Kitabı oku: «Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs», sayfa 3

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Königin Sophie Charlotte

Sorgfältig wählte Königin Sophie Charlotte alle Lektüre für ihn aus; immer wieder griff sie auf Fénelons „Telemach“, den schwärmerischen Fürstenspiegel, zurück. Friedrich Wilhelm wollte – abgesehen von der Selbstüberwindung, die er an ihm anerkannte – ganz und gar kein Telemach in Fénelons, der Königin und ihrer bewunderten Antike Sinne werden und wartete bei den wöchentlichen Dialogen mit seiner Mutter recht beharrlich mit demselben Satz aus Xenophons moralisch-politischen Schriften auf; was dort vom rastlos tätigen König Kyros ausgesprochen wurde, bedeutete ihm die höchste Weisheit aller Bücher: „Die sichersten Mittel, einem Volk, einem Land, einem Königreich eine dauerhafte Glückseligkeit zu verschaffen, sind ein Heer auserlesener Soldaten und eine gute Wirtschaft der Bürger.“ Allenfalls wollte er Titus sein: der küsste die Guten und bedachte die Bösen mit Nasenstübern. Die Guten aber waren dem Knaben die Fleißigen und Geringen, die Bösen die Vornehmen und Müßiggänger. Darauf gab man bei Hofe acht; ein Schneider hatte bei dem Thronfolger den Vortritt vor einem Baron.

Der Prinz verstand nur wenig von der Meinung seiner Eltern, dass Gold einen Besitz erst bedeute als Fest oder Kunstwerk oder geistige Schöpfung. Der Zehnjährige schon führte zum Entsetzen der hohen Familie und ihrer Höflinge ein Kontobuch, dem er die Aufschrift gab: „Rechnung über meine Dukaten.“ Er schien nur das Rechnen gelernt zu haben – und war doch immer ein ganz besonders schlechter Rechenschüler gewesen. Alles war in seinem Kassenbuche vermerkt: die Neujahrsgeschenke an die Dienerschaft genauso wie eine gelegentliche Anleihe von einem Taler bei dem Küchenmeister Jochen, der Preis für ein paar junge Füchse genauso wie Ausgaben für Blumen und Farben zum Malen. Damit trieb er es eigentlich recht arg.


Die Großmama in Hannover

Lediglich die Großmama in Hannover lachte darüber, und man wusste nicht gewiss, ob über den kleinen Geizhals oder die dauernde Wiederkehr eines Postens junger Füchse, Hasen und Farbentöpfe.

Sie, die schon den Neugeborenen, Starken, Gesunden gleich nach der Geburt nach Hannover zu entführen gedachte, schien ihn mit anderen Augen zu sehen als das hohe Haus und der Hof.

„Er weiß die Details von alles, er weiß wie ein Dreißigjähriger zu reden; jedwedem sagt er etwas Obligants“, so schrieb sie von dem dreizehnjährigen Gast auf ihrem Lieblingsschlosse Herrenhausen, „er sieht aus wie man die Engeltien malt, hatt ein Hauffen blundt her; wan die frisirt sein, sieht er aus wie man Cupido malt.“


Gottfried Wilhelm Leibniz – 1646 – 1716

Seltsamerweise hat auch Leibniz, der große philosophische Freund der Mutter, mit solcher Zartheit von ihm geurteilt – und musste doch eigentlich bangen für den weisen Erziehungsplan, den er für den jungen Wilden aufgestellt hatte!

Schließlich musste aber auch die Königin, die verschwenderischste, leichtsinnigste, schöngeistigste aller Mütter, den jungen Wilden über alles geliebt haben. Denn als der Siebzehnjährige seine Prinzenreise an die fremden Höfe antrat, die Fahrt nach Brüssel, Holland und Italien, stand in ihrem Tagebuche ein einziges trauriges „parti“. Doch schien ihr die Große Tour des jungen Herrn aus hohem Hause der letzte Versuch, seine Rauheit zu glätten.

Nach dieser Reise sollten Mutter und Sohn sich nicht wiedersehen. Die Königin starb nach ihrem großen Karneval, um dessen Freuden sie sich durch Krankheit nicht betrügen lassen wollte. Das Leben war ihr Traum und Feier und Gedanke gewesen. Lesend, musizierend, diskutierend, tanzend und für ungefährliche Liebschaften schwärmend, hatte sie es hingebracht. Nach dem Tode der Mutter wurde Friedrich Wilhelm sichtlich noch schroffer. Der König war seitdem um den Sohn sehr besorgt. Nur jetzt, in den Ereignissen um Gaëtano, hätte der König ihn mehr als nur „parti“ gewünscht, um bloß den Unannehmlichkeiten bei der Begegnung zwischen dem Kronprinzen und dem Conte enthoben zu sein.

