Kitabı oku: «Beweisantragsrecht», sayfa 6

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Anmerkungen

[1]

BGH Urt. v. 11.9.2003 – 4 StR 139/03 = NStZ 2004, 690.

[2]

BGH JR 1951, 509.

[3]

OLG Koblenz VRS 49, 40.

[4]

OLG Saarbrücken VRS 49, 45. Vgl. auch BGH Beschl. v. 25.9.2012 – 1 StR 407/12, Rn. 23 (Antrag auf Vernehmung der in der Anklage aufgeführten, aber noch nicht vernommenen Zeugen, ohne Benennung eines Beweisthemas).

[5]

BGH Beschl. v. 17.7.2008 – 3 StR 250/08 = StV 2008, 567 = NStZ 2009, 51 (Antrag auf Aktenbeiziehung); vgl. auch BGH Beschl. v. 25.9.2012 – 1 StR 407/12, Rn. 25 (Antrag auf Verlesung der „entsprechenden Frachtpapiere“); BGH NStZ-RR 1998, 276 = StV 1999, 80; BGHSt 30, 131, 142; BGHSt 6, 128; vgl. aber auch Alsberg/Dallmeyer Rn. 208.

[6]

BGH Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 373/07 = StV 2008, 59 = NStZ 2008, 109.

[7]

Vgl. BGH StV 1996, 581; Meyer-Goßner/Schmitt § 244 Rn. 25.

[8]

Vgl. BGH Urt. v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08 (Rn. 12 ff., Benennung von ca. 170.000 Grundstückseigentümern als Zeugen; insoweit in BGHSt 54, 44, NJW 2009, 3173, StV 2009, 687 und NStZ 2009, 686 nicht abgedruckt).

[9]

Vgl. hierzu KK-Krehl § 244 Rn. 100 m.w.N.

[10]

KK-Herdegen 5. Aufl., § 244 Rn. 53; vgl. nunmehr KK-Krehl § 244 Rn 100.

[11]

LR-Becker § 244 Rn. 162; KK-Krehl § 244 Rn. 100.

[12]

KK-Krehl § 244 Rn. 100; Alsberg/Dallmeyer Rn. 214; LR-Becker § 244 Rn 178 und SK-StPO/Frister § 244 Rn. 95 sowie Eb. Schmidt Lehrkommentar zur StPO § 273 Rn. 7.

[13]

Vgl. zur Verpflichtung, überhaupt eine Entscheidung zu treffen: BGH Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 373/07 = StV 2008, 59 = NStZ 2008, 109.

[14]

H.M. s. etwa BGH Beschl. v. 10.3.2009 – 3 StR 588/08 = NStZ 2009, 401; BGH Beschl. v. 17.7.2008 – 3 StR 250/08 = StV 2008, 567 = NStZ 2009, 51; BGH NStZ 1982, 477; BGHSt 6, 128, 129 = NJW 1954, 1336; vgl. auch BGH 3 StR 483/99 = NStZ 2001, 160; LR-Becker § 244 Rn 165; offen gelassen in BGH Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 373/07 = StV 2008, 59 = NStZ 2008, 109.

[15]

KK-Krehl § 244 Rn. 101; Meyer-Goßner/Schmitt § 244 Rn. 27; LR-Becker § 244 Rn. 165; SK-StPO/Frister § 244 Rn. 95; Alsberg/Dallmeyer Rn. 217.

[16]

Vgl. Schulz GA 1981, 301, 319; Gössel Strafverfahrensrecht, S. 250 ff.; offen gelassen in BGH Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 373/07 = StV 2008, 59 = NStZ 2008, 109.

[17]

BGH 1 StR 315/93 = StV 1994, 172, 173; LR-Becker § 244 Rn. 166; HK-StPO/Julius § 244 Rn. 13; vgl. zur Thematik auch KK-Krehl § 244 Rn. 101 sowie BGH Urt. v. 6.9.2011 – 1 StR 633/10, Rn. 32 ff. = StV 2012, 577, 578.

