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Kitabı oku: «Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band», sayfa 14

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Neuntes Kapitel.
Einsamkeit zu Toury

Hier dachte sie nun ernst über ihre bunte Vergangenheit nach. Die Unruhe, das Schwanken zwischen Furcht und Hoffnung, waren von ihr gewichen, zum Erstenmale kam das Gefühl eines gleichstimmigen, zwischen den Extremen unbemerkt hinlaufenden Daseins über sie. Die ländlichen Beschäftigungen in ihrer harmlosen Einfachheit, gewann sie lieb, mischte sich, wie eine Penelope, bald unter die Winzerinnen, bald unter die Frauen an der Spindel.

Wohl von mehr als einer Seite konnte man sie mit der fabelhaften Königin von Ithaka (die übrigens kaum so reich war, als Flore jetzt, um wie viel weniger, als einst Flore in Darkulla) gleichen. Denn die junge Wittwe, (alles sagte ihren Mann todt,) mit artigem Vermögen, und einem artigen beau reste gefiel manchen ehelustigen Männern der Gegend. Zu Wagen, zu Roß und zu Fuße wurden ihr Aufwartungen gemacht, deren Absicht klar genug einleuchtete, auch trafen ganz runde Anwerbungschreiben ein.

Doch sie hoffte auf Rings Zurückkunft. Warum sollte er nicht leben? fragte sie immer. Lebendig ward er gefangen, das sagen meine Nachrichten. Mordet der Türk nicht im Wüthen der Schlacht, so läßt er hernach den Gefangenen wohl unverletzt, da er ihn als Sklave verkaufen, oder selbst nützen kann. Lebt Ring, so wird er, es daure so lange es will, schon Mittel finden, sein Loos, seinen Aufenthalt, hieher kund zu thun, und da kauft man ihn mit einer Summe los.

Darum wurden die Freier artig, doch gemessen abgewiesen. Und da zu viel Justiz im Lande war, als daß sie sich, wie jene übermüthigen, die Herrn von Göthe so gefallen7, hätten einlegen, und von der Schönen Haabe zehren können, so blieb ihnen nichts, als sich artig zu entfernen; was noch dazu in aller Stille geschah, weil Niemand gern den empfangenen Korb wollte ruchtbar werden lassen.

Doch nicht alle Freier beruhigten sich mit einem Korb; das, was sie entbehren sollten, gewann nur einen desto anziehenderen Reiz für sie, und die Plane der Intrigue wurden zu Hülfe gerufen.

So gings auch hier mit einem Herrn Noiseul, der sich in Madame Ring verliebt hatte, und nicht an der Festung Uebergabe verzweifeln wollte, war gleich das erste Aufforderungsschreiben rund abgelehnt worden. Wir werden im folgenden Kapitel sehn, was Herr Noiseul that.

Sonst sind der Regel nach, die Weiber in diesen Intriguen gewandter, und wie mancher Ehemann wird nach Hymens Tempel an den Banden der Schlauheit geleitet.

Den Leser noch mit einer Episode zu bewirthen, mag hier eine Geschichte der Art Platz nehmen, die dazu das Verdienst der pünktlichen Wahrheit hat.

In B*** lebte eine adliche Wittwe, noch nicht über die Jugendfrische hinaus, nicht ohne einnehmende Reitze, nicht ohne Vermögen. Ein Offizier, noch jünger als sie, fand sie liebenswürdig, und da Offenheit seine Sache war, blieben seine Gefühle ihr gar nicht verborgen. Sie fand den Stand der Wittwe ein wenig öde, und einen Lebensgesellschafter, wie den jungen Offizier, um so erfreulicher, als ihre erste Ehe eine Art Zwangverbindung gewesen war. Der junge Offizier besaß eben keine Mittel, doch ihre Einkünfte und sein Gehalt zusammengelegt, konnten eine Haushaltung ganz gut bestreiten; zudem war ja darauf zu zählen, daß die Zeit seine weitere Beförderung, und mit ihr, einen ansehnlicheren Gehalt, herbeiführen würde. Sie sagte also dem Wüstling, der dreister Natur, ihr bald im Hause aufwartete, eben keine Härten, und behielt ihn, da seine Besuche gewöhnlich in die Nachmittagstunden fielen, gemeinhin zum Abendessen.

