Kitabı oku: «Ehre und Macht», sayfa 3

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„Da hinein!“ Falk drängte Krystina in den engen Spalt zwischen zwei Häusern, deren Dächer sich über die Wände beängstigend nach vorn wölbten und so eine Art Tunnel zwischen den Gebäuden bildeten. Am Ende der Gasse stießen sie auf ein Tor. Doch als sie sich dagegenlehnten, gab es zu Falks Verzweiflung nicht nach.

„Verdammt“, fluchte er leise. „Ich hätte schwören können, dass es hier zum Stadtgraben geht. Mit diesem blöden Tor habe ich nicht gerechnet.“

„Und was ist, wenn wir den Graben erreicht haben? Ich kann nicht schwimmen“, sagte Krystina mit ängstlicher Stimme. „Außerdem scheinen wir hier sowieso nicht weiterzukommen“, fuhr sie resigniert fort.

„Wir müssen zurück. Es bleibt uns nichts weiter übrig.“ Falk zuckte bedauernd mit den Schultern. Da öffnete sich wie von Geisterhand neben ihnen eine kleine Tür, die sie in dem verwitterten Holz des alten Hauses gar nicht bemerkt hatten. Eine hier im Dunkeln der Gasse nur schattenhaft auszumachende Gestalt winkte ihnen und raunte ihnen zu, hereinzukommen. Falk zögerte, denn was, wenn diese Person ihnen eine Falle stellen wollte? Da hörte er von Ferne das Geschrei der Waffenknechte des Gaugrafen vermischt mit Hufgetrappel, das ihm zeigte, dass Miro von Louny bereits Jagd nach ihnen machte.

„Kommt“, sagte er und zog Krystina mit sich. Kaum waren sie eingetreten, schloss sich die Tür nach ihnen wieder und es umgab sie vollkommene Finsternis.

„Keine Angst“, flüsterte jemand hinter ihnen. „Ich will nur sichergehen, dass die Tür richtig verschlossen ist, bevor ich Licht mache, damit auch ja kein Schein nach draußen dringt.“

Nach wenigen Augenblicken drängte sich die Gestalt in dem engen Gang an ihnen vorbei. Plötzlich wurde es heller, denn ihr Retter hatte eine weitere kleine Tür geöffnet, die in einen Garten hinter dem Haus führte.

„Hier entlang“, flüsterte er, und nun sahen sie, dass es sich um einen jungen Burschen handelte, der kaum dem Kindesalter entwachsen war.

„Wer bist du?“, fragte Falk. „Und wieso verhilfst du uns zur Flucht?“ Falk sah ihn verständnislos an. „Ist es eine Falle, in die wir gelaufen sind? Wirst du uns dem Gaugrafen ausliefern? Dann sei gewiss, dass ich unser Leben so teuer wie möglich verkaufen werde.“ Falk sah den jungen Kerl finster an.

„Nein, nein, Herr, keine Bange“, beschwichtigte der Junge den Ritter. „Ich war heute auf dem Marktplatz und habe miterlebt, wie Eure junge Frau um Euer Leben gebettelt hat. Nun ist es aber so, dass ich weiß, wer sie ist.“ Falk hörte Krystina hinter sich entsetzt aufkeuchen.

„Keine Sorge, ich habe meine Gründe, Euch zu helfen. Ich werde Euch nicht verraten. Euch, Herr Ritter, kenne ich nur vom Hörensagen. Und glaubt mir, das wäre mir Grund genug gewesen, nichts für Eure Rettung zu tun. Aber die Frau kenne ich wohl.“

Nun war Krystina neugierig geworden und sie lugte hinter dem Rücken Falks hervor, um den jungen Mann genauer in Augenschein zu nehmen. Sie kannte ihn, ohne Zweifel. Dennoch wusste sie nicht, wo sie ihn hinstecken sollte, so sehr sie auch ihr Gedächtnis durchforstete.