* * *

Friedrich I. zog, als bedeute es Abwehr und Schutz, seinen Zobelmantel fest um die Schultern und Hüften, dass man die Seide knistern hörte, mit der er gefüttert war. Der Hofmarschall war froh, dass der König sich nach so langem Sinnen wieder regte. Solange die Majestät in düstere Gedanken versunken schien, wagte der Marschall nicht zu sprechen; und ihn beschwerten so dringliche Fragen. Endlich wandte ihm der Monarch sein lockenschweres Haupt wieder zu, und über seinen Zügen lag die alte Freundlichkeit. Der Herrscher sah es ein. Die Sorgen des Oberhofmeisters waren nicht leicht zu nehmen. Wie hatte man die Stätte des alchimistischen Laboratoriums, für die der Kronprinz nun einmal eigensinnig die alte Gesindeküche bestimmte, für den königlichen Zuschauer und seine Gäste herzurichten? Welche Treppen durften Majestät benützen, wenn sie zum Keller hinab schritten? Welcher Anzug war für solchen Anlass angebracht?

König Friedrich gab sich äußerst vertraulich. Er sei ebenfalls ratlos. Man möge sich mit der Prinzessin von Brandenburg-Ansbach, die als liebster Gast bei Hofe weilte, ins Benehmen setzen.

Die wisse in solch schwierigen Lagen stets einen Ausweg. Die habe, von der verstorbenen Königin selbst für das Hofleben erzogen, das feinste Gefühl für derartige Besonderheiten.

Die Ansbacherin half. Mit ihren großen, grauen Augen sah sie einen Augenblick den König schweigend an.


Prinzessin von Brandenburg-Ansbach Friederike Luise von Preußen

Dann war, wie immer bei ihr, die Lösung schon gefunden. Der Akt in der Gesindeküche sei eine Angelegenheit der Forschung und müsse in allem Ernste vor sich gehen.

Friedrich I. empfand beglückt, dass er sich immer und in allem auf das Geschick und die Klugheit jener jungen Kusine verlassen durfte. Er war entschlossen, sie mit einer kleinen Statue aus lauterem Golde zu überraschen. Das Kunstwerk sollte sie selbst als Pythia am Delphischen Orakel darstellen; es würde entzückend werden; er sah es vor sich. Immer war der Spruch der Ansbacherin unfehlbar, und vor noch schwereren Aufgaben hatte sich die Sicherheit ihrer Entschlüsse bewährt. Selbst Friedrich Wilhelm, ihn, der unbeeinflussbar schien, hatte sie allein zu lenken vermocht; und das in den schwersten Wirrnissen und Widerständen, denen des Herzens.

* * *

Es war schwierig gewesen mit dem Kronprinzen und den Frauen. Den Versuch der Mutter, ihn nach der von ihr heraufbeschworenen, schmerzvollen Knabentorheit ein zweites Mal durch anmutige Liebesgeschichten gefügiger zu machen, trat er mit offener Ablehnung und unverhohlenem Spott entgegen. Die Verführung durch das Fräulein von Pöllnitz, von der Königin veranlasst, reizte ihn zu maßlosem Zorn und stürzte ihn in tiefste Scham. Kam er von den Festen der Mutter aus ihrem neuen Schloss Charlottenburg, für die Königin und ihre Damen wie ein Kavalier gekleidet, warf er Brokatrock und Perücke zornig in einen Winkel und trat die weiße Lockenpracht mit Füßen. Die Diener berichteten es zuverlässig.

Verlangte es aber die höfische Sitte, dass jüngere Damen des Hofes der kronprinzlichen Hoheit die Hand küssten, so errötete der breitschultrige junge Mann über das ganze Gesicht.

Aber dann war des Vaters Ansbacher Kusine zum Berliner Karneval gekommen: liebenswürdig an allen Veranstaltungen des hohen Vetternpaares Anteil nehmend und doch ein wenig abwesend in ihren Gedanken; mit hellen, leuchtenden Augen und dennoch einem ernsten Schatten um die Lider; mit einem süßen und sehr weichen, jungen Mund, doch einer Stirn von männlicher Kühnheit. Und plötzlich errötete Kronprinz Friedrich Wilhelm nicht mehr vor den jungen Damen des Hofstaates, sondern nur, wenn die Ansbacher Brandenburgerin ihn ansah, flammte die jähe Röte über sein weißes Gesicht, dessen Zartheit er hasste.