[18]

BGH Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 373/07 = NStZ 2008, 109; OLG Frankfurt/M. StV 1988, 243 m. Anm. Michalke; Herdegen in: Meyer-Gedächtnisschrift, S. 196; vgl. auch Michalke in: Formularbuch, 2018, S. 529.

[19]

Dies wird in einer Entscheidung des BGH vom 14.4.1999 exemplarisch deutlich: Die Verteidigung hatte hier beantragt, eine Ausfertigung eines in Kolumbien ergangenen Urteils anzufordern und zu verlesen sowie die zuständige kolumbianische Staatsanwältin als Zeugin zu vernehmen zur Aufklärung darüber, „ob“ es sich bei bestimmten in Kolumbien sichergestellten Stoffen um Kokain handelte. Der BGH führte aus, es liege kein Beweisantrag vor, da es an einer bestimmten Tatsachenbehauptung fehle (BGH 3 StR 22/99 = NJW 1999, 2683, 2684 – insoweit in StV 1999, 432 nicht abgedruckt).

Teil 2 Die Stufen der petitativen Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme › IV. Der bedingte Beweisantrag

IV. Der bedingte Beweisantrag

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Der bedingte Beweisantrag enthält gegenüber dem Beweisermittlungsantrag bereits ein wesentlich stärker formalisiertes Beweiserhebungsverlangen. Mit ihm macht der Antragsteller ein Petitum auf Erhebung eines bestimmten Beweises zum Nachweis einer bestimmten Tatsache geltend; er begehrt die Beweiserhebung aber nur für den Fall des Eintritts eines von ihm ausdrücklich oder konkludent bezeichneten ungewissen Ereignisses. Dabei handelt es sich meist um eine Entscheidungstendenz des Gerichts; „-tendenz“ deshalb, weil insbesondere, wenn mit der Entscheidung das Urteil gemeint ist, ihre Verkündung den Beweiserhebungsanspruch nicht auslösen kann, da die Urteilsfindung die vorherige Ausschöpfung aller berechtigten Beweisanliegen voraussetzt.

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Man sollte also tunlichst auf die weithin gebräuchliche Formulierung verzichten:

„Für den Fall, dass das Gericht Herrn … zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren verurteilen sollte, wird beantragt, …“

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Stattdessen, sollte man sagen:

„Für den Fall, dass das Gericht dazu neigen sollte, Herrn … zu einer…“

Dies ist mehr als ein marginaler Unterschied. Wer nämlich den Urteilstenor selbst zur Bedingung für seinen Beweisantrag macht, nimmt in Kauf, dass die Bedingung erst mit der Verkündung des Urteils eintreten kann, – mit der Folge, dass das Gericht über den Antrag erst zusammen mit dem Urteil zu entscheiden braucht.

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Die Bedingung kann anknüpfen an die rechtliche Bewertung des Sachverhalts, an die Beweiswürdigung oder an Verfahrensentscheidungen.[1]

Beispiele für rechtliche Bedingungen ergeben sich insbesondere aus dem abgestuften strafrechtlichen Tatbestandsaufbau. Erst wenn nach Auffassung des Gerichts ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, ist die Beweiserhebung über ein anderes Merkmal von Bedeutung.

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Beispiel:

„Für den Fall, dass das Gericht sich der Auffassung anschließen sollte, die Polizeibeamten hätten sich bei der Festnahme des Herrn A. rechtmäßig verhalten, wird beantragt, Herrn Rechtsanwalt R.A. … als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass er in Kenntnis der genauen Umstände der Festnahme Herrn A. telefonisch die Auskunft gab, dass er sich gegen den hoheitlichen Willkürakt zur Wehr setzen dürfe.“

Die Beweiserhebung soll danach erst dann durchgeführt werden, wenn das Gericht die Diensthandlung der Polizeibeamten aufgeklärt hat und für rechtmäßig hält. Dann besitzt für die Entscheidung des Falles die Frage Bedeutung, ob dies Herrn A bewusst war, was fern liegt, wenn Rechtsanwalt R.A. die Festnahme als Willkürakt bezeichnet hat.

