Kitabı oku: «Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung», sayfa 7
Die letzten zwei Textausschnitte aus Never Let Me Go stammen aus dem Ende von Kapitel 3 und aus Kapitel 15 des Romans (Ishiguro 2016: 42-43 und 184-186). In dem kürzeren der beiden reflektiert Kathy über ihr Anderssein und die fast feindliche Reaktion anderer, biologisch gezeugter Menschen auf die Klone, während der längere abschließende Passus zeigt, wie Tommy und Kathy über ein Geheimnis von Hailsham spekulieren: In ihrer Zeit dort war immer wieder die Rede von einer Galerie außerhalb des Internats, für das eine Schulinspektorin, respektvoll nur „Madame“ genannt, die besten der im Kunstunterricht angefertigten Zeichnungen und Malereien auswählte und mitnahm. Tommy schenkt dem Gerücht Glauben, dass einige wenige Klone, die eine solch tiefe Liebe zueinander spürten wie Tommy und Kathy zum späten Zeitpunkt ihres Wiedersehens nach langen Jahren, einen Aufschub erwarten könnten, um ihnen mehr Zeit füreinander zu geben – und als Beleg für die Liebe diente das Urteil der „Madame“:
Madame’s got a gallery somewhere filled with stuff by students from when they were tiny. Suppose two people come up and say they’re in love. She can find the art they’ve done over the years and years. She can see if they can go. If they match. Don’t forget, Kath, what she’s got reveals our souls. She could decide for herself what’s a good match and what’s a stupid crush. (CT 67; entspr. Ishiguro 2016: 186)
Natürlich erweist sich Tommys Idee nicht nur aufgrund seiner Argumentation als eine Illusion, sondern Ishiguro lässt später jede Hoffnung auf ein verlängertes Leben mit Kathy ersterben, indem er Ruth als Wiedergutmachung für ihr früheres Verhalten den beiden die Adresse der Madame verschaffen lässt. Tommy und Kathy suchen sie eines Tages auf, nur um zu erfahren, dass es ein solches Selektionsprinzip nie gegeben hat und sie müssen bei ihrer Begegnung mit der Madame einsehen: „So there’s definitely nothing. No deferral, nothing like that.“ (Ishiguro 2016: 278) Glaubitz kommentiert diese Szene wie folgt:
What is striking in this treatment of the ‘doomed lovers topos’ is how Ishiguro suggests the extent to which the protagonists have internalised heteronomy: Even though love gives rise to the desire to survive longer in the first place, it becomes an emotion to be certified by the authorities in order to grant a deferral of (not escape from) certain premature death. (Glaubitz 2015: 328)
Obwohl beide Passagen im Schülerband noch dem workshop „Analysing Atmosphere“ zuzurechnen sind, gehen sie weit über diesen Aspekt hinaus. Während der erste Passus mit der Reflexion Kathys über ihr Anderssein als pre-reading activity für die Lektüre der längeren Passage verwendet wird, sollen die Schüler:innen nach einer Zusammenfassung dieses letzten Abschnitts aus dem Roman weitgehend autonom eine komplexe Analyse erstellen: „Analyse the atmosphere and the use of the language in this extract.“ (CT 66). Dieser sehr allgemein gehaltene, lakonisch formulierte Arbeitsauftrag wird in der Diff[erentiation] Section durch Leitfragen ergänzt, an denen sich die lernschwächeren Schüler:innen orientieren können, mit Bezug auf die Figuren, das setting und den Stil (CT 300). Hier bleibt der Zugang allerdings ebenfalls an der beschreibenden Oberfläche, ohne dass eine Interpretation seitens der Lernenden eingefordert würde. Auch in den Handreichungen kommt diese rein beschreibende Vorgehensweise zum Ausdruck. Die drei vorgesehenen Antworten für die paraphrasierende Erfassung der Atmosphäre lauten wie folgt (CT-LHB 75):
It is clear from the beginning of the extract that the pair are not in a “carefree” mood anymore, but instead have become silent and reflective, as Tommy is “lost in his thoughts” (ll. 2–4)
The description that Tommy “slowed to a dawdle” (l. 16) suggests he is both hesitant and nervous about bringing up this topic, but that he wants to nonetheless
The description of the setting as a nice spot for an “ordinary family” to sit creates a contrast between Tommy and Kathy, and “ordinary” families, showing again that the pair are not considered normal (ll. 11–13)
