Kitabı oku: «Beweisantragsrecht», sayfa 10

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aa) Bestimmtheit der Beweisbehauptung

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Der Begriff des Beweisantrages erfordert, dass der Antragsteller etwas behauptet, das heißt als feststehend deklariert. Er muss dem Beweisthema die Sprachgestalt einer behauptenden, bekräftigenden Aussage geben, nicht die einer Erwägung oder einer bedenkenswerten Möglichkeit.[101] Es reicht dementsprechend nicht aus, wenn in einem Antrag formuliert wird, der Zeuge werde in der Hauptverhandlung bekunden, was er gesehen habe oder ob er etwas gesehen habe.[102] Eine Behauptung im Sinne des Beweisantragsbegriffs liegt erst dann vor, wenn die Formulierung den voraussichtlichen Inhalt der Zeugenaussage dezidiert wiedergibt, so zum Beispiel:

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„Der Zeuge wird wahrheitsgemäß bekunden, dass er gesehen hat, dass der Nebenkläger ein Messer in Händen hielt, als er sich dem Angeklagten näherte.“

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Oder auch nur:

„Durch den Zeugen wird bewiesen werden, dass der Nebenkläger sich dem Angeklagten mit einem Messer in der Hand näherte.“

Die Beweisbehauptung soll dem Gericht dabei eine rechtliche und tatsächliche Prüfung des gestellten Antrages ermöglichen. Rechtsprechung und Literatur fordern vielfach, dass die Beweisbehauptung so abgefasst sein muss, dass sie eine exakte und sinnvolle Anwendung der Ablehnungsgründe ermöglicht.[103] Nach Herdegen soll dem Antragsteller durch das Bestimmtheitserfordernis aufgegeben werden, die Beweisthematik so zu umschreiben, dass sie (jedenfalls nach ergänzender Substantiierung auf Nachfrage durch das Gericht) erkennen lässt, welche bestimmten Konsequenzen für die Sachverhaltsannahmen oder die Rechtsfolgen die Anwendung des einen oder anderen der Ablehnungsgründe hat, die die Beweisthematik betreffen.[104]

Danach steht der Grad der erforderlichen Bestimmtheit in Abhängigkeit vom jeweils in Betracht kommenden Ablehnungsgrund. Man mag zweifeln, inwieweit die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit, der Wahrunterstellung und der Erwiesenheit der Tatsache wirklich nur dann angewandt werden können, wenn eine bestimmt formulierte Beweisbehauptung aufgestellt wird. Es spricht Einiges dafür, dass auch ein unbestimmt formulierter Satz in Beziehung zum übrigen Inhalt der Beweisaufnahme gesetzt und als bedeutungslos oder als bereits erwiesen angesehen werden kann.

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Wenn die Forderung nach Aufstellung einer bestimmt formulierten Beweisbehauptung gleichwohl Berechtigung besitzt, dann vor allem deshalb, weil die Beweisbehauptung generell geeignet sein muss, in ihrem im Beweisantrag enthaltenen Wortlaut zur Urteilsgrundlage zu werden, d.h. als Teil der „Feststellungen“ in den Urteilssachverhalt einzugehen oder zumindest als Indiztatsache Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu werden.