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Tatsächliche Bedingungen können sich aus der gedanklichen Abfolge der Beweiswürdigung ergeben:

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Beispiel:

„Für den Fall, dass das Gericht auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme davon ausgehen sollte, das Blut des Herrn A. habe zur Tatzeit eine Alkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille enthalten, wird beantragt, die Zeugin X zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass sie in den letzten 4 Stunden bis zu dem Vorfall, der Gegenstand der Anklage ist, ständig mit Herrn A zusammen war und dass er in dieser Zeit nur ein einziges 0,2-Liter-Glas Bier getrunken hat und keinerlei Anzeichen von Alkoholisierung zeigte.“

Hier soll die Beweiserhebung erst stattfinden, wenn das Gericht auf Grund anderer Beweismittel von der Richtigkeit eines bestimmten Sachverhalts ausgeht. Durch das neue Beweismittel soll die Aussagekraft des ersten Beweismittels erschüttert werden.

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Verfahrensbedingungen können sich insbesondere aus Zwischenentscheidungen des Gerichts ergeben, die im Laufe einer Hauptverhandlung notwendigerweise zu treffen sind. Sie beinhalten häufig eine vorläufige Würdigung der erhobenen Beweise, die für die Verteidigung wertvolle Hinweise auf die Überzeugungsbildung des Gerichts liefern kann.

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Beispiel:

„Für den Fall, dass das Gericht den Zeugen Z. vereidigen sollte und mithin bei ihm die Voraussetzungen des Vereidigungsverbotes des § 60 Ziff. 2 StPO (Verdacht der Tatbegehung durch Z. anstelle des angeklagten Herrn A.) verneinen sollte, wird beantragt, Frau Y … als Zeugin zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass sich Herr Z. ihr gegenüber einmal der Begehung der Tat berühmt hat …“.

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In all diesen Fällen bringt der Antragsteller zum Ausdruck, dass ihm lediglich an einer weiteren Beweiserhebung gelegen ist, wenn das Gericht eine bestimmte Sach- oder Rechtsfrage in einer bestimmten Weise zu entscheiden beabsichtigt. Dabei lassen sich die bedingten Beweisanträge nicht nur nach dem Inhalt ihrer Bedingung, sondern vor allem auch nach der Art ihrer Bedingung einteilen. So wird ein Beweisbegehren in der Praxis häufig mit einem Sach- oder Hauptantrag verbunden, d.h. mit der Frage des Freispruchs oder der Verurteilung.

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Die Beispiele für bedingte Beweisanträge sind vielfältig.[2] Besteht die maßgebliche Entscheidungsalternative im konkreten Fall nicht in Freispruch oder Verurteilung, sondern zum Beispiel in Verurteilung wegen Versuchs oder Vollendung, wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tatbegehung, so können diese Alternativen Gegenstand von Bedingungen für bedingte Beweisanträge sein. Daneben haben bedingte Beweisanträge im Bereich der Strafzumessung erhebliche praktische Bedeutung. Das Beweiserhebungsverlangen kann etwa davon abhängig gemacht werden, ob der Angeklagte nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden soll[3], ob er zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt werden soll oder davon, ob das Gericht ein bestimmtes Strafmaß überschreiten will[4], ob es die Strafe nicht zur Bewährung aussetzen will[5], ob volle oder verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten bejaht wird[6], ob ein minder schwerer Fall verneint wird[7].

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In der Literatur wird anknüpfend an die Frage, ob die Bedingung für das Beweisbegehren den Haupt- oder Sachantrag des Angeklagten, lediglich ein Begründungselement hierzu oder den Eintritt einer bestimmten Prozesslage betrifft, eine terminologische Unterscheidung vorgeschlagen, wonach die erste Kategorie als „Hilfsbeweisantrag“, die zweite Kategorie als „Eventualbeweisantrag“ und die dritte Kategorie als „prozessual bedingter Beweisantrag“ anzusehen sein soll.[8] Doch erscheint uns diese Terminologie als nicht hinreichend unterscheidungskräftig. Es sollte daher dabei bleiben, dass die generelle Bezeichnung „bedingter Beweisantrag“ ist. Lediglich der Sonderfall, dass die Bedingung in der Entscheidung über den Hauptantrag liegt, verdient eine eigene Bezeichnung (Hilfsbeweisantrag).

