Kitabı oku: «Fußball! Vorfälle von 1996-2007», sayfa 2

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Für sein zweites Fußballbuch, Die heiße Luft der Spiele (Frankfurt/Main 1980), hat der Mehrfachverwerter Wolf aus den mit der Nr. 11 geführten Interviews den Prosatext »Rohrbachs Geschichte« destilliert, ja einen monologischen Block gefertigt, der gegenüber der filmischen Montage der Brechung durch andere Stimmen und damit der kaleidoskopartigen Auffächerung entbehrt. In Keep Out werden die Konflikte zwischen Spieler, Mannschaft, Trainer und Publikum deutlicher betont. Zwar gilt Rohrbachs repetitiver Klagerede – »Also, ich fühl’ mich beschissen und allein«, »Ich leide unter dem Druck«, »Es gibt Samstage, da kotzt es mich total an«, »Das ist ein sehr harter Kampf, da ist man einsam«, »Diese Gemeinschaftsfahrten waren schlimm« – Wolfs ungeteilte Sympathie, und bisweilen wirkt Rohrbach, »satt vom Rollenspiel«, in seiner tiefen Kümmernis wie ein Bruder des von Wolf verehrten legendären Kornettisten Bix Beiderbecke; doch die Konfrontation von Subjektivität oder Innenwelt und Außenwelt oder Fremdwahrnehmung nimmt breiteren Raum ein. Der Rentner Heinz, dem man etwa in den Hörspielen Heinz, wie ist deine Ansicht? und Expertengespräche wiederbegegnen wird, bringt diesen Zustand der perspektivisch zersplitterten, kakophonischen Wahrheitsartikulationen aus dem Off unwillentlich prägnant zum Ausdruck: »Ich steh’ uff dem Standpunkt, er is’, wollemal sagn, man meint grad, er wär’ wetterbedingt.«

Rebell und Reservist – die Collage Keep Out wird dem Wetterwendigen, Windigen ihres Objekts auch formal gerecht, indem Wolf Bild- und Tonspur asynchron anlegt. »So jagen sich pausenlos Jump-Cuts auf Bild- und Tonspur«, erläutert Jan Tilman Schwab, »fragmentarisierte Ausschnitte aus Fußballspielen und Trainingseinheiten wechseln mit sich überschlagenden Wort- oder Satzfetzen aus Interviews und Radioübertragungen, die mitunter auch stehendes Bild und Zeitlupenaufnahmen begleiten.« Allerdings werden die assoziativ oszillierenden Bild-Ton-Kompositionen durch diverse (Spiel-)Szenen kommentiert, die allzu plakativ sinnbildlich und symbolisch aufgeladen Interpretationen präjudizieren – etwa wenn Rohrbach im Paternoster abwärts und sein Nachfolger aufwärts fährt oder eine zum Abbruch freigegebene Villa unter dumpfen Schlägen zu zerfallen beginnt. Die einen gemahnte das an Buñuel, andere, wie beispielsweise der ZEIT-Kritiker Momos (i. e. Walter Jens), bemängelten die »Happening-Beliebigkeit« derartiger manieristischer »Mätzchen« aus einer »Kitsch- und Traum- und Fluchtwelt«.

Vollends überzeugend bleibt dessenungeachtet die Exposition von Keep Out. Die Kamera linst von schräg unten durch ein marodes Glasdach, das sich in den Himmel schiebt. Dazu rezitiert eine Off-Stimme »Hinaufsteigen« aus Punkt ist Punkt – Fußball-Spiele (Frankfurt/Main 1971), eine schwingend lakonische gleichwie euphorische Meditation – »plötzlich über der Erde flach traumhaft fliegen, der Wind ist verstummt, plötzlich das Blei aus den Beinen schütteln und prachtvoll über den Flügel kommen, dem Schatten entwischen, unheimlich schnell heranbrausen […], ganz allein eine Zeit in der Luft liegen, eiskalt ohne Sorgen hinaufsteigen« –, an die sich, nachdem ein herunterfallender Ball das Glas durchschlagen hat, langsame Close-Up-Schwenks über leere, bemooste Tribünen anschließen. Nun, im Sog der Erdenschwere, ist der Fußball nur mehr Zeichen von Morbidität und Verlassenheit, eiskalt, mit Sorgen, Inbegriff zerstäubter und verschütteter Träume.