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Das Erfordernis der Bestimmtheit der Beweisbehauptung ergibt sich ferner daraus, dass auf Grund des Antragsinhalts überprüfbar sein muss, ob die Beweiserhebung mit dem im Antrag benannten Beweismittel im Rahmen seiner ihm von der Prozessordnung zugewiesenen Beweisfunktion zu einer Bestätigung der Beweisbehauptung führen kann. Die Strafprozessordnung sieht für das Strengbeweisverfahren einen festen Katalog von Beweismitteln vor. Diesen sind innerhalb der Beweisaufnahme bestimmte Funktionen zugewiesen. Ob sich die beantragte Beweiserhebung in dieses System einfügt, ob das Beweismittel insoweit „geeignet“ ist, den erhofften Ertrag zu erbringen, muss das Gericht an Hand der Beweisbehauptung prüfen können. Da sich der mögliche Ertrag einer Beweiserhebung u.a. maßgeblich danach richtet, welches Beweismittel benannt ist und etwa Zeugen und Sachverständigen durch die Prozessordnung gänzlich unterschiedliche Positionen im Rahmen der Beweisaufnahme zugewiesen sind, muss das Gericht an Hand des Antragstextes die Möglichkeit besitzen, zu überprüfen, ob sich die beantragte Beweiserhebung innerhalb der prozessualen Rolle des benannten Beweismittels hält: Ist z.B. der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen gerichtet, so darf die Beweisbehauptung nicht lauten, dass nach dem Erfahrungswissen der Gerichtsmedizin bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,0 Promille noch eine vollständig kontrollierte Teilnahme am Straßenverkehr möglich ist.[105]

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Keine tauglichen Kriterien zur Abgrenzung von unbestimmten und bestimmten Beweisbehauptungen ergeben sich aus der Unterscheidung zwischen „Beweistatsache“ und „Beweisziel“, die einer Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde liegt.[106] Die gedankliche Unterscheidung zwischen einem unmittelbar wahrnehmbaren Ereignis und aus der Wahrnehmung gezogenen Schlussfolgerungen kann die Grenze zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag schon deshalb nicht markieren, [107] weil es eine gänzlich von Schlussfolgerungen freie „reine“ Wahrnehmung nicht gibt. Zwar lässt sich zwischen der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen („Der Angeklagte war in der Zeit zwischen 20 und 22 Uhr mit mir in einer Gaststätte“) und dem Beweisziel („Der Angeklagte war nicht der Täter, weil die Körperverletzung durch einen Pistolenschuss auf dem Parkplatz vor der Gaststätte begangen wurde.“) differenzieren. Doch kann sich die Unterscheidung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag darauf nicht maßgeblich stützen. Auch der Zeuge ist nicht daran gehindert, Folgerungen aus seinen Wahrnehmungen zu ziehen („Ich habe von meinem Platz in der Gaststätte aus den Schuss auf dem Parkplatz gehört. Der Angeklagte kann ihn nicht abgegeben haben.“). Es kann nicht unzulässig sein, solche Schlussfolgerungen unter Beweis zu stellen. Das Beweisantragsrecht würde entscheidend verkürzt, wenn es dem Antragsteller in den Fällen, in denen er keine Kenntnis von den konkreten Wahrnehmungen eines Zeugen hat, verwehrt wäre, unter Angabe eines Beweisziels einen Beweisantrag zu stellen.[108] Die Frage, aus welchen Beobachtungen im Einzelnen der Zeuge seine Schlüsse zieht, mag dann mit ihm selbst geklärt werden.

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Wie sehr eigenen Folgerungen eines Zeugen für den Stellenwert seiner Aussage Bedeutung zukommen kann, zeigt sich etwa dann, wenn ein Zeuge über die Verabredung zu einem Rauschgifthandel berichten soll. Würde er sich dabei auf die Wiedergabe seiner unmittelbaren Wahrnehmungen beschränken und nur mitteilen, dass er ein Gespräch mitangehört habe, in dem es um die Lieferung von „Koffern“ und „Teppichen“ ging, zugleich aber verschweigen, dass er auf Grund bestimmter weiterer Umstände und eigener Vorkenntnisse gefolgert hat, dass es sich hierbei um Tarnbezeichnungen für bestimmte Rauschgiftarten und -mengen gehandelt haben muss, so würde ihm die Justiz das übel nehmen. Er hätte mit einem Verfahren wegen eines Aussagedelikts zu rechnen.[109]

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Auch dann, wenn das Bestimmtheitserfordernis nicht aus der Unterscheidung zwischen Beweistatsache und Beweisziel abgeleitet wird, ändert dies jedoch nichts daran, dass es in der praktischen Tätigkeit des Verteidigers uneingeschränkt beachtet werden muss, will er nicht riskieren, dass ein Antrag lediglich auf Grund ungenauer Wortwahl als Beweisermittlungsantrag zurückgewiesen wird.[110]

