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Kitabı oku: «Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band», sayfa 15

Yazı tipi:

Letzter Potpourri

Die
Tapetenwand,
ein superfeines Lustspiel
nach
Duchrest Genlis
Personen

Die Marquise.

Die Gräfin.

Der Chevalier.

Sophie, der Gräfin Nichte.

Düpré, ihr Kammerdiener.

Szene: Paris. Das Theater ein kleiner Saal

Erste Szene

Marquise. Dupré

Dupré. Wärs gefällig hier zu verziehn —

Marquise. Wie, Dupré, gehört dies Zimmer nicht der Gräfin?

Dupré. Ihrer Nichte, und Madame bittet —

Marquise. Nach sechs Monaten erwarte ich kaum den Augenblick sie wiederzusehn. Sie theilt meine Ungeduld eben nicht.

Dupré. Sie verkennen die Gräfin. O sie hat Ihnen so viel zu sagen. Doch heute Abend giebt sie Gesellschaft, vierzig Fremde umringen sie, wie es nur möglich ist abzukommen, erscheint sie hier sogleich – einstweilen hab ich die Vollmacht, sie in die Intrigue zu weihen, die eben vorbereitet wird – wenn Madame es nämlich wünschen.

Marquise. Welche Intrigue?

Dupré. Sie ist neu, zartgesponnen, einzig!

Marquise. Ei ei!

Dupré. So viel Sinn wie Laune darin.

Marquise. Zur Sache.

Dupré. Denken sie an keine Alltäglichkeiten. Spannen sie immer die Erwartung.

Marquise. (setzt sich.) Ich nehme Platz. Dupré, wie ich mich entsinne, ist nicht ohne Verstand, nicht ohne guten Vortrag, aber ohne lakonische Kürze.

Dupré. Wie sie befehlen. Ich fange mit einem Gemälde der Gräfin an.

Marquise. Funfzehn Jahr bin ich ihre Freundin.

Dupré. Ah – ich siebzehn Jahr ihr Kammerdiener, ich wage zu behaupten – Siegelbewahrer ihrer Geheimnisse – das dringt weiter, wie die Freundschaft. Auch ist mir eine treue Zeichnung gestattet, denn nur holde Züge vermag ich darzustellen. Sie ist so gut, es wird so leicht ihr zu gehorchen – o mit diesem edelmüthigen Sinn, dieser ächten Würde, der noch kein Leumund zu nahen wagte – diesen Talenten, dieser Schönheit – es stände nur bei ihr, die vier oder fünfunddreißig Jahre zu verläugnen, denn wer sie sieht, glaubte wohl daran —

Marquise. Vier oder fünfunddreißig – wirklich schon?

Dupré. Ja ja! – da waren sie bereits nicht genau unterrichtet. Einen Fehler aber, einen hat die Gräfin – den Frohsinn!

Marquise. Grade dadurch erscheint sie so liebenswürdig, ihre Unterhaltung empfängt so viel Würze —

Dupré. Zu viel Madame, zu viel! Mit Kummer habe ich es oft gesagt. Sie giebt dem Frohsinn, dem gesellschaftlichen Vergnügen, zu freien Spielraum, darum wird so manche kleine Unbesonnenheit ihr Vorwurf. Der verstorbne Graf war unerträglich. Sie hinterging ihn nicht nein, aber sie hatte ihn zum Besten, immer Mißverständnisse, Entzweiung. Nun immer noch dieselbe. Kömmt es darauf an, jemand in Verlegenheit zu bringen – o wenn sie nur lachen kann; sie spielt mit fremder Ruhe, ihr Witz verwundet; ein Leichtsinn dazu, als zählte sie funfzehn Jahre. Es ist furchtbar!

Marquise. Furchtbar, der richtige Ausdruck – doch zur Sache —

Dupré. Eine kleine Geduld, ich muß noch zwei andere Gemälde —

Marquise. Aber —

Dupré. Von Personen, welche sie nie sahen. Der Chevalier von Blancé. —

Marquise. Wohl kenn ich ihn.

Dupré. Empfing ihn die Gräfin —

Marquise. Zwei oder drei Monat vor meiner Abreise.