Nicht zur Sprache kommt bis zu diesem Zeitpunkt die ethische Dimension des Romans, die Ishiguro in Szene zu setzen sucht. Denn Kathy thematisiert zunächst die gesellschaftliche Ausgrenzung, der sie als Klon von anderen Menschen ausgesetzt ist: „[…] there are people out there, like Madame, who don’t hate you or wish you any harm, but who nevertheless shudder at the very thought of you – of how you were brought into this world and why – and who dread the idea of your hand brushing against theirs“ (CT 66; entspr. Ishiguro 2016: 43). Diese Gefühlskälte, die den Klonen entgegenschlägt, weil ihnen in ihrer Funktion als menschliche Ersatzteillager im sozialen Diskurs keine Individualität, geschweige denn ein selbstbestimmtes Leben zugestanden wird, führt zu einer impliziten Hinterfragung dessen, was mit Klonen erreicht werden könnte. Die letzte Textstelle führt zu der Einsicht, dass komplett ausgebildete menschliche Klone (unabhängig von den Individuen, aus deren Genmaterial sie erzeugt werden) über die gleichen Fähigkeiten und Gefühle verfügen werden, die jeder andere Mensch auch entwickeln kann: die Fähigkeit zur Kunst oder auch Poesie ebenso wie die Fähigkeit zu lieben oder, wie Kathy und Ruth, in Rivalität zueinander zu stehen – „things like pictures, poetry […] revealed what you were like inside. […] they revealed your soul“ (CT 67 / Ishiguro 2016: 185, Herv.i.Orig.). Ishiguro demonstriert mit dieser Unterhaltung zwischen Tommy und Kathy, welches Unrecht man den Klonen mit einer solchen Haltung zufügt, und dass sich hinter einer scheinbar humanitären, lebensrettenden Idee (denn es gibt ja Patienten, deren Leben durch die Organspenden der dafür vorgesehenen Klone gerettet werden können) in Wahrheit ein Zusammenbruch jeglicher ethischer und zivilisatorischer Werte verbirgt:
The outer world wants these children to exist because it’s greedy for the benefits they can confer, but it doesn’t wish to look head-on at what is happening. We assume – though it’s never stated – that whatever objections might have been raised to such a scheme have already been overcome: By now the rules are in place and the situation is taken for granted – as slavery was once – by beneficiaries and victims alike. (Atwood, in Ishiguro 2016: 306)
Wie jede Fiktion im Als-Ob angesiedelt, extrapoliert Ishiguros Roman die biotechnischen Möglichkeiten unserer Zeit, in der es schon gelungen ist, höhere Organismen wie Schafe oder Makaken Affen zu klonen, und wirft zentrale Fragen im Umgang mit (dem) Klonen auf:
Ishiguro anatomises […] the elements out of which contemporary notions of individuality are composed. In Never Let Me Go, he raises the questions on which grounds individuality and difference are construed – according to which criteria are the clones classified as human or less than human? In which terms do they conceive of themselves, which categories does society employ? In that respect, Ishiguro has shifted the focus of eugenic dystopia from an inquiry into the possible consequences of technically feasible modes of genetic manipulation towards the condition of possibility of eugenic thought itself – to the preliminary conceptual decisions that inform ideas of segregation on genetic or biological grounds. (Glaubitz 2015: 328)
An diesem Punkt und im gleichen Zusammenhang macht das Lehrbuch einen Schritt von der reproduzierenden, beschreibenden Analyse zum meinungsstarken Kommentar und führt die Schüler:innen unvermittelt aus der fiktiven Welt Ishiguros in die Medienwelt der jüngsten Vergangenheit. Mit einem Video-Ausschnitt aus einem Interview des in Chicago ansässigen Internet-Nachrichtenportals wttw.com, das im Januar 2018 erschien, wird Bezug genommen auf die Nachricht, dass es chinesischen Wissenschaftlern gelungen sei, zwei Makaki-Äffchen aus dem fötalen Gewebe eines anderen zu erzeugen. Ein Beitrag zum britischen Blatt The Guardian von Philip Bell, aus dem das Lehrbuch im weiteren Verlauf ein Zitat zur Diskussion stellt,4 präzisiert, dass die beiden Primaten die Überlebenden einer ganzen Versuchsreihe von 79 Embryonen gewesen seien, aus denen nur sechs Schwangerschaften bei 21 Leihmuttertieren entstanden. Bell stellt in seinen Ausführungen eine Analogie zu dem Verfahren der in vitro-Befruchtung her, mit dem seit 1977 Tausende von Kindern künstlich gezeugt wurden, für die aber ihre natürliche Herkunft aus genetisch unterschiedlichen Stammzellen unzweifelhaft ist, so dass hier im Gegensatz zu Klonen keine Fragen zu Elternschaft, Identität und legalem Status aufkommen (vgl. Bell 2018).
