friedrich der Große)

Seine 14 Kinder: Prinz Friedrich (* 1707 † 1708), Prinzessin Wilhelmine, die spätere Markgräfin von Bayreuth (* 1709 † 1758), Prinz Friedrich Wilhelm (* 1710 † 1711), Kronprinz Friedrich, der spätere König Friedrich II. (* 1712 † 1786), Prinzessin Charlotte (* 1713 † 1714), Prinzessin Friederike Luise (* 1714 † 1784), Prinzessin Philippine Charlotte, die spätere Herzogin von Braunschweig (* 1716 † 1801), Prinz Karl (* 1717 † 1719), Prinzessin Sofia, die spätere Markgräfin von Brandenburg-Schwedt (*1719 † 1734), Prinzessin Ulrike, die spätere Königin von Schweden (*1720 † 1782), Prinz August Wilhelm (* 1722 † 1758), Prinzessin Amalie (* 1723 † 1787 als Äbtissin in Quedlinburg), Prinz Heinrich, später einer der fähigsten Generale seines königlichen Bruders (* 1726 † 1802), Prinz Ferdinand (* 1730 † 1755)

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Teil eins – König Midas

Teil eins – König Midas

Den Königen ist Unrecht tun ein Gräuel;

denn durch Gerechtigkeit wird der Thron befestigt.

Die Bibel

Es ging um den Taufspruch für den Knaben, der als erster im Brandenburgischen Hause unter der Würde des königlichen Purpurs geboren war. Keinem der Herren war es zweifelhaft. Bis in die letzte Einzelheit war die Zeremonie vom königlichen Großvater selbst vorbereitet. Nur das Bibelwort, das über das Leben des hohen Kindes gestellt werden sollte, war noch ungewiss. König Friedrich hatte dem Hofmarschall sehr feierlich, doch mit einem huldreichen Lächeln einen Brief übergeben. „Eine Überraschung für Seine Königliche Hoheit“, hatte er hinzugefügt. Der Hofmarschall sagte es seinen Kammerjunkern wie ein köstliches Geheimnis weiter, und schon eilten sie zu den Gemächern des jungen Herrn. Aber die Lakaien dort meldeten, Königliche Hoheit seien weder anwesend noch hätten sie hinterlassen, wo man sie finden könne. Wenn man sich nicht täusche, hätten Hoheit sich nach dem Quergebäude zwischen den Haupthöfen begeben.

Das war rätselhaft. Dort lag die Konditorei mit den Küchen. Doch der Auftrag war unverzüglich auszuführen. Der jüngste Kammerherr musste mit dem Personal der Zuckerbäckerei verhandeln. Man wagte es ihm nur zuzuflüstern, der Kronprinz sei vorübergegangen, noch eine Treppe tiefer, zur alten Gesindeküche.

Die war lange außer Gebrauch gesetzt und diente nur noch zum Gewölbe. Gerät, das zu nichts mehr taugen mochte, wurde hier abgestellt, bis die Verwandtschaft der Küchenmägde es abholen kam. Dann war es wieder zu mancherlei nützlich. Über den Fenstergittern hingen alte Lappen. Der mächtige Ziegelherd war an vielen Stellen schon zerfallen. Vom verrußten Rauchfang wehten dichte Spinnweben herab. Im Halbdämmer des Wintervormittags war der Kellerraum sehr düster. Die Kälte drunten war bitter.


Kronprinz Friedrich Wilhelm

Aber Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte sogar den Rock abgeworfen; im Wams kniete er vor dem Ofen, so heiß war ihm bei seiner Arbeit geworden. Er besserte den Herd aus und hatte keinen Gehilfen. Die Höflinge gerieten in Verlegenheit. Wie sollten sie sich vor der Hoheit verneigen, wenn diese dem Herdwinkel zugewandt war? Und welche Stellung hatte man einzunehmen, wenn der Königssohn am Boden hockte? Friedrich Wilhelm endete ihre Not sehr rasch. Er stand auf und schritt mit flüchtiger Entschuldigung zu einem Schemel mit einem Becken, goss sich aus der Zinnkanne eisiges Wasser ein, wusch sich, immer wieder zu den Herren blickend, die Hände und trocknete sie an seiner Schürze ab.