In Rohrbachs Geschichte wird gesoffen, da wird um Verträge gefeilscht, da wird ausgeteilt und eingesteckt, da herrscht der Schrecken der Tristesse, der Demütigung und der Ignoranz. In Joachim Krecks No 1 gleicht Rohrbachs Mannschaftskamerad Kunter trotz der durch Abgeschiedenheit geprägten Stimmung dagegen eher jenem souveränen »Dr. Kunter, de[m] Herr[n] der Lage«, den Ror Wolf in seiner Prosacollage »Alles auf einen Blick« (und in etlichen seiner Hörspiele) auftreten läßt. Beide Figuren indes verbindet – Kunter als den scheinbar Unangefochtenen, Rohrbach als den schicksalhaft in die Verhältnisse Verstrickten – in der filmischen Inszenierung die Entfernung vom Sartreschen Ideal des nicht-entfremdeten Gruppenhandelns. »Was ist denn eigentlich mit der Mannschaft los?« fragt Rohrbach. »Wenn eben plötzlich die Gruppe einen nicht will, der gut spielt? Und weil einer hintenrum andauernd arbeitet. – Sie kriegen den Platz am Fenster, und einer kriegt ihn nicht.«

In »Rohrbachs Geschichte«, der Prosafassung, bekundet Thomas Rohrbach seinen Respekt vor Helmut Rahn: »Er war der erste, der aus dem Rahmen brach. Er machte Geschichten. Er fuhr besoffen Auto, er hatte ’ne Schlägerei, er saß mal im Knast; das war’n alles Sachen, die mir gefielen. […] Die andern war’n alle irgendwie niedergemacht.« In Keep Out wird die verzweifelte Anstrengung ausgeleuchtet, Herr seiner selbst und zugleich Teil eines Teams zu sein. Deshalb korrespondiert mit der Ehrbezeugung vor dem autonomen, unerschütterbar eigensinnigen »Boß« schließlich ein zentraler Satz: »Ich kann die ganzen Gesichter oft nicht mehr seh’n.«

Joachim Kreck und Ror Wolf haben im toten Winkel der Filmindustrie mit filmischen Mitteln auf das geblickt, was der tägliche Fußballfilm verdeckt oder absichtsvoll zum Verschwinden bringt – das, was den Fußball ausmacht, in seiner Schönheit wie in seiner Schäbigkeit. Sie haben der Illusion mißtraut, das »Total-Theater Fußball« (Wolf) in seiner vorgetäuschten organischen Gesamtheit abbilden oder darstellen zu können.

Nur in der Collage, in der Dekonstruktion und partiellen Rekonstruktion, nur im montierten Fußballfilmbild erhält sich eine Ahnung davon, welchen Sitz der Fußball als Kunst, zumeist jedoch als Kampf und Krampf in der Wirklichkeit hat. Kaum anzunehmen obendrein, daß in einer zeitgenössischen Kinoproduktion ein Satz wie jener von Thomas Rohrbach fiele: »Dieser Scheißberuf. Guck dir die Idioten an.«

Zwischen Hansch und Potofski

Man schreibt ein Buch. Man schreibt es nicht mal. Man gibt’s heraus. Man ist in der Talkshow. Und dann in noch einer.

Der Fußballmedialbagage und ihren Darbietungen widmeten sich zwei Titel, für die ich als Co-Herausgeber bzw. Co-Autor geradestand und -stehe, Wieder keine Anspielstation und So werde ich Heribert Faßbender, und sofern die Hauptvertreter des Fernsehunheils verstanden, daß die Autoren für Besinnung und Zurückhaltung plädiert hatten, machten sie freilich weiter, als sei nichts gewesen.