„Sie sind mein Neffe, gewiss“, bemerkte lächelnd die Ansbacherin, „aber ich bin kaum fünf Jahre älter als Sie, und Sie tun mir fast ein wenig zu viel Ehre an.“

„Sie haben sehr groß gehandelt, Madame“, antwortete er, und seine Stimme war nicht rau und schnarrend wie sonst; die Röte war wieder verflogen.

Aber nun trieb es der Ansbacherin das Blut in die Wangen. Denn war sie auch die Ältere, so war sie doch sehr jung. Er sprach von der spanischen Affäre!

Friedrich Wilhelm fuhr ruhig fort: „Um des evangelischen Glaubens willen auf die Krone Spaniens, ja, die Hoffnung auf den Thron der deutschen Kaiserin, zu verzichten, dazu waren unter den Fürstentöchtern nur Sie fähig.“

Der Ansbacherin entging es nicht, dass das gewählte Französisch, das der preußische Thronfolger sprach, einen besonderen Klang hatte. Aber es war mehr der Ausdruck, den er seiner Rede gab, was sie so anzog. Der Kronprinz war so voller Widersprüche und in all den Gegensätzen seines Auftretens und Wesens so bezwingend, wenn man nur nicht sein Leben an den Unsteten zu heften brauchte; wenn man nur nicht seinen eigenen Willen unter seinen Starrsinn beugen musste; denn der Wille galt der jungen Fürstin viel.

Sie sah ihn lange an, und dabei gewann sie ihre Festigkeit und Kühle wieder. Er hatte die ernstesten und klügsten Augen, in die sie je blickte, und schmale, lange, feste, leicht gebräunte Hände, wie sie im Brandenburgischen Hause vor ihm noch keiner besaß.

Als ihr dann der Prinz von seiner Liebe zu sprechen begann, hatte die Ansbacherin von seinen Händen und Augen schon Abschied genommen.

Es war nicht nötig, dass der Generalmajor und Obermundschenk von Grumbkow ihr die Gründe der Staatsräson auseinandersetzte.


Generalmajor und Obermundschenk von Grumbkow

Niemals hatte er, der nur für die unentwirrbarsten Geschäfte bemüht wurde, es leichter gehabt. Die Ansbacherin nahm ihm die Worte von den Lippen, ehe er sie aussprechen konnte. Ihm blieb nur übrig, zu bewundern, anzuerkennen und im Namen Seiner Majestät zu danken.

Zwei Tage, nachdem ihre Entschlüsse gefasst waren, redete Friedrich Wilhelm die Ansbacherin plötzlich deutsch an. Sie wüssten beide, dass ihr Weg nicht wie der anderer junger Leute sein könne; zwischen ihnen bedürfe es keiner diplomatischen Spiegelfechtereien. Wenn sie sich trennen wollten, so sei es immer noch allein zwischen ihnen selbst auszumachen. Er Schloss: „Es geht um unsere Häuser, unsere Liebe.“

Einen Augenblick kam es über die Prinzess, dass sie an seine Brust sinken wollte. Doch blieb sie ruhig stehen, lächelte und meinte nur: „Mein ältester Neffe ist der unverständigste. Er kennt noch nicht einmal die Spielregeln unserer Höfe. Dieser eine Satz durfte nicht mehr gesagt sein.“

* * *

Don Domenico Gaëtano Conte di Ruggiero aus dem Königreich Neapel fuhr zu seiner Probe vor. O nein, der König brauchte es nicht zu bereuen, dass er ihm das Fürstenhaus am Friedrichswerder, das sonst nur fremden Fürstlichkeiten aufgetan wurde, als Quartier eingeräumt hatte. Der Conte trat durchaus wie einer dieser großen Herren auf.

Hundert Dukaten verbrauchte er die Woche. Seine Kutsche war reich verziert mit Gold, und seine zwanzig Pagen, die ihn mit zwei oder drei Dutzend Pistolen bewachten, trugen eine Livree von Scharlach mit leuchtend gelben Samtaufschlägen.

Auf alles Beiwerk des berühmten Magiers hatte der Graf jedoch verzichtet; er wählte einen Brokatrock, verschmähte den Alchimistenmantel, und all sein Zaubergerät bestand in ein paar Fläschchen, Retorten und Mixturengläsern. Auf einem Silbertablett wurden sie ihm in verschlossenem Kasten vorangetragen.