„Nachricht über die Pest in Litauen?“

Seine raue Stimme klang in dem Gewölbe noch tonloser als sonst. Der Hofmarschall hielt ihm mit Anmut und Achtung den Brief des Königs entgegen, und der Kronprinz trat auf die Kavaliere zu, das Schreiben des königlichen Vaters aufzubrechen. Zornig fühlte er beim Lesen, dass wieder eine Blutwelle sein verdammt weißes Gesicht überlief. Er hasste seine schöne Haut, das Erbe einer zarten Mutter. Was hatte er nicht schon alles getan, um braun zu werden wie des Dessauers Grenadiere. Seit seiner Knabenzeit hatte er das Gesicht immer wieder mit Speckschwarte eingerieben und sich in die prallste Sonne gelegt; doch es wurde nicht besser.

Die Herren sahen die Röte des Unwillens; sie hörten die tiefe Verstimmung aus seinen Worten.

„Mein Vater überrascht mich damit, dass ich selbst den Taufspruch für meinen Sohn auswählen darf. Übermitteln Sie dem König meinen Dank und melden Sie, 1. Könige 10 Vers 21 schiene mir geeignet. Im Übrigen sehen Sie mich im Augenblick nicht in der Lage, eine Abordnung zu empfangen. Sie finden mich beschäftigt. Auch ist dies kein Ort für Sie.“

Der Hofmarschall versuchte sich in höflichen Einwänden.

„Wenn Königliche Hoheit die Stätte nicht für zu gering befinden –“

Der Kronprinz schüttelte lachend den Kopf, legte seine Hand auf den Arm des Hofmarschalls und führte ihn nicht unfreundschaftlich hinaus. Schließlich war der ja einer der ganz wenigen Männer hier, die er noch für ehrliche Leute ansehen konnte. An der Schwelle hielt er ihn noch einen Augenblick zurück und sagte, allerdings mehr zu den Kammerjunkern gewendet: „Wisst ihr, was in diesem Spruch steht? Aber die Bibel kennt ihr ja alle nicht, trotz eurer frömmlerischen Reden. So werde ich es euch sagen: 'Alle Trinkgefäße des Königs Salomo waren golden, und alle Gefäße im Hause vom Wald Libanon waren auch lauter Gold; denn das Silber achtete man zu den Zeiten Salomos für nichts'.“

Von dem Schwarm der Höflinge war er nun befreit. Die Gegenäußerung mied jeder. Mit finsterer Miene warf Friedrich Wilhelm wieder Holzscheit um Holzscheit in die Feueröffnung des Herdes. Seltsames Tun für einen Königssohn! Und wunderliche Gedanken für ein der Krone bestimmtes Haupt!

Verstünde der Goldmacher den Spruch – er würde sich gar nicht erst hierher getrauen. –

Besser noch, der König selbst begriffe dieses Wort der Schrift. Gab es denn wirklich in ganz Brandenburg einen einzigen Menschen, der mit dem König an ein Heil vom Goldmacher her glaubte?

Die Antwort erteilte der Kronprinz sich selbst: Zum mindesten sind drei, die das ganze Volk an solchen Zauber glauben machen wollen. Drei sind es, immer wieder die drei, bei denen alle seine Gedanken münden: das dreifache „Weh“, die drei Minister Wittgenstein, Wartenberg und Wartensleben – des Königs Auge, des Königs Ohr, des Königs Mund!