Dupré. Achtundzwanzig Jahr, den Ruf eines Wildfangs. Madame wollte erst keine jungen Leute bei sich sehn, doch sie traf sich irgendwo mit ihm, fand ihn drollig, lachte, er hatte Eingang. Da spielt er nun Sprüchworte, macht den Erzähler, den Dilettanten der Musik, den – Verliebten. Madame lacht, sie lacht, aber ich wiederhole ihr mein: zu viel Frohsinn! – Doch hat sie eine Schwester in der Provinz.

Marquise. Und diese eine verheirathete Tochter —

Dupré. Sophie – nach einem Jahre wurde sie Wittwe, und verlor bald darauf auch ihre Mutter —

Marquise. Das alles weiß ich, die junge Person ist ohne Vermögen.

Dupré. Die Gräfin denkt sie an Kindesstatt zu nehmen – nun, es ist ihre Nichte, seit vier Monaten bewohnt sie dies Zimmer.

Marquise. Sie ist schön?

Dupré. Ein Engel! Eine Form, eine Blüthe, eine Harmonie der Bewegung, Madame – und siebzehn Jahr! Wie sie nun ankam, gings an ein Entwickeln, Bilden, Verfeinern; Ballettänzer, Opernsänger als Lehrer; dann Toiletten, Schmuck, Federn; kurz der Gräfin Puppe. Die Kleine schreitet zum Verwundern fort, so hold, so liebenswürdig – Frohsinn wird man eben an ihr nicht inne, aber Gefühl, Gefühl! – Madame wollte sie wieder vermählen, ausstatten —

Marquise. Daran erkenn ich ihre Güte.

Dupré. Aber das kleine Herz traf eine Wahl, ganz für sich, ohne mit Jemand zu berathen. Wir hatten ihr einen Mann gesucht – vertraulich, nicht flatterhaft, an Jahren reif – nein, nein, nein, nein! sie mögte. —

Marquise. Den Chevalier?

Dupré. Ja wohl!

Marquise. Und er —

Dupré. Ich gebe mein Wort, bis zum Wahnsinn! Aber diesem Ritter gnügt nicht ein Roman, der Tempel seiner Phantasie ist weit genug, um die Altäre von mehr als einer Geliebten darin zu erbauen. Immer die zärtliche, bald schmachtende, bald ungestüme, Aufmerksamkeit für Madame. Die Leidenschaft für die Nichte, hebt den Geschmack für die Tante nicht auf.

Marquise. Das ist ja ganz – und was hofft er?

Dupré. Wohnt in solchen Köpfen Urtheil? Madame unterhält, ergötzt, entzückt ihn, Sophie rührt ihn sanft, still, tief, innig; abwechselnd kostet er die Wonne der verschiedenen Eindrücke. Uebrigens bringt er sich in keinen zu bescheidenen Anschlag. Er glaubt an eine heftige Empfindung bei Madame. Einmal schmeichelt sie, dann gebührt ihr Schonung. Die Gräfin darf das Gefühl für Sophien nicht entdecken. Das Geheimniß wird ihr sorgsam verschleiert; die Zeit, hofft er, wird den Augenblick herbeiführen, wo man es ohne Gefahr entdecken kann. Bis dahin liebt er, wird geliebt, freut sich der Wonne zu gefallen, der erobernden Triumphe, kützelt sein Selbstgefühl durch das Bewußtsein einer feinen Schlauheit.

Marquise. Ahnt die Gräfin? —

Dupré. Sie weiß, von mir. Hier ist die Geschichte: Der Chevalier ward gegen mich artig, verbindlich – Mein lieber, mein guter Dupré – Bisweilen ein klein Geschenk. Ah, ein Plan! dacht ich. Madame lachte gar sehr, glaubte Bezug auf sich, gebot, ich sollte dem Ritter mein Ohr leihen. Ich bereite ihm Gelegenheit – aufmunternde Winke – er vertraut mir – vertraut mir – die Liebe zu Sophien.

Marquise. Und wozu?

Dupré. Sie erriethen es kaum. Sehn sie diese falsche Thür?

Marquise. Nun?

Dupré. Diese Tapetenwand trennt den Saal von einer Kammer, die an mein Zimmer stößt. Der Saal gehört Sophien. Sie wollte den Chevalier nicht bei sich sehn, man verbarg der Tante – dann der Ton – endlich ward man Eins, nach dem Souper sich durch die Tapeten zu unterhalten, Sophie im Saal, der Liebhaber in jener Kammer, die übrigens keine Verbindung mit diesem Saale hat – unverletzt ist die Tapete – eine Hoftreppe führt dort hinein.