Gaëtano ließ sich nicht das leiseste Erstaunen anmerken, dass man ihn nicht die breiten Treppen zu den Audienzsälen hinaufführte, sondern tiefer und tiefer nach unten geleitete. Zum Schluss waren es so schmale und gewundene Stiegen, dass man sie nicht mehr hatte mit Teppichen belegen können. Aber Majestät würden auch geruhen, sie zu benützen, versicherte ihm der Hofmarschall.

Der König traf auch kurz nach dem Italiener ein, begleitet nur von den Höchsten seines Hofes, den Grafen Wartenberg, Wittgenstein und Wartensleben, den markgräflichen Brüdern sowie den berühmtesten Professoren seiner Akademie. Als die Majestät sich niedergelassen hatte, winkte der Kronprinz, man möge auf ihn keine Rücksicht nehmen und seine Plätze wählen. Er selbst stand in Wams und Schürze am Ofen. Die Herren Markgrafen setzten sich sofort; sie waren sehr gespannt und wünschten, dass die Vorführung sofort beginne. Die Herren Markgrafen hatten eine außerordentliche Vorliebe für dergleichen. Es kam ihnen gar nicht einmal sehr zum Bewusstsein, dass es hier um die Auffindung des Steines der Weisen ging. Ein wenig entsetzt waren sie nur, dass man den Keller wirklich allein mit einem Prunksessel und ein paar Armstühlen hergerichtet hatte.

Doch Graf Gaëtano bot ihnen kein prunkvolles Schauspiel. Er ließ keine Tribüne aufstellen und mit figurenbestickten Tüchern überhängen. Er baute ihnen keine Hexenmeisterküche hin, ließ nicht von Dienern und Adepten rätselhafte Gegenstände und schlösserverwahrte Truhen herbeischleppen. Er versank nicht in schweigendes Grübeln und mied die klingenden Beschwörungsformeln. Lediglich sieben Pfund Quecksilber und mohnsamengroße Körner von Kupfer wurden in eine gläserne bauchige Flasche gegossen und in der Sandkapelle des Windofens vor aller Augen abgestellt; und auf einer Tafel waren alle Testimonia publica und Patente ausgebreitet, nach denen der Magier das Gold nicht nach Loten und Unzen, sondern zu zwanzig und dreißig Pfund zu produzieren imstande war.

Lebhaft plaudernd, dabei mit aufmerksamer Bescheidenheit die Fragen und Gegenreden König Friedrichs abwartend, saß der Graf neben der Majestät.

Der Lakai stand mit dem silbernen Tablett an seiner Seite. Das Kästchen war jetzt geöffnet, der Goldmacher ließ sich diese und jene Phiole mit einem Arcanum oder Spiritus vini rectificatissimi und der Tinctura universalis, die nur er besaß, reichen und war bei alledem eigentlich eifrig damit befasst, das Wunder, das er vollbringen würde, von vornherein zu entzaubern. Er pries mehr die chemische Wissenschaft, als dass er Schauer einflößte vor seinen Mixturen. Er leitete mehr zu den letzten Schlüssen der Logik, als dass er seine geheimen Kräfte ahnen ließ. Die erst ein wenig inquisitorischen Fragen der Herren Professoren verwandelten sich sehr bald in nahezu ehrfürchtige Erkundigungen.


König Friedrich I

Der König in seinen weißen, wallenden Locken und im weichen Faltenwurf seines himmelblauen Mantels schien in einer Wolke des Glückes und der Erkenntnis zu ruhen. Er hatte seinem Sohne längst vergeben, ja, er nickte ihm bei den Erklärungen des Grafen freundlich zu und sagte einmal über das andere: „Da – Sie sehen es, mein Sohn – Sie hören selbst.“ Dabei gestikulierte er lebhaft. Seine Ringe funkelten. Die weichen Spitzen um die Handgelenke flatterten.

Der Kronprinz stand unbeweglich vor dem Herd. Jede Bewegung und jedes Wort des Italieners verfolgte er mit nicht aussetzender Aufmerksamkeit. Graf Gaëtano besaß die Höflichkeit, sobald er dem König Rede und Antwort gestanden hatte, auch zu dem stummen Prinzen hinüberzusprechen. Ganz nebenbei, ganz zwischendurch fragte er dann einen Diener, wie lange das Feuer schon brenne.