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Für alle Arten von bedingten Beweisanträgen gilt dabei eine wichtige Einschränkung: Der Inhalt der Bedingung darf nicht im Widerspruch zum Inhalt des Beweiserhebungsverlangens stehen. Das ist etwa dann der Fall, wenn eine gegen den Schuldspruch gerichtete Beweisbehauptung an eine Bedingung geknüpft wird, die die Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten voraussetzt. Wer eine Beweiserhebung nur für den Fall beantragt, dass die vom Gericht beabsichtigte Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, hat in seine Bedingung gedanklich die Verurteilung des Angeklagten aufgenommen.[9] Soll durch die beantragte Beweiserhebung dann aber bewiesen werden, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, dann setzt sich dies zur Bedingung des Antrags in Widerspruch.[10] Wer lediglich dann, wenn ein bestimmtes Strafmaß überschritten werden sollte, den Nachweis der Unschuld führen will (und nicht schon dann, wenn überhaupt eine Verurteilung droht), der setzt sich dem Verdacht aus, dass er mit seinem Antrag nicht wirklich den Tatverdacht widerlegen will, sondern andere Ziele verfolgt.

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Damit wird aber nicht jede Verknüpfung des Strafausspruchs mit einem Beweisantrag zum Schuldspruch unzulässig. Wird für den Fall der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in einer bestimmten Höhe unter Beweis gestellt, dass eine Tatbestandsvariante gegeben ist, die eine dem Angeklagten günstigere Strafzumessungsentscheidung rechtfertigen würde, so widersprechen sich Bedingungsinhalt und Inhalt der beantragten Beweiserhebung nicht.[11] Es ist deshalb ohne Weiteres zulässig, wenn z.B. für den Fall, dass das Gericht beabsichtigen sollte, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren zu verhängen, unter Beweis gestellt wird, dass nicht der Angeklagte den Mittäter i.S.v. § 30 StGB zur Tat bestimmt hat, sondern umgekehrt der Mittäter den Angeklagten.

Teil 2 Die Stufen der petitativen Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme › IV. Der bedingte Beweisantrag › 1. Bedingung aus der Sach- oder Prozesslage

1. Bedingung aus der Sach- oder Prozesslage

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Ein wichtiges Verteidigungsinstrument stellen die bedingten Beweisanträge dar, die während der Beweisaufnahme gestellt werden und bei denen die Beweiserhebung davon abhängen soll, ob eine für den Antragsteller bei der Antragstellung ungewisse Sach- oder Prozesslage eintritt. Diese kann in einer rechtlichen Würdigung oder in einer Sachverhaltswürdigung bestehen.

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Beispiel:

„Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die nachstehend unter Beweis gestellte Tatsache nicht bereits aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme als erwiesen ansehen sollte, wird beantragt, noch den Zeugen … zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache …“

oder:

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„Für den Fall dass das Gericht die folgenden strafmildernd zu berücksichtigenden Tatsachen nicht glaubt als wahr unterstellen zu können, wird beantragt …“

Weitere Beispiele sind die Glaubwürdigkeit eines vernommenen Zeugen oder das Verhalten (z.B. die Anträge) eines anderen Verfahrensbeteiligten.

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Da das Gericht über einen solchen bedingten Beweisantrag im Rahmen der Beweisaufnahme gemäß § 244 Abs. 3-5 StPO entscheiden und die Ablehnung gegebenenfalls förmlich durch Beschluss (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO) bekannt geben muss, handelt es sich hierbei um ein für die Verteidigung wichtiges Instrument der „Früherkennung richterlicher Beweiswürdigung“[12]. Die Art und Weise der Behandlung seines Antrags durch das Gericht gibt dem Verteidiger nämlich die Möglichkeit, Rückschlüsse auf den Meinungsstand des Gerichts zu ziehen.