Ein solch Souper auf der Serviette hatte für den Offizier viel Anziehendes. Die Einladung hieß immer: ohne alle Umstände, oder à la fortune du pot, und es fanden sich denn in der That nur zwei Schüsselchen, wohl gar nur eine, aber erlesen, denn Frau von *** besaß darin recht feinen Geschmack. Ein Kapaun mit Austern, ein Fasan, eine Gans mit Kastanien gestopft, eine sogenannte Matelotte von Karpfen und Aal, eine Rebhuhnpastete – ein niedlich Desert darauf, und ein trefflich Glas Chateau Margot, von dem der selige Herr einen guten Vorrath im Keller angehäuft hatte. Und nun noch die angenehme, witzige, piquante Unterhaltung der lieben Frau, ihr Klavier – wars Wunder, daß Herr von *** die gewohnten Wirthshäuser, ja Schauspiel und Konzert mied, um in jenem stillen Kreise, Wonneabende zu feiern? Und er wieder, der Gefällige, Zärtliche in jeder Art; was ließ sich erwarten, als daß sie alle ihre Gesellschaftszirkel aufgeben würde, um daheim sich weit besser zu unterhalten.

So schwand ein froher Monat nach dem andern, und die Leutchen vergaßen über ihr Glück, die näheren Erläuterungen sowohl, wie das nicht mehr ganz stumme Urtheil der Welt.

Er besaß einen Freund, welcher von dem eben erwähnten Urtheile Einiges vernahm. Dieser warnte: Du bist zu jung, zu unbeständig, zu flattersinnig, als daß eine Heirath dir schon zu rathen wäre. Drängt die Empfindung nicht ganz unwiderstehlich, oder ist das äußere Glück nicht besonders ausgezeichnet, so bleibt es im Soldatenstande das klügste, ledig zu bleiben. Dann nur zieht man mit ungetrübtem Sinn, und leichtem Muth in den Krieg. Die beiden genannten Fälle sind hier wohl nicht vorhanden, also lasse bei Zeit ab. Denke auch, was die Pflicht der Redlichkeit dir gebietet, an die Ruhe, die Ehre der Dame. Es wäre unverzeihlich, ihr Gemüth mit Hoffnungen zu nähren, die du nicht zu erfüllen denkst; es wäre noch unverzeihlicher, ihr durch einen Umgang, der zu zweideutigen Anmerkungen Gelegenheit giebt, Leumund zu bewirken, ihr vielleicht eine anderweitige angemessene Verbindung, zu untergraben. Vielleicht gingst du schon zu weit darin, darum höre was der Freund erinnert. Er prüft mit kaltem Blute. Oder aber, ist es dein voller Wille zu heirathen, fühlst du einen mächtigen Zug, dem du gern der Jugend Freiheit hinopferst – dann —

Nein, nein, mein Guter, erwiederte jener mit geängsteter Stimme, ich fühle, daß der Ehestand mich unendlich einengen würde, ich nicht stark genug wäre, im ganzen Umfang zu thun, zu meiden, was er gebietet – und – und —

„Demungeachtet bist du täglich bei Frau von ***.“

Ich empfinde die Gerechtigkeit deiner Vorwürfe. Ich darf aber schwören, daß ich ihr meine Hand nicht zusagte, es war sogar, unmittelbar, noch davon nicht die Rede – da bin ich also nicht treulos, wenn ich zurücktrete; die Bemerkungen des Publikums müssen aufhören, wenn ich alle Besuche abschneide, und – da, meine Hand – es soll von Heute an geschehn!

Er hielt Wort.

Wer war aber bestürzter, wie Frau von *** als der Geliebte um die gewöhnliche Zeit nicht erschien, ja auch, was sonst bei einem eingetretenen Hindernisse pünktlich geschah, seinen Besuch nicht einmal absagen ließ!