Der Bursche schaute Krystina an. „Ich bin Andris, Herrin. Ihr habt einmal meiner Mutter geholfen, als man sie beschuldigte, dass sie die Kuh des Bauern Karel verhext hätte. Ihr habt damals bezeugt, dass die Kuh weniger Milch gibt, da sie ein Kälbchen säugen musste.“

Jetzt konnte sich Krystina wieder erinnern. Sie hatte damals den Jungen in einer Ecke des Saales sitzend gefunden, wie er bitterlich weinte. Auf ihre Frage, was ihm zugestoßen sei, erzählte er ihr von der Anschuldigung des Bauern Karel, seine Mutter hätte die beste Kuh in dessen Stall verhext. Krystina tat der Junge leid, und sie erkundigte sich nach dieser Sache. Auch glaubte sie nicht an solche Dinge wie Zauberei und Hexenflüche. Doch die Mutter des Jungen war eine hübsche Frau, die mit Sicherheit nur die Begehrlichkeit des Bauern, der seit einem Jahr Witwer war, geweckt hatte. Sie weigerte sich, sein Weib zu werden, denn der Kerl war als gewalttätig und ungerecht bekannt. Krystinas Onkel, der selbst ein Auge auf seine Magd geworfen hatte, erteilte Karel eine Abfuhr und beschied ihm, sich woanders ein neues Weib zu suchen. Der Bauer rächte sich und erfand die Geschichte von der verhexten Kuh. Doch Krystina kam ihm auf die Schliche und berichtete ihrem Onkel davon. Dieser ahnte bereits, dass der Bauer gelogen hatte, um der Frau eines auszuwischen und jagte ihn aus dem Dorf, nicht ohne vorher dessen Besitz seinem eigenen hinzugefügt zu haben. Doch seit diesem Vorfall war der Junge ihr glühendster Verehrer geworden.

„Wieso bist du hier, Andris?“, frage Krystina verwundert.

„Ich war gerade in der Stadt, um einen Auftrag für die Köchin zu erledigen, welche frische Rüben vom Markt brauchte. Da sah ich den Tumult auf dem Richtplatz.“ Er warf Falk einen abschätzenden Blick zu. „Ich wurde neugierig und drängte mich durch die johlenden Massen, wollte ich doch sehen, was da vor sich ging.“ Andris hob die Hände und vollführte eine Geste des Unglaubens. „Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, Herrin. Ihr standet da und flehtet um das Leben dieses Mannes hier. Das konnte nicht gut ausgehen. Miro von Louny ist als kaltherzig und unnachgiebig bekannt.“

„Wie du siehst, ist es gut ausgegangen“, warf Falk dazwischen. „Wir sind jetzt verheiratet.“ Er verzog etwas das Gesicht, was dem Jungen nicht entging.

„So würde ich das nicht sagen, Herr“, konterte Andris respektlos. „Krystina von Hauenstejn ist jetzt die Frau eines gesetzlosen Ritters und auf der Flucht vor den Häschern des Gaugrafen, die sicher nicht lange fackeln, wenn es darum geht, sie gemeinsam mit Euch zu fangen. Und der Himmel allein weiß, ob ihr dann nicht noch Schlimmeres widerfährt als der Tod.“ Andris schaute den Ritter herausfordernd an.

„Du bist ganz schön vorlaut für den Sohn einer Magd“, bemerkte Falk erstaunt.

„Falk, bitte, seid ihm nicht böse. Er ist ein guter Junge und sorgt sich sicher nur um mich“, versuchte Krystina zwischen den beiden zu vermitteln. „Nein, Andris, ich meinte, wieso bist du hier in Louny. Ich wähnte dich auf Hauenstejn.“

„Das ist eine eher traurige Geschichte, Herrin. Die werde ich euch wohl ein anderes Mal erzählen müssen. Nur soviel, der Herr von Hauenstejn hat meine Mutter und mich an den Gaugrafen verkauft, als er ihrer überdrüssig wurde.“ Ein wehmütiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Doch wie Ihr seht, hat alles seine Richtigkeit, sonst könnte ich Euch heute nicht helfen“, fuhr er voller Zuversicht fort.

Obwohl Krystina noch viele Fragen auf der Zunge lagen, beherrschte sie sich und fragte stattdessen: „Und was machst du hier in diesem Haus?“

„Ja, diese Frage kam mir auch gerade in den Sinn, Bürschchen“, meldete sich Falk wieder zu Wort.

„Als ihr auf dem Marktplatz davongeführt wurdet, bin ich hinter den Waffenknechten hergeschlichen. Ich wollte wissen, was mit Euch geschieht. Dann sah ich den Pfaffen und dachte mir, dass er Euch sicher trauen würde. Ich lag ja dann auch nicht so daneben mit meiner Vermutung.“ Andris grinste und seine Augen strahlten vor Freude.

„Das erklärt immer noch nicht, wie du hierhergekommen bist“, warf Falk ein.