Genaugenommen war ja auch nichts gewesen, denn die an Wahn grenzende Annahme, es ließe sich irgend Einfluß nehmen aufs laufende Geschäft, gereicht der Polemik selten zum Vorteil. Irgendwann kommt dessenungeachtet jedoch die Zeit, da man endlich dabeisein darf. Sie bietet unsereinem eine Chance, wie sie das Leben selten bereithält: Buch hochstemmen, Buchtitel ausplaudern, den Spottpreis nennen und mit Verkaufszahlen prahlen.

Im März 1996 ruft das DSF zum sonntäglichen Journalistenfrühschoppen, zu Doppelpaß, dem Warsteiner-Fußballstammtisch. Ehre und Ruhm vor Augen, fliege ich hin und treffe auf einen attackierlustigen, schelmischen Werner Hansch, der mich u. a. des Jungzynikertums bezichtigt und behauptet, ich sei ein »Lümmel«. Was man sich nicht alles sagen lassen muß! Doch der Mann hat recht und soll von Kollege Holzschuh (kicker-Chefredaktion) nochmals recht bekommen und Flankenschutz erhalten.

Doppelpaß reicht bisweilen ans Parodistische heran, liegt seltsam quer zur allgemeinen aufgescheuchten Talkperformance und bietet wenig Raum für bedingungsloses Krakeelen und Greinen. Moderator Rudolph Brückner verhält sich freundlich, nimmt insonderheit die Fraktion der Großsprecher zuweilen nicht allzu ernst, gaukelt weder Einfühlungsvermögen noch gieriges Interesse vor und gibt zu erkennen, daß Fußball wohl schwerlich zu den fünf beachtlichsten Weltgeschehnissen zählt. Werner Hansch, durch ran als Vielschwatz zu zweifelhaftem Ansehen gelangt, tritt nach der Show respektvoll und liebenswürdig in Erscheinung und stellt unter Beweis, daß zuhören kann, wer auf einen Artgenossen trifft. Ähnliches gilt für Jörg Dahlmann.

Warum man allerdings just auf der Talkshowtribüne die journalistische Verwertung des Fußballs meint verhandeln zu müssen, bleibt rätselhaft. Möglicherweise sind Spartenkanäle, denen die Segnungen der Erstrechte verwehrt bleiben, gezwungen, sich als Medien zu präsentieren, die die Reflexion dulden oder – kultivieren. Gegen ein solches Kalkül aber spricht die Hegemonie der symbolischen Vermittlungen, die unter dem Begriff »Diskussionskultur« zusammengefaßt sind. Während ran keine Skrupel vor dem hemmungslosen Starsystem mehr kennt und die eigenen Moderatoren unablässig ins Rampenlicht rückt, dominieren auch andernorts Gekäse und Gekrähe, zumal in Häusern des Springer-Kirch-Agglomerats, etwa im DSF.

*

Ulrich Meyer von Sat.1 hat die Hinterlist und die Raunzsucht im deutschen Fernsehen salonfähig gemacht. Wie er bereits hinreichend eingeschüchterten oder hinlänglich aufgepeitschten Gästen zusetzte, als gelte es, die Abschaffung standrechtlicher Erschießungen medial zu kompensieren, bleibt bis heute unübertroffen. Der Heiße Stuhl, wahrscheinlich lediglich vorläufiger Höhepunkt des dauerhaft zu etablierenden Formats der combat talk show, mußte scheitern, um aufzuerstehen – dort, wo die Schlafmützigkeit augenscheinlich ihren angestammten Ort hat, im DSF, bei Offensiv! Streit live.

Kein Fernsehkritiker dürfe seine Gegner jemals kennenlernen, befiehlt ein ungeschriebenes Gesetz. Trotzdem ging ich auch da hin. Mitnichten würden jedoch einige zentrale Thesen aus Wieder keine Anspielstation diskutiert, hieß es während einer offenbar unentbehrlichen strategischen Vorbesprechung, hier solle, au contraire, dazwischengefunkt und möglichst spektakulär der Widerpart in die Zange genommen und sowieso Stammtischniveau erreicht werden, denn das Motto der Sendung vom 21. Mai 1996 lautete ja zweifelsfrei: »Stoppt die Schönfärberei!«, eine These, der ich zustimmte und die ich zu vertreten gedachte. War ich eigentlich noch zu retten?