Beweistatsachen können so vielfältig sein wie die strafrechtlichen Fallgestaltungen, dementsprechend können als Beweistatsachen konkrete Geschehnisse, Dinge, Umstände und Zustände der äußeren Welt, Vorgänge und Eigentümlichkeiten des Seelenlebens in Betracht kommen.[111] Wie präzise das jeweilige Beweisthema im Antrag geschildert werden muss, hängt entscheidend von der Einzelsituation ab, allgemeine Maßstäbe lassen sich nur schwer formulieren. Immerhin ergeben sich aus der Rechtsprechung einige Beispielsfälle, die wichtige Hinweise liefern können. Wo die Beweistatsache zum Beispiel ein bestimmtes Ereignis betrifft, wird es in der Regel angezeigt sein, Ort und Zeit des Ereignisses zu benennen.[112] Was dabei genau erforderlich ist, richtet sich aber nicht zuletzt danach, welche Beweisfrage im Prozess umstritten ist. So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem es darauf ankam, ob der Angeklagte sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Deutschland aufgehalten hat, einen Antrag auf Anhörung eines Zeugen zum Beweis der Tatsache, „dass sich der Angeklagte R. vom 10.3.-25.3.1990 ausschließlich in Frankreich im Urlaub aufgehalten hat“ als Beweisantrag anerkannt. Der BGH lehnte insbesondere die Forderung des Landgerichts nach Angabe des Urlaubsortes ab, da es für die Beweisführung allein auf die Abwesenheit aus Deutschland ankam.[113]

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Für allgemein übliche Rechtsvorgänge können im Beweisantrag verkürzte rechtliche Schlagworte verwendet werden (z.B. Kauf, Miete etc.).[114] Das gilt jedoch nicht für Schlagworte, wie „unglaubwürdig“ oder „betrunken“ oder „schuldunfähig wegen Heroinabhängigkeit“. In diesen Fällen ist statt der wertenden Zusammenfassung eine Tatsachenbasis unter Beweis zu stellen, die den Schluss auf die genannten Wertungen trägt.[115]

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Es wurden Anträge als zu unbestimmt angesehen, durch die nachgewiesen werden sollte,



Als nicht ausreichend bestimmt wurde auch die Benennung einer Zeugin zum Beweis der Tatsache angesehen, sie habe die ihr zugetragenen Erkenntnisse über Bedrohungen einzelner Gäste dem Zeugen M. mitgeteilt, der seinerseits den Angeklagten R. „entsprechend informierte“. Hier ließ sich nach Ansicht des BGH dem Beweisbegehren nicht entnehmen, was genau Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll.[125] Ebenfalls als zu unbestimmt angesehen wurde die Benennung eines Zeugen S. zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge M. „weder im Februar/März 2007 noch im Jahre 2008 in Amerika war“, bzw. „von Waffen keine Ahnung hat und ein M16-Maschinengewehr nicht erkennen kann“.[126]

Keine konkreten Tatsachenbehauptungen, sondern Wertungen lagen nach Ansicht des BGH in einem Fall vor, in dem nachgewiesen werden sollte, der Haushalt in einer Familie sei „stets ordentlich gewesen“, Kinder und Eltern seien stets „unbeschwert miteinander umgegangen“, die Geschädigte sei „außerordentlich schauspielerisch begabt“, sie behaupte, „jede Rolle spielen zu können“ und habe – beim Lügen erwischt – „hysterisch überreagiert“.[127] Als ausreichend gewertet wurde demgegenüber die Behauptung, der Angeklagte habe mit seinen Familienmitgliedern über die Reiseroute kommuniziert.[128]