Marquise. Hm —

Dupré. Der Chevalier bot mir dreißig Louisd’or, und beschwor mich, ihm das Kabinet von Zeit zu Zeit einzuräumen. Ich nahm vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, und meldete Alles Madame.

Marquise. Sie erschrack!

Dupré. Heftig, heftig! Diesmal war ihr Frohsinn nicht anzuklagen. Sie lachte einen Augenblick darnach – aufrichtig, es war Grimasse. O es drang ein, tief ein. Bei dem allen befahl sie mir, die Goldstücke zu nehmen, mein Kabinet zu räumen und ja über ihr Mitwissen zu schweigen. Ich gehorchte. Unsre Verliebten sprachen sich auf diese Weise nun acht oder zehnmal in sechs Wochen. Und Madame – hochherzig – bekämpfte, beherrschte sich muthig wenn sie wollen – beschloß ihre Nichte dem Chevalier zu geben; nur will sie das Paar zuvor zwei oder drei Stunden durch Unruhe peinigen, Rache üben, an des Chevaliers Larve, Sophiens Verstellung.

Marquise. Und wie?

Dupré. Sophie, ohnehin der Tante flüchtig ähnlich, besitzt ein Sprachorgan, so übereinstimmend mit dem der Gräfin, daß es fast unmöglich wird, durch den gleichen Ton der Rede nicht hintergangen zu werden. Wir Hausgenossen erfahren das alle Tage.

Marquise. Schon errathe ich. Die Gräfin denkt Sophiens Platz einzunehmen —

Dupré. Unsre Intrigue! Die Ausführung naht schon. Der Chevalier kömmt diesen Abend ins Kabinet, Madame unterhält sich in Sophiens Namen.

Marquise. Lustig, neu – aber ich besorge manches. Der Chevalier, indem er Sophien vermuthet, kann über die Gräfin in den Tag hineinschwatzen.

Dupré. Wohl möglich, doch Madame lacht mit so viel Geist, verzeiht mit so viel Schonung, und die Empfindlichkeit, nur eine Minute in ihrem Gemüthe, flieht. Jetzt heiter, erlustigt sie das alles, statt sie zu entrüsten; auf vollkommne Nachsicht wenigstens, schwöre ich. Doch man kömmt, sie wird es sein —

Marquise. Ihre Stimme —

Dupré. Ob es auch wohl Sophie ist? – Nein Madame! – Hier!

Zweite Szene

Gräfin. Vorige

Gräfin. Wo? – Ah! (umarmt die Marquise.) wie glücklich bin ich!

Marquise. Wissen sie, daß ich eine Stunde warte?

Gräfin. Mein Gott, ich stand auf Dornen. Die vielen Menschen – es endete gar nicht. – Denken sie, wir verlassen die Tafel – Daß ich sie doch näher sehe – Ihr Gesicht ist wirklich sehr interessant – ich bin hager geworden, nicht wahr? – Dupré! Gestatten sies, Liebe, daß ich meine Befehle gebe? – Dupré, sie wissen ihre Rolle —

Dupré. Der Chevalier tritt, wie gewöhnlich, in mein Cabinet, ich melde ihm, die gnädige Frau Nichte wird im Saal —

Gräfin. Vergessen sie das Geräusch nicht, daß wir sie hören. (zur Marquise.) Sie lachen, sind unterrichtet —

Marquise. Doch ihre Stimme! Der Liebhaber Ohr ist scharf.

Gräfin. Sie glauben nicht, welche Aehnlichkeit – auch werde ich den kindlichen Ton wohl nachahmen. Zudem sind noch Bretter hinter den Tapeten. Man muß etwas rufen. Das verstellt – nicht wahr, ein drolliger Schwank? Dupré, wie viel an der Uhr?

Dupré. Ein Viertel auf Zwölf. Um Mitternacht trifft der Chevalier ein.

Gräfin. Gut, verlassen sie uns! Welch Zeichen denken sie zu geben, wenn er kömmt?

Dupré. Ich huste.