Daß in Offensiv! Streit live ein Wort das nächste gibt, hätte ich dann schließlich genauso wissen können. Einer tritt, siehe Der Heiße Stuhl, gegen viere an, einer war ich. Der ehemalige Wrestling-Hallenshouter Oliver Dütschke briefte mich vor dem Startschuß, als gehe es um Leben und Tod, der Rest spielte sich ab, wie es die Gepflogenheiten des rasanten Talks verlangen. Einen Dummkopf rufe man den, der hinterher Klage führt.

Wenigstens opponierten mir zwei Fernsehprofis, die nicht die verlogensten sind: neuerlich Jörg Dahlmann und Ulli Potofski. Sie gaben weder die »Anwälte des Zuschauers«, noch fuhren sie mir, dem die Rolle des einsamen Krakeelers und Arschgesichts zukam, übertrieben forsch an den Karren. Ich teilte freilich ganz gut aus. Allerdings reichen immer zwei, um einem das Leben in der Talkshow zu versauen. Läßt man sich von Jörg Dahlmann die eigenen Redebeiträge durchaus als »hochgradigen Schwachsinn« einstufen und Ulli Potofskis Plädoyers für einen »menschlichen Umgang« mit Beckmann und Wontorra friedfertig passieren, so kläfften DSF-Programmdirektor Kai Blasberg und die kokette Elisabeth Volkmann, bis Verzweiflung zu obsiegen schien. »Sie haben noch nichts Substantielles gesagt«, urteilte Herr Blasberg nach acht Minuten, Frau Volkmann ergänzte: »Konstruktive Kritik bitte, Herr Roth! Das ist ja wie bei der SPD, die kritisiert auch immer, hat aber keine Alternativvorschläge.« Denn höre, Herr Blasberg wußte dito dies: »Das ist ja in der deutschen Linken wohl gang und gäbe – immer alles miesmachen wollen!« Da waren sie eins, da waren sie Bruder und Schwester.

Wie bei der SPD fühlte ich mich mittlerweile tatsächlich, nur: Was hatte ich eigentlich gesagt? Daß Fußball im ran-Format nicht mehr genießbar, daß die Kommentatorenkunst auf den Hund … – »Der Professor Adorno in Frankfurt«, fiel mir ein, »hat immer …«, doch Blasberg war erneut schneller und hielt einem, den er, verstünde es sein taubes Publikumsvolk, am liebsten Wiesengrund rufen würde, posthum zugute: »Ja, ja, der mußte kommen, der mußte kommen.«

Irgendwann blökte ich, schändlich der Stallorder gehorchend, identisch retour, bloß der unerwartet fair und mit Fingerspitzengefühl für heikle Gesprächsmomente agierende Moderator Kai Stecker konnte mich vor rabiat unbedachten Äußerungen bewahren. Schließlich sprang mir der TED bei, weshalb, das weiß der Kuckuck. Mit glatter Zweidrittelmehrheit siegte ich bundesweit und bis nach Österreich hinein. »Der Fußball leidet unter der Show«, und ich belobigte mich insgeheim, den Höllenkreis, der Talkshow heißt, glimpflich durchschritten zu haben.

Gelegenheit fand ich, während die Diskursschlacht tobte, immerhin, darüber zu sinnieren, wieso meine Kontrahenten an pfeilförmigen Tischen aufgereiht worden waren, ich aber hinter einem runden Pult stand.

Man fragt sich so was. Und übrigens: Das Catering ist nicht übel.

Erschlagen in Eschwege

Wenn ich mich nicht täusche, sind dieser Tage auf bundesdeutschen Straßen mehr Engländer denn je unterwegs. Sie begegnen mir dutzend-, beinahe hundertfach, ob in Krefeld oder in Frankfurt am Main. Nur in Eschwege nicht, wohin es die Herren Gsella, Schiffner, Sonneborn und mich verschlug, um während des Open-Flair-Festivals die EM-Begegnung Rußland – Deutschland vor einem erlesenen, satiregeschulten Publikum live zu kommentieren und simultan zu deuten.