Dabei sind im Wesentlichen folgende Varianten möglich:


Dem Beweisantrag wird stattgegeben, indem der Vorsitzende die Ladung des benannten Zeugen verfügt. Dies ist für den Verteidiger ein Hinweis darauf, dass das Gericht noch nicht von der Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt ist. Andererseits darf die Aussagekraft dieser konkludenten „Mitteilung“ über die bisherige Beweiswürdigung nicht überschätzt werden, weil die Ladung des Zeugen auch schlicht bedeuten kann, dass das Gericht sich noch nicht festlegen möchte.
Lehnt das Gericht den Beweisantrag durch Beschluss mit einer anderen als der im Antrag „angebotenen“ Begründung ab, so gelten keine Besonderheiten gegenüber dem Aussagewert einer sonstigen Zurückweisung eines Beweisantrages i.e.S.
Lehnt das Gericht den Beweisantrag mit der Begründung ab, dass seine ausdrückliche Bedingung nicht eingetreten ist (dass das Gericht also die unter Beweis gestellte Tatsache bereits als erwiesen ansieht), so steht diese Tatsache für das weitere Verfahren fest (s. dazu im Einzelnen unten Rn. 476).

Teil 2 Die Stufen der petitativen Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme › IV. Der bedingte Beweisantrag › 2. Der Hilfsbeweisantrag

2. Der Hilfsbeweisantrag

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Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall[14] des bedingten Beweisantrages. Die Bedingung für das Beweisbegehren besteht darin, dass das Gericht einem vom Beweisführer gestellten Hauptantrag nicht entspricht.

Der regelmäßig im Schlussvortrag gestellte Beweisantrag bedarf nicht einer ausdrücklichen Bezeichnung als „Hilfsantrag“, solange durch die Verbindung mit einem (unbedingten) Hauptantrag unzweifelhaft ist, dass die Verteidigung in erster Linie die mit diesem begehrte Sachentscheidung (zumeist den Freispruch) anstrebt. Umgekehrt gilt allerdings ein Antrag, der im Schlussvortrag gestellt wird, im Zweifel als Hilfsantrag.[15] Aus diesem Grund sollte ein im Schlussvortrag gestellter unbedingter Beweisantrag ausdrücklich als solcher bezeichnet werden, um beim Gericht in dieser Hinsicht keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.[16] Werden an einem gesonderten Hauptverhandlungstag nach den Schlussanträgen noch weitere Beweisanträge gestellt, dann werden diese hingegen nicht ohne Weiteres als Hilfsbeweisanträge gewertet. Der Antragsteller muss vielmehr klarstellen, ob er die Anträge unter einer bestimmten Bedingung stellt oder ob er sie als selbständige Beweisanträge gewertet wissen will, die von seinem Hauptantrag völlig unabhängig sind.[17]

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Ist ein Beweisantrag hilfsweise für den Fall gestellt, dass das Gericht nicht ohnedies zum Freispruch gelangen sollte, so wird über ihn in der Urteilsberatung entschieden. Entspricht das Gericht dem Hauptantrag nicht, d.h. gelangt es in der Schlussberatung zu der Überzeugung, dass ein Schuldspruch zu ergehen hat, dann tritt damit die im Antrag enthaltene Bedingung für das Beweiserhebungsverlangen ein. Sieht das Gericht Veranlassung, den beantragten Beweis zu erheben, so muss es erneut in die Beweisaufnahme eintreten. Will es den Antrag ablehnen, so braucht es die Ablehnungsgründe erst zusammen mit den Urteilsgründen bekannt zu geben.[18] Der Antragsteller erfährt in einem solchen Fall also erst mit der Urteilsbegründung, aus welchem Grund das Gericht seinem Beweiserhebungsverlangen nicht entsprochen hat.

Dieses Ergebnis ist mit einer konkludenten Verzichtserklärung des Antragstellers begründet worden: Wer einen Antrag von einem Umstand abhängig mache, über den erst in der Urteilsberatung befunden werde, der gebe damit zu erkennen, dass es ihm nicht darauf ankommt, dass über seinen Antrag noch vor der Urteilsverkündung entschieden wird. Andernfalls würde er den Antrag ohne die Bedingung stellen.[19] In Rechtsprechung und Lehre umstritten ist jedoch, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben.