Der abrupte Wechsel von Medium und Material, vom fiktionalen Text zum journalistischen Nachrichteninterview bzw. Wissenschaftskommentar, lässt die thematische Verbindung zunächst in den Hintergrund treten – sie wird erst in der zweiten Hälfte des Videos erkennbar, als die Frage aufgeworfen wird, ob das Klonen dazu genutzt werden könnte, Organspender für medizinische Notfälle zu heranzuziehen. Im weiteren Zusammenhang kommen Fragen nach der Individualität bzw. den familiären Verhältnissen zwischen biologischer Verwandtschaft und Klon auf, die sowohl rechtlich als auch ethisch bislang ungeklärt sind.
Für leistungsschwächere Schüler:innen dürfte es schwierig sein, dem Interview mit der Direktorin des Northwestern Centre for Genetic Medicine (Chicago), Elizabeth McNally, ohne Transkript zu folgen, auch wenn als pre-viewing activity einige zentrale Vokabeln geklärt werden sollen. Die Aufgabe für die Schüler:innen zum Hörsehverstehen lautet, die Bedeutung dieses wissenschaftlichen Erfolgs für Entwicklungen mit menschlichem Genmaterial zu erfassen und die ethischen Bedenken im Zusammenhang mit diesem Forschungszweig zu notieren.
Die letzte workshop-Aufgabe lässt die Schüler:innen die (ihnen bekannten Versatzstücke aus Ishiguros) Romanhandlung im Zusammenhang mit diesen Fragestellungen aus Video und Zeitungskommentar erörtern. Die Lösungsvorschläge liefern leider einige der „invalid reasons for human cloning“, die Bell in seinem Artikel mit Recht moniert: „most obviously, the vanity of imagining that one is somehow creating a ‘copy’ of oneself and thereby prolonging one’s life“ (Bell 2018). So listen die Handreichungen nach der vorhergehenden Diskussion dieser Aspekte nicht nur die ethisch fragliche “possibility of creating a clone to provide organ donations“ (und übernehmen dabei mit dem Ausdruck „donations“ die euphemistische Sprache des Klon-Diskurses, da den Klonen selbst die mit einer Schenkung einhergehende Wahlmöglichkeit und Freiwilligkeit abgesprochen wird). Sie benennen auch die illusionistisch-sentimentale Haltung als „opportunity“, dass Menschen als Klon fortexistieren: „people may be able to live on after death through their clone, which may provide support to bereaved loved ones“ (CT-LHB 76). Gerade ein Roman wie Never Let Me Go führt anhand der zentralen Figuren Kathy, Ruth und Tommy in einer Vielzahl von Zusammenhängen vor, wie sich die Klonkinder zu eigenständigen Individuen entwickeln, die – all ihrer Naivität und sozialen Isolation von „natürlichen“ Menschen zum Trotz – zu eigenständigen Individuen reifen, mit ganz anderen Identitäten als ihre Zellspender. Persönlichkeit ist keineswegs allein durch die Genetik bestimmt, sondern eine Textur aus biologischen, anatomischen, physiologischen, kognitiven und nicht zuletzt sozialen Komponenten. Daher ist auch der letzte Eintrag in den Lösungsvorschlägen, wenngleich als [rhetorische?] Frage formuliert, irreführend: „[A]re cloned people and clones the same people with the same personalities?“ (CT-LHB 76) Die künstliche, d.h. genetische Replikation eines Menschen mag eines Tages zwar möglich sein, aber die charakterliche Disposition wird durch die anderen Faktoren so weit mitbestimmt, dass ein Klon allenfalls starke äußerliche Ähnlichkeiten aufweisen wird – hierzu gibt es in der Biographie-Forschung über räumlich und zeitlich voneinander getrennte eineiige Zwillinge hinreichend Belege, dass selbst in dieser physiognomischen Hinsicht Umwelteinflüsse prägend sind. Auch der Roman geht auf diesen Sachverhalt ein, denn Kathy und ihre Freunde haben Schwierigkeiten, auf ihrer Suche nach Ruths ‚Original‘ (bezeichnenderweise von den Klonen stets als „[someone’s] possible“ bezeichnet) absolute Sicherheit zu erzielen:
The woman was around fifty, and had kept her figure pretty well. Her hair was darker than Ruth’s – though it could have been dyed – and she had it tied back in a single ponytail the way Ruth usually did. She was laughing at something her friend in the red outfit was saying, and her face, especially when she was finishing her laugh with a shake of her head, had more than a hint of Ruth about it. (Ishiguro 2016: 168)
Die Jugendlichen folgen der unbekannten Frau durch die Straßen Norfolks, doch je länger sie sie betrachten, desto größer werden die Zweifel: “And the more we heard her and looked at her, the less she seemed like Ruth. It was a feeling that grew among us almost tangibly.“ (Ishiguro 2016: 172) Am Ende steht die Einsicht: “Well, I think we’re agreed, aren’t we? That isn’t Ruth.” (Ishiguro 2016: 173) Für Ruth ist dies eine schwere Erfahrung, denn jemandes „possible“ zu identifizieren gibt den Klonen ein trügerisches Gefühl von Gewissheit darüber, woher sie kommen.5 Dieses Gefühl wird enttäuscht und führt zu Ruths frustriertem Ausbruch: Nicht eine solch wohlgekleidete, kunstinteressierte Dame aus besten Verhältnissen wie jene, der sie zuvor gefolgt sind, wäre ihr Ursprung, sondern sicher eher eine sozial Ausgegrenzte.
We’re modelled from trash. Junkies, prostitutes, winos, tramps. Convicts, maybe, just so long as they’re no psychoes. That’s what we come from. […] If you want to look for possibles, if you want to do it properly, then you look into the gutter. You look in rubbish bins. Look down the toilet, that’s where you’ll find where we all came from. (Ishiguro 2016: 175-176, Herv.i.Orig.)
Rückblickend auf den workshop „Analysing Atmosphere“ lässt sich festhalten, dass er den Schüler:innen diverse Hinweise dazu gibt, wie der Begriff mit nicht nur deskriptiven Analyseschritten, sondern auch punktuellen Interpretationsleistungen an Substanz gewinnt. Wichtig ist hierfür – wie Camden Town es vorführt – die kategoriale Unterscheidung von Erzählerstimme, Figurenzeichnung, Sprachstil und setting. Insbesondere für den einführenden Medienvergleich zwischen Verfilmung und Roman-Vorlage sowie für die ersten beiden Textpassagen wird den Lernenden beigebracht, diese Aspekte in einer Analyse zu unterscheiden; die Hinweise aus dem zugeordneten Skill File tragen hierzu ein Übriges bei. Der Medienwechsel vom ästhetisch geformten Romantext zu referentiellen Texten, der hier inhaltlich zu begründen ist, wird hingegen im Zusammenhang mit einer Analyse der Stimmung, die einen literarischen Text prägt, nicht hinreichend motiviert.
Dass am Ende der Arbeit mit den Romanauszügen und der Filmszene von den Schüler:innen erwartet wird, sie könnten zum (gesamten!?) Plot des Romans Never Let Me Go vor dem aktuellen Hintergrund von Ergebnissen aus der empirischen Genforschung kritisch Stellung beziehen, erscheint allerdings ohne weitere Zwischenschritte mit der Lektüre von anderen Passagen aus dem Text kaum möglich. Um die inhaltlichen Korrespondenzen zwischen den journalistischen Medien mit den darin aufgeworfenen Fragen hier und der fiktiven Ontologie der Romanhandlung dort plausibel herauszustellen, wäre ein noch intensiverer Umgang damit notwendig. Die Art, wie hier beides einander gegenübergestellt wird, dürfte seitens der Schüler:innen als inhaltlich / formaler Bruch und eher als Überforderung denn als Lernangebot wahrgenommen werden.