Wir hatten uns durch nächtelanges Studium einschlägiger Gazetten die erforderlichen Hintergrundinformationen (Sexaffären, Harnsäurewerte) beschafft, eine feine Dialogregie entworfen und gewagte Witzstafetten geprobt. Z. B. wollten wir die russischen Spieler mit Namen wie Oblomow, Gontscharow, Majakowski und Müller belegen, und vor dem Spiel fiel mir noch ein, daß der Ball durch den berühmten russischen Kreisel »wie am Kanonenschnürchen« rolle, während Herr Sonneborn die schlechte deutsche Bilanz gegen Rußland dahingehend zu erklären gedachte, daß Stalingrad doppelt gezählt werde.

Alles schien sehr schön ausgedacht, die Crew schien bester Laune zu sein. Teilweise magenverstimmt (Gsella, ich) enterten wir um fünf vor vier die Bühne des mit dreihundert Mann vollbesetzten Bierzeltes, manch ein versonnen schmunzelnder Hippie und friedvolle Menschen ließen die Innentemperatur auf 53 Grad Celsius ansteigen. Jubel brach aus, als Schiffner zum ersten-, zum zweitenmal den linken Läufer Ziege »Pickel-Ziege« nannte. Und als Herr Gsella über Pickel-Zieges platzende Ekzeme zu dozieren begann, erklangen starke Gunstbezeugungen: »Werdet ihr dafür bezahlt?« – »Wir wollen Rubenbauer!«

Es waren keine Engländer und keine Russen, diese Menschen, die da saßen und Fußball sehen wollten, ab Minute fünfzehn aber nicht mehr uns. Nach einer halben Stunde bemängelte man, daß Gsella und ich während der lang und länger werdenden Sprechpausen rauchten, ich vernahm sogar einen Ausdruck (»Arschlöcher«), obschon wir konsequent die Russen lobten (»Trotzki, Stalin, prima gemacht!«) und das deutsche Team in schärfster Satirikermanier miesmachten (»Pickel-Ziege verzogen«).

Ob wir zur zweiten Halbzeit überhaupt wieder raus sollten, fragten wir uns im Backstagebereich, Gsella aber stapfte tapfer voran und brillierte mit liebevollen Scherzen über nicht vorgesehene Igel auf dem Spielfeld, die in Arztkoffern verstaut würden. Das gutgelaunte Publikum jaulte und sang: »Maul halten!« Zehn Minuten vor Schluß sagten wir: »Wir halten jetzt mal das Maul.« Beifallssturm.

Nach dem Abpfiff analysierten wir unsere rasante Performance bei Bier und Schnittchen, da stürmte der besoffene Quetschgitarrist einer Eschweger Provinzkapelle (Die Beds oder Die Bads) die Backstagezone, griff in eine auf dem Tisch stehende Obstschale und bewarf uns mit frischen Früchten. Seine Bierflasche sollte Sonneborn erschießen, wurde von ihm jedoch mit dem linken Hoden pariert. Schiffner erlitt mehrere Kiwitreffer, voll ins hämisch grinsende Satirikergesicht, und unter schmählichen Reden zog der schweinisch schnaubende Dorfgitarrero Gsella und mir Bananen über den Scheitel, sprang schließlich Sonneborn an und würgte ihn. Gott sei Dank hatte wenigstens Klinsmann zweimal getroffen, so war der Mensch allein.

Der Himmel schickte einen Securityschrank. Er packte den Stier am Strunznacken und warf ihn hochkant vors Zelt. Wenige Augenblicke später, die »Szene« beruhigte sich leicht, merkte ich gerade noch rechtzeitig, wie ein Dolch häßlich ratschend durch die ledrige Plane stieß und schon an meinem Rücken spitzelte.