Gräfin. O das hört man nicht. Sagten sie nicht selbst, ein Gespräch im natürlichen Ton, wäre an der Gegenseite nicht zu verstehn?

Dupré. Man vernimmt nur ein leises Murmeln, die Worte unterscheiden sich nicht. Aber ich huste gewiß kräftig —

Gräfin. Nein, nein! Stellen sie einen schweren, dichtgepolsterten, großen Armstuhl hinter die Thür, den sie beim Oeffnen umwerfen.

Dupré. Madame, ich habe in dem Kabinet nur einen kleinen geflochtenen Rohrsessel, ohne Lehne, er wird nicht viel schwerer wie eine Feder fallen, es reicht nicht an den Husten —

Marquise. Dies Husten liegt ihm sehr am Herzen.

Gräfin. Gemeinhin fällt er um diese Stunde in Unbeholfenheit.

Dupré. Freilich naht mir der Schlummer ein wenig, und unterdrückt die Geisteskraft. Aber wenn Madame, wie ich, um sechs Uhr aufständen —

Gräfin. Eilen sie sich aufzumuntern – einen Polsterstuhl aus meinem Zimmer gebracht – Eilen sie!

Dupré. (ab.)

Dritte Szene

Gräfin. Marquise

Marquise. Aber was machten sie mit Sophien?

Gräfin. Stürme, Stürme regt ich auf in ihrem Busen. Nach der Tafel zählt sie auf ihr Stelldichein, doch wink ich nun, ziehe sie in mein Kabinet, sage: Sophie, sie vertreten mich diesen Abend, nehmen mein Spiel, eine dringende Angelegenheit kann mich wohl bis zwei Uhr am Morgen entfernt halten. —

Marquise. Die arme Kleine! O die arme Kleine!

Gräfin. Von der Umwandlung ihrer Züge entwerfen sie umsonst ein Bild. Roth, bleich, Zittern, Wanken, unerhört! Ich schien gar nicht zu beobachten, nahm wieder das Wort: Vor zwei oder drei Stunden, empfing ich ein Billet, das mich bestimmte, in eine heimliche Unterredung zu willigen. Meine Zimmer sind angefüllt, ich fürchte die Neugier, und will die andere Person in ihren kleinen Saal bestellen. Hier fiel die unglückliche Sophie in eine tödtliche Erstarrung, kaum athmete sie noch – ich, bescheidne Verlegenheit heuchelnd, fahre fort: Hören sie alles Sophie! Der, den ich erwarte, ist der Chevalier von Blancé. – Bei diesem Namen glaubte ich, sie würde ohnmächtig niederfallen, doch überwand sie den Schrecken, die Bewegung. Sie sitzt beim Wist —

Marquise. Harte Tirannin! – Arme Sophie!

Gräfin. Bedauern sie sie nur. Unten warten zwei Notare, die ihren Heirathsvertrag aufsetzen, ich lasse ihr verschreiben, was sie meinem Wunsche begegnend, empfangen hätte. Ich behalte die Beiden, sie mögen hier wohnen, meine Kinder sein: schelten sie doch die harte Tirannin!

Marquise. Nein, nein, sie sind gütig, duldend, hochherzig, die nahe rasche Entwicklung tilgt mein Mitleid, und wahr bleibt es, Sophie hätte ihnen entdecken sollen —

Gräfin. Ja wohl, doch ich entschuldige sie. Der Chevalier band ihr auf, ich fühle Liebe für ihn, nur die Zeit würde mich heilen, mir Kraft zum Aufopfern geben. Sophie fühlend, romanhaft, glaubte. Der Geliebte leitete sie, demungeachtet verbirgt ihre Unbefangenheit sich so wenig gewandt, daß es nur meinen Willen gegolten hätte, und das Geheimniß war mein. Der Vorwurf meiner Rache ist er, mit seiner Falschheit, dem sträflichen unbedachtsamen, platten Leichtsinn. Ihm gilt es!

Marquise. Meinen sie aber, er könne mit dieser Denkart ihre Nichte beglücken?

Gräfin. Sie ist Wittwe, Herrin über sich, wählte allein; übrigens hat er freilich tausend Gebrechen, doch zum Erstenmale liebt er wahr, er betet Sophien ja an. Und er ist doch auch wacker, von achtbaren Eigenschaften, Name, Vermögen – billigt die gesunde Vernunft Sophiens Wahl nicht unbedingt, was kann sie viel einwenden?