Ach, wäre des Königs Sohn seine rechte Hand. – Das dachte der Kronprinz verbittert. Was galt des Königs einziger Sohn. – Verurteilt war er, das Haupt einer lächerlichen kleinen Garde im Kastell Wusterhausen zu sein, während in der ständigen und unmittelbaren Nähe des Herrschers diese drei Männer mit allen Vollmachten schalteten und walteten zum eigenen Nutzen, zum Leiden des Volkes und zur Verblendung des Königs, eines Königs in geliehenem Prunk und ohne Macht.


Alexander Hermann von Wartensleben

Nur Klagen und Wüten war dem Thronfolger vergönnt; Rechenschaft durfte er nicht fordern. Schuldlose Gegenstände mussten seinen Zorn ertragen. Aber der Arbeit seiner Hände kam es zugute. Er riss den alten Blasebalg herunter. Einen neuen wollte er anbringen für den Goldmacher seines Vaters, ihm einen guten Wind zu machen für seine Schaumschlägereien. Mit aller seiner Kraft hängte sich der junge Mann in die Lederfetzen und Balken; in einer einzigen gewaltigen Anstrengung zerrte er das Gebläse herab. Das Holz zersplitterte, das Leder ächzte, Staubwolken flogen auf, rostige Nägel klirrten auf den Steinboden.

Nun wird ja alles gut werden. Gold wird da sein in Hülle und Fülle, den Pestkranken Lazarette zu errichten, niedergebrannte Städte neu aufzubauen, die Kriegsschulden des Kaisers zu bezahlen dafür, dass man sich König nennen darf draußen vor den Grenzen des Reiches. Mein Sohn ist in herrliche Zeiten geboren! Mein Vater ist Midas, dem die Welt zu Golde wurde!

Das redete der Königssohn vor sich hin, und dabei geschah alles, eine Alchimistenküche herzurichten, der es an nichts mangelte.

Noch vor der Taufe des kleinen Prinzen sollte der Versuch des Goldmachers stattfinden, dass der Kronprinz selbst ihn vorbereiten und ihm vorstehen durfte, hing mit Geburt und Taufe des Stammhalters eng zusammen. Was war für König Friedrichs Freundlichkeit selbstverständlicher als die Gewährung einer, nein, jeder Bitte, die der junge Vater nach der Geburt des nächsten Thronfolgers an ihn richtete?

Friedrich I. hätte seinen Einzigen besser kennen müssen. Er glaubte, mit einer Verstärkung der kleinen Wusterhausener Kronprinzentruppe davonzukommen. Und vielleicht würde noch die Erhöhung seines militärischen Ranges von dem Sohn in Frage gezogen werden.

Aber nun hatte sich alles ganz anders entwickelt. Der Sohn hatte sich ausbedungen, den Grafen Gaëtano (Domenico Manuel Gaëtano – selbsternannter Graf von Ruggiero, Abenteurer, Hochstapler, Alchimist, angeblicher Goldmacher) überwachen zu dürfen. Welch peinliche Angelegenheit für den Herrscher! Wie überlegen hatte doch der Graf gelächelt, als der König ihn auf die Absonderlichkeiten seines misstrauischen Sohnes vorzubereiten suchte.

Gerade durch diesen Argwohn der Königlichen Hoheit, hatte der Graf ihm weltmännisch versichert, gerade durch die Überwachungsmaßregeln des Kronprinzen hoffe er seine Leistung in desto helleres Licht setzen zu können. Er selbst, fügte er mit allem Respekt hinzu, sei auch ein solcher Feuerkopf gewesen; nur jungen Feuerköpfen gelinge später Außergewöhnliches; kurzum, er hatte die Majestät die Peinlichkeit solcher Unterredung kaum spüren lassen. Das verpflichtete ihm den König sehr. Denn Friedrich I. Hasste nichts derart wie unangenehme Situationen. Die Vorgänge seines Tages waren nach einem feierlichen Zeremoniell festgelegt. Wo sollten da die Widrigkeiten des Lebens einen Raum behalten?