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Nach zutreffender Ansicht folgt aus dem Umstand, dass der Zeitpunkt, zu dem über den Hilfsantrag entschieden werden muss, maßgeblich aus dem Verhalten des Antragstellers abgeleitet wird, die Befugnis des Antragstellers, durch ausdrückliche Erklärung den weiteren Verfahrensverlauf zu bestimmen. Soll in der hilfsweisen Antragstellung im Schlussvortrag ein Verzicht auf die Mitteilung der Gründe für eine eventuelle Antragsablehnung vor der Urteilsverkündung liegen, dann muss der Antragsteller auch die Befugnis besitzen, hierzu eine eigene Erklärung abzugeben. Er kann deshalb durch einen entsprechenden Zusatz zu seinem Hilfsbeweisantrag (sog. „Bescheidungsklausel“) deutlich machen, dass er Wert darauf legt, etwaige Ablehnungsgründe noch vor der Urteilsverkündung zu erfahren.[20] In Betracht kommt etwa eine Formulierung folgenden Inhalts:

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„Für den Fall des Bedingungseintritts wird auf eine Bescheidung durch Beschluss vor dem Abschluss der endgültigen Urteilsberatung nicht verzichtet. In diesem Fall ist beabsichtigt, weitere Beweisanträge zu stellen.“[21]

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Gegen die Zulässigkeit einer solchen „Bescheidungsklausel“ sind jedoch in der Literatur grundsätzliche Bedenken geltend gemacht worden[22], denen sich die Rechtsprechung weitgehend angeschlossen hat. Bei allen Hilfsbeweisanträgen, die für den Fall eines bestimmten Beratungsergebnisses in der Schuldfrage gestellt werden, dürfe die „Bescheidungsklausel“ nicht dazu führen, dem Antragsteller Informationen zu verschaffen, die er durch einen unbedingten Beweisantrag nicht erhalten würde. Kein Verfahrensbeteiligter habe einen Anspruch darauf, vor der Urteilsverkündung das Beratungsergebnis zu erfahren.[23] Zwar war in der älteren Rechtsprechung bis zum Jahre 1988 die Wirksamkeit einer Bescheidungsklausel anerkannt[24], dies haben jedoch der 1., 4. und der 5. Senat später nicht mehr aufrechterhalten.[25]

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Die Gründe, die gegen die Zulässigkeit der Bescheidungsklausel geltend gemacht werden, überzeugen überall dort nicht, wo die in dem Beweisantrag enthaltene Bedingung durchaus erfüllt sein kann, ohne dass dies bereits das endgültige Urteil vorwegnehmen oder „verraten“ würde. War der Antrag für den Fall gestellt, dass der Angeklagte nicht ohnedies freigesprochen werden sollte und verkündet das Gericht sodann in der Hauptverhandlung den Beschluss zur Ablehnung des Beweisantrages, so muss der Angeklagte davon ausgehen, dass das Gericht im Begriff war, ihn schuldig zu sprechen, dass also ein bevorstehender Freispruch jedenfalls nicht der Grund für die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung war. Es müssen also andere mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 244 Abs. 3-5 StPO vereinbare Gründe sein. Nicht einzusehen ist aber, dass der Antragsteller hiervon keine Kenntnis erlangen darf. Und was das von der Nichtannahme des Hilfsfalles ausgehende Signal (voraussichtlich Schuldspruch!) angeht, so wird in der Literatur mit Recht darauf hingewiesen, dass die Bekanntgabe der vorläufigen Bewertung des Sachverhalts in der Hauptverhandlung auch sonst kein ungewöhnlicher Vorgang ist.[26] Das Gericht ist z.B. in Haftentscheidungen und in Entscheidungen über in der Hauptverhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge häufig gezwungen, Auskunft über seine vorläufige Bewertung des Sachverhalts und die wahrscheinliche Gesamtwürdigung der Beweisaufnahme zu geben. Der Urteilsberatung kann insoweit keine andere Qualität zukommen. Ihr Ergebnis wird konkludent auch dann offen gelegt, wenn das Gericht in der Beratung zu der Überzeugung gekommen ist, der Angeklagte sei nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme zu verurteilen, die im Hilfsbeweisantrag beantragte Beweiserhebung müsse unter diesen Umständen aber durchgeführt werden. Dass die konkludente Bekanntgabe derselben Tatsache in den Fällen, in denen das Gericht beabsichtigt, den Beweisantrag abzulehnen, eine gänzlich andere Rechtsqualität haben soll als in den Fällen, in denen das Gericht dem Antrag stattgeben will, ist nicht begründbar. Zudem muss der Antragsteller Gelegenheit erhalten, sich zu den Gründen zu äußern, die aus der Sicht des Gerichts die Ablehnung des Antrages rechtfertigen sollen.[27] Die besseren Gründe sprechen deshalb dafür, auch weiterhin von der Wirksamkeit der Bescheidungsklausel auszugehen.