Auch in einem Antrag auf Vernehmung zweier Krankenhausärzte zum Beweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte in einem bestimmten Krankenhaus in der Zeit von Anfang 2008 bis März 2009 durch den Neurologen und von Anfang Dezember 2008 bis Januar 2009 von dem Orthopäden behandeln ließ, was beweisen sollte, dass er in dieser Zeit keine Möglichkeit hatte, auf einen Transportcontainer oder sein Fahrzeug zuzugreifen, wurde als nicht hinreichend bestimmt gewertet. Hierdurch sei nicht ein mehrere Monate dauernder Krankenhausaufenthalt unter Beweis gestellt worden, hierauf hätte das Tatgericht erst aus den näheren – allerdings nicht unter Beweis gestellten – Umständen des Krankenhausaufenthaltes schließen können. Deshalb bezeichne der Antrag nicht mehr als ein Beweisziel.[129]

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Geht es darum, ob eine Zeugin einen Beschuldigten wiedererkennt, kann es ausreichend sein, wenn die Zeugin zum Beweis der Tatsache benannt wird, dass der Beschuldigte zum maßgeblichen Zeitpunkt am Tatort „nicht anwesend war“. Der Gegenstand der Zeugenaussage ist dabei so sehr auf die Wiedergabe von dem Zeugenbeweis unmittelbar zugänglichen Wiedererkennungsmerkmalen ausgerichtet, dass deren konkrete Benennung nicht geboten ist.[130]

Als ausreichend angesehen wurde auch die im Zusammenhang mit der Beweiserhebung über den Zustand des Beschuldigten bei der Tatbegehung aufgestellte Beweisbehauptung, der Beschuldigte sei bei der Haftbefehlseröffnung ca. 18 Stunden nach der Tat nicht in der Lage gewesen, wahrzunehmen, dass ihn der Rechtsanwalt als Verteidiger und nicht als Haftrichter aufgesucht habe.[131]

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Auch beim Antrag auf Sachverständigenbeweis bringt das Bestimmtheitserfordernis oft erhebliche Schwierigkeiten mit sich.[132]

Nicht hinreichend bestimmt war nach Ansicht des BGH z.B. ein Antrag, mit dem eine rechtsmedizinische Begutachtung von Lichtbildern erreicht werden sollte, die zur Dokumentation von Verletzungen eines Geschädigten angefertigt worden waren. Der in der Begründung des Beweisantrages enthaltene Hinweis, bei der Begutachtung werde sich ergeben, dass die von dem Geschädigten geschilderten Tathandlungen mit dem auf den Bildern dokumentierten Verletzungsbild nicht vereinbar waren, ließ nach Ansicht der Gerichte zu Unrecht offen, welche äußerlich sichtbaren Verletzungen zu erwarten gewesen wären.[133]

Ausreichend bestimmt waren Anträge, die in einem Verfahren, das Vorwürfe im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Iran-Embargo betraf, auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichtet waren, durch das bewiesen werden sollte, dass bestimmte Ventile, wie sie in verschiedenen Schriftstücken aus Anlass von Verhandlungen beschrieben waren, auf Grund diverser Details nicht für den Einsatz im Primärkreislauf eines Kernreaktors geeignet, nicht nukleartauglich, bzw. nicht nuklearspezifisch waren.[134]

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Besondere Probleme bereitet das Erfordernis einer bestimmten Beweisbehauptung häufig bei Beweisanträgen zur Frage der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit.[135] Nach der Rechtsprechung des BGH genügt es nicht, wenn lediglich unter Beweis gestellt wird, beim Angeklagten lägen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB vor.[136] Auch in dem Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen zum Beweis der Tatsache, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert sei, sieht der BGH keinen Beweisantrag, da hiermit lediglich die ohnedies vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage benannt werde.[137] Zwar erscheint es prozessrechtlich folgerichtig, auch insoweit im Beweisantrag die Angabe hinreichend bestimmter Tatsachen zu verlangen. Doch darf dies nicht dazu führen, dass die Verteidigung gezwungen ist, die medizinischen, psychiatrischen oder psychologischen Einzelbefunde als eigene Diagnose zu antizipieren, nur damit der Antrag die Beweisantragsqualität erreicht.[138] Es muss vielmehr ausreichen, wenn an Hand der Merkmale der §§ 20, 21 StGB eine konkrete Zuordnung vorgenommen wird („… zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt an einer tief greifenden Bewusstseinsstörung litt und in Folge dessen daran gehindert war, das Unrecht seines Handelns einzusehen …“)[139].