Marquise. Welche Pein sie ihm bereiten; doch die Erscheinung der Notare gleicht alles aus.

Gräfin. So? Ah sie kennen ihn wenig. Das Lustige ist, er kömmt nicht mehr davon, muß den Heirathsvertrag zeichnen, diesen Abend, muß entzückt sein, vom Himmel, vom Göttlichen reden – und er fühlt dennoch nicht die mindeste Neigung zu einer so frühen Ehe.

Marquise. Ah —

Gräfin. Ein Herz ohne Tadel, doch ein Sinn für Freiheit – sie kennen das alles noch nicht. Wie er es jetzt treibt, trieb er es gern noch lange. Ihn entzückt das Umhergaukeln, wohl denkt er Sophien einmal zu heirathen, aber das drängt, das preßt ihn noch wenig. Erst noch Roman auf Roman. Bisher kannte er nur die Genugthuung, zu gefallen; die höhere, geliebt zu sein, beugte die üppige Eitelkeit noch keineswegs nieder, alle Frauen die ihm liebenswerth erscheinen, zu unterwerfen. Und das gelingt ihm besonders durch eine ungemeine Geschmeidigkeit der Phantasie, die ihn alle Eindrücke auf das lebendigste in sich aufnehmen läßt. Andere Männer ergreifen den Schein, er darf nicht heucheln, sein leichter Flug der Begeisterung giebt die Wahrheit selbst; er glaubt selbst an seine Eide; so betrügt er ohne zu hintergehn, ist ohne Treulosigkeit wankelmüthig.

Marquise. Sophie, ich beklage dich!

Gräfin. Immer wird er zu Sophien wiederkehren. Dies ist alles, was sie über ihre Nebenbuhlerinnen erhebt. Aber ist es wenig? Die Männer – wer von ihnen schlüge keine Nebenwege ein?

Marquise. Der Vicomte von Verteuil. Ihn nehmen sie aus. Innig glühte er für sie.

Gräfin. Hätte ich die Flamme genährt, lange wäre sie erloschen.

Marquise. O er fühlt noch —

Gräfin. Freundschaft!

Marquise. Sehn sie ihn?

Gräfin. Hin und wieder, und ich treibe dann den Scherz, Blancés Eifersucht zu wecken.

Marquise. Dieser zeigt ihnen also immer Liebe?

Gräfin. Meidet Sophie das Zimmer, allerdings! Glauben sie, seitdem mir sein Geheimniß offenbar wurde, treib ich viel Scherz —

Marquise. Aber zuvor meine Freundin – viel Ernst?

Gräfin. Sie glaubten —

Marquise. (lachend.) Nun —

Gräfin. Solche Schwäche von mir?

Marquise. Offen! Aus der Menge, die ihnen zu gefallen strebte – hatte der Chevalier vielleicht die gültigsten Ansprüche.

Gräfin. O mein Gott! Er hat Verstand, Grazie! – Zehn Jahre früher, dürft ich vielleicht – nein, nein, nein, den Staarkopf hätte ich geflohn – kalte Verständigkeit will ich, strengen Sinn —

Marquise. Die hat der Vicomte, dazu manche Anmuth.

Gräfin. Der Gestalt – ja er – las, fühlt richtig, doch werden sie eingestehn.

Marquise. Gestehen sie auch, daß die Starrköpfe oft desto anziehender sind.

Gräfin. Pst – mir deuchtet —

Marquise. Ja ja – man steigt die Treppe herauf.

Gräfin. Die Thür … Ah der Stuhl fällt. Das ist er, kein Zweifel. Gehn sie theure Freundin!

Marquise. O noch einen Augenblick lassen sie mich hier.

Gräfin. Still, still! – lassen sie uns hören. – Man redet. Duprés Stimme. (Sie horcht) Immer Dupré. (sehr laut) Sie sind doch allein? – (zur Marquise) Ja er ist allein. Nur eine Probe mit dem Lehnstuhl. (Sie horcht) Ja – aber verstehn sie mich auch? (zur Marquise) Noch lauter. – Guter Gott, wie stark muß man rufen —

Marquise. Diese Art der Unterhaltung strengt an.