98

Bis zum Beschluss des 1. Strafsenats vom 23.9.2008[28] war in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Pflicht des Gerichts zur Entscheidung über den Hilfsbeweisantrag durch Beschluss in der Hauptverhandlung ausnahmsweise auch unabhängig von einer „Bescheidungsklausel“ besteht, wenn der Hilfsbeweisantrag wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt werden soll. Das Gericht musste bis dahin nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags dem Antragsteller noch in der Hauptverhandlung mitteilen, damit dieser Gelegenheit erhielt, den Vorwurf zu entkräften.[29] Der 1. Strafsenat ist in der genannten Entscheidung hiervon abgerückt. Er hat die Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages wegen Verschleppungsabsicht in den Urteilsgründen jedenfalls für den Fall gebilligt, dass zuvor in der Hauptverhandlung durch einen entsprechenden Hinweis des Gerichts klargestellt wurde, dass es als Indiz für eine Verschleppungsabsicht gewertet werden kann, wenn Beweisanträge nach Ablauf einer durch den Vorsitzenden gesetzten Frist gestellt werden. Durch eine solche Fristsetzung werde der Antragsteller auf die drohende Rechtsfolge hingewiesen. Er könne etwaige weitere Beweisanträge sodann ohne Bedingung stellen oder von seinem Selbstladerecht Gebrauch machen.[30] Eine gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.[31]

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen.[32] Ihr lag eine unzutreffende Auslegung des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht zu Grunde. Sie sah ferner zu Unrecht in § 238 StPO eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Bestimmung von Fristen durch den Vorsitzenden (s. dazu im Einzelnen unten Rn. 237 und Rn. 367 ff.).

99

Durch Gesetz vom 17.8.2017 wurde nunmehr § 244 Abs. 6 StPO ergänzt und damit erstmals eine gesetzlich geregelte „Fristenlösung“ geschaffen.[33] Nach dem Gesetzeswortlaut darf der Vorsitzende (ohne weitergehende einengende Voraussetzungen) „nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme“ eine Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge setzen. Nach Fristablauf gestellte Anträge müssen erst im Urteil beschieden werden (s. dazu im Einzelnen unten Rn. 234 ff. und Rn. 305 ff.). Nach ihrem Wortlaut kann diese Regelung auch Hilfsbeweisanträge erfassen: War vor den Schlussvorträgen eine Frist i.S.v. § 244 Abs. 6 S. 2 StPO gesetzt und wurde der Antrag erst nach Fristablauf gestellt, dann muss über ihn schon im Hinblick auf § 244 Abs. 6 S. 3 StPO erst im Urteil entschieden werden, sofern nicht i.S.v. § 244 Abs. 6 S. 4 StPO konkrete Tatsachen benannt werden, aus denen sich ergibt, dass der Antrag nicht früher gestellt werden konnte. Die Bestimmung bedarf jedoch einer einschränkenden Auslegung (s. dazu im Einzelnen unten Rn. 234 und Rn. 306).