Friedrich Wilhelm mischte sich ein. „Seit zwei Stunden. Ich selbst habe die Kohlen aufgeschüttet. Ich selbst werde den Blasebalg bedienen, um Ihnen nahe zu sein, Graf. Ich selbst habe die Tiegel, den Lehm und das Kupfer besorgt, das Sie verlangten.“

„Ich danke Euer Königlichen Hoheit für alle diese Anteilnahme“ – der Graf verneigte sich im Sitzen –, „aber wenn Hoheit die Vorgänge nahe neben mir verfolgen wollen, müssen Sie geruhen, hier an meiner Seite Platz zu nehmen. – Tu Er Lehm in den ersten Tiegel“, befahl er dem nächsten Lakaien. Aber der Kronprinz breitete seine Hände vor das Werkzeug. Er tat selbst, was Gaëtano gebot. Bald ließ der Goldmacher, mit dem Friedrich Wilhelm sich überaus schnell zu verständigen schien, alle weitschweifigen Höflichkeitsbezeigungen. Knapp gab er seine Anweisungen; rasch und genau führte der Königssohn sie aus. In schneller Folge ließ Gaëtano dem Kronprinzen Mixturglas um Mixturglas reichen, sie prüfen, in den zweiten Tiegel gießen. Danach hatte Friedrich Wilhelm das eine Ende der Kupferstange in den Tiegel mit dem Lehm zu tauchen. Der Münzmeister sollte sich bereit halten; der war der Prüfer des Goldes.

Der Graf erhob sich – leicht, unbefangen, behende. Er nahm das letzte, das kleinste Fläschchen von dem Tablett. Als die Blicke des Kronprinzen ihn nahezu verschlangen, hielt er einen Augenblick lächelnd ein.

Die Züge König Friedrichs wurden schlaffer. Der König war sehr bleich. Die drei Minister Wittgenstein, Wartenberg und Wartensleben hatten sich erhoben und standen hochgereckt hinter der Majestät, stets das gleiche Bild ehrfurchtgebietender, aber recht gefährlicher Einmütigkeit. Die Herren Markgrafen wurden wieder aufgeregter. Sicher, jetzt gab es endlich etwas zu sehen! Wenn nur der Italiener den Neffen sichtlich demütigte!

Friedrich Wilhelm befolgte schweigend die Befehle des Magiers. Er senkte die Kupferstange mit dem vom Lehm nicht bedeckten Ende in den Tiegel, in dem die Mixturen schäumten. Er ließ keinen Blick von dem Werk. Das Kupfer blieb rot.

Der Graf trat dicht neben ihn. Er drehte den Glasverschluss seines Flakons auf und träufelte, als wäre es nur ein zartes Parfüm, einige Tropfen in den Schaum. Der Kronprinz hielt die Stange ganz ruhig. Das Kupfer blieb rot.

Alle umdrängten sie wortlos den Herd. Der König hatte tiefe Schatten um die Augen. Die redseligen Herren Markgrafen brachten keinen Laut über die Lippen. Das Kupfer blieb rot.

Graf Gaëtano reichte dem Kronprinzen ein kleines Messer und ließ ihn die Lehmkruste vom oberen Ende des Barrens lösen. Die weichen Schichten des abgeschälten Lehmes zischten auf dem Herde. Der König schlug die Hände vors Gesicht. Die Markgrafen hielten einander umklammert. Der Graf sagte etwas heiser: „Hoheit – ich danke.“

Friedrich Wilhelm schloss die Augen vor dem übermächtigen Glanz des Goldes, das er nun in Händen hielt. Er ließ den Barren auf die Herdplatte sinken. Halb war es Kupfer, halb war es Gold.

„Es kann nicht sein, Graf.“

Gaëtano kam zu keiner Antwort. König Friedrich zog ihn an seine Brust. Da schob der Kronprinz das Häuflein der Markgrafen beiseite und stürmte die Kellertreppe empor. Wohin – er wusste es nicht. Er fand sich selbst erst wieder, als er an der Wiege seines Sohnes stand und die Kronprinzessin, aus dem Nebenzimmer tretend, ihn mit einem erstaunten „Sie hier?“ wie aus Traum und Fieber weckte.

„Es ist Gold“, stammelte Friedrich Wilhelm, „und das kann nicht sein.“

„Danken Sie Gott, dass es Gold ist. Sie brauchen einmal Gold.“

Der Kronprinz starrte die Gattin fassungslos an. Aber er nahm nur wahr, dass sie ein ganz aus Goldstoff gewirktes Kleid trug, einen überaus weiten und reichen Rock ganz von lichtem Golddamast, mit Vögeln und Blumen von dunklerem Golde übersät.