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Ähnliche Probleme können sich im Zusammenhang mit dem Merkmal des „Hangs“ in § 66 StGB ergeben. Auch insoweit gilt, dass der Rechtsbegriff als solcher dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist.[140] Dass bei dem Angeklagten kein Hang vorliegt, kann das Beweisziel sein. Unter Beweis gestellt werden müssen aber das Bestehen oder das Fehlen bestimmter tatsächlicher Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten oder in den Taten.[141]

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Soweit es zum Nachweis der (fehlenden) Aussagetüchtigkeit einer Zeugin oder eines Zeugen auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ankommt, ist nach ähnlichen Kriterien zu diffrerenzieren. Der BGH hat in einem Verfahren, das den Vorwurf der Vergewaltigung betraf, einen Antrag, durch den nachgewiesen werden sollte, dass die Belastungszeugin/Nebenklägerin „an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung oder an einer anderen, selbstverletztendes Verhalten auslösenden Persönlichkeitsstörung“ leide und ihre Aussagekompetenz gerade in Bezug auf die Beziehungstaten aus diesem Grunde nicht gegeben sei, als Beweisantrag gewertet.[142] Als ausreichend bestimmt wurde in einer anderen Entscheidung unter den konkreten Umständen des Falles ferner ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gewertet, durch das bewiesen werden sollte, dass die Nebenklägerin unter „einer krankheitswertigen Alkoholabhängigkeit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformation“ leide.[143]

Auch einen Beweisantrag der Nebenklage auf Einholung eines ausagepsychologischen Gutachtens, durch das nachgewiesen werden sollte, dass die Angaben der Nebenklägerin insgesamt und zu den Tatvorwürfen gegen den Angeklagten erlebnisbegründet sind, hat der BGH als hinreichend bestimmt gewertet.[144]

Ähnliche Fragen können sich stellen, wenn im Zusammenhang mit einer Strafaussetzung zur Bewährung unter Beweis gestellt werden soll, dass der Angeklagte sich schon die erstinstanzliche Verurteilung hat zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.[145]

bb) Zeugenbeweis und „Negativtatsachen“

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Schwierigkeiten bereitet das Erfordernis einer bestimmten Beweisbehauptung auch in den Fällen, in denen sog. Negativtatsachen unter Beweis gestellt werden. Ob ein Zeuge auch zum Beweis für eine Tatsache benannt werden kann, die er nicht mit seinen fünf Sinnen wahrgenommen hat, kann nur (aber auch stets) dann von Bedeutung für das Urteil sein, wenn er sie unter den gegebenen Umständen hätte wahrnehmen müssen. Dann ist zwar letztlich doch nur die Schlussfolgerung, dass das vom Zeugen nicht gesehene oder gehörte Ereignis eben nicht stattgefunden hat, unter Beweis gestellt. In dem Maße, in dem der Schluss wahrscheinlich oder sogar zwingend ist, muss ein solcher Beweisantrag aber zulässig sein.

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Von grundlegender Bedeutung für diese Thematik ist dabei unverändert eine Entscheidung des BGH vom 6.7.1993 (bekannt geworden als „Flamingo“-Entscheidung).[146] An den in diesem Urteil aufgestellten Maßstäben hat sich nachfolgend eine intensive Diskussion entzündet.

Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung beantragt, zum Beweis der Tatsache, „dass der Angeklagte mit den Mitangeklagten S. und R. am Abend des 29.12.1990 in dem Imbiss keine Absprachen in Bezug auf die Begehung strafbarer Handlungen getroffen hat,“ drei Zeugen zu hören. Er hatte ferner beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte in der Nacht vom 29. auf den 30.12.1990 nicht in der „Flamingo-Bar“ aufgehalten und dort die Mitangeklagten S. und R getroffen hat, die Zeugin W. zu hören. Der BGH sah diese Anträge nicht als Beweisanträge, sondern lediglich als Beweisermittlungsanträge an. Zur Begründung führte er aus, es müsse zwischen Beweisziel und Beweistatsache präzise unterschieden werden und dies habe gerade dann größte Bedeutung, wenn eine so genannte „Negativtatsache“ unter Beweis gestellt werde. Ein Zeuge könne nur über eigene Wahrnehmungen berichten und nur diese könnten als Beweistatsache bezeichnet werden, die Würdigung dieser Beobachtungen obliege dem Gericht.[147]

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Wie die weitere Entwicklung der Rechtsprechung seit BGHSt 39, 251 gezeigt hat, liegt hierin jedoch kein allgemein gültiges Prinzip, das für alle Wahrnehmungssituationen eines Zeugen gleichermaßen gilt. Die Unterscheidung zwischen Beweistatsache und Beweisziel ist dabei zum festen Bestandteil der Dogmatik des Beweisantragsrechts geworden. Weit weniger klar ist hingegen, ob stets dann nur eine Schlussfolgerung unter Beweis gestellt wird, wenn durch Vernehmung eines Zeugen bewiesen werden soll, dass etwas nicht geschehen ist.[148] Das zeigt ein Blick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der letzten Jahre recht deutlich.

Kurze Zeit nach dem dargestellten Ausgangsfall hat der 5. Strafsenat die Differenzierung zwischen Beweistatsache und Beweisziel bei der Entscheidung über eine staatsanwaltschaftliche Revision herangezogen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, einen Zeugen dazu zu vernehmen, dass der Angeklagte Z. das Feuerzeug „offensichtlich nur deshalb nicht zündete, weil er gestört wurde“, und „dass der Brand eine extreme Gefährdung der Lokalgäste bedeutet hätte, weil der einzige Weg ins Freie abgeschnitten werden sollte“. Der BGH hat diesen Antragstext lediglich als Formulierung eines Beweisziels gewertet, nicht aber als Formulierung von Beweistatsachen.[149] Hierfür spricht schon die im Text des Antrages enthaltene Schlussfolgerung („nur deshalb nicht, weil“).

Im Rahmen des Verfahrens, das den Vorwurf der geheimdienstlichen Agententätigkeit gegenüber einem früheren parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion betraf, hat der BGH dann ausdrücklich auf die Rechtsprechung zu den Negativtatsachen zurückgegriffen. In der in das Wissen einer Zeugin gestellten Behauptung, dem Angeklagten seien in dem Zeitraum von 1975 bis 1989 keine monatlichen Zahlungen in Höhe von 10 000 DM übergeben worden, sah der BGH unter Hinweis darauf, dass es sich um eine Negativtatsache handele, keine den Beweisantragserfordernissen genügende Beweisbehauptung.[150]

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Die Idee einer klaren Trennung zwischen Beweisziel und Beweistatsache und der Beschränkung des Beweisantrages auf die Benennung positiv wahrnehmbarer Tatsachen wird hier entscheidungsleitend herangezogen. Schon bald hat sich aber gezeigt, dass dieses Prinzip nicht ausnahmslos auf alle Situationen passt. Bei einfach gelagerten Abläufen muss vielmehr auch die Angabe einer Negativtatsache ausreichen, um das Merkmal der bestimmten Beweisbehauptung zu erfüllen.[151]

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Das verdeutlicht eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1999. Dem Angeklagten war in dieser Sache der Vorwurf gemacht worden, den Stationspfleger des psychiatrischen Krankenhauses, in dem er untergebracht war, mit einem Stuhl geschlagen zu haben. Die Verteidigung beantragte in der Hauptverhandlung, den Zeugen X zu vernehmen, der sich zum Tatzeitpunkt vor der Tür des Zimmers aufgehalten habe. Der Zeuge X werde bekunden, dass vom Angeklagten kein Schlag auf den Stationspfleger geführt worden sei. Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwaltes, der ausgeführt hatte, es liege kein Beweisantrag vor, sah der BGH die Voraussetzungen des Beweisantragsbegriffs als erfüllt an, da angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts davon auszugehen war, dass der Zeuge das Geschehen umfassend überblicken konnte.[152]