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Wurde keine Frist gesetzt, so verbleibt es demgegenüber bei der bisherigen Rechtslage: Der Hilfsbeweisantrag darf schon dann im Urteil beschieden werden, wenn über den Eintritt der Bedingung erst im Rahmen der Schlussberatung zu entscheiden war.

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Durch die Neuregelung in § 244 Abs. 6 S. 2 StPO und die Rechtsprechung des 1. Strafsenats zum Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht hat sich dabei verfestigt, was schon bisher galt: Hilfsbeweisanträge bieten in prozesstaktischer Hinsicht kaum noch Vorteile, wohl aber eine Reihe von Nachteilen im Vergleich zu Anträgen, die unabhängig vom Hauptantrag in der Hauptverhandlung gestellt werden. Ein Grund für die Formulierung eines Hilfsbeweisantrages sollte jedenfalls nicht die Hoffnung sein, das Gericht werde es tunlichst vermeiden, den „Hilfsfall“ eintreten zu lassen. Die praktische Erfahrung stützt eher die gegenteilige Annahme. Ist ein Gericht nach einer längeren Hauptverhandlung zur Verurteilung entschlossen, so lässt es sich hiervon auch durch einen „in letzter Minute“ gestellten Hilfsbeweisantrag nur selten abbringen. Überdies ist das Gericht bei der Ablehnung des im Schlussvortrag gestellten Hilfsbeweisantrages schon deshalb freier, weil es die Ablehnungsgründe leichter in das Gesamtgefüge seiner Beweiswürdigung einordnen kann.

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Die bei einem Hilfsbeweisantrag bestehende Befugnis des Gerichts, die Gründe für die Ablehnung des Antrages erst zusammen mit den Urteilsgründen bekannt zu geben, stellt daneben aber auch deshalb einen schwerwiegenden Nachteil für den Antragsteller dar, weil er damit nicht mehr die Möglichkeit hat, etwa vorhandene Missverständnisse über den Inhalt des Beweisthemas noch rechtzeitig aufzuklären.[34] Er erfährt von diesen Missverständnissen erst aus den Urteilsgründen.

Durch die zitierte Rechtsprechung des BGH und die neue Regelung in § 244 Abs. 6 S. 2–4 StPO kann dieses Risiko nunmehr in einer noch größeren Zahl von Fällen eintreten als bisher. In Fällen, in denen eine Frist gesetzt wurde, diese abgelaufen ist und keine hinreichenden Gründe für die Antragstellung nach Fristablauf vorgebracht werden können, ist jetzt nach der Gesetzeslage eine Bescheidung im Urteil ausdrücklich zulässig, so dass der Antragsteller – unabhängig von allen Kontroversen um die „Bescheidungsklausel“ – schon aus diesem Grund nicht mehr davon ausgehen kann, dass er durch Zusätze zu seinem Antrag die Bekanntgabe der Ablehnungsgründe noch vor Verkündung des Urteils erzwingen kann. Eine der wesentlichen Funktionen des Beweisantrages, die rechtzeitige Erkennung der Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Inhalt ablehnender Beschlüsse, geht bei einer solchen Konstellation damit verloren.

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Auf Hilfsbeweisanträge kann aber gleichwohl nicht gänzlich verzichtet werden. Sie haben etwa dann eine wesentliche Funktion, wenn ein bestimmter entlastender Aspekt in der Hauptverhandlung bereits zur Sprache gekommen ist, die Verteidigung aber nicht sicher sein kann, dass das Gericht diesen Umstand bereits als erwiesen ansieht. Sofern hier nicht bereits während der Beweisaufnahme ein „affirmativer“ Beweisantrag gestellt wird, kann sich im Einzelfall ein Hilfsbeweisantrag im Schlussvortrag als geeignetes Mittel anbieten, um das Gericht nochmals darauf hinzuweisen, dass es das Verteidigungsvorbringen nicht als widerlegt ansehen darf, ohne das zusätzliche Beweismittel zum Gegenstand der Verhandlung gemacht zu haben.