Sie schickte nach seiner Wohnung. Er war nicht zu Hause.

Es war ein so leckrer Heringsalat mit Kalbsbraten, Neunaugen, Braunschweiger Wurst, Oliven, rothen Rüben, Möstrich, Kapern, Zwiebeln, Aepfeln, Kartoffeln, Zitronsäure, und dem fettesten Marseiller Oel bereitet. Er nannte diese Mischung sein Lieblingsessen, und wäre sonst um einen solchen Heringsalat von einer Fürstentafel weggeblieben; doch heute – wer begreift, wer erklärt das? – heute kömmt er nicht.

Frau von *** wartet zwei, drei traurige Tage, sie wartet umsonst.

Eine Kartenlegerin muß kommen. Eine Kartenlegerin! rufen die Leser in kleinen Städten verwundert. Aber die Geschichte spielte auch in keiner kleinen, sondern in einer großen Stadt. Da hat sich die Tradition nicht nur durch das Zeitalter der Freigeisterei gerettet, sondern Poesie trat in den letzten Tagen mit Mystik und Aberglauben, auch in einen sinnigen bedeutungschweren Bund. Wie lange wird es währen, und wir sehen wieder Astrologie. Wo giebt es erhabenere Kontemplationen als bei ihr? Wie tragen die Verse empor:

 
„Das, was geheimnißvoll bedeutend webt
Und bildet in den Tiefen der Natur —
Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes,
Bis in die Sternenwelt, mit tausend Sprossen
Hinauf sich baut, an der die himmlischen
Gewalten wirkend auf und nieder wandeln
– Die Kreise in den Kreisen, die sich eng
Und enger ziehn, um die Centralische Sonne – — —
Die himmlischen Gestirne machen nicht
Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer. Nicht
Dem Sämann bloß bezeichnen sie die Zeiten
Der Aussaat und der Erndte. Auch des Menschen Thun
Ist eine Aussaat von Verhängnissen
Gestreuet in der Zukunft dunkles Land
Den Schicksalsmächten hoffend übergeben.“
 

Und der Kobold der Wenden, von dem immer noch eine geheime Sage, im Nord von Deutschland, in der Lausitz, in Böhmen umtönt – ob er gleich seit Karl dem Großen aus der Phantasie getilgt sein soll – rufe nur ein mystischer Dichter, in einem hohen Trauerspiele, neue Weihe über ihn, und es wird bald Ton werden, an ihn zu glauben, ihn bei nächtlicher Weile gesehn zu haben u. s. w.

Genug, die Kartenlegerin mußte kommen. Natürlich wurde ihr alles vertraut, sie hatte aber die Karte vergessen, konnte nicht zur Stelle weissagen. Auf Morgen gelobte sie wiederzukommen und die treffende Auskunft zu geben.

Die Zwischenzeit wurde angewandt, sich nach Herrn von *** und seinem dermaligen Thun zu erkundigen. Die Prophetin brachte in Erfahrung, daß er viel in des Freundes Gesellschaft lebe, es schlich sogar einer ihrer Späher den Beiden am Abend nach, und behorchte ihr Gespräch. Sie war mehr als zulänglich unterrichtet.

Da sie sich am anderen Tage bei Frau von *** einstellte, wurde das magische Kartenspiel über den Theetisch gebreitet. Der Coeur König lag nicht weit von Coeur Dame, er blickte sehnsüchtig zu ihr hin, allein der Pik Valet stand zwischen beiden. Aha Madam, das ist der falsche Feind, dieser bringt das Unheil, dieser macht abwendig.

O das ist der verwünschte N. N., rief die Dame, schon hab ich das geargwohnt, der Mensch hat auch die maliziöseste verworfenste Physiognomie, die es nur auf dem Erdboden giebt. Die Kartenlegerin empfing ein Goldstück, und entfernte sich mit vielen Höflichkeiten.