Bevor wir alle hinterrücks niedergestreckt werden sollten, eskortierte uns die Wachmannschaft zum Pkw. Mit qualmenden Reifen fegten wir über das steinige Festivalgelände und entkamen in die Innenstadt.

Beim Milchkaffee schüttelten wir uns den Schmutz, den Haß und das Gespött aus den lädierten Knochen. Gsellas Resümee: »Ich war selbst überrascht über meine gute Leistung.«

Sicher, wir hatten eine Menge »Staub« aufgewirbelt. Trotzdem frage ich Sie: Hat das noch was mit Sport zu tun?

Wontorra I

»Deutsche«, zitierte die BamS vom 25. Juli 1997 Jörg »Wonti« Wontorra, »Deutsche« seien – trotz neunationaler Spaß- und Comedy-Culture – »viel zu ernst«. Und, ergänzte der ran-Kamerad auf den Gesellschaftsseiten, die einen Simulationsjournalisten frühester Stunde beim Biß in Evas Paradiesapfel zeigten, den ihm seine Gattin Ariane zwischen die Hauer geklemmt hatte: Man »trifft immer häufiger auf Leute, die gestreßt sind und alles viel zu ernst nehmen«.

Fürwahr: Weil die Vielzuvielen viel zu scharf auf zahllose hochdotierte Jobs sind, macht sich blanker Neid breit, wohin man tritt, und »alles wird« dann obendrein »durch Regeln festgelegt«. 1999, so der BamS-Aufmacher, werde deshalb nach Th. Gottschalk und B. Becker mit Wontorra »wieder ein Prominenter Deutschland den Rücken« kehren, ein Aderlaß ohnegleichen bahne sich an, ein rasender Exodus der besten Köpfe des Landes.

Wontorras Entschluß sitzt fest im Sattel. So möge ihm die Villa »Casa Mucki« zu jenem »Paradies« werden, das schon heute mit »Hanglage«, »Pool« und »eigenem Tennisplatz«, dem »sonnigen Süden«, einem Sack voll »Palmen« und der »deutschen Schule in Marbella« aufwartet. Schließlich inkorporiert der im Wonti-Diminutiv bestens getroffene »clevere Wontorra« (»spekuliert auch an der Börse«) jenen Kretinismus aufs prägnanteste, der »im Alter« die Form der Landsitzweisheit annimmt.

Mutmaßlich dieser mittlerweile grenzenlosen Unzurechnungsfähigkeit wegen mußte Wontorra, über den Umweg ARD/Radio Bremen/Schwimmreportagen (»Flieg, Albatros, flieg!«) zum Oberschwallkopf der Sportkommentatorenzunft gereift, am 28. Juni 1997, als der Bundesligafußball seinen turnusmäßigen Sommerschlaf hielt, auch noch durch die landeskundliche Quiz- und Quasselshow Sommer, Sonne, Sat.1 führen und die nicht minder unangebrachte Schlagerschabracke Vicky Leandros vor südländisch stimmungsvoller Hafenkulisse zu ihren »Lieblingsplätzen auf Kreta« befragen. Denn wenn zwei grienende Showgrößen aus der vierten Reihe jemals füreinander bestimmt waren, dann waren sie’s hier, wo jeder Sinn längst das Weite gesucht hatte.

Was man dem urdeutschen, ernsten Sinn wirklich hoch anrechnete.