„Ich habe einen Freund in der Stadt, der mit seinem Großvater, dem Flickschuster Johan, in dieser Gasse wohnt. Vom ihm wusste ich, dass durch dieses Haus hier, das einmal der Witwe Maret gehörte, ein Gang zum Stadtgraben geht. Das Haus steht seit ihrem Tod im letzten Jahr leer und wir verstecken uns oft hier, um ungestört zu sein.“ Falk hob etwas irritiert die Augenbrauen.

„Der Gaugraf sieht es nicht gern, wenn seine Bediensteten Umgang mit den Leuten aus der Stadt haben“, ergänzte Andris, als er Falks Blick auffing. „Er kennt mich zwar nicht persönlich, aber man weiß nie, wer es ihm zutragen könnte. Ich will nicht unbedingt seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.“

Falk war sprachlos angesichts der unbekümmerten, respektlosen Art des Jungen.

„Als ihr dann aus dem Stadtverlies gekommen und losgerannt seid, bin ich Euch gefolgt. Und als hätte der liebe Gott es gewusst“, Andris machte das Zeichen des Kreuzes, „hat er Euch in diese Gasse geführt. Natürlich dachte ich mir, dass das Tor da hinten versperrt sein würde. Den Schlüssel dazu hat der Stadtwächter, damit keine unliebsamen Gesellen unbemerkt von draußen hereinkommen.“

„Aber, wenn am Ende dieser Gasse der Stadtgraben ist, wieso ist dort ein verschlossenes Tor?“, fragte Krystina.

„Weil dort auch die Anlegestelle für das einzige Boot ist, was über den Graben führt“, erklärte ihr Falk. „Deshalb bin ich in diese vermaledeite Gasse gerannt.“

„Ja“, bestätigte Andris. „Und hinter jedem Haus hier ist ein kleiner Garten, der an den Graben führt. Das Haus der Witwe ist das erste neben dem Anlegesteg.“

„Und was ist, wenn die Häscher des Grafen auf der anderen Seite des Grabens auf uns warten?“, fragte Krystina besorgt.

„Sie wissen nicht, dass wir diesen Weg genommen haben, da sie ja davon ausgehen dürften, dass dieses Tor fest verschlossen ist. Also wird niemand auf die Idee kommen, dass wir mit dem Boot übersetzen“, sagte Falk mit mehr Überzeugung in der Stimme als in seinem Inneren.

„Ich rate Euch, den Tag hier zu verbringen und zu warten, bis die Dunkelheit hereingebrochen ist. Ich kenne hier jeden Zentimeter des Bodens, bin ich doch selbst schon oft mit dem Kahn übergesetzt. Ich werde Euch aus der Stadt geleiten. Jetzt am helllichten Tag ist es viel zu gefährlich.“

„Ich gebe zu, dass du Recht hast, Junge. Sicher suchen sie bereits im Wald vor der Stadt nach uns. Wenn sie uns nicht finden, werden sie denken, wir sind schon über alle Berge oder noch in der Stadt. Wollen wir hoffen, dass sie nicht alle Häuser durchkämmen.“

„Das müsst Ihr riskieren. Eine andere Chance habt Ihr nicht“, gab Andris zu Bedenken.

„Also warten wir hier“, sagte Falk, der bitteren Realität ins Auge sehend.

„Geht ins Haus, ich werde Euch etwas zu essen besorgen“, forderte Andris die beiden auf.

„Aber lass dich nicht erwischen“, riet ihm Falk.

„Keine Sorge.“ Damit verschwand Andris durch dieselbe Tür, durch die sie vorher hier hereingekommen waren und ließ sie allein zurück.

„Wir werden ihm vertrauen müssen“, bemerkte Falk und konnte seine Skepsis nicht ganz verbergen.

„Ich vertraue ihm“, sagte Krystina. „Was bleibt uns auch anderes übrig. Wir haben keine Wahl. Hoffen wir, dass Gott auf unserer Seite ist.“ Sie ließ sich auf der kleinen Bank direkt neben dem Hintereingang nieder. Diese war vom Wildwuchs des Gartens so verdeckt, dass sie keiner von außerhalb sehen konnte.