Nun wußte die gute Frau etwas, wußte sogar Wahrheit, doch wohin führte sie das? An Planen war sie eben nicht reich. Ihr fiel bei, daß die Person, der die Wahrheit sich entschleierte, auch wohl die Wege zum menschlichen Herzen kennen mögte, und die Kartenlegerin wurde abermals berufen. Daß sie freudig erschien, kann man denken, denn nicht alle Tage fanden sich Kundschaften, wo mit Goldstücken honorirt wurde.

Eine große Selbstvergessenheit von der Dame allerdings, dies Vertrauen, ja in seiner ganzen Ausdehnung, nicht einmal mit ihrer Leidenschaft zu entschuldigen.

Bald darnach empfängt der Offizier ein Billet von der Dame, worin sie mit einem gewissen schneidenden Schmerz meldet, – sie befinde sich in andern Umständen.

Mit Entsetzen läuft dieser zu dem Freunde, ihm das Geheimniß mitzutheilen. Ah – ruft der Freund – standest du so mit der Frau von ***

„Nein – Ja – aber —“

Jetzt kann ich weiter nicht rathen. Ich verweise dich an dein Gefühl. —

Unruhe, Gewissen machten, daß Herr von *** nun schnell zur alten Geliebten eilte. Sie bedurfte Trost, fragte: sind sie ein Mann von Ehre? Und sie zweifeln? hieß die Antwort, in welcher ihr Trost lag.

Das vorige Leben. Nur Erinnerungen, klare, von ihrer Seite, bald Anstalten wegen der Heirath zu treffen.

Er ging zu seinem General. Dieser schüttelte den Kopf. Ei, ei, in ihren Jahren schon? Das ist zu früh. Es ist eine Aufwallung, kein reif überdachter Entschluß. Besinnen sie sich ein halbes Jahr, und kommen dann wieder. Ich rede mit Niemand davon.

Der junge Mensch berichtete dies der Dame, die auch eben dem General nicht gewogen ward. Doch mußte man sich fügen.

Jener fragte: wann sie meinte, daß ihre Entbindung nahen würde? Etwa nach sechs Monaten, versetzte sie. – „Heimlichkeit ist dann nothwendig!“

Die Zeit verstrich, und der Offizier wunderte sich bisweilen, nicht zu bemerken, was ihm angezeigt worden war, er wähnte noch weiter hinaus, wurde demungeachtet eines Morgens ganz unerwartet mit einem Briefchen überrascht, worin Frau von *** meldete: Ein klein lieblich Wesen erwarte seine Küsse.

Er eilt hin. „Wie, in voriger Nacht?“ – Ja! – „Wer dachte daran?“ – Es übereilte mich.

Die schöne Frau lag im geschmackvollen Nachtanzug da – wenig mitgenommen – und reichte ihm einen jungen Sohn, dem er allerdings liebkoste.

Frau von *** sagte mit schwacher Stimme: Er soll in der Stille aufs Land. Und sie mein Herr, werden nun doch Ernst machen, die von dem grämlichen General bestimmte Zeit, ist um, in dieser Angelegenheit haben sie zu entscheiden. Uebel genug, daß ich sie mahnen, an ihr Kind mahnen muß.

Nein, nein, das darfst du nicht, entgegnete er lebhaft. Heute setze ich alles ins Werk.

Zufällig befand sich der General auf der Jagd, wurde nach einigen Tagen erst zurück erwartet. Unterdessen erfuhr der Freund, dem nichts verschwiegen blieb, die Lage der Dinge und diesem kam so manches darin bedenklich vor.

Er hatte einen Diener, der zum Ausspähen von Heimlichkeiten trefflich zu brauchen war. Dieser erhielt den Auftrag, genau zu beobachten, was in der Wohnung der Frau von *** vorginge. Er fing das richtig an, und hinterbrachte dem Herrn: ein altes Weib, das sich von Kartenlegen nähre, käme des Abends, und hielt sich lange dort auf. Gut, sprach der Herr, beobachte mir auch einen Tag lang alle Gänge des Weibes. Der Diener stellte sich vor ihre erforschte Wohnung, und folgte von fern, wie sie aus dem Hause trat. Unter andern ging sie nach dem großen Hospitale, wo auch arme Mädchen entbunden werden. Nun kostete es ein Trinkgeld, dort von den Krankenwärtern zu erfahren, zu wem die Alte käme? Man nannte ein vor einigen Tagen entbundenes Mädchen.