Ernest Cline, Ready Player One (2011). Einhundertzwanzig Zeilen Lehrbuchtext können natürlich keinen repräsentativen Eindruck des 579 Seiten starken Werks vermitteln. Das Exzerpt (CT 68-69) enthält eine Montage von unterschiedlichen Passagen aus den Romankapiteln „0002“ bis „0004“ (Cline 2011: 45-47, 72-74 und 78-79). Darin liefert der achtzehnjährige Ich-Erzähler Wade Watts einen kurzen Einblick in seine zurückliegende Schulkarriere, die er bis zur 6. Klasse in der realen Welt hinter sich brachte. Seither lässt sich in der virtuellen Parallelwelt OASIS – Akronym für „Ontologically Anthropocentric Sensory Immersive Simulation“ (Cline 2011: 87) – bilden, weil er dort die früheren Alltagsprobleme (v.a. das soziale Mobbing anderer) nicht länger ertragen muss. Auch empfindet er die Lehrer als sehr viel engagierter, wohl deswegen, weil sie sich besser auf ihren Unterrichtsstoff konzentrieren können:
All of my teachers were pretty great […], probably because they didn’t have to spend half their time acting as babysitters and disciplinarians. […] It was also a lot easier for online teachers to hold their students’ attention, because here in the OASIS, the classrooms were like holodecks. Teachers could take their students on a virtual field trip every day, without ever leaving the school grounds. (CT 68; entspr. Cline 2011: 72)
OASIS bietet neben vielen anderen virtuellen Orten einen eigenen Schulplaneten, „Ludus“ (entlehnt aus lateinisch ludus und analog zu griechisch paidos = Spiel; der Name des Planeten ist somit ein sprechender und evoziert seine semantische Verbindung zur Pädagogik). Der Nachteil, den Wade schnell erlebt, besteht darin, dass zwar der Zugang zu der virtuellen OASIS gratis ist, dass aber alle Abenteuer und Unternehmungen innerhalb dieser Simulationswelt kostenpflichtig sind, mit Ausnahme des Schulbesuchs. Wade muss erkennen: „I was stranded on Ludus, the most boring planet in the entire OASIS“ (CT 69; entspr. Cline 2011: 74). Um Geld für Unterhalt(ung) in diesem Kosmos zu verdienen, möchte Wade sich für Gelegenheitsjobs in der realen Welt verdingen, aber die herrschende globale wirtschaftliche Lage ist „The Great Recession“ und dauert nun schon, mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit, das dritte Jahrzehnt an. Anspruchsvolle Tätigkeiten in der Software-Industrie gibt es nicht, nicht einmal einfache Arbeiten sind verfügbar: „Even the fast food joints in my neighborhood had a two-year waiting list for job applicants.“ (CT 69; entspr. Cline 2011: 79)
Implizit dient diese Textmontage dazu, bei den Schüler:innen eine Verfestigung genre-spezifischen Wissens zu erlangen:
Im Vorfeld kann auf die Definitionen von utopia und dystopia zurückgegriffen werden, z.B. auf S[chüler]B[uch] Seite 48. Ausgehend von diesen Definitionen können Kriterien bzw. generische Merkmale dystopischer Texte herausgearbeitet werden, die grundlegend für die Entscheidung der S[chüler:innen] sind, ob es sich bei der Welt in Ready player one um utopia oder dystopia handelt. (CT-LHB 78; Herv.i.Orig.)
Auf der genannten Seite finden sich ferner knappe Angaben dazu, dass Thomas More das Genre begründet habe und dass der Begriff „Utopie“ sich aus dem Griechischen herleite. Darüber hinaus gebe jedoch es nur wenige generische Merkmale für Utopien / Dystopien – abgesehen von deren unterschiedlichen positiven und negativen ‚Ladungszuständen‘. Dies lässt sich durch die Tatsache bestärken, dass viele Utopien, inklusive Mores eigenem staatsphilosophischen Traktat, schon in ihrer Darstellung den Kern ihrer eigenen Dystopie in sich tragen („freedoms are heralded, only to shrink in the course of the description“, Greenblatt 1980: 41), während viele Dystopien mit einem Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zukunft enden.