„Sie bringen sich selbst um eine Überraschung: mein Kleid für die Taufe.“ Die Schöne lächelte und fuhr sich verlegen, dabei aber doch ein wenig kokett über ihr Haar. Denn sie hatte die Perücke noch nicht aufgesteckt, und der Gatte sah ihre braunen Locken.

Friedrich Wilhelm wischte die Hände an seiner groben Schürze ab und streckte die Arme nach seiner jungen Frau aus. Er klagte tonlos und war, wie ein Unbeteiligter, fast verwundert, dass er nicht stöhnte: „Nun ist ein Unglück geschehen, das vielleicht nie mehr gutzumachen ist.“


Sophie Dorothea

Frau Sophie Dorothea wandte sich kühl ab. „Ich verstehe Sie nicht. Der Stein der Weisen ist gefunden. Kleiden Sie sich um. Begeben Sie sich mit mir zum König, ihn zu beglückwünschen. Lassen Sie mir Graf Gaëtano vorstellen.“

Die Feier des Goldes sollte nun zugleich zum Fest des königlichen Kindes werden. Die Stunde voller Gewalt und Tiefe war Ereignis geworden: Dem ersten im Königspurpur geborenen Hohenzollern würde der Stein der Weisen als Gabe des Tauftages dargebracht werden.

* * *

Der Kronprinz hatte sich den väterlichen Wünschen gefügt. Die Kammerdiener stürzten mit Perücke, roten Schuhen, Scharlachmantel und Schmuckkasten herbei. Sie zogen ihm den Brokatüberwurf fast zu eilig über Kopf und Schultern. Der Kronprinz prüfte vor dem Spiegel kurz und aufmerksam, was man ihm anlegte. Der Schärpe gab er einige andere Falten. Die Perlenagraffe, die den Mantel an der Schulter hielt, steckte er um eine Kleinigkeit schräger. Die Locken der Perücke strich er weiter aus der Stirn zurück; die Hände erhielten einige Tropfen eines orientalischen Balsams. Er lächelte ein wenig über das Erstaunen der Diener. Und in all dem fremden Tun schlug sein Herz doch rascher und voller, weil all das Ungewohnte für seinen Sohn geschah.

Von der Mittagsstunde an wurden auf den Wällen die Kanonen gelöst. Der königliche Festzug begab sich auf dem im Winter blumenübersäten Wege zum Dom. Der Donner der Kanonen überklang die Glocken, der Wirbel der siebenhundert Trommeln übertönte die Orgel. Den langen Gang vom Tor zum Altar standen die Reihen der Schweizergarde in goldverbrämten Mänteln und straußenfederüberladenen Hüten. Die Trommelstöcke flogen, kaum mehr sichtbar, in ihren Händen. Es war ein unfassbarer Glanz über dem Dom. Von allen Emporen der Kirchenhalle wehten Fahnen. Der Altar baute sich zu einer Kerzenpyramide auf; der Zug der Gäste, zu ihm schreitend, war ein goldener Strom.

Am goldenen Taufbecken auf der obersten Stufe hielt die Ansbacher Brandenburgerin das hohe Knäblein über sie alle empor.

Um seine schwachen Schultern lag der schwere Purpur, auf seinem kleinen Haupte strahlte die Krone, in seine Ärmchen hatte man Zepter und Reichsapfel gedrückt, und über seiner Brust spannte sich das Band des Schwarzen Adlerordens mit dem glänzenden Stern.

Der Wirbel der siebenhundert Trommeln steigerte sich zu immer ehernerem Dröhnen, um plötzlich in fast unheimliche Stille abzubrechen.


Friedrich Wilhelm hörte einen Augenblick das leise Weinen seines Kindes. Aber da sangen die Chöre zu Flöte, Harfe und Orgel, und wenn er sich ein wenig vorneigte, um das blasse, welke Gesicht des Täuflings näher zu sehen, blendete ihn die Fülle der Kerzen.

Das Wasser, mit dem das Kreuz auf die Stirn des Kindes gezeichnet wurde, war aus dem Jordan geschöpft. Die Tropfen verrannen mit den Tränen des Täuflings. Die Ansbacherin musste ihn fester an sich drücken, das zitternde Köpfchen unter der Last der Krone zu stützen. Die Feier sollte noch sehr lange dauern. Gerade war erst der Name gegeben: Fridericus Ludovicus.