Auf diese Nachricht, ließ der Freund es sich nun nicht verdrießen, selbst nach dem Hospitale, zu dem Bette der Wöchnerin zu gehn.

Wo ist ihr Kind?

Die Person stockte.

Ohne Umstände, sage sie mirs, hier ist ein Thaler, es erfährt Niemand von mir.

Das arme Geschöpf wollte erst Ausflüchte suchen, da diese aber nicht galten, so vertraute sie: Ich bekomme zwanzig Thaler, und muß mir dafür gefallen lassen, daß eine alte Frau täglich mein Kind auf einige Stunden abholt. Wohin, weiß ich nicht, doch ist es gewiß in guten Händen, wird mir immer richtig zurückgebracht, und von Morgen an, soll es auch ein Ende damit haben.

Der Freund hatte genug, und begab sich zu Herrn von ***. Wie gehts mit deiner Angelegenheit?

„Schlimm und gut, wie du willst. Ich besitze einen allerliebsten Jungen. Morgen kömmt er aufs Land. Wie der General zurück ist, geht es vorwärts mit meiner Heirath, wie kann ich nun anders?“

Ich wage eine Prophezeihung. Bald nach der Heirath wird das Kind auf dem Lande gestorben sein. Du siehst es nicht wieder.

„Wie kömmst du darauf?“

Beschwören würde ich das, so gewiß bin ich meiner Sache.

„Das klingt ja sehr räthselhaft.“

Du siehst das Kind nicht wieder, doch härme dich nur nicht, es war nicht das deinige.

„Wie!“

Ein armer Bastard aus dem Hospital. Gemiethet, dich zu fesseln. Freundes Pflicht mußte dir das bekannt machen. —

Es versteht sich, daß nun aus der Heirath nichts wurde. Und zu beider Theile Glück, sie paßten nicht für Einander.

Zehntes Kapitel.
Herrn Noiseuls Intrigue

Herr Noiseul hatte Ring in Paris gekannt, und einige Geschäfte mit ihm gepflogen. Das wußte Flore aber nicht. Er meinte: Nie wird Ring heimkehren, vermuthlich starb er aus Mangel und Noth in der Gefangenschaft, sonst wäre wohl ein Brief von ihm da.

Er machte ein Frauenzimmer in Paris ausfindig, eine Griechin aus Konstantinopel gebürtig, der türkischen Sprache vollkommen gewachsen. Sie war mit dem Bedienten eines französischen Gesandten bei der Pforte, nach Frankreich gekommen, und lebte jetzt in Mangel. Er beredete sie leicht, eine Rolle in seiner Komödie zu übernehmen, und listigen Gemüthes war sie denn auch vollkommen dazu geeignet.

Diese Griechin kam eines Tages in morgenländischen Kleidern und mit einigem Reisegepäck zu Toury an, und ließ sich bei Floren melden. Diese empfing sie desto verwunderter, als die Fremde vor lauter Thränen nicht zur Anrede kommen konnte. Endlich wurde sie Meisterin ihrer Worte, und verkündigte Floren, sie käme aus Bagdad, wo Ring in der Sklaverei verstorben wäre.

Flore erschrack aufs heftigste, sank zurück in ihren Stuhl, und konnte nur nach einer Minute kalter Erstarrung, in Thränen ausbrechen. Dann rief sie: Auf so eine Nachricht mußte ich freilich gefaßt sein, doch aber übermannt sie mich. Nenne mir die näheren Umstände seines Todes, Unbekannte! Wie kömmst du so weit hieher? Laß mich alles hören!