In einer pre-reading activity sollen die Schüler:innen ihre eigenen Zukunftserwartungen für das Jahr 2044 (das Jahr, in dem ein Teil der Romanhandlung spielt) formulieren; die Ergebnisse werden im weiteren Verlauf an der Tafel gesammelt, kategorisiert und diskutiert. Erst dann erfolgt die Zuwendung zum Text: In Abstimmung mit dem gerade abgeschlossenen workshop zu Ishiguros Never Let Me Go sollen die Schüler:innen eine Charakterskizze Wades anfertigen und sich zu den Bedingungen, unter denen er lebt (also zum setting), äußern. In der post reading-Phase arbeiten die Schüler einen „Comment“ (Zieltextformat) aus und entscheiden, ob der Roman bzw. die darin beschriebene Gesellschaft als Utopie oder Dystopie zu bezeichnen sind. Allerdings stehen einer fixen Zuordnung im Text Argumente für beide Pole des Spektrums entgegen, was auch die Lösungsvorschläge hervorheben (vgl. CT-LHB 78). Insofern wird die Aufgabenstellung 3 „Assess whether the society in the novel can be described as a utopia or a dystopia“ (CT 69) mit ihrem verabsolutierenden „entweder – oder“ nicht dem Text gerecht, sondern müsste adäquater – im Sinne Greenblatts – auf ein differenzierendes „sowohl – als auch“ abzielen. Dieser Aspekt wird auch in den eingangs zitierten Lösungsvorschlägen, die lediglich die Kontrastierung der ontologischen Ebenen von virtueller Utopie und realer Dystopie als Maßgabe kennzeichnen, übersehen: „[OASIS] is […] only utopian online, while in real life society is experiencing a recession, with no jobs or opportunities, and therefore the online world can be seen as a form of escapism from a dystopian world.“ (CT-LHB 78) Diese Sichtweise ist scheinbar vom Romantext gestützt, in dem mehrfach thematisiert wird, wie schlecht es um die analoge Welt steht, in der Wade lebt und die von Kriegen, Krankheiten und Klimakatastrophen bestimmt ist: „We’d been born into an ugly world, and the OASIS was our happy refuge.“ (Cline 2011: 52; vgl. auch 2) Tatsächlich wird Wade jedoch auch in der simulierten Welt erneut zum Außenseiter, der er zuvor in der realen (Schul-)Welt allein wegen seiner sozialen Herkunft, seines übergewichtigen Äußeren und wegen seiner begrenzten Ausdrucksfähigkeit war. Denn im Kern bedeutet das Simulacrum OASIS, das die finanzkräftigen Mitschüler virtuell bereisen, für Wade nichts anderes als einen Ort des neuerlichen Gefangenseins, und der Aufenthalt dort wird zur seiner persönlichen Dystopie: „So I remained stuck at school [on planet Ludus in the simulation game OASIS]. I felt like a kid standing in the world’s greatest video arcade without any quarters, unable to do anything but walk around and watch the other kids play.“ (CT 69; entspr. Cline 2011: 79) Kein Wunder also, dass am Ende seiner Abenteuer ein frustrierter Wade Watt beschließt: „I had absolutely no desire to log back into the OASIS.“ (Cline 2011: 579)
Im Anschluss an die oben zitierte Kommentaraufgabe erfolgt ein neigungsdifferenzierter schriftlicher Arbeitsauftrag, bei dem die Schüler:innen nunmehr zwischen zwei Zieltextformaten wählen können: Entweder verfassen sie einen Artikel für ein online-Jugendmagazin oder eine Rede für eine Jugendkonferenz. Beide fokussieren das Thema „Zukunft der Bildung“ und die Frage, inwieweit der Einsatz moderner Technologien positive oder negative Folgen für die Bildung haben könnten (CT 69). Dies schließt folglich eher an die pre-reading Aufgabe mit einer deutlichen Schülerfokussierung an als an den Romanauszug.6 In einem zweiten Arbeitsschritt erfassen die Lernenden, inwieweit das Textformat Inhalt, Form und Ausdruck bestimmt. Mit diesen beiden Aufgaben wird zwar der Roman als Quellentext zurück gelassen, denn die erste der beiden Teilaufgaben ist nur mehr wenig an die Inhalte von Wade Watts Erlebnissen und Reflexionen gekoppelt, während die zweite auf einer Metareflexionsebene angesiedelt ist und die Ergebnisse der Schüler:innen in den Blick nimmt. Mit diesem zweiten Schritt aber erhält die Aufgabe ein Momentum, durch das sie reichhaltiges Potenzial als Vorbereitung auf Genre- und Textsorten-ausgerichtete Themen in akademischen Lehrveranstaltungen bereithält. Damit ist neben den Reflexionen über die textlichen Eigenschaften von spekulativer Fiktion ein weiteres, zentrales Element von text-based instruction in den Unterricht eingebaut. Dies wird auch in den Lehrerhandreichungen als Vorschlag für einen Tafelanschrieb angemessen wiedergegeben (CT-LHB 79, Herv. i.Orig.):