Im Taufspruch ließ der sanfte König dem ungebärdigen Kronprinzen eine herbe Zurechtweisung erteilen:

„Denn alle Dinge sind möglich bei Gott –“, ein Bibelwort, vom Hofbischof mit vieler Weisheit auszulegen, mit Sinnbildern, Mahnungen und schönen Allegorien.

Der Kronprinz sah das Haupt seines Kindes, auf dem die Krone festgebunden war, immer wieder nach hinten sinken. Nun hielt eine der Prinzessinnen vom Geblüt den Täufling. Der Kronprinz suchte die Möglichkeit einer Verständigung mit seiner Frau. Die Kronprinzessin hatte ihre Augen fest auf den Prediger gerichtet, ihre Gedanken auf den anschließenden Kirchgang der Wöchnerin sammelnd.

Friedrich Wilhelm bemühte sich, die Aufmerksamkeit seines Vaters auf sich zu ziehen. Doch der König umfasste immer wieder mit weitem und verzücktem Blick das Bild des Prunkes und der Weihe. Nun verhüllten ihn die Fahnen ganz.

In der ersten Reihe der Herren des Hofes stand Graf Gaëtano, hervorgehoben vor allen durch das ihm neu verliehene Band des Schwarzen Adlerordens mit dem strahlenden Stern. Der Kronprinz, von der Krönung des Vaters her der erste Ritter des Ordens, öffnete die Spange, die des eigenen Sternes Schärpe an der Seite zusammenhielt. Er wusste, wenn er sich zum Verlassen des Domes anschickte, würde sie sich lösen und der Orden unter seine Füße fallen.

Wie es dann in der Ordnung des Gratulationszeremoniells möglich war, begriff der Kronprinz nicht. Aber die Ansbacher Brandenburgerin stand plötzlich nahe neben ihm und sagte leise: „Ich sah, dass sich die Spange Ihres Ordensbandes löste.“ Dann küsste sie schon der Kronprinzessin die Stirn und die Wangen.

Erst zwischen Tafel und Ball fand der junge Vater einen Augenblick Zeit, selbst nach dem Kinde zu sehen. Sehr blass lag es in seiner Wiege und schreckte im Schlaf oft zusammen. Friedrich Wilhelm nahm besorgt die schwere Hermelindecke von der Wiege und sah, wie der ganze kleine Körper immer wieder zuckte. Dabei lag doch der Knabe in so tiefer Stille; fast war es zu still.

Die Kinderfrauen hielten sich in einem der Vorräume auf. Der Kronprinz wies sie an, nachts abwechselnd bei dem Prinzen zu wachen und sofort Nachricht zu geben, wenn sie etwas Auffallendes im Verhalten und Zustand des Kindes bemerkten. Auch befragte er sofort einen der erreichbaren Ärzte.

„Er kümmert sich um alles“, rügten die Kinderfrauen streng, als der Kronprinz, den Leuchter in der Hand, sich entfernt hatte.

Auf dem Ball war seine Anwesenheit nicht mehr lange erforderlich. Die königliche Familie zog sich früh zurück. Friedrich Wilhelm konnte sich zeitig zur Ruhe begeben. Es tat ihm not nach einer Nacht, die er nahezu schlaflos über alchimistischen Werken zugebracht hatte. Auch gedachte er am kommenden Tage schon in den ersten Morgenstunden aufzustehen, um sich genauer über die nächsten Pläne des Grafen Gaëtano zu unterrichten und engere Fühlung mit dem königlichen Münzmeister zu suchen, der das Elaborat des Italieners einwandslos als Gold anerkannt hatte.

* * *

Auf dem Ritt zum Münzamt nahm der Kronprinz einen Umweg. Jenseits des Schlosses und Domes Schloss sich an den Lustgarten bald wieder ein hässliches und ärmliches Stadtviertel an, das der König und sein Hof allerdings bei ihren Ausfahrten niemals zu berühren pflegten. Die Winkel und Gassen dort im alten Kölln waren auch nur noch wert, zu verfallen und vergessen zu werden.

Aber noch lebten Menschen in ihnen, für die keine bessere Wohnstatt bereit war. Der Kronprinz fasste jede Einzelheit ins Auge; jeden umgebrochenen Zaun; jede windschief hängende Tür; die vom Sturm zerrauften, von der Feuchtigkeit und Kälte modernden Strohdächer; die schmutzigen Kinder, die sich an dem frostigen Morgen draußen umhertrieben, zaghaft zu dem vornehmen Reiter aufsahen und ihn ängstlich, darum nicht minder beharrlich anbettelten.