Nun fuhr die Griechin fort: Ich war Rings Weib. Er bedurfte einer Gehülfin in der Sklaverei, erst auf dem Todtenbette vertraute er mir, wie er schon in Frankreich sich verheirathet habe, doch meine Noth bedenkend, sagte er: Gehe nach Paris, vielleicht findest du meine Flore dort; sie wird einsehn, daß ich nicht Unrecht hatte, auf immer von ihr getrennt, mich wieder zu verbinden, und so gut meine Flore ist, wirst du auch Unterhalt bei ihr finden. – Von Paris wieß man mich hieher.

Flore, die erst ungemessen geweint hatte, trocknete während dieser Erzählung, eine Thräne nach der andern, und bald bedurfte sie keines Tuches mehr. Denn die beleidigte Weiblichkeit gerieth mit dem Gram in Wechselwirkung.

Die Griechin vollendete ihr Mährchen durch Aufzählung vieler Nebenumstände, die Ring ganz richtig bezeichneten, ja, sie hatte ein Briefchen, mit Zittern auf dem Krankenlager hingeschrieben, – es schien Rings Hand.

Flore blickte nur oben drüberhin, gab wenig mehr auf die Rede, und dachte immer vor sich: „Und ich, ich, auch so weit entfernt, ohne Hoffnung ihn je wieder zu sehn, ich heirathete doch nicht.“ Zwar sprach eine Stimme aus dem Innern dagegen: „Es hätte doch leicht dahin kommen können“, sie wurde überhört.

Bald ging Flore mit hastigen Schritten im Zimmer umher, bald warf sie sich weinend auf den Divan, bald traf ein Blick flüchtiger Verachtung die Fremde.

Endlich übermannte es sie, eine Krankheit mehrerer Tage war die Folge, während welcher Zeit Dame Beatrice die Griechin in einem Hinterzimmer verpflegte, und sie nicht vor Floren ließ.

Herr Noiseul, in der Nachbarschaft wohnend, hatte denn von der Krankheit gehört, kam, nahm Theil, ließ sich fast stündlich erkundigen.

Als Flore wieder hergestellt war, erklärte sie sich bereit, der Griechin ein klein Jahrgeld auszuwerfen, doch sollte sie zu Paris ihre Wohnung nehmen.

Eine Zeitlang erschien Herr Noiseul wieder nicht. Beide Nachrichten sollten erst tief genug eingreifen, und er berechnete menschenkundig genug, daß die, von einer anderweitigen Heirath Rings, seinen Vortheil noch mehr fördern müsse, wie jene von seinem Tode.

Oft dachte er zwar: Wie aber, wenn der Mann noch lebte? Doch war er so leichtsinnig, als unternehmend, und endete: Kömmt Zeit, kömmt Rath!

Nach sechs bis acht Wochen erneute er seine Besuche zu Toury, wurde weniger kühl empfangen, machte der Tante Geschenke, und erfuhr schon von dieser im Geheim: Madame Ring hätte gesagt: Herr Noiseul sei ein ganz feiner Mann.

Letztes Kapitel.
Schluß

An einem trüben Herbstnachmittag saß man zu Toury am Kaminfeuer. Es stürmte draußen, die falben Blätter der Linden vor dem Hause fielen ab, der Regen träufte an den Fenstern nieder.

Dame Beatrice, indem sie ihren Thee schlürfte, hub an: der Winter naht, wohl dem, der nicht einsam am traulichen Caminfeuer sitzt. – Im Sommer fühlt sich das Bedürfniß der Geselligkeit weniger, als an den langen Winterabenden —

Sie wollte nun, nach und nach, auf die Empfehlung der Ehe kommen, denn ihr Plan war entworfen.

Flore sahe stumm über den Theebecher hin.

Da bellten draußen die Hunde, und ein Mann in fremder Kleidung kam über den Hof. Dame Beatrice eilte ans Fenster, Flore blieb an ihrem Platz, Herr Jolin ging hinaus, Erkundigung einzuziehn.

Bald kam er zurück. „Ein Mann im Turban und türkischen Pelz, mit einem langen Bart, verlangt Madame Ring zu sprechen.“

Was ist das wieder? rief Flore verdrießlich, er komme.

Furchtbar anzuschauen, trat der Ankömmling ins Zimmer. In gebrochenem Französischen sagte er: Ich komme aus dem fremden Morgenlande, und habe Botschaft von dem Christen Ring an sie.

Ring ist todt! schrie Flore.

Nein, nein, das ist er nicht, war des Türken Antwort.

So bin ich betrogen worden. Die Griechin, die er heirathete, meldete es mir!

Wie würde er heirathen! Lüge! Er lebt, doch in harter Gefangenschaft.

Aber mein Himmel! warum werd ich denn so schrecklich, so schändlich hintergangen? Gottes Seegen über dich, Muselmann, wenn du wahr redest! Aber bist du nicht auch ein Betrüger? Rede mir etwas in türkischer Sprache, ich verstehe sie ein wenig.

Es geschah.

Du bist beglaubigt. Wo lebt Ring?

„In Smyrna!“

Erst hieß es in Bagdad. Wie ist er loszukaufen? Wohin muß das Geld? Welche Summe ist erforderlich?

„Sein Herr fordert viel. Hunderttausend Franken.“

Gern, gern! Was ich besitze, kömmt von ihm, ist sein! O, wenn ich für diesen Preis ihn wiedersähe!

Hunderttausend Franken! seufzte die Tante.

Gewaltig viel, setzte Jolin hinzu.

Flore merkte nicht darauf. Ich eile nach Paris, rief sie, zum Gesandten der Pforte, auf der Stelle – aber kannst du nichts Schriftliches vorzeigen, Muselmann?

O ja, entgegnete dieser. Er wollte ein Papier herausnehmen, schlug den Pelz auseinander. Bei dieser Gelegenheit wurde sichtbar, daß ihm ein Arm fehlte. Flore sank bei dem Anblick auf den Divan.

„Dir fehlt ein Arm? —“

So bin ich erkannt!

Weg flogen Turban und falscher Bart. „Und du wolltest Hunderttausend Franken erlegen? Hier hast du mich umsonst.“

Man kann hier unmöglich wieder erzählen, was in dem Buche8, wozu das gegenwärtige ein Seitenstück ist, bereits gedruckt steht. Dort findet man, wie der einarmige Ring, nachdem er bei St. Jean d’Acre gefangen worden, eine gute Zeit als Sklave zugebracht, aber des körperlichen Mangels wegen, eben nicht geachtet ward, wie er frei wurde, nach Constantinopel, nach Polen kam, und endlich seine Reise nach Frankreich antreten konnte.

Nun hatte ihn Flore, er Floren wieder! Sie waren am Ende aller Abentheurerei. Wohlstand und Ruhe winkten ihnen eine freundliche Zukunft entgegen.

Dame Beatrice gestand ihre Vermuthung: Herr Noiseul habe jenen Zuspruch der Griechin veranlaßt. Sie weinte heftig darüber.

Ring, höchst empört, wollte Herrn Noiseul auf Pistolen vorladen, das Frauenzimmer sollte gerichtlich verfolgt werden.

Allein in all der Wonne der neuen Vereinigung besann man sich eines Andern, beschloß nun der Ruhe und Liebe zu leben, und Herr Noiseul empfing blos eine höfliche Anzeige der Heimkehr. Weisung genug für ihn, Toury nicht wieder zu betreten.

Es ist nichts mehr zu sagen übrig.

Ende
7.Siehe: Leiden des jungen Werthers.
8.Ignaz von Jalonsky, oder die Liebenden in der Tiefe der Weichsel. Eine wahre Geschichte aus den Zeiten der Polnischen, Französischen und Negerrevolution in St. Domingo, erzählt von Julius von Voß. Berlin bei J. W. Schmidt. 8. 2 Theile. 1806.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 haziran 2018
Hacim:
260 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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