Roberts Rhönradreportagen

Wir wollen nicht angeben – aber die im März 1997 erschienene CD Wir rufen Günther Koch! – Ausgewählte Radioreportagen wurde top besprochen und stark gelobt; da ließen sich weder Print- noch sonstige Medien lumpen. Zwar hatte schon am 20. Januar 1994 die Nürnberger Abendzeitung Günther Koch einen »Star-Reporter« genannt und spätestens heuer festgelegt, »der inzwischen zur Kultfigur aufgestiegene Nürnberger Rundfunkreporter« (13. Februar 1998) sei eine Instanz; doch das Feiern kannte ohnehin keine Grenzen. Auf Zeitungsdienste verzichten wir diesmal. SDR 1 (Wir über uns, 13. April 1997) goutierte »erlebte Sprachspiele« und »Sportgeschichte auf CD«, Stuttgarts Privatradios urteilten: »Dann wird eben aus der Bogenkopflampe ein Klassiker – unvergeßlich!« 3sat (Kulturzeit, 4. August 1997) genoß »Formulierungen wie Markenzeichen«, B 2 (Kultur aktuell, 5. Mai 1997) entschied: »Günther Koch läßt keinen Fußballfan kalt.« Dieter Eckstein (B 1, 15. März 1997) bestätigte: »Es gibt so viele schlechte Reporter. Und ein guter dagegen – das ist halt zu wenig.« Wenn schließlich Friedrich Küppersbusch auf dem Beichtstuhl in Willemsens Woche im Brunzton der Überzeugung zum besten gibt, dem »Robert Koch vom BR« reiche sowieso niemand das Wasser, dann kann das nur stimmen; dann darf item Reini Beckmann via seine unverändert gelungene Spitzenshow ran kundtun, Ewald Lienens live dargebotene Kommentarübung sei »ja allerbeste Hörfunkreportage, fast wie seinerzeit aus dem Frankenstadion der Robert Koch«.

Warum aber, Ruhm hin oder her, gleich noch eine ganze Platte mit nix als Robert Koch und Robert-Koch-Reportagen? Na, warum denn nicht; a) bin ich als Herausgeber der ganzen Angelegenheit durchaus geldgierig, ja spitz auf weitere Tantiemen in schwindelerregender Höhe, b) kann ein bißchen Zusatzkohle nie schaden, und c) muß halt sein, was sein muß; d) des Schotters und e) folgender »inhaltlicher Gründe« (O. Tolmein) wg.:

Das schnellste Tor der Bundesligageschichte will festgehalten, neuere Club-Höhepunkte, vornehmlich der Franken Abschied aus dem Regionalligasumpf, müssen für die Ewigkeit konserviert werden, die Bayern-Fans mögen sich an der vierzehnten Deutschen Meisterschaft erfreuen, unzählige geratene und schöne, komische und kriminell spannende Koch-Beiträge harrten ihrer Zugänglichkeit über die Tagesaktualität hinaus. Der brave MSV Duisburg soll eine gewichtige Rolle spielen und Effenbergs Tor, das Koch ankündigte, woraufhin der famose Hessische Rundfunk, mein Sender vor Ort, kurzerhand die bestellte Einblendung verließ. Und als 52,7 Prozent der Hörer von Kochs Hausprogramm, dem B-1-Format Heute im Stadion, Roberts Schilderung des Klinsmann-Anschlußtreffers gegen die Sechziger zum »Radiotor des Jahres 1997« wählten, war die Sache klar.

Außerdem, und da rundet und krümmt sich nun das Projekt Wir hören Günther Koch! gleichsam relativitätstheoretisch wie -praktisch in sich selbst zurück, ruft Wir hören Günther Koch! keinesfalls ausschließlich den Reporter und neuerdings Popstar Robert Koch, sondern wartet zudem, quasi i. S. der Idee des »Bonus-Tracks« (K. Walter), mit gewissermaßen unterhaltungsindustriellen Neuerungen auf, insofern wir uns entschlossen, auch dem Nachwuchs der Gesellschaft was Tanzbares anzubieten, sprich Musik zu integrieren. Und brandneue, ja verteufelt frische, speziell für diesen Tonträger rasch zusammengedengelte zumal.