„Auf Eurer Seite vielleicht. Bei mir bin ich da nicht so sicher“, sagte Falk mehr zu sich selbst als zu Krystina. Dann setze er sich zu ihr. „Vielleicht solltet Ihr die Gelegenheit nutzen und mir erzählen, wieso ihr vorgegeben habt, mich zu kennen.“

„Ja, das bin ich Euch schuldig, jetzt, wo wir Mann und Frau sind.“

„Nun, zumindest gebunden durch das Wort des Priesters“, warf Falk trocken ein. Krystina wusste genau, was er meinte und es lief ihr ein Schauer über den Rücken. Doch hatte sie keine Angst vor ihrem Gemahl, eher war es die Sehnsucht danach, zu ihm zu gehören und ihm zu gefallen. Die Vorstellung davon, dass sie wirklich ein richtiges Paar würden, sandte ihr Wellen der Erregung durch den Körper. Doch wollte sie wirklich an der Seite dieses Mannes bleiben, musste sie ihm endlich erzählen, wieso sie ihn kannte.

„Erinnert Ihr Euch an die junge Frau, deren Leben Ihr einst zu retten versuchtet?“, fragte Krystina nach einem Moment des Schweigens. Falk zuckte unvermittelt zusammen. Sie konnte doch unmöglich ... Nein, das ergab keinen Sinn. Sie war damals ja vielleicht noch nicht einmal geboren.

„Sie war meine Mutter“, fuhr Krystina fort, als hätte sie Falks Reaktion gar nicht bemerkt. „Ich war damals noch ein Säugling. Natürlich wusste ich lange Jahre nichts von den Vorfällen, bis ich in das Haus Eures Onkels kam.“

Falk sah sie verständnislos an.

„Es war ungefähr vor fünf Jahren, da schickte mich mein Onkel zu Friedrich von Chomotau, damit ich als Dame seiner Frau meine Ausbildung vervollständigen konnte. Er hatte ehrgeizige Pläne mit mir und wollte mich vorteilhaft verheiraten. Zu seinem Vorteil, versteht sich.“ Krystina stieß ein bitteres, kurzes Lachen aus.

„Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Falk etwas bissig. Er hatte wahrlich keine Lust, sich jetzt mit den Gespenstern der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Zu viele Jahre waren seitdem vergangen und es war ihm gelungen, die Ereignisse jener Zeit erfolgreich zu verdrängen. Bis Krystina auftauchte.

Nein. Die furchtbaren Erlebnisse aus seiner Kindheit, genauer aus seiner Knappenzeit hier in Louny, hatten ihn letzte Woche schon wieder eingeholt, als er in die Hände des Gaugrafen gefallen war. Aber das ausgerechnet Krystina Teil dieser Sache sein sollte, schockierte ihn umso mehr, da sie jetzt auf wirklich wundersame Weise seine Frau geworden war. Noch hatten sie die Ehe nicht vollzogen. Aber der vor dem Angesicht Gottes gegebene Eid, sie zu beschützen, bis dass der Tod sie schied, war für ihn keine Floskel, durch die er sein Leben retten konnte. Er war es diesem Mädchen schuldig, auch ihre Beweggründe anzuhören. Und wenn sie gewillt war, bei ihm zu bleiben, würde er sie mit zurück in die Mark Meißen nehmen und ihr einen Platz als seine rechtmäßige Ehefrau einräumen. Eigentlich hatte er nie vorgehabt, zu heiraten. Aber nun wollte es das Schicksal anders, und er musste sehen, wie er damit zurechtkam.

„Ich war auf dem Weg in die Kemenate, da sah ich Euch eines Nachmittags in der Halle stehen, als ihr gerade mit eurem Cousin von der Jagd zurückgekommen wart. Ihr gabt Euch fröhlich und ausgelassen. Aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass diese Fröhlichkeit nicht von innen herauskam, sondern nur aufgesetzt war, wie um vor den anderen Eure wahren Gefühle zu verbergen.“ Krystina sah ihn fragend an, als erwartete sie eine Bestätigung ihrer Worte.

„Außerdem hat mir gefallen, was ich sah.“ Sie zögerte kurz und eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht. Falk gab einen belustigten Laut von sich.

„Nun, ich war jung, in einem Alter, in dem Mädchen träumen und schnell ins Schwärmen geraten.“ Sie lächelte. „Ich fragte die Frau Eures Onkels, wer Ihr seid und sie sagte mir, dass Ihr der Neffe Friedrichs wäret, Falk von Schellenberg.“

„Und dieser Name sagte Euch etwas“, stellte er fest.