Dass nicht jeder Antrag, der auf den Nachweis von Negativtatsachen abzielt, damit sofort die Beweisantragsqualität verliert, zeigt auch eine Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH.[153] Die Verteidigung hatte in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung eine Beweiserhebung über Äußerungen der Nebenklägerin in einer früheren Hauptverhandlung beantragt. Zum Nachweis der Tatsache, dass die Nebenklägerin in jener Hauptverhandlung nicht bekundet habe, der Angeklagte habe sie mit einer Hand an beiden Händen festgehalten und mit der anderen Hand angefasst, war als Zeuge ein Richter der damals zuständigen Strafkammer benannt. Das Landgericht sah hierin eine Negativtatsache und wertete den Antrag als Beweisermittlungsantrag. Der BGH beanstandete dies: Da der Richter an der ersten Verhandlung teilgenommen habe, seien die Bekundungen der Zeugin und damit auch die in sein Wissen gestellte Negativtatsache seiner unmittelbaren eigenen Wahrnehmung zugänglich gewesen. Der Charakter des gestellten Antrages als Beweisantrag sei unter diesen Umständen nicht gefährdet, auch wenn eine Negativtatsache unter Beweis gestellt worden sei.[154]

Keine Zweifel an der Beweisantragsqualität bestanden auch in einem Fall, in dem die Verteidigung beantragt hatte, eine Videoaufzeichnung der Wohnung des Angeklagten in Augenschein zu nehmen und mehrere Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass sich entgegen der Aussage der Nebenklägerin in der Wohnung keine Aktfotos an den Wänden befanden.[155]

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An dieser Rechtsprechung[156] zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Positiv- und Negativtatsachen nicht mit der Unterscheidung zwischen Beweistatsache und Beweisziel gleichgesetzt werden kann. Gibt ein Antragsteller als Ziel der beantragten Beweiserhebung zum Beispiel an, er wolle widerlegen, dass er zur Tatzeit am Tatort gewesen sei, dann mag zweifelhaft sein, ob eine solche „Negativtatsache“ bereits als hinreichend bestimmte Beweistatsache anzusehen ist. Dass der Antragsteller damit das Ziel der Beweiserhebung benannt hat, darf aber nicht dazu führen, dass der Antrag insgesamt seine Beweisantragsqualität von vornherein verliert.[157] Das im Antrag benannte Ziel muss vielmehr Auslegungsleitlinie für das gesamte Vorbringen des Antragstellers sein. Die erforderlichen Ergänzungstatsachen, die die gedankliche Kette zwischen dem Satz „Der Angeklagte war zur Tatzeit nicht am Tatort“ und dem Wissen des Zeugen Z schließen (Z war am Tatort, er hat alle Anwesenden gesehen, der Angeklagte war nicht unter den Personen, die er gesehen hat), können sich im Einzelfall aus dem Antragsinhalt ergeben.[158]

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Unabhängig davon wird auch einer direkten Benennung von „negativen“ Beweistatsachen in Beweisanträgen häufig nichts entgegenstehen.[159] Wer auf Grund allgemeinen Erfahrungswissens davon ausgehen kann, dass dann, wenn ein bestimmter Zustand (A) gegeben ist, nicht zugleich dessen Gegenteil (Non-A) gegeben sein kann, der wird dann, wenn er A wahrnimmt, stets zugleich auch folgern, dass Non-A nicht vorliegt. Wer weiß, dass er für eine Stunde mit acht Personen in einem bestimmten Raum war, der weiß zugleich auch, dass er mit einer neunten Person nicht im selben Raum war. Wer weiß, dass der Täter eines Banküberfalls, den er beobachtet hat, eine blaue Jacke getragen hat, weiß damit zugleich auch, dass er keine rote Jacke getragen hat. Und wenn Letzteres ein Zeuge bekunden kann, darf der Antragsteller es auch als weniger erheblich unerwähnt lassen, ob der Zeuge statt der roten eine grüne, blaue oder graue Jacke gesehen hat. Nichts spricht in diesen Fällen dagegen, die Negativtatsache („Die neunte Person war nicht im Raum“, „Der Täter des Banküberfalls trug keine rote Jacke“) unter Beweis zu stellen.