Gräfin. Nun werd ich inne, warum Sophie seit sechs Wochen heiser ist.

Vierte Szene

Dupré. Vorige

Dupré. Nun Madame, sie hörten den Fall?

Gräfin. Deutlich, und vernahmen sie genau, was ich sprach?

Dupré. O nein, reden sie ja lauter, den Mund an die Tapete. – Apropos! Ich sahe, Madame, ihre Nichte, da ich den Stuhl holte —

Gräfin. So, und ihre Miene?

Dupré. Die Trauer, die Melancholie! Sie wollte allerhand fragen, ich blieb stumm wie ein Fels. Sie hatte einen Augenblick die Gesellschaft verlassen, ich weiß nicht unter welchem Vorwand, da sie meine Stimme hörte. Nun rief man sie wieder zum Spiel. Seufzend gehorchte sie. —

Gräfin. Der Chevalier wird nicht länger säumen, gehen sie Dupré.

Dupré. Er sollte bald da sein, es wird spät – (geht und kömmt wieder.) Ei – vergaß ich nicht das Allerwesentlichste?

Gräfin. Nun?

Dupré. Es kann alles fehlschlagen.

Gräfin. Was fehlt denn, was?

Dupré. Ja wenn ich das wüßte?

Gräfin. Sie wissen es nicht?

Dupré. Schlimm eben. – Jeden Abend der Unterredung giebt mir, Madame, ihre Nichte etwas, das ich zum Chevalier trage —

Gräfin. Was denn etwa?

Dupré. Wie ich dem Chevalier die Thüre öffne, empfängt er es. Er kennt die Bedeutung, ich nicht.

Marquise. Ha ha ha!

Gräfin. Er schläft, schwatzt im Traum.

Dupré. Ein klein Geschenk, muß ich überreichen.

Gräfin. Worin aber besteht es gewöhnlich?

Dupré. Wahrhaftig Madam, ich entsinne mich nicht sogleich. Bald dies, bald jenes … ein Nichts, eine Kleinigkeit —

Gräfin. Gestern?

Dupré. Gestern? Erlauben sie – könnt ich mich doch nur erinnern, aber es war nicht der Rede werth, das weiß ich wohl noch. Gestern —

Gräfin. Welche Geduld muß ich verschwenden!

Dupré. Ah, mir fällt ein, was ich das Vorletztemal überbrachte; eine Rose, ich verwundete mich noch am Stiel.

Gräfin. Eine Rose?

Dupré. Eine Rose. Ah, mein Gedächtniß wird treu! Am Freitag ein Veilchen, am Sonnabend einen Strauß von kleinen Lilien —

Gräfin. Immer also Blumen?

Dupré. Ich glaube ja – Blumen.

Gräfin. (zur Marquise:) Was mag das bedeuten?

Marquise. Abgeredete Zeichenschrift.

Gräfin. Gewiß Sophiens romantischer Einfall. Das macht mich verlegen. – Dupré, früge der Chevalier danach —

Dupré. Unfehlbar.

Gräfin. Sagen sie, Sophie hätte ihnen nichts gegeben.

Dupré. Dann schmollt er.

Gräfin. Meine Sache. Wir wollen schon sehn —

Dupré. (Nach der Uhr sehend) Mitternacht! Er eilt grade nicht. Vielleicht schlummerte er ein. Ich thät es an seiner Stelle gewiß —

Gräfin. Fort, fort zur Thür!

Dupré. (ab.)

Fünfte Szene

Gräfin. Marquise

Marquise. Sophie ist so romanhaft?

Gräfin. Bis zur Uebertreibung. Und der Chevalier fertig, jeden Ton, jede Form zu umarmen, weiht sich dem ihrigen mit einem Anstand, einer Kunst – Ohne daß es ihnen kund ward, behorchte ich einige ihrer Unterhaltungen, und auf meine Ehre, der Chevalier übertraf sich selbst, an zarten sublimen Wendungen, Flug der Phantasie —

Marquise. St – was gilts, da —

Gräfin. Er – er!

Marquise. Pocht ihr Herz nicht ein wenig? Fürchten sie nicht, erkannt zu werden?

Gräfin. Nichts weniger. Aber Freundin, sie weilen nicht mehr.