How the text type may influence your way of writing
the speech should address the audience directly, while the article is likely to reach out to the reader but in a less direct way
the speech may begin with an attention-grabbing statement, while the ideas of the article will build up gradually and logically
the article will probably contain more information, while the speech will centre around two or three key themes
How the text type may influence your way of writing
the speech should address the audience directly, while the article is likely to reach out to the reader but in a less direct way
the speech may begin with an attention-grabbing statement, while the ideas of the article will build up gradually and logically
the article will probably contain more information, while the speech will centre around two or three key themes
Mit diesen Überlegungen endet in Camden Town die Einheit über „Literary Visions of the Future“, wie sie für den Grundkurs konzipiert ist. Es schließt daran ein letzter Abschnitt mit Materialien für das erhöhte Anforderungsniveau des Leistungskurses an: eine Kurzgeschichte als Ganztext mit einem Umfang von 280 Druckzeilen, gefolgt von einem informativen Video zum Thema und drei Szenen aus Garlands SF-Film Ex Machina.
Kurt Vonnegut, „Harrison Bergeron“ (1961). Bei dieser satirischen Kurzgeschichte geht es um ein Ehepaar in einer totalitär geführten Gesellschaft, das in einer Fernsehübertragung den Tod des eigenen Sohnes anschaut. Das politische System ist daraufhin ausgerichtet, dass die mentalen und physischen Fähigkeiten aller Individuen auf das niedrigste gemeinsame Niveau ‚gestutzt‘ werden. Wer innerhalb dieses universellen Referenzrahmens auf einer höheren Stufe verortet wird, bekommt zwangsweise eine künstliche Behinderung verordnet, ein „handicap“, das unter drakonischer Strafandrohung nicht entfernt werden darf. Im Zentrum der Erzählung steht ein Ehepaar, George und Hazel Bergeron, deren 14jähriger Sohn Harrison aufgrund seiner Athletik und seines Genies vom Staat gefangengesetzt worden ist. Während Hazel keines äußerlichen „handicap“ bedarf, hat George ein Gerät am Ohr installiert, das alle 20 Sekunden ein lautes Geräusch aussendet und auf diese Weise jeden kompexeren Gedanken unter- und abbricht; zudem trägt er eine Art Schandflasche um den Hals, wie sie im Mittelalter Verwendung fand: Allerdings hat er nichts anderes verbrochen, als über eine mehr als durchschnittliche körperliche Fitness zu verfügen, die so prokrustesartig auf den vorgesehenen Standard ‚normiert‘ wird. Die Eltern sehen im Fernseher mit an, wie ein Fahndungsaufruf nach Harrison gesendet wird, kurz darauf wird die Übertragung einer seichten Ballett-Aufführung unterbrochen: Der schwer mit „handicaps“ Beladene betritt das Studio mit der Botschaft, die Regierung stürzen und sich als Kaiser eine Herrscherin nehmen zu wollen. Er wählt dazu eine Ballett-Tänzerin aus, beide entledigen sich ihrer „handicaps“ und tanzen miteinander. Herein stürmen die Brigaden des „United States Handicapper General“, einer Polizei, deren Anführerin die beiden umstandslos abschießt und so den Aufstand im Keim erstickt. Der Bildschirm der Bergerons wird schwarz, und die vor Rührung, nicht Trauer weinende Hazel stellt fest, dass George diese letzten Momente nicht gesehen hat, weil er sich gerade ein Bier holen gegangen war. Auf die Frage, warum sie weine, kann sie nicht antworten, da sie sich nicht mehr an Details erinnert, sondern nur daran, dass da etwas sehr Trauriges geschehen sei: Solch traurigen Dinge müsse sie vergessen, rät George ihr. Ein neuer lauter Ton erschallt in seinem Ohr, den auch Hazel (wie schon mehrfach zuvor) mit ein wenig neidischer Bewunderung als besonders laut registriert und kommentiert, was George mit den Worten bestätigt, das könne man wohl sagen – was Hazel als Aufforderung versteht und prompt noch einmal tut. Die Ereignisse im Fernsehen sind vergessen, die Trauer verflogen, die Geschichte am Ende.7