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Ist für den Schuldvorwurf in einem Strafverfahren von Bedeutung, ob – wie im Falle BGHSt 39, 251 – eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Raum war, dann wirkt es sprachlich gekünstelt und logisch kaum vertretbar, vom Antragsteller zu verlangen, dass er den Zeugen lediglich dafür benennt, dass sich dieser zum Beispiel in der Zeit von 20 bis 21 Uhr im Raum aufgehalten hat und dort acht Personen gesehen hat, nicht aber dafür, dass eine neunte Person nicht im Raum war.[160] Wollte man – wozu der BGH zu tendieren scheint – nur die positive Tatsache (Aufenthaltszeit und Anzahl der Personen im Raum) als zulässige Beweistatsache ansehen, dann würde dies zu einem Beweisantrag führen, der das eigentliche Beweisziel bewusst aussparen muss, weil es in einer Negativtatsache besteht. Dass die in BGHSt 39, 251 aufgestellten Grundsätze der Einschränkung bedürfen, ist dabei auch durch den BGH schon anerkannt, weil in Fällen, in denen sich die Beweistatsache auf eine übersichtliche Wahrnehmungssituation bezieht, die Beweisantragsqualität nicht mehr pauschal unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu den Negativtatsachen verneint wird.[161]

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Das heißt freilich nicht, dass der Unterscheidung zwischen Negativtatsachen und „anderen Tatsachen“ keine Bedeutung mehr zukäme. Soll durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden, in einem Fußballstadion mit 80 000 Zuschauern habe während des 90 Minuten dauernden Spiels niemand etwas gegen den Schiedsrichter gesagt[162], dann ist das in einem so hohen Maße sinnwidrig, dass sich für solche unmöglichen (Nicht-)Wahrnehmungen der Zeugenbeweis überhaupt nicht eignet. Dann mag ein solcher Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 StPO mit dieser Begründung (Beweismittel ungeeignet) oder sogar wegen Offenkundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung zurückgewiesen werden. Es besteht aber kein Anlass, ihm die Beweisantragsqualität abzusprechen.

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Schon diese Beispiele zeigen aber, dass für „positive“ und „negative“ Tatsachen nicht generell unterschiedliche Antragskriterien gelten können. Niemöller hat mit überzeugender Begründung dargelegt, dass die Differenzierung zwischen „positiven“ und „negativen“ Beweistatsachen nicht entscheidend für die Frage sein kann, ob ein Antrag die Stufe des Beweisantrages erreicht. Stattdessen soll dies auch bei auf den Nachweis von Negativtatsachen gerichteten Anträgen – ebenso wie bei den auf Positivtatsachen gerichteten Anträgen – von der Bestimmtheit der Beweisbehauptung abhängen. Die Bestimmtheit von Negativtatsachen soll sich dabei danach beurteilen, ob die spiegelbildliche „Positivtatsache“ hinreichend bestimmt wäre.[163] Diese Lösung ermöglicht jedenfalls eine befriedigende Abgrenzung der Fälle, in denen konkret behauptet wird, ein bestimmtes Ereignis habe nicht stattgefunden, von jenen Fällen, in denen sich der Antragsteller ein eher pauschal formuliertes Beweisergebnis von der Antragstellung erhofft. Allerdings wird es nicht immer einfach sein, im Rahmen der gerichtlichen Prüfung des gestellten Beweisantrages die spiegelbildliche Positivbehauptung zu formulieren.

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