»Ein Mann, ein Schuß, ein Tor – Der inoffizielle Song zur Fußball-WM ’98« ist unter keinen Umständen lediglich der inoffizielle Song zur Fußball-WM 1998, sondern wahrscheinlich ein geheimtipmäßiger Chartbreaker der dröhnendsten Sorte. Um ihn, den Smash-Hit, nicht allein in der Gegend herumstehen zu lassen und die kompositorische, die stilistische Balance zu wahren, findet sich mit dem Ska-Evergreen »G. Koch« von den Hinks ein zweites Stück ein. Gerne wiederveröffentlicht hätten wir weitere Paradebeispiele aus dem Genre des Fußballiedgutes avec Robert Koch, berückend fatale Moments musicaux wie Peter Fabian und die Treuen: »Wir fahren zum Club« (Musik: Dill/Tillis, dt. Text: Fabian; Arena Sound 1987), die nie auf Platte gebannte, Harold Faltermeyers »Axel F.« nachstellende Sampling-Rap-Dance-Produktion »Papa Tooor!« (Berlin 1988) oder den Frankengassenhauer »Nürnberg grüßt Europa« der Conny Wagner Show Band (MAXX Tonträger; enthält den schon sehr ausdauernden »Long version disco mix«), eine rare Weise, die die Weather Girls und die Schwedencombo Europe ingeniös miteinander vermalmt und den Hauch des Zeppelinfeldes atmet. Allein, der Platz reichte erneut nicht. Die Wissenschaft wird später nachsetzen, Klaus Walter verborgene Hipness und andere Trashkomponenten explorieren müssen.

Am dollsten aber rockt eh Robert Koch pur. Auf vielfachen Wunsch haben wir keine Mühe gescheut, sogar das Nicht-Fußballerische breit zu berücksichtigen; also einerseits die technische Seite jeder Fußballradioreportage zu dokumentieren und Exempel für Schneidekommandos und Atmosphärisches einzustreuen (am 21. Februar 1998, kurz nach Redaktionsschluß, verstarb 75jährig Fritz Hausmann, der Gründer und langjährige Leiter von Heute im Stadion, seine Moderationen erinnern an bessere Zeiten); andererseits hören wir hier erstmals auch den Rhönradreporter Robert Koch, den Kanukommentator und den Schachschlawiner, der keine Konfrontation scheuen muß mit Samuel Becketts als herausragende Leistung des Sprachschaffens sanktionierter Schachreportage: »Bald verging eine ganze Pause, ohne daß irgendein Positionswechsel eintrat, bald war das ganze Brett in Aufruhr und glich einem Gewoge von Zügen.« (Murphy, Reinbek 1987) Vergleichen Sie nur selbst!

Kaum zu ignorieren wäre und ist Robert Kochs Dernydiskurs. Größeren Raum nimmt, vom Dernysport abgesehen, der Derbygedanke ein. Nicht bloß das traditionelle Münchner Kräftemessen wird sorgfältig aufgearbeitet, überdies das wohl noch brisantere Nürnberg-Fürther Nachbarschaftsduell sieht sich gewürdigt. Im übrigen schafft Bayerns unvergessene Pokalschlappe gegen Vestenbergsgreuth zwischen München und Mittelfranken stringente Querverbindungen; so daß, den Interdependenzansatz zuspitzend, zuletzt die exquisiten, oft meisterschaftsentscheidenden Maispiele der Bayern (gegen Sechzig und den VfB) die Brücken schlagen zu Wir rufen Günther Koch!, wie es eleganter nicht ginge. Wobei wir, um den Braten vollends abzuschmecken, obendrein die spektakuläre Klinsmann-Getränkedose angesprochen hören.

Allerdings fehlen abermals gewichtige Ereignisse und Reportagen, die es beinahe auf Wir hören Günther Koch! geschafft hatten und aus Platzgründen im allerletzten Moment abschmierten: Handballeuropapokalendspiele z. B., die Deutschen Schülermeisterschaften im Feldfaustball (SV Hof 1911 – TuS Rot-Weiß Koblenz), ein Livebericht vom Torwarttraining der Club-Amateure (vom 6. August 1980), Ringen selbstredend, Rallyesport, Eisschnellauf, Fechten, Biathlon und die eigentlich unverzichtbare Auseinandersetzung zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem FSV Frankfurt.

Wer weiß, wer weiß, was fürderhin uns und Ihnen, geneigte Hörer, noch blüht. »Prellball?« fragte SDR 3 (Leute, 24. April 1997). »Schwierig«, so Robert »Günther« Koch.