Jenes Zeremoniell half dem König aber gerade auch die unabweisbaren Schicksalsschläge ertragen. Er hatte zwei Gattinnen und einen Sohn verloren. Er verklärte ihren Tod. Mit seinem Volke feierte er an den fürstlichen Bahren Feste des Todes mit Fahnen von schwarzem Samt und Fackeln auf Leuchtern von Alabaster und Porphyr. Auch war er zum Sieger über die Vergänglichkeit geworden, begründete er doch eine gelehrte Akademie, um den Unsterblichen im Reiche des Geistes eine Heimstatt im neuen Lande Preußen zu schaffen.

Graf Gaëtano interessierte sich lebhaft für diese Königliche Akademie der Wissenschaften. Ob auch Naturgelehrte sich unter ihren Forschern und Weisen befänden, die man teilnehmen lassen könne an der Entdeckung des Steines der Weisen?

Den König schauerte es, wenn er an dieses zurückliegende Gespräch und das Ereignis, das bevorstand, dachte; Majestät hatten viel Zartes und Empfindsames an sich. Das und nichts Geringeres lag vor dem ersten „König in Preußen“: in seinem jungen Königreich würde für alle Welt, für alle Zeit der Stein der Weisen, das Geheimnis Gold zu machen, gefunden werden! Der ärmste und jüngste König Europas sollte ein Herrscher größer denn Salomo sein, zu dessen Zeiten man das Silber für nichts achtete. Er würde sein Volk beglücken, wie noch nie ein Volk beglückt worden war. Die Armut sollte in seinem Lande nur noch eine Drohung sein, ungeratene Kinder zu erschrecken und zu mahnen. Alles Böse würde allmählich erlöschen, denn wo des Goldes kein Maß und Ende mehr war, hatten Verbrechen und Hass den Sinn verloren. Das Gold war die Tugend. Wie hätte man auch sonst die Kunst, es zu schaffen, den Stein der Weisen nennen können? Der König empfand edel. Graf Gaëtano bestätigte es ihm ergriffen, und der König war entschlossen, ihn nun endgültig als Weisen in den Mächten der Materie und des Geistes zugleich in seine Akademie zu berufen. Da aber die Einführungsfeierlichkeiten für dieses Jahr bereits stattgefunden hatten und zur Zeit kein freier Platz verfügbar war, den der Graf nach den Gesetzen dieser erlauchten Gesellschaft hätte einnehmen können, ernannte die Majestät den Conte vorerst zum Generalmajor der Artillerie ohne Dienst. Nur dass der König bei solcher Erinnerung im Gedanken an seinen Sohn von einem unbehaglichen Gefühl nicht freikam.

* * *

Seit Friedrich Wilhelm zum Staatsrat zugelassen war, zeigte er manchmal eine geradezu verhängnisvolle Art, Zwischenfragen zu tun, die einen beinahe aus der Fassung bringen konnten. Sechs Jahre ging es nun schon so. Den Fünfzehnjährigen hatte der König in schöner Geste und Floskel zu den Beratungen der Minister hinzugezogen, und der junge Mensch machte sich seitdem einen Zwang daraus und versäumte keine Sitzung. Ja, mitunter nahm er bei aller Achtung vor dem König dem Vater das Wort aus dem Mund und gab, ohne dass die Majestät noch widersprechen konnte, der ganzen Verhandlung eine völlig andere Richtung als geplant war. Manchmal wusste man nicht, wer hier der Vater, wer der Sohn war. Fest stand nur, dass der Herrscher mitunter den Thronfolger, niemals aber der Kronprinz den König fürchte. Man bangte sich vor seiner misstrauischen Art, die man von Kindheit an bei ihm wahrnahm; man bangte sich auch namentlich vor seinem kriegerischen Geiste, der sich nun auch im Staatsrat offenbarte.