Der Einstieg in die Erarbeitung dieser flash fiction erfolgt über eine Betrachtung der ersten drei lakonisch-ironischen Sätze, die in Aufgabe 1 vom restlichen Text abgehoben sind: „The year was 2081, and everybody was finally equal. They weren’t only equal before God and the law. They were equal every way which was.” (CT 70) Analog zur Spekulation über das Leben im Jahr 2045 im Zusammenhang mit Clines Roman Ready Player One werden die Schüler:innen erneut über ihre Zukunftserwartungen über den Zustand der Gesellschaft im Jahr 2081 befragt. Wurden für den früheren Text noch grundlegend optimistische Lösungsvorschläge geliefert (Krebs als heilbare Krankheit, Möglichkeiten der Teleportation, Roboter als Verrichter „of menial services“, CT-LHB 77), die in Gegensatz zu der Vision dessen stehen, die Cline seine Figur Wade Watt vom Zustand seiner Welt berichten lässt, so wird hier auf die grundsätzliche ambivalente Natur von Utopien hingewiesen: Einerseits ist die Gesellschaft, die Vonnegut mit seinem allwissenden Erzähler beschreibt, von allen Unterschieden in sozialer Klasse und intellektuellen Habitus befreit; dieses utopische Element aber wird konterkariert durch die allgegenwärtige physische, institutionelle und strukturelle Gewalt, mit der diese Gleichheit für alle von den qua constitutio und de jure befugten staatlichen Kräften durchgesetzt wird, u.a. gehören dazu (CT-LHB: 81):
[…] to handicap everyone who is above average in some way
“mental handicaps”: sporadic buzzing/ringing sounds placed in the ear of people with above-average intelligence
physical handicaps of “sashweights and bags of birdshot” ([CT 70] l. 42) on dancers to stop them appearing more graceful than anyone else (CT-LHB 80)
George and Hazel Bergeron have had their son taken away from them, because he is seen as too ‘dangerous’ for being naturally gifted
George Bergeron isn’t allowed to properly mourn the loss of his son, because he is forced to wear the mental handicap which disrupts his thought process
George isn’t allowed to remove any of his handicap after a long day at work
Harrison Bergeron looks like “a walking junkyard” ([CT 72] l. 172) because of how heavy his handicaps have to be in order to compensate for his natural talents
dancers and musicians aren’t allowed to express themselves properly because of their handicaps
In einer zweiten Unteraufgabe (3b) wird nach sprachlichen und formalen Elementen („the author’s use of language and elements of the plot“, CT 73) gesucht, die die Leserwahrnehmung im Hinblick auf die Gesellschaftsdarstellung beeinflusst. Diese Aufgabe ließe sich mit einem generalisierenden Hinweis auf die dramaturgische Gestaltung vieler Kurzgeschichten erkenntnisförderlicher bearbeiten, als dies im vorliegenden Fall geschieht. Hilfreich wäre dann ein Verweis auf das Skill File S11 „How to Work with Drama“ (CT 350-351), das mit solch einer polyvalenten Verwendung besser als „Analysing a Plot: Drama / Narrative“ zu betiteln wäre. Das Schülerbuch sieht dergleichen genre-übergreifenden Hilfsmittel nicht vor (auch die entsprechende Differenzierungsseite, CT 300, gibt eine Tabelle mit Textstellen vor, deren Effekt auf die Leserschaft die Schüler:innen darlegen sollen), und die Lehrerhandreichungen verfahren ebenfalls nacherzählend, d.h. mit einer Auswahl von inhaltlichen Details, die aber nicht als Indikatoren für den Aufbau und die innere Architektur der Erzählung systematisiert werden (CT-LHB 81).
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