Ein hochgewachsener junger Mann hämmerte trotz des eisigen Nordwindes an einem Fensterladen herum, der, locker und gesprungen, in den Angeln knarrte; er suchte den breiten riss im Holz mit einer Latte zu übernageln. Aber bei jedem Hammerschlag splitterte der Sprung nur weiter. Als der Mann den Reiter anhalten sah, legte er sein Handwerkszeug auf den Fenstersims, ging ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.

Friedrich Wilhelm sprang vom Pferde und schritt dem jungen Menschen rasch nach. Der öffnete nur zögernd die Tür.

„Warum hat Er seine Arbeit abgebrochen?“ fragte der Kronprinz unvermittelt.

„Weil das Holz keinen Nagel mehr hält.“ Die Antwort schien jede weitere Frage abzuschneiden.

Der Kronprinz blieb hartnäckig und fuhr fort: „Warum müht Er sich heute überhaupt mit derlei Dingen? Weiß Er nicht, dass dieser Tag noch für die Tauffeierlichkeiten auf dem Schloss bestimmt ist?“

Der junge Mann machte kein Hehl daraus, dass er die Hoheit erkannt hatte. Ohne jede Befangenheit, doch mit viel Bitterkeit sprach er weiter.

„Warum sind der Herr Kronprinz um diese Stunde hier?“

Er beschrieb am Fenster einen weiten Bogen um die armen Hütten und verkommenen Wege. „Hier ist kein Fest. Die Feiern sind drüben hinter dem Lustgarten.“

Der Kronprinz knöpfte an seinen Reithandschuhen. „Hör Er, die Feste werden auch hier bald beginnen. Eine neue und herrliche Stadt wird auch hier bald entstehen. Es gibt ja nun Gold.“

Der junge Mann zeigte sich vollkommen unterrichtet.

„Ja, Herr Kronprinz, Preußens letztes Gold in des Generalmajors Graf Gaëtano Tasche.“

Jetzt prägte Friedrich Wilhelm sich das Gesicht des Mannes genau ein. Seine Züge waren klar und klug. Aber die junge Hoheit sagte: „Er ist sehr kühn. Warum traut Er elender Untertan nicht dem, was seines höchsten Herrn und Königs heißester Glaube ist?“

„Weil Graf Gaëtano sich gestern nach der Tafel von des Königs Majestät fünfzigtausend Taler zusichern ließ für die neue Goldbrauerei.“ Der junge Mensch beschrieb wieder einen Halbkreis um die Elendshütten vor dem Fenster. „Fünfzigtausend Taler, Kronprinzliche Gnaden.“

„Was schließt Er daraus?“ Friedrich Wilhelm ließ sich auf den Holzschemel nieder, den der andere ihm blank gewischt hatte. Er riss seinen Mantel auf.

„Dass es mit den Künsten des Goldmachers nicht stimmen kann, Euer Gnaden. Wie könnte er sonst in Geldverlegenheiten sein.“

Der Kronprinz bezwang seine Unruhe. Er gab sich sehr kühl. „Woher hat Er Botschaft, was an der königlichen Tafel gesprochen wird?“

Die Bitterkeit in der Antwort des Mannes war größer als der Stolz seines Ausdruckes. „Ich habe nur zum Freunde, wer mir und meinesgleichen helfen kann. Die königlichen Küchenjungen können unsereinem schon gute Freundschaftsdienste leisten, wenn sie nur den Herren Tafellakaien öfter ein wenig gefällig sind. Freilich, manchmal wollen sie mehr sagen, als sie wissen. Dann muss man sorgfältig sondern; denn die Küchenjungen tun nun auch noch ihr Teil dazu.“

Er lächelte flüchtig. Friedrich Wilhelm sah ihn von der Seite an, den Knopf der Reitpeitsche an den Mund gelegt. Der junge Mann wartete keinen Einwurf ab. Mit einer hastigen Wendung zu der Hoheit hin rief er hell, fast scharf: „Aber hier ist nichts übertrieben. Aber hier ist alles wahr, Euer Gnaden.“

„Trotz Küchenjungen- und Tafellakaiengeschwätz“, fiel der Kronprinz ein und hatte eine tiefe Falte zwischen den Brauen, „- das ist wahr.“

Er streifte die Handschuhe über. „Wie heißt Er?“

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