Kronprinz Friedrich Wilhelm als Kind

Der Unterricht in den Fächern der Kriegswissenschaft war darum immer weiter eingeschränkt worden; denn allein schon um dem Prinzen die lateinischen Konjugationen einprägen zu können, hatte sein Lehrer Rebeur sie ihm als Armeen aufmarschieren lassen müssen, weil er ja so sehr für den Krieg wäre. Jeder Modus war ein Regiment, jedes Tempus eine Kompanie; die Gerundive waren Marketender, die Infinitive und Futura waren Tamboure wegen des „rum“ und „rus“. Seinen Ephorus Cramer aber hatte bereits der Siebenjährige als Lehrer abgelehnt, einmal weil er einäugig, dann aber, weil er ihm zu „effeminiert“ war. Während Cramers Unterricht warf der Prinz sich auf ein Ruhebett, las oder schlief, da Cramer ihm zum Munde redete, im Übrigen aber über seine militärischen Interessen hinweg unterrichtete.

In den fremden Residenzen war schon dies und das über den jungen Wilden durchgesickert, und die verstorbene Mutter hatte sich einst alle Mühe gegeben, seine Härten zu mildern und ihn durch verzweifelte Dispute über Bücher für die Große Welt zu retten. Denn er lauschte von der frühesten Knabenzeit an den Pferdeknechten und Domestiken ihr grobes Deutsch ab, obwohl er das artigste Französisch sprach, das einer sich nur denken konnte.

Sonst ahmte er die gemeinen Soldaten nach, rauchte Tabak, fluchte, band sich einen Riesensäbel um und redete mit Vorliebe die niedrigsten Soldaten an, und zwar in ihrem Umgangston. Alle Frauen, auch die eigene Stiefschwester, nannte er Huren. Wenn er nicht fluchte, sprach er schnarrend, leise, kurz und abgerissen, sprach überhaupt ungern; fand er eine Antwort nicht, so runzelte er die Stirn; beim Sprechen nahm er stets, wie ein kleines, verängstetes Kind, den Daumen in die linke Hand; aber es kränkte ihn aufs tiefste, als sein großer Degen einmal durch einen passenderen, kleinen ersetzt wurde. Er ging einwärts, lief mit unsauberen Handschuhen und ungeputzten Zähnen umher; und immer hatte er Hunde um sich, gleichgültig, ob sie dem König Möbel und Gärten verdarben oder nicht. Im Zimmer ging er lieber durchs Fenster als durch die Tür, und in den Räumen des Vaters durfte er sich überhaupt nur aufhalten, wenn er das ausdrückliche Versprechen gab, nichts darin zu verderben.


Schloss Charlottenburg

Einen Entrüstungssturm rief es hervor, dass der Prinz im Schloss mit Reitstiefeln umherging, statt in leichten, eleganten Schuhen, wie die gesamte Hofgesellschaft es ausnahmslos tat. Auf die Schleppen der Damen hatte er es ebenso abgesehen wie auf die Schienbeine seiner markgräflichen Onkel. So hatte es seinen guten Grund, dass die Königin, weilte sie in Berlin, den Sohn täglich einmal sehen wollte; hielt sie sich aber auf ihrem geliebten Lietzenburger Schloss Charlottenburg auf, so musste er doch wenigstens einmal in der Woche zu ihr hinauskommen. Dafür hatte er einen eigenen kleinen Wagen, mit dem er auch wirklich regelmäßig zu antikischem Dialoge nach Lietzenburg und den er endlich auch in Trümmer fuhr. Ritt er aber, so umgab man ihn angstvoll mit vier Wächtern; denn der Knabe nannte sich selbst zwar dick und verschlafen, war aber in seiner, ihm selbst immer viel zu geringen Tollkühnheit so zart, dass er unter der geringsten Hitze sehr litt, zu jäh sein Gewicht verlor, rasch in hohes Fieber fiel und dauernd quälende Kopfschmerzen zu verschweigen hatte.

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