„Ja, ich hatte von meinem Onkel bereits von Euch gehört. Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, fragte ich ihn einmal, was mit meinen Eltern geschehen wäre und wieso ich bei ihm aufwachsen würde. Ich schien damit einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn zunächst wehrte er mich unwirsch ab und meinte, das sei nicht von Belang. Doch dann überlegte er es sich anders und erzählte mir, dass seine Schwester sich mit Radic von Trebenice, einem Ritter des Gaugrafen Boheslav, eingelassen hatte, als dieser zu einer Jagd mit seinen Männern auf Schloss Hauenstejn weilte. Sie wurde bald darauf mit mir schwanger. Mein Onkel war ihr Vormund und zwang sie in eine Ehe mit dem landlosen Ritter. Der Gaugraf gab sein Einverständnis unter der Bedingung, dass beide in Louny lebten, da er nicht auf seinen Gefolgsmann verzichten wollte. Dann starb mein Vater unter ungeklärten Umständen. Niemand ging der Sache nach. Mein Vater war ein entfernter Verwandter des Voyk von Trebenice, der ohne männliche Nachkommen gestorben war. Danach ging das Land in den Besitz des Prager Bischofs über. Doch mein Onkel weigerte sich, seine Schwester wieder bei sich aufzunehmen. Sie blieb auf Louny und war fortan den Schikanen des Gaugrafen ausgesetzt, der in ihr nur eine Dirne sah.“

Krystina verfiel in düsteres Schweigen. Nach einer Weile berührte Falk sie leicht am Arm. Sie zuckte erschrocken zusammen.

„Und dann? Ihr wart ein Kind, was ist aus Euch geworden nach dem Tod Eurer Mutter?“, fragte er, wohl ahnend, dass es sich bei ihrer Mutter um jene Frau handelte, deren Leben er als Knappe zu retten versucht hatte.

„Wer meine Mutter war und dass sie auf grausame Weise starb, wisst Ihr wohl“, bestätigte sie seine Überlegungen.

„Ja, auch wenn ich nicht gern daran erinnert werde“ Er machte eine kurze Pause. „Ihr habt die Augen Eurer Mutter.“

Krystina lächelte verhalten. „Auch, dass der Gaugraf unmittelbar darauf ermordet wurde, ist Euch bekannt, denn Ihr wart dabei.“ Sie schaute Falk wissend an, doch er zeigte keine Regung. „Mein Onkel hat mir erzählt, dass ein junger Knappe namens Falk von Schellenberg meine Mutter vor den Übergriffen der Ritter auf Louny schützen wollte, doch der Graf ihn gewaltsam daran gehindert hat.“

„So kann man es auch sehen“, antwortet Falk kurz, ohne sich zu weiteren Erklärungen herabzulassen. Als er nicht weitersprach, fuhr Krystina in ihrem Bericht fort.

„Später in Chomotau erfuhr ich also, dass Ihr der Neffe des dortigen Herrn wart. Ich verblieb allerdings noch fünf Jahre in Louny in der Obhut der alten Schließerin Hilda. Die war zu Zeiten des alten Gaugrafen auch Köchin gewesen. Ein Beamter des böhmischen Herzogs Ottokar verwaltete die Burg. Der Sohn Boheslavs trieb sich irgendwo im Heiligen Land im Umfeld des Kaisers herum, wohin ihn sein Vater geschickt hatte, damit sich die Kirche zufriedengab. Es waren einige wenige Leute dortgeblieben, ein paar Waffenknechte und zwei, drei Mägde, die sich um die Burg kümmerten. Eines Tages kamen Reiter in die Burg und fragten nach der Tochter Gidas von Trebenice. Zunächst wusste keiner, wo solch ein Kind sein sollte, keiner kannte eine Frau dieses Namens und die Reiter zogen wieder von dannen. Aber als Hilda kurz darauf davon erfuhr, schickte sie einen der Waffenknechte nach Hauenstejn und ließ dem Herrn dort die Nachricht überbringen, dass sich ein fünfjähriges Mädchen auf der Burg befände, dass das gesuchte Kind sein könnte. So genau wusste sie nicht, ob meine Mutter auch wirklich die Schwester Kaspars von Hauenstejn war. Und so kam ich in den Haushalt meines Onkels, in dem ich zehn Jahre verblieb. Er gab mir seinen Namen - wohl um sein Gewissen zu beruhigen - und meine Eltern gerieten in Vergessenheit.“ Krystina verstummte.