Marquise. Nur bis zu Anfang der Szene. – Das währt lange.

Gräfin. Seine Stimme. – Er klopft – ruft Dupré.

Marquise. Der ohne Zweifel einschlief.

Gräfin. Apropos! Wenn sie mich verlassen, treten sie in die Gesellschaft, nehmen Sophien bei Seite, und berichten ihr mein Vorhaben mit Blancé.

Marquise. Auch den Ausgang?

Gräfin. Ja wohl, und sie erscheinen Beide, wenn Dupré sie ruft.

Marquise. Nun treten sie hin – der Stuhl liegt am Boden.

Gräfin. Nun, nun – machen sie mich nicht lachen – ich sterbe vor Vergnügen – diesmal ist es Blancé – Ja, ich bin schon da … Wie?9 … Bald eine Stunde. … Eine Stunde? Das Bouquet, welches sie mir diesen Morgen sandten? … O ja! … (gegen die Marquise) Ah, Dupré hatte es ihm zurückbringen sollen.

Marquise. Hören sie!

Gräfin. (sehr laut:) Ich verstand nicht. … Weil ich es gern länger tragen wollte. – (sehr laut) Wie? … Ich verstehe nicht … Meine Hand?

Marquise. Was sagt er?

Gräfin. (gegen die Marquise) Meine Hand will er durch die Tapete küssen.

Marquise. Das ist neu.

Gräfin. Welch ein Einfall! … Ich willigte ein? … (gegen die Marquise) In der That, diese Gunst darf man ohne viel Bedenken gestatten.

Marquise. Wie huldigen Liebende der Thorheit!

Gräfin. (gegen die Marquise) Das ist doch wahrhaft sonderbar. (gegen die Wand) Wie zeige ich ihnen aber die Stelle an?

Marquise. Sagt er nicht: wie gestern?

Gräfin. Ja!

Marquise. So empfangen sie doch Unterricht.

Gräfin. Durch Schlagen. (gegen die Wand) Schlagen? … den Handschuh ablegen? … Legt ich ihn denn gestern ab? … (gegen die Marquise) Er sagt, endlich hätte ich mich entschieden.

Marquise. Ha ha ha ha.

Gräfin. Man muß noch einige Schwierigkeit machen. (gegen die Wand) Weil … Weil sie zu viel fordern. … (gegen die Marquise) Recht hübsch, was er da sagt. (gegen die Wand) Nun – nun – keinen Zorn! … Gewiß! … Zweifeln sie nicht länger! … Er ist abgelegt.

Marquise. Aber so ziehn sie ihn doch aus.

Gräfin. (gegen die Marquise) Ja ja, ganz aufrichtig. (gegen die Wand) Es geschah – hören sie – hier die Hand, hier hier … (gegen die Marquise) Mit welcher Extase er den Fleck drüben küßte. Bei dem allen glaub ich, Sophie hätte die Lippe auf der Hand gefühlt. Es giebt nur ein Lebensalter von so scharfer Empfindung.

Marquise. Ha ha ha ha!

Gräfin. Ich sagte nichts … Erröthet? ich bin erröthet? … (gegen die Marquise) Wie er an Kindlichkeit und Unschuld bei Sophien glaubt! Wie artig, diese Meinung zu äußern! Aber ist das nicht allerliebst? (gegen die Wand) Wahrhaftig, Chevalier, ich glaube, daß sie mich sehn.

Marquise. Sache des Herzens, nicht des Kopfes.

Gräfin. Ausdruck der Empfindung, und Ausdruck der Galanterie. O welch ein Unterschied! … Er hat eine andere Stimme bemerkt … (gegen die Wand) Ja, meine Kammerfrau. … Gewiß! … Sie kam, mir anzuzeigen, daß die Tante noch nicht schlafen gegangen sei. (gegen die Marquise) Gehn sie, meine Gute!

Marquise. Ich will der armen Sophie das Leben zurückgeben. Ungern meid ich dies Zimmer. Die Intrigue ist so unterhaltend. (geht ab.)

9.Die Punkte zeigen ihr Schweigen an, während dessen sie horcht, was der Chevalier an der Gegenseite der Tapetenwand ihr sagt.
Yaş sınırı:
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30 haziran 2018
Hacim:
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