„Aber erklärt mir, warum Ihr nach Louny gekommen seid, um mich vor dem Tod zu retten? Das ergibt für mich keinen Sinn.“

„Nun, wie ich schon sagte, Ihr wart mir aufgefallen an jenem Nachmittag und ich musste immer wieder an Euch denken, hatte aber nie Gelegenheit, mit Euch zu sprechen. Gewiss sahen wir uns hin und wieder an der Tafel des Herrn, doch Ihr habt mich nicht beachtet. Wieso auch, war ich doch nur ein kleines unscheinbares Mädchen.“ Krystina machte eine Pause, aber Falk ging nicht auf ihre Worte ein.

„Ich wollte Euch so gerne danken. Doch ich fand nie den Mut, Euch unaufgefordert anzusprechen.“ Sie schmunzelte. „Vor einigen Tagen gab es großen Aufruhr auf der Burg in Chomotau. Ein Bote hatte Euren Onkel davon unterrichtet, dass der Gaugraf von Louny Euch gefangen hält. Es war die Rede davon, dass ihr einen Kaufmann erschlagen hättet. Auch, dass Ihr schon länger Euer Unwesen als Raubritter in der Gegend treiben würdet. Nun, letzteres hatte ich schon öfters vernommen, doch Euer Onkel meinte immer, es wäre üble Nachrede.“

„Er hatte schon immer eine viel zu hohe Meinung von mir“, warf Falk trocken dazwischen. „Aber den Kaufmann habe ich in der Tat nicht hinterrücks erschlagen. Es war reine Notwehr.“

Als er zu dieser Sache keine weiteren Erklärungen abgab, fuhr sie fort: „Nun, wie auch immer. Ich sah meine Chance gekommen, mich zu revanchieren, dafür, dass Ihr als einziger damals meiner Mutter helfen wolltet. Und so schloss ich mich einem fahrenden Händler an, der gerade auf der Burg seine Ware feilbot. Ich gab ihm einen Ring, das einzige, was ich an Wertvollem besaß, und er war bereit, mich mit nach Louny zu nehmen. Ich verkleidete mich, so dass mich niemand als Frau von Stand erkennen konnte. Als wir in Louny ankamen, hörte ich schon von weitem das Geschrei auf dem Marktplatz. Als ich näherkam, sah ich Euch da oben auf dem Blutgerüst. Ursprünglich wollte ich zum Gaugrafen gehen und um Euer Leben bitten. Aber dazu war es nun zu spät und ich fasste spontan den Entschluss, mich als einfaches Bauernmädchen auszugeben, dass seinen Liebsten retten will. Den Rest der Geschichte kennt Ihr ja.“

Falk war zu erschüttert von der Erzählung Krystinas, dass er zunächst nicht wusste, was er antworten sollte. Es gab nicht so leicht etwas, was ihn aus der Fassung bringen konnte. Doch, dass ein Mensch sich für ihn einsetzte, kam nicht sehr oft vor. Er hatte zu niemandem eine engere Beziehung, auch nicht zu seinem Onkel. Die einzige Person auf der Welt, die er über alles liebte, war seine Schwester Tyra. Und diese hatte er bitter enttäuscht, so dass sie sich von ihm abgewandt hatte.

Friedrich von Chomotau stand unentschlossen vor dem Haus des Gaugrafen. Miro von Louny hatte ihn regelrecht abblitzen lassen. Er spielte seine Macht als Vertreter der böhmischen Krone auf ganzer Linie aus. Am Vormittag war Falks Onkel der Zutritt zum Stadtverlies verwehrt worden. Daraufhin hatte Friedrich versucht, den Gaugrafen dazu zu bewegen, seine unsinnige Hatz auf Falk aufzugeben. Doch war er auf taube Ohren gestoßen. Miro sah das Recht auf seiner Seite. Er empfahl Friedrich, zurück nach Chomotau zu reiten. Doch in seiner Stimme schwang eine versteckte Drohung mit, und Friedrich war davon überzeugt, dass der Gaugraf beim böhmischen König gegen ihn Stimmung machen würde, falls er sich bei Ottokar beschwerte.

Friedrich wandte sich seinem Pferd zu, das er an dem dafür vorgesehenen Ring in der Mauer des Hauses festgebunden hatte. Schweren Herzens stieg er auf und ritt langsam in Richtung des Stadttores. Er musste die Pläne Miros unbedingt